Sili­kon-Maß­li­ner: effi­zi­en­te Lösun­gen für anspruchs­vol­le Prothesenversorgungen

E. Gibson
Maßliner erweisen sich als effiziente Lösung für anspruchsvolle Versorgungen, um die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen der Patienten zu erfüllen. Der Artikel befasst sich mit verschiedenen Indikationen sowie deren Problemen und Lösungen. Zudem werden unterschiedliche Herstellungsverfahren erläutert. Verschiedene Versorgungsprobleme wie Kompression und Passform, knöcherne Prominenzen, lokale Linerdicken, Narben und Hinterschneidungen sowie besondere Formen und Größen zeigen, wie maßgefertigte Silikonliner individuelle Bedürfnisse erfüllen können. Sie sind somit eine vielversprechende Option, um die Herausforderungen in der Prothesenversorgung erfolgreich zu bewältigen und die Lebensqualität und Mobilität von Prothesenträgern zu verbessern.

 

Ein­lei­tung

Bereits seit Jahr­zehn­ten steht die Pro­the­tik im Fokus der Wis­sen­schaft und unter­liegt einem kon­ti­nu­ier­li­chen fort­schritt­li­chen Wan­del, der das Leben von ampu­tier­ten Men­schen mehr und mehr erleich­tert. Eine wich­ti­ge Rol­le spie­len dabei maß­an­ge­fer­tig­te Liner, denn sie garan­tie­ren nicht nur eine prä­zi­se­re und kom­for­ta­ble­re Ver­sor­gung, son­dern revo­lu­tio­nie­ren zudem die Her­an­ge­hens­wei­se an kom­ple­xe Pro­the­sen­ver­sor­gun­gen. Die­ser Arti­kel wid­met sich der tief­grei­fen­den Ana­ly­se der ein­zel­nen Indi­ka­tio­nen und deren Her­aus­for­de­run­gen, denen Pro­the­sen­trä­ger gegen­über­ste­hen, sowie inno­va­ti­ven Lösun­gen, die Maß­li­ner bie­ten kön­nen. Die ver­schie­de­nen Aspek­te, von der manu­el­len Anpas­sung bis zur digi­ta­len Fer­ti­gung, wer­den erläu­tert, um ein umfas­sen­des Ver­ständ­nis für die Leis­tungs­fä­hig­keit und Viel­sei­tig­keit die­ser Tech­no­lo­gie zu vermitteln.

Maß­li­ner: ver­schie­de­ne Aus­füh­run­gen, unter­schied­li­che Ergebnisse

Die Her­stel­lungs­ver­fah­ren von Maß­li­nern haben sich im Lau­fe der Zeit erwei­tert, sodass es heu­te vie­le alter­na­ti­ve Fer­ti­gungs­ver­fah­ren gibt, deren Erzeug­nis­se häu­fig unter dem Ober­be­griff „Maß­li­ner“ zusam­men­ge­fasst wer­den. Die am häu­figs­ten ver­wen­de­ten Ver­fah­ren zur Her­stel­lung wer­den im Fol­gen­den vorgestellt.

Aus­sprit­zen

Das manu­el­le Aus­sprit­zen eines Modells ist ein tra­di­tio­nel­les, bewähr­tes Ver­fah­ren und wich­ti­ger Bestand­teil der Pro­the­tik. Zunächst wird ein Abdruck des Stump­fes genom­men, in der Regel mit­hil­fe von Gips; immer häu­fi­ger greift man aber auf digi­ta­le Optio­nen wie den 3D-Scan zurück. Anschlie­ßend wird ein Modell her­ge­stellt, das in der Regel aus Gips besteht oder durch eine CNC-Frä­se gefer­tigt wird. Eine zusätz­li­che Schicht (ein Dum­my), der auf das Posi­tiv auf­ge­bracht wird, gibt die fina­le Mate­ri­al­stär­ke des Liners vor. Durch Schlei­fen des Dum­mys oder Auf­tra­gen von zusätz­li­chem Mate­ri­al kön­nen die loka­len Dicken des Liners ver­än­dert wer­den. Der Dum­my wird mit einer Außen­scha­le über­zo­gen und in Fol­ge ent­fernt. Danach kann RTV-Sili­kon in den Hohl­raum zwi­schen Außen­scha­le und Posi­tiv­mo­dell gespritzt wer­den. Nach dem Aus­här­ten wird auch die Außen­scha­le ent­fernt. Um die Deh­nungs­ei­gen­schaf­ten des Mate­ri­als bes­ser kon­trol­lie­ren zu kön­nen, kann auf die äuße­re Flä­che des Liners optio­nal eine nicht-haf­ten­de Tex­til­be­schich­tung geklebt wer­den (Abb. 1).

