Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung: Kaum Bewe­gung beim Infektionsschutz

Schon seit dem 1. Januar 2021 unterstreicht das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) den Anspruch der Betriebe auf die Vergütung des pandemiebedingten PSA-Mehraufwands. „Darüber hinaus können die Vertragsparteien in den Verträgen nach Satz 1 auch ­einen Ausgleich der Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen infolge der Covid-19-Pandemie vereinbaren“, heißt es diesbezüglich im geänderten Absatz 1 (Satz 2) des § 127 SGB V. Doch was hat sich inzwischen getan?

Die im Zuge der Coro­na-Pan­de­mie erheb­lich gestie­ge­nen Kos­ten für per­sön­li­che Schutz­ausrüstung (PSA), wel­che die ortho­pä­die­tech­ni­schen Betrie­be und Sani­täts­häu­ser schul­tern müs­sen, wur­den ­unter ande­rem im Live-Video­talk „Gesund­heits­po­li­tik im OTon“ des Bünd­nis­ses „Wir ver­sor­gen Deutsch­land“ (WvD) Ende Febru­ar 2021 ein­dring­lich the­ma­ti­siert. So sei­en Hand­schu­he zum Bei­spiel um 300 Pro­zent teu­rer gewor­den, wie es in der von den Bünd­nis­part­nern orga­ni­sier­ten Run­de hieß. „Hand­schu­he sind das neue Gold“, zitierte­ ­Patrick Gru­n­au, Fach­be­reichs­lei­ter Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on & Mar­ke­ting bei Reha­vi­tal, damals einen sei­ner ­Lie­fe­ran­ten. Vor allem wur­de uni­so­no die man­geln­de Bereit­schaft der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen beklagt, die Mehr­kos­ten zu über­neh­men bzw. in ent­spre­chen­de Ver­trags­ver­hand­lun­gen ein­zu­tre­ten. Die den Ver­trags­prei­sen zugrun­de­lie­gen­den Kal­ku­la­tio­nen wür­den nicht zuletzt des­halb nicht mehr abgebildet.

Das Bünd­nis WvD hat im Mai eine Über­sicht der bis­he­ri­gen Ver­trä­ge für Hygie­ne­pau­scha­len zusam­men­ge­stellt (sie­he unten). Dem­nach erklär­ten sich nur sehr weni­ge der mehr als 100 gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen zur Über­nah­me von erhöh­ten PSA-Kos­ten bereit: Sie­ben Ver­trä­ge sind in der Lis­te ver­zeich­net. „Auch dort, wo Ver­trä­ge geschlos­sen wur­den, tra­gen die Häu­ser nach wie vor die Haupt­last und die Kas­sen über­neh­men nur einen sehr über­schau­ba­ren Teil“, kon­sta­tiert Albin May­er, BIV-OT-Vize­prä­si­dent und Vor­sit­zen­der des Wirt­schafts­aus­schus­ses. „Der ein­zi­ge Ver­trag, der sich über­haupt auf eine soli­da­ri­sche Lösung ein­ge­las­sen hat, wur­de mit der AOK Plus geschlossen.“

Im Sani­täts­haus kei­ne Infektionsgefahr?

Im All­ge­mei­nen, so zeigt zumin­dest die Tabel­le, wer­den kei­ne PSA-Zuschlä­ge bei Pati­en­ten­kon­tak­ten gewährt, die im Laden­lo­kal statt­fin­den und bei denen der Abstand von 1,50 Metern für Bera­tung, Ein­wei­sung oder Anpas­sung eines Hilfs­mit­tels unter­schrit­ten wer­den muss. „Dabei geht es nicht nur um ein paar Minu­ten! In den sel­tens­ten Fällen­ sind Anpas­sung und Bera­tung in Zeit­räu­men unter 15 Minu­ten mög­lich, wie es die Kran­ken­kas­sen anzu­neh­men glau­ben. Für eine kon­fek­tio­nier­te Wir­bel­säu­len­ver­sor­gung wer­den zum Bei­spiel rund 60 Minu­ten benö­tigt, für eine Ban­da­gen­ver­sor­gung 22 Minu­ten und mehr, vie­le Osteo­po­ro­se­ver­sor­gun­gen dau­ern weit mehr als eine Stun­de“, führt May­er aus. „Die Kran­ken­kas­sen schei­nen das gar nicht zu wis­sen. Als bestün­de im Sani­täts­haus in Pan­de­mie­zei­ten kei­ne gestei­ger­te Infek­ti­ons­ge­fahr für Patient:innen und Per­so­nal! Krankenkassenvertreter:innen argu­men­tie­ren mit Ver­ein­fa­chun­gen für den sta­tio­nä­ren Sani­täts­fach­han­del wie Ver­sand­op­ti­on oder Ver­zicht auf Unter­schrif­ten. Doch die­se sind aus­schließ­lich auf Kon­takt­ver­mei­dung, nicht auf Kos­ten­er­spar­nis aus­ge­rich­tet“, kri­ti­siert er. Es sei zum Glück weit­ge­hend unzu­läs­sig, indi­vi­du­ell ange­pass­te, oft kör­per­na­he Ver­sor­gun­gen sowie detail­lier­te Ein­wei­sun­gen durch Ver­sand zu erset­zen, um den Ver­sor­gungs- und Behand­lungs­er­folg nicht zu gefähr­den. Zudem fie­len beim Ver­sand von Hilfs­mit­teln ja eben­falls Zusatz­kos­ten an. Schluss­end­lich fän­den Schutz­maß­nah­men wie Des­in­fek­tio­nen der­zeit infol­ge der pan­de­mi­schen Situa­ti­on in deut­lich höhe­rer Fre­quenz statt, so Mayer.

