Der Knick-Senk-Fuß – häu­fig unter­schätzt — Die pro­phy­lak­ti­sche Behand­lung mit­tels „X‑Foot-Con­cept“ des OTC Regensburg

H. Durst, A. Lieschke, M. Fischer
Der Knick-Senk-Fuß ist eine häufig anzutreffende und mindestens ebenso häufig unterschätzte Deformität, die sowohl die Sprunggelenke als auch die Fußgelenke betrifft. Die Crux dieser Deformität ist der Umstand, dass viele Patienten trotz mitunter starker Deformität ohne orthopädische Behandlung bis ins hohe Alter schmerzfrei gehfähig bleiben. Allerdings ist auch bekannt, dass, wenn ein Knick-Senk-Fuß einmal eine Schmerzhaftigkeit entwickelt hat, diese kaum mehr mit rein konservativen Maßnahmen zu behandeln ist und oft eine Operation notwendig wird. Deshalb wurde das „X-Foot-Concept“ entwickelt, das auf eine aktive Korrektur der Deformität in drei Therapiestufen mit Unterstützung durch sensomotorische Einlagen abzielt. Die – leider beschränkten – konservativen Therapiemöglichkeiten, wenn ein Knick-Senk-Fuß eine Schmerzhaftigkeit entwickelt hat, werden in diesem Artikel ebenso beschrieben wie operative Grundprinzipien.

Epi­de­mio­lo­gie

Die epi­de­mio­lo­gi­schen Daten zur Knick-Senk-Fuß-Defor­mi­tät sind wider­sprüch­lich. Evans und Mit­ar­bei­ter haben im Rah­men ihres „Coch­ra­ne Review“ eine Prä­va­lenz der Defor­mi­tät von 0,6 bis 77,9 % ermit­telt, also im Grun­de alle Krank­heits­häu­fig­kei­ten von „sehr sel­ten“ bis „drei Vier­tel aller Pati­en­ten“ 1. In der Regel ist der Knick-Senk-Fuß bei jün­ge­ren Kin­dern häu­fi­ger anzu­tref­fen als bei Jugend­li­chen oder Erwach­se­nen (Prä­va­lenz ca. 45 % bei Vor­schul­kin­dern, ca. 15 % bei Schul­kin­dern im Alter von durch­schnitt­lich 10 Jah­ren) 2. Aller­dings gibt es auch Stu­di­en, die zei­gen, dass bei 9,9 % der Kin­der mit zuneh­men­dem Alter die Defor­mi­tät sogar zunimmt 3.

Unter­schied­li­che Risi­ko­fak­to­ren für das ver­stärk­te Auf­tre­ten eines Knick-Senk-Fußes wur­den in ver­schie­de­nen Stu­di­en beschrieben:

  • jün­ge­res Alter (je jün­ger, des­to wahrscheinlicher)
  • männ­li­ches Geschlecht (Män­ner häu­fi­ger als Frauen)
  • Über­ge­wich­t/­Bo­dy-Mass-Index (je schwe­rer, des­to wahrscheinlicher)
  • Kör­per­grö­ße (je grö­ßer, des­to wahrscheinlicher)
  • Gelen­k­la­xi­zi­tät (häu­fi­ger bei „gene­ra­li­siert locke­ren Bän­dern“) 4 5 6 7 8

Das Schuh­werk konn­te erstaun­li­cher­wei­se als Risi­ko­fak­tor aus­ge­schlos­sen wer­den 9.

Defor­mi­tät und Begriffsbezeichnung

Sehr häu­fig wer­den die Bezeich­nun­gen der Defor­mi­tät „Knick-Senk-Fuß“ gemischt ver­wen­det. „Knick-Fuß“ (pes val­gus) bezeich­net das Abkni­cken des Rück­fu­ßes „nach innen“ (Rück­fuß­val­gus). „Senk-Fuß“ (pes pla­nus) bezeich­net die Abfla­chung des Längs­ge­wöl­bes. Der häu­fig im glei­chen Atem­zug mit­ge­nann­te „Spreiz­fuß“ („Knick-Senk-Spreiz-Fuß“) bezeich­net die Abfla­chung des Quer­ge­wöl­bes bzw. die Ver­brei­te­rung des Vor­fu­ßes und hat mit dem Knick-Senk-Fuß an und für sich nichts zu tun.