Spritz­guss

Im Bestre­ben, die Her­stel­lung von maß­an­ge­fer­tig­ten Linern zu indus­tria­li­sie­ren, haben eini­ge Her­stel­ler ein spritz­guss­ba­sier­tes Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, das im Ver­gleich zur klas­si­schen Metho­de erheb­li­che Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen ermög­licht. Bei die­sem halb­di­gi­ta­li­sier­ten Ver­fah­ren wird zunächst ein 3D-Scan des Stump­fes ange­fer­tigt. Die­ser 3D-Scan wird digi­tal modi­fi­ziert und in eine stan­dar­di­sier­te Form (konisch oder zylin­drisch) ein­ge­fügt. Der Zwi­schen­raum, der so ent­steht, wird aus­ge­spritzt, sodass das End­pro­dukt eine indi­vi­du­el­le Innen­form (z. B. Berück­sich­ti­gung von Nar­ben) und eine stan­dar­di­sier­te Außen­form auf­weist (Abb. 2).

Die stan­dar­di­sier­te Außen­form ermög­licht eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Ver­ar­bei­tung, da der Stoff­be­zug sehr kon­trol­liert auf­ge­bracht wer­den kann. Die loka­len Dicken des Liners erge­ben sich jedoch aus der (Innen- minus Außen-)Form und kön­nen nicht frei ange­passt werden.

HTV (Fest­si­li­con­kau­tschuk)

HTV-Liner wer­den eben­falls als indi­vi­du­el­le Sili­kon­li­ner (oder Sili­kon­schäf­te) bezeich­net. HTV-Sili­kon ist ein zwei­kom­po­nen­ti­ges, pas­ten­ar­ti­ges Mate­ri­al, das in Plat­ten her­ge­stellt und auf ein Gips­po­si­tiv auf­ge­tra­gen wird. Die Dicke des Liners kann durch das Auf­tra­gen meh­re­rer Schich­ten oder durch die Kon­trol­le der Dicke der ver­wen­de­ten Schicht bestimmt wer­den (Abb. 3).

Da auch die­ses Her­stel­lungs­ver­fah­ren in Hand­ar­beit erfolgt, las­sen sich die Eigen­schaf­ten der Dicke nur bedingt repro­du­zie­ren. HTV-Liner sind auf­grund der höhe­ren Shore-Här­te sehr halt­bar, kön­nen aber in der Regel nicht auf den Stumpf auf­ge­rollt wer­den. Statt­des­sen muss der Stumpf ein­ge­zo­gen werden.

Ther­mo­ver­form­bar

Eine Alter­na­ti­ve zu maß­an­ge­fer­tig­ten Linern ist die Ver­wen­dung eines stan­dar­di­sier­ten Liners, der aus einem ther­mo­form­ba­ren Mate­ri­al her­ge­stellt wird. Bei die­sem Ver­fah­ren wird der Liner auf ein Posi­tiv­mo­dell des Stump­fes gezo­gen und für eine bestimm­te Zeit erwärmt. Nach­dem das Mate­ri­al abge­kühlt ist, behält es die Form bei, die es bei den hohen Tem­pe­ra­tu­ren ange­nom­men hat, und erhält so sei­ne indi­vi­du­el­le Form (Abb. 4).

Die­se Art von Linern ermög­licht eine bes­se­re Anpas­sung an unge­wöhn­li­che For­men, die Dicke kann aller­dings nicht ver­än­dert wer­den. Außer­dem kann die­se Art von Linern nur bis zu einem gewis­sen Grad ver­formt wer­den. Das bedeu­tet: Für man­che Stumpf­for­men lässt sich kein stan­dar­di­sier­ter ther­mo­form­ba­rer Liner fin­den, des­sen Form so weit umge­formt wer­den kann, dass eine gute Pass­form erreicht wird.