Unter dem Mot­to „Infek­ti­ons­schutz ver­zeiht kei­ne Kom­pro­mis­se“ hat das Bünd­nis WvD eine­ ­poli­ti­sche Initia­ti­ve gestar­tet, um auf das PSA-Pro­blem bun­des­weit auf­merk­sam zu machen. Dabei wird ein poli­ti­sches Man­dat für den GKV-Spit­zen­ver­band gefor­dert, um das GPVG umzu­set­zen. „Es braucht eine poli­ti­sche Wei­chen­stel­lung, die den GKV-Spit­zen­ver­band zu Ver­hand­lun­gen über einen fai­ren PSA-Kos­ten­er­satz für sei­ne ange­schlos­se­nen Kran­ken­kas­sen gesetz­lich ermäch­tigt. Somit wür­de die Ent­schei­dung nicht mehr jeder Kas­se ein­zeln oblie­gen“, betont Albin May­er. „Außer­dem soll­te bei der Kos­ten­über­nah­me für erhöh­te Infek­ti­ons­schutz­aus­ga­ben bei kri­ti­schen Kon­tak­ten – also Unter­schrei­ten des Sicher­heits­ab­stands von 1,50 Metern – wäh­rend der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung nicht zwi­schen Innen- und Außen­dienst unter­schie­den wer­den, son­dern nach Auf­wand und Zahl der Kon­tak­te, die bei einer Ver­sor­gung nötig sind.“

Cath­rin Günzel

Über­sicht über die Verträge

 

Beding­te Bereitschaft
„Seit Anfang des Jah­res hat der Gesetz­ge­ber den § 127, Abs. 1, SGB V dahin­ge­hend geän­dert, dass zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Hilfs­mit­tel-Leis­tungs­er­brin­gern ein Aus­gleich der Kos­ten für erhöh­te Hygie­ne­maß­nah­men infol­ge der Covid-19-Pan­de­mie ver­ein­bart wer­den kann – nach­dem unse­re Betrie­be bereits seit Beginn der Pan­de­mie im März 2020 schon die Kos­ten kom­plett allein getra­gen haben“, unter­streicht Petra Men­kel, Vor­stands­vor­sit­zen­de des Fach­ver­bands Nord­ost und stell­ver­tre­ten­de Ober­meis­te­rin der Lan­des­in­nung für Ortho­pä­die­tech­nik Ber­lin-Bran­den­burg, in Bezug auf das The­ma PSA-Ver­gü­tung durch die gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­run­gen (GKV). „Dem Wil­len des Gesetz­ge­bers kom­men die Kran­ken­kas­sen aber auch bis jetzt nur sehr bedingt und das auch nur auf Druck nach. Auf Bun­des- wie auf Lan­des­ebe­ne wird ver­sucht, sich hier gegen­sei­tig die Ver­ant­wor­tung zuzu­schie­ben. Wenn es dann Kos­ten­be­tei­li­gun­gen gibt, wer­den die­se ein­sei­tig von den Kas­sen vor­ge­ge­ben und sind kei­nes­falls ange­mes­sen. Frag­lich ist auch die bis­he­ri­ge Maß­ga­be, dass – wenn gezahlt wird – dies nur mög­lich ist, wenn die Ver­sor­gung in einem Kran­ken­haus oder Heim erfolgt, nicht aber in der Betriebs­stät­te des Leis­tungs­er­brin­gers. Auch hier ‚ducken’ sich die Kas­sen vor der Ver­ant­wor­tung wie Rea­li­tät weg“, so Men­kel. „Unse­rer Mei­nung nach ist es aber auch ein Web­feh­ler der Poli­tik, hier eine Lösung über den § 127 im Rah­men von Ver­hand­lun­gen erzie­len zu wol­len“,­ erklärt Men­kel. „Benö­tigt wird ein bun­des­ein­heit­li­cher und ange­mes­se­ner Pau­schal­aus­gleich, der für alle Kas­sen ver­bind­lich und rück­wir­kend zu zah­len ist. Dies wur­de in der Pan­de­mie bereits in ande­ren Berei­chen des Gesund­heits­we­sens umge­setzt und hier soll­te es genü­gend Erfah­rungs­wis­sen geben.“ 
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