In Fach­krei­sen und vor allem im eng­li­schen Sprach­raum sind die Bezeich­nun­gen „Tibia­lis-pos­te­ri­or-Insuf­fi­zi­enz“ und „Tibia­lis-pos­te­ri­or-Dys­funk­ti­on“ (bzw. die eng­li­schen Ent­spre­chun­gen) geläu­fig. Sie beschrei­ben eine Insuf­fi­zi­enz (Schwä­che) des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or als haupt­säch­li­che Ursa­che des Knick-Senk-Fußes. Nach Auf­fas­sung der Ver­fas­ser han­delt es sich hier­bei jedoch um eine nicht aus­rei­chen­de Umschrei­bung der Ursa­che, wes­we­gen die­se Bezeich­nung nicht emp­foh­len wird. Denn die Defor­mi­tät eines Knick-Senk-Fußes ent­steht häu­fig nicht aus­schließ­lich auf­grund einer iso­lier­ten Schwä­che des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or, son­dern hat eine mul­ti­fak­to­ri­el­le Gene­se. Es exis­tie­ren dyna­mi­sche und sta­ti­sche media­le Sta­bi­li­sa­to­ren, die sowohl die Sprung­ge­len­ke als auch die Fuß­ge­len­ke sta­bi­li­sie­ren. In prak­tisch allen Fäl­len eines Knick-Senk-Fußes führt eine kom­bi­nier­te Schwä­chung ein­zel­ner oder meh­re­rer dyna­mi­scher wie auch sta­ti­scher media­ler Sta­bi­li­sa­to­ren der Sprung­ge­len­ke und der Fuß­ge­len­ke zur Defor­mi­tät, nicht eine iso­lier­te Insuf­fi­zi­enz des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or. Aus die­sem Grund ver­wen­den die Ver­fas­ser aus­schließ­lich den Begriff „Knick-Senk-Fuß“ zur Beschrei­bung der Defor­mi­tät (Abb. 1).

Die Abgren­zung des Knick-Senk-Fußes zum Platt­fuß ist bis heu­te noch nicht ein­deu­tig defi­niert. Die Begrif­fe wer­den sehr unter­schied­lich verwendet.

Ana­to­mie und Funktion

Die oben beschrie­be­nen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren der Sprung­ge­len­ke und der Fuß­ge­len­ke sind folgende:

Dyna­mi­sche media­le Stabilisatoren:

  • Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or — Mus­cu­lus pero­nae­us longus — Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus

Sta­ti­sche media­le Stabilisatoren:

  • Del­tab­and­kom­plex
  • Liga­men­tum cal­ca­neo­na­vicu­la­re plant­are („Spring-Liga­ment“)
  • intrin­si­sche Sta­bi­li­tät der Gelen­ke des 1. Strahls (Tar­so­me­ta­tar­sal­ge­lenk 1, Navicu­lo­cun­ei­form­ge­lenk 1, Talonaviculargelenk)

Der stärks­te dyna­mi­sche media­le Sta­bi­li­sa­tor ist der Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or. Sei­ne Haupt­funk­ti­on ist die Anhe­bung des media­len Fuß­ran­des („Längs­ge­wöl­be“) und damit auch die Supi­na­ti­on des Rück­fu­ßes; des Wei­te­ren unter­stützt er bei der Adduk­ti­on des Vor-/Mit­tel­fu­ßes und bei der Plant­ar­fle­xi­on 10 11 (Abb. 2).