3D-Sili­kon­druck

Das neu­es­te Ver­fah­ren zur Her­stel­lung indi­vi­du­el­ler Liner basiert auf einem voll­stän­dig digi­ta­len Pro­zess: dem 3D-Druck von Sili­kon. Auch hier wird im ers­ten Schritt ein 3D-Scan des Stump­fes genom­men. Der 3D-Scan wird anschlie­ßend digi­tal nach­be­ar­bei­tet, um die spä­te­re Kom­pres­si­on anzu­pas­sen und die Dicken zu bestim­men. Die Dicken kön­nen lokal prä­zi­se gesteu­ert wer­den, um die gewünsch­ten Funk­tio­nen (z. B. Dämp­fung, Fle­xi­bi­li­tät, Pro­prio­zep­ti­on) zu erfül­len. Mit­hil­fe eines 3D-Sili­kon­dru­ckers wird dann das digi­ta­le Modell her­ge­stellt. Im letz­ten Schritt wird der fer­ti­ge 3D-gedruck­te Liner mit einem Stoff­be­zug und dem gewünsch­ten Anbin­dungs­sys­tem ver­se­hen (Abb. 5).

Aus­wir­kun­gen der Her­stel­lungs­pro­zes­se auf die Pro­duk­tei­gen­schaf­ten und Leistungen

Auch wenn alle Liner, die aus den oben beschrie­be­nen Her­stel­lungs­ver­fah­ren her­vor­ge­hen, als maß­ge­fer­tig­te Liner bezeich­net wer­den, haben die Pro­duk­te je nach Her­stel­lungs­tech­no­lo­gie unter­schied­li­che Eigen­schaf­ten und bie­ten unter­schied­li­che Leis­tun­gen. Das liegt an den vie­len Her­stel­lern, die die­se Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gien anwen­den. Die vor­lie­gen­de Leis­tungs­be­wer­tung ist daher nicht qua­li­ta­tiv und je nach Her­stel­ler poten­zi­ell ungenau.

Dar­über hin­aus wer­den wich­ti­ge Leis­tungs­fak­to­ren mit ein­be­zo­gen, wenn es um die Wahl eines maß­ge­schnei­der­ten Liners geht, wie z. B. Lie­fer­zeit, Halt­bar­keit, Ästhe­tik, hoch­wer­ti­ge Ver­ar­bei­tung, Aus­wahl an ver­schie­de­nen Anbin­dungs­mög­lich­kei­ten oder Sup­port, Ser­vice und Fach­wis­sen. Die­se Fak­to­ren wer­den in der obi­gen Ana­ly­se nicht berück­sich­tigt, da sie eben­falls her­stel­ler­ab­hän­gig sind. Unter­schie­de der funk­tio­na­len Merk­ma­le und Leis­tun­gen der Tech­no­lo­gien sind in Tabel­le 1 dargestellt.

Im wei­te­ren Ver­lauf kon­zen­trie­ren wir uns auf 3D-gedruck­te Liner, da die­se das brei­tes­te Leis­tungs­spek­trum abde­cken. Vie­le der in den fol­gen­den Abschnit­ten erör­ter­ten Punk­te gel­ten sicher­lich auch für ande­re Arten von maß­ge­fer­tig­ten Linern, eini­ge jedoch mög­li­cher­wei­se nicht.

Typi­sche Versorgungsprobleme

Maß­ge­schnei­der­te Liner kön­nen Lösun­gen für eine Viel­zahl von Indi­ka­tio­nen bei allen Arten von Ampu­ta­tio­nen bie­ten. Die­se Indi­ka­tio­nen wur­den in fünf Haupt­ka­te­go­rien ein­ge­teilt, die im Fol­gen­den erläu­tert werden.

Kom­pres­si­on und Passform

Die Ver­wen­dung eines Liners, der die rich­ti­ge Kom­pres­si­on auf den Stumpf aus­übt, ist der Schlüs­sel zu einer erfolg­rei­chen Pro­the­sen­ver­sor­gung. Einen Liner zu fin­den, der die­sen Anfor­de­run­gen gerecht wird, ist jedoch nicht immer einfach.

Eine zu hohe Kom­pres­si­on kann den Blut­fluss behin­dern, was zu einem Taub­heits­ge­fühl im Stumpf füh­ren kann oder dazu, dass der Liner nicht über einen län­ge­ren Zeit­raum getra­gen wer­den kann. Zudem kann es zu einem unan­ge­neh­men Tra­ge­ge­fühl und Haut­rei­zun­gen kom­men. Eine zu gerin­ge Kom­pres­si­on hin­ge­gen erhöht das Risi­ko, aus dem Liner her­aus­zu­rut­schen und die Haf­tung zu ver­lie­ren, sodass die Pro­the­se nicht mehr sicher getra­gen wer­den kann oder zumin­dest nicht mehr gefühlt wird. Eine unzu­rei­chen­de Kom­pres­si­on wird auch mit dem Auf­tre­ten von Luft­ein­schlüs­sen zwi­schen Stumpf und Liner, mit über­mä­ßi­gem Schwit­zen sowie rei­bungs­be­ding­ten Haut­ver­let­zun­gen wie Bla­sen oder Rei­zun­gen in Ver­bin­dung gebracht.

Stan­dard­li­ner exis­tie­ren in allen mög­li­chen Grö­ßen und oft in zylin­dri­scher oder koni­scher Form, alle sind von Natur aus vor­de­fi­niert. Die meis­ten Stümp­fe las­sen sich mit dem gewähl­ten Stan­dard­li­ner gut ver­sor­gen, sodass die Kom­pres­si­on ent­lang des Stump­fes aus­rei­chend ist. In eini­gen Fäl­len ist die Über­ein­stim­mung zwi­schen Stumpf- und Liner­form jedoch sub­op­ti­mal und dient eher als Kom­pro­miss und nicht als idea­le Lösung.

Maß­ge­fer­tig­te Liner, kön­nen eine viel bes­ser kon­trol­lier­te Anpas­sung an den Stumpf und damit eine homo­ge­ne­re Kom­pres­si­on gewähr­leis­ten, da sie auf der Grund­la­ge der ana­to­mi­schen Form des zu ver­sor­gen­den Stump­fes her­ge­stellt wer­den. Dies gilt für alle For­men, ins­be­son­de­re aber für Stümp­fe mit gro­ßer Umfangs­va­ria­ti­on oder Birnenformen.

Bei­spiel 1: TT-Stumpf mit koni­scher Form

Bei einem TT-Stumpf erweist sich ein Stan­dard­li­ner als unge­eig­net, da er am Ober­schen­kel zu eng anliegt. Ein Maß­li­ner hin­ge­gen kann am gan­zen Stumpf eine gleich­mä­ßi­ge Kom­pres­si­on errei­chen (Abb. 6).

Bei­spiel 2: Fehlbildungen

Eben­so kön­nen ange­bo­re­ne oder Dys­me­lie-Fäl­le eher unge­wöhn­li­che For­men auf­wei­sen, für die es oft kei­ne geeig­ne­te Stan­dard­li­ner auf dem Markt gibt. Die Alter­na­ti­ve zur Ver­wen­dung eines maß­ge­fer­tig­ten Liners bestün­de in sol­chen Fäl­len dar­in, über­haupt kei­nen Liner zu ver­wen­den. Maß­ge­fer­tig­te Liner sind oft die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die­sen Anwen­dern alle Vor­tei­le zu bie­ten, die mit einem Liner ein­her­ge­hen (Abb. 7).

Bei­spiel 3: Knie­ex­ar­ti­ku­la­tio­nen mit pro­mi­nen­ten Kondylen

Eine unzu­rei­chen­de Kom­pres­si­on kann auch das Ergeb­nis eines Ungleich­ge­wichts zwi­schen der Form des Liners und der Form des Stump­fes sein. Die kan­ti­ge dista­le Form der Femur­kon­dylen bei knie­ex­ar­ti­ku­lier­ten Glied­ma­ßen ist ein gutes Bei­spiel dafür, wie ein schlecht sit­zen­der Liner Kom­pres­si­on in einem Bereich aus­üben kann, wo sie nicht erwünscht ist (Abb. 8).