Ein nur wenig bekann­ter dyna­mi­scher media­ler Sta­bi­li­sa­tor ist der Mus­cu­lus pero­nae­us longus. Sei­ne Haupt­funk­ti­on ist die Plant­a­ri­sie­rung des 1. Strahls (Os meta­tar­sa­le 1), außer­dem wirkt er bei der Pro­na­ti­on des Rück­fu­ßes und bei der Abduk­ti­on des Vor-/Mit­tel­fu­ßes mit 12 13 (Abb. 3).

Der drit­te dyna­mi­sche media­le Sta­bi­li­sa­tor ist der Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus. Durch des­sen Anspan­nung erfolgt eine Plant­ar­fle­xi­on und Supi­na­ti­on des Fußes; er ist ein erheb­li­cher Sta­bi­li­sa­tor des 1. Strahls und damit des Längs­ge­wöl­bes des Fußes 14 15 (Abb. 4).

Ein sta­ti­scher media­ler Sta­bi­li­sa­tor der Sprung­ge­len­ke und der Fuß­ge­len­ke ist der Del­tab­and­kom­plex. Aller­dings trägt die gebräuch­li­che Bezeich­nung „Liga­men­tum del­to­ide­um“ der Tat­sa­che nicht opti­mal Rech­nung, dass das soge­nann­te Liga­men­tum del­to­ide­um nicht ein ein­zi­ges Band umschreibt, son­dern einen Band­kom­plex. In aller Regel wer­den dabei ober­fläch­li­che und tie­fe Antei­le unter­schie­den, wobei deren Varia­bi­li­tät je nach medi­zi­ni­scher Publi­ka­ti­on sehr groß ist. Der Del­tab­and­kom­plex ver­hin­dert das val­gi­sche Abkni­cken in den Sprung­ge­len­ken und sta­bi­li­siert den Talus gegen Trans­la­ti­on nach ante­rior und pos­te­ri­or sowie gegen Außen­ro­ta­ti­on 16 17 (Abb. 5).

Ein zwei­ter wich­ti­ger sta­ti­scher media­ler Sta­bi­li­sa­tor ist das Liga­men­tum cal­ca­neo­na­vicu­la­re plant­are („Spring-Liga­ment“). Es ist ein sehr dickes Band und besitzt eine knor­pe­li­ge Ober­flä­che, die gemein­sam mit dem Cal­ca­neus (Fer­sen­bein) und dem Os navicu­la­re (Kahn­bein) eine Pfan­ne für den Talus­kopf (Sprung­bein) bil­det. Bei Insuf­fi­zi­enz des Liga­men­tum cal­ca­neo­na­vicu­la­re plant­are sinkt der Talus­kopf im Talo­na­vicu­lar­ge­lenk ein, was im Rönt­gen regel­mä­ßig beob­ach­tet wer­den kann 18 19 (Abb. 6).

Der drit­te und oft ver­ges­se­ne media­le Sta­bi­li­sa­ti­ons­me­cha­nis­mus sind die Gelen­ke des 1. Strahls. Durch deren Form, Knor­pel­über­zug und Kap­sel-Band-Appa­rat wird eine intrin­si­sche Sta­bi­li­tät gewähr­leis­tet, die den 1. Strahl den pro­na­to­ri­schen Momen­ten des Rück­fu­ßes ent­ge­gen­wir­ken lässt. Nicht sel­ten kann man beob­ach­ten, dass Pati­en­ten, die Jah­re oder Jahr­zehn­te zuvor zum Bei­spiel eine Ver­stei­fung (Arthro­de­se) des Tar­so­me­ta­tar­sal­ge­lenks 1 („Lapi­dus-Arthro­de­se“) erhal­ten haben, auf die­ser ope­rier­ten Sei­te kei­nen Knick-Senk-Fuß ent­wi­ckeln, sehr wohl aber auf der nicht sta­bi­li­sier­ten Sei­te (Abb. 7).