Bei­spiel 4: Pro­mi­nen­ter Fibulakopf

Knö­cher­ne Pro­mi­nen­zen sind in der Ver­sor­gung mit Pro­the­sen all­ge­gen­wär­tig. Ins­be­son­de­re bei der Her­stel­lung und Anpas­sung ist es ent­schei­dend, die knö­cher­nen Pro­mi­nen­zen des Stump­fes ange­mes­sen zu berück­sich­ti­gen. Wenn dies nicht geschieht, kön­nen Druck­stel­len ent­ste­hen, die nicht nur Schmer­zen ver­ur­sa­chen, son­dern auch die Haut schä­di­gen kön­nen. Das vor­de­fi­nier­te Dicken­pro­fil von kon­fek­tio­nier­ten Linern wird den indi­vi­du­ell ana­to­mi­schen Gege­ben­hei­ten des Stump­fes nicht immer gerecht. Ein Liner mit einem dick aus­ge­leg­ten Pro­fil mag zwar den pro­mi­nen­ten knö­cher­nen Bereich ange­mes­sen schüt­zen, führt jedoch zu einer ein­ge­schränk­ten Ansteue­rung der Pro­the­se sowie einer ver­min­der­ten Pro­prio­zep­ti­on. Des Wei­te­ren birgt die stan­dar­di­sier­te Form­ge­bung das Risi­ko einer Über­deh­nung des Liners (z. B. Fibu­la­köpf­chen) und damit einer über­mä­ßi­gen Druck­aus­übung auf pro­mi­nen­te Stel­len des Stump­fes. Durch die Ver­wen­dung eines indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten Liners kön­nen die auf­ge­führ­ten Pro­ble­me auf ein Mini­mum redu­ziert, wenn nicht sogar gänz­lich ver­mie­den wer­den (Abb. 9).

Loka­le Linerdicken

Die Anpas­sung der loka­len Dicken des Liners an die ana­to­mi­schen Gege­ben­hei­ten der Glied­ma­ße kann dem Pro­the­sen­trä­ger zahl­rei­che Vor­tei­le bieten.

Einer davon ist die Ver­wen­dung einer dicke­ren Mate­ri­al­schicht im Bereich der druck­emp­find­li­chen Zonen. Da das Volu­men des Stump­fes im Lau­fe des Tages vari­iert, kann sich der Sitz des Schaf­tes ändern und es kön­nen loka­le Druck­spit­zen auf­tre­ten. Eine dicke­re Pols­ter­schicht trägt dazu bei, die Belas­tung auf einen grö­ße­ren Bereich zu ver­tei­len und somit den Druck an der Haut­ober­flä­che von der vom Schaft ver­ur­sach­ten Druck­spit­ze zu ver­rin­gern. Dies kann einen deut­lich höhe­ren Kom­fort und ein gerin­ge­res Risi­ko von Haut­ver­let­zun­gen bewir­ken (Abb. 10).

Pati­en­ten, deren ers­te Ampu­ta­ti­on meh­re­re Jah­re zurück­liegt, nei­gen dazu, im Lau­fe der Zeit Mus­keln und Weich­ge­we­be zu ver­lie­ren, was dazu führt, dass knö­cher­ne Struk­tu­ren unter der Haut zum Vor­schein kommen.

Vie­le Unter­schen­kel­am­pu­tier­te wei­sen knö­cher­ne Vor­sprün­ge auf, die sie für das oben beschrie­be­ne Pro­blem sehr emp­find­lich machen kön­nen. In sol­chen Fäl­len kann eine zusätz­li­che Pols­te­rung der Kno­chen­vor­sprün­ge den Tra­ge­kom­fort ver­bes­sern (Abb. 11).

Eine wei­te­re Mög­lich­keit der loka­len Dicken­an­pas­sung besteht dar­in, die Stär­ke des Liners auf Knie­hö­he auf ein Mini­mum zu redu­zie­ren, um die Knie­beu­gung für trans­ti­bi­al Ampu­tier­te zu ver­bes­sern. Dies ermög­licht eine maxi­ma­le Deh­nung, mini­miert die Kom­pres­si­on auf die Knie­schei­be und begrenzt die Fal­ten­bil­dung in der Knie­keh­le (Fos­sa poplitea).

Lan­ge Stümp­fe, wie Knö­chel- oder Knie­ex­ar­ti­ku­la­tio­nen, pro­fi­tie­ren eben­falls von einer indi­vi­du­ell ange­pass­ten Mate­ri­al­stär­ke. Die dista­le Dicke des Liners kann redu­ziert wer­den (vor allem bei dista­ler Belast­bar­keit), um im Ver­gleich zu Stan­dard­li­nern manch­mal bis zu einen Zen­ti­me­ter ein­zu­spa­ren. Dies wirkt sich nicht nur posi­tiv auf das ästhe­ti­sche Erschei­nungs­bild aus, son­dern kann auch die Ver­wen­dung dyna­mi­sche­rer Pro­the­sen­kom­po­nen­ten ermög­li­chen, die das all­ge­mei­ne Ver­sor­gungs­er­geb­nis posi­tiv beeinflussen.

Nar­ben und Hinterschneidungen

Die Behand­lung von Stümp­fen mit Nar­ben oder Hin­ter­schnei­dun­gen mit einem Stan­dard­li­ner kann zu ver­schie­de­nen Kom­pli­ka­tio­nen füh­ren. Oft blei­ben Luft­ein­schlüs­se zwi­schen Haut und Liner, wel­che über­mä­ßi­ges Schwit­zen und rei­bungs­be­ding­te Haut­ver­let­zun­gen aus­lö­sen kön­nen. Maß­ge­fer­tig­te Liner kön­nen die­sem Pro­blem ent­ge­gen­wir­ken. Durch die zusätz­li­che Ver­wen­dung von Mate­ri­al im Bereich der Nar­be oder der Haut­ein­zie­hung kön­nen die Luft­ein­schlüs­se mini­miert wer­den (Abb. 12).

Unter einer unzu­rei­chen­den Kom­pres­si­on und dem Pro­blem von Luft­ein­schlüs­sen kön­nen auch Pati­en­ten mit Stümp­fen, deren dista­ler Umfang grö­ßer ist als der pro­xi­ma­le (oft als „bir­nen­för­mig“ bezeich­net), lei­den. Neben den beschrie­be­nen Kom­pres­si­ons­vor­tei­len, die maß­ge­fer­tig­te Liner mit sich brin­gen, kön­nen sie auch die Bir­nen­for­men kom­pen­sie­ren, sodass der Stumpf durch den Liner eine har­mo­ni­sche Form erhält.

In schwer­wie­gen­den Fäl­len macht der Aus­gleich das Abrol­len des Liners auf dem Stumpf schwe­rer oder sogar unmög­lich, sodass ein Aus­gleich nicht immer wün­schens­wert ist. In weni­ger schwe­ren Fäl­len kön­nen kom­pen­sier­te Liner jedoch das Anzie­hen des Schaf­tes erleich­tern und die Ver­wen­dung einer Vaku­um­an­bin­dung ermög­li­chen (Abb. 13).

Beson­de­re For­men und Grö­ßen (Umfang, Län­ge, ange­bo­ren, Pädiatrie)

Die meis­ten Pro­the­sen­trä­ger fin­den in der gro­ßen Aus­wahl an ver­füg­ba­ren Liner­mo­del­len einen pas­sen­den Stan­dard­li­ner. Den­noch weist jeder Nut­zer ein­zig­ar­ti­ge Merk­ma­le auf und die ver­füg­ba­ren Grö­ßen und For­men rei­chen manch­mal nicht aus, zum Bei­spiel bei sehr lan­gen Stümp­fen, wie Knö­chelex­ar­ti­ku­la­tio­nen, Kin­der­stümp­fen, Dysmelien/Exostosen oder Stümp­fen mit gro­ßem Umfang. Aus Sicht des Autors wird in den oben genann­ten Fäl­len nur sehr sel­ten ein wirk­lich pas­sen­der Liner von der Stan­ge gefun­den. Wird zum Bei­spiel ein sehr lan­ger Stumpf einer gro­ßen Per­son mit einem Stan­dard­li­ner ver­sorgt, besteht die Gefahr, dass der pro­xi­ma­le Bereich des Liners zu kurz ist oder dass er auf­grund sei­nes vor­ge­ge­be­nen Pro­fils (z. B. Knö­chel-Exar­ti­ku­la­ti­on – lan­ger Hebel an der Tube­ro­si­tas tibiae) im pro­xi­ma­len Bereich nicht aus­rei­chend gepols­tert ist (Abb. 14). Ein maß­ge­fer­tig­ter Liner kann ent­spre­chend ange­passt wer­den und spe­zi­ell auf sol­che beson­de­ren Bedürf­nis­se eingehen.

Bei gro­ßen und volu­mi­nö­sen Stümp­fen, die außer­halb der ver­füg­ba­ren Grö­ßen lie­gen, wird oft ein Kom­pro­miss ein­ge­gan­gen, indem ein zu klei­ner Liner ver­wen­det wird. Dies kann zu einem unan­ge­neh­men Tra­ge­ge­fühl auf­grund der erhöh­ten Kom­pres­si­on sowie zu Haut­rei­zun­gen und Span­nungs­bla­sen am pro­xi­ma­len Rand des Liners füh­ren (Abb. 15).