Behan­deln oder beobachten?

Sehr häu­fig steht der behan­deln­de Arzt auch heu­te noch vor dem Dilem­ma, dass es kei­ne ein­deu­ti­gen Behand­lungs­emp­feh­lun­gen gibt, ob und wie ein schmerz­frei­er Pati­ent mit einer Knick-Senk-Fuß-Defor­mi­tät zu behan­deln ist. Auch ist ein Pro­blem beim Knick-Senk-Fuß, dass vie­le Pati­en­ten bis ins hohe Alter mit ihrem Knick-Senk-Fuß pro­blem­los und schmerz­frei geh­fä­hig blei­ben, ohne sich je einer ortho­pä­di­schen Behand­lung unter­zo­gen zu haben. Der Sprin­ter Usain Bolt bei­spiels­wei­se ist trotz sei­ner aus­ge­präg­ten Knick-Senk-Füße in der Lage, 100 Meter in 9,58 Sekun­den zu sprinten.

Aller­dings ist auch bekannt, dass, wenn ein Knick-Senk-Fuß ein­mal eine Schmerz­haf­tig­keit auf Basis einer Seh­nen­schei­den­ent­zün­dung oder Dege­ne­ra­ti­on der dyna­mi­schen oder einer Instabilität/Insuffizienz der sta­ti­schen Sta­bi­li­sa­to­ren ent­wi­ckelt hat, die­se kaum mehr mit rein kon­ser­va­ti­ven Maß­nah­men zu behan­deln ist und oft eine Ope­ra­ti­on not­wen­dig wird. Daher gilt es, pro­phy­lak­ti­sche Behand­lungs­kon­zep­te zu ent­wi­ckeln, die eine risi­ko­ar­me, in ers­ter Linie nicht­ope­ra­ti­ve Kor­rek­tur der Defor­mi­tät errei­chen und spä­te­re Ope­ra­tio­nen ver­zicht­bar machen.

Grund­vor­aus­set­zun­gen einer pro­phy­lak­ti­schen Behandlung

Vor einer pro­phy­lak­ti­schen Behand­lung eines Knick-Senk-Fußes sind fol­gen­de Grund­vor­aus­set­zun­gen abzuklären:

  • Chro­nisch instabile/insuffiziente sta­ti­sche media­le Sta­bi­li­sa­to­ren (Gelen­ke, Bän­der) kön­nen nicht durch Hilfs­mit­tel sekun­där sta­bi­li­siert wer­den: Hilfs­mit­tel wie Ein­la­gen, Orthe­sen, Stie­fel o. Ä. sind sehr gut in der Lage, die instabilen/insuffizienten sta­ti­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren (Gelen­ke, Bän­der) zu ent­las­ten und zu stüt­zen, aber sie füh­ren nicht zu einer sekun­dä­ren Sta­bi­li­sa­ti­on bei chro­ni­scher Instabilität/Insuffizienz die­ser Strukturen.
  • Dau­er­haf­te Kor­rek­tur nur über die dyna­mi­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren mög­lich: Aus dem vori­gen Absatz folgt, dass eine dau­er­haf­te Kor­rek­tur der Defor­mi­tät des Knick-Senk-Fußes nur über die Akti­vie­rung der dyna­mi­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren der Sprung- und Fuß­ge­len­ke gelingt.
  • Alle Defor­mi­tä­ten müs­sen kor­ri­giert wer­den: Es ist zwin­gend erfor­der­lich, dass alle Defor­mi­tä­ten eines Knick-Senk-Fußes kor­ri­giert wer­den, denn die Fehl­stel­lung der Gelen­ke und die Über­deh­nung der Kap­sel-Band-Struk­tu­ren sind schmerz­haft. Nur bei mecha­nisch gera­den Fuß- und Sprung­ge­lenk­ach­sen ist ein lang­fris­tig gutes, schmerz­frei­es Ergeb­nis zu erwarten.
  • Nur kor­ri­gier­ba­re Gelen­ke kön­nen kor­ri­giert wer­den: Für eine dau­er­haf­te Kor­rek­tur der Fuß- und Sprung­ge­lenk­ach­sen müs­sen die Gelen­ke auch kor­ri­gier­bar sein. Bei fixier­ten Gelenk­fehl­stel­lun­gen – wie zum Bei­spiel bei einer Coali­tio (ange­bo­re­ne Ver­wach­sung der Rück­fuß- oder Fuß­wur­zel­ge­len­ke) oder bei Arthro­sen – kön­nen die Fuß- und Sprung­ge­lenk­ach­sen weder pas­siv (durch Ein­la­gen, Orthe­sen, Stie­fel o. Ä.) noch aktiv kor­ri­giert wer­den. In die­sen Fäl­len kann man nur ver­su­chen, pas­siv zu kom­pen­sie­ren, zu ent­las­ten und zu stützen.

Pro­phy­la­xe mit dem „X‑Foot-Con­cept“

Das „X‑Foot-Con­cept“ ist ein pro­phy­lak­ti­sches Behand­lungs­kon­zept, das die Akti­vie­rung der drei dyna­mi­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren der Sprung- und Fuß­ge­len­ke (Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or, Mus­cu­lus pero­nae­us longus und Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus) mit aktiv kor­ri­gie­ren­den sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen kom­bi­niert. Es besteht aus drei The­ra­pie­stu­fen, die dem Pati­en­ten von aus­ge­bil­de­ten und erfah­re­nen The­ra­peu­ten erläu­tert wer­den müs­sen und bei deren Umset­zung er unter­stützt wer­den sollte.

The­ra­pie­stu­fe 1: Akti­vie­rung der dyna­mi­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren im Stehen

In einer ers­ten The­ra­pie­stu­fe erlernt der Pati­ent die Akti­vie­rung der dyna­mi­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren im Ste­hen. Kon­kret bedeu­tet das:

  • Vari­sie­rung des Rück­fu­ßes: Durch Akti­vie­rung des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or wird der val­gisch ste­hen­de Rück­fuß in Rich­tung Varus auf­ge­rich­tet. Hier­durch wird aller­dings der 1. Strahl des Pati­en­ten ange­ho­ben (Vor­fuß-Supi­na­ti­on) (Abb. 8).
  • Plant­a­ri­sie­rung des 1. Strahls: Durch Akti­vie­rung des Mus­cu­lus pero­nae­us longus und des Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus wird eine Plant­a­ri­sie­rung des 1. Strahls erzielt. Die Vor­fuß-Supi­na­ti­on wird hier­durch kor­ri­giert und die Gelen­ke des 1. Strahls (das Längs­ge­wöl­be) maß­geb­lich sta­bi­li­siert (Abb. 9).

Die­se gleich­zei­ti­ge Akti­vie­rung des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or auf der einen Sei­te und des Mus­cu­lus pero­nae­us longus bzw. des Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus auf der ande­ren Sei­te ist für den Knick-Senk-Fuß-Pati­en­ten anfangs unge­wohnt und gelingt nur durch Instruk­ti­on durch einen aus­ge­bil­de­ten und erfah­re­nen Therapeuten.

The­ra­pie­stu­fe 2: Über­füh­rung ins Gehen

Bei der zwei­ten The­ra­pie­stu­fe des „X‑Foot-Con­cepts“ wird das im Ste­hen Erlern­te unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen ins Gehen über­tra­gen. Aus einem im Ste­hen erlern­ten Kor­rek­tur­mus­ter wird so ein auto­ma­tisch ablau­fen­des Bewe­gungs­mus­ter. Wäh­rend der Knick-Senk-Fuß-Pati­ent übli­cher­wei­se über den Innen­rand des Fußes abrollt, muss er nun ler­nen, über den Außen­rand abzu