Auch die pro­the­ti­sche Ver­sor­gung von Klein­kin­dern stellt Orthopädietechniker:innen oft vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen. Für klei­ne Stumpf­grö­ßen gibt es oft kei­ne geeig­ne­ten Liner, da die Zahl der Nut­zer für die Indus­trie ein­fach nicht aus­reicht und daher nicht ren­ta­bel ist. Aus die­sem Grund wer­den für päd­ia­tri­sche Pati­en­ten häu­fig Liner aus der Arm­pro­the­tik ver­wen­det. Aus Sicht des Autors soll­te die pro­the­ti­sche Ver­sor­gung von Kin­dern immer auf einem indi­vi­du­ell ange­pass­ten Liner basie­ren. Die emp­find­li­chen Stümp­fe sind bereits ein­ge­schränkt und müs­sen so gut wie mög­lich geschützt wer­den, um das Risi­ko einer spä­te­ren Ampu­ta­ti­on zu mini­mie­ren. Außer­dem kann zwi­schen den ein­zel­nen Liner­er­neue­run­gen die Dicke des Liners redu­ziert wer­den, um die natür­li­che Volu­men­zu­nah­me wäh­rend des Wachs­tums aus­zu­glei­chen (Abb. 16). Dies funk­tio­niert zwar nur in begrenz­tem Umfang, kann aber die Pass­form eines Schaf­tes ver­bes­sern, aus dem der Benut­zer bereits her­aus­ge­wach­sen ist.

Fazit

Die auf Erfah­rung basie­ren­den Bei­spie­le zei­gen ein­drück­lich, dass Sili­kon­li­ner nach Maß für anspruchs­vol­le Ver­sor­gungs­si­tua­tio­nen eine bes­se­re Lösung sind als kon­fek­tio­nier­te Sili­kon­li­ner. Die repro­du­zier­ba­re Indi­vi­dua­li­tät in der Fer­ti­gung in Bezug auf Kom­pres­si­on, Pass­form und Ober­flä­chen­ge­stal­tung sind wesent­li­che Merk­ma­le und Vor­tei­le, eben­so lokal ange­pass­te Dicken und Fes­tig­kei­ten. Weil maß­an­ge­fer­tig­te Liner über eine gleich­mä­ßi­ge Kom­pres­si­ons­ver­tei­lung ver­fü­gen und sich wie eine zwei­te Haut um den Stumpf legen, sind sie ver­min­dert Druck­spit­zen aus­ge­setzt, was sich posi­tiv auf die Halt­bar­keit des Mate­ri­als aus­wirkt. Die fle­xi­blen Eigen­schaf­ten der ein­ge­setz­ten Sili­ko­ne sind beson­ders nut­zer­freund­lich. Da sie sehr form­sta­bil sind und über kei­ne Fließ­ei­gen­schaf­ten ver­fü­gen, bedarf es beim Anle­gen eines Sili­kon­liners beson­de­rer Vor­sichts­maß­nah­men. Um einen opti­ma­len Tra­ge­kom­fort und die gewünsch­te Kom­pres­si­on zu errei­chen, soll­te die vor­ge­ge­be­ne Posi­ti­on des Liners stets berück­sich­tig und über­prüft wer­den, um eine Ver­dre­hung zu ver­hin­dern. Auf die­se Wei­se kön­nen Maß­li­ner einen wesent­li­chen Bei­trag leis­ten, um die Lebens­qua­li­tät und die Mobi­li­tät von Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen zu steigern.

Inter­es­sen­kon­flikt:
Der Autor ist Mit­ar­bei­ter der Swiss Moti­on Tech­no­lo­gies SA (Moti­onTech), einem Unter­neh­men, das 3D-gedruck­te Sili­kon­li­ner anbietet.

 

Der Autor:
Enri­co Gibson
Swiss Moti­on Tech­no­lo­gies SA 
Chem. du Clo­sel 5
1020 Renens
Schweiz
enrico@motiontech.ch

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Gib­son E. Sili­kon-Maß­li­ner: effi­zi­en­te Lösun­gen für anspruchs­vol­le Pro­the­sen­ver­sor­gun­gen. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (7): 28–35

 

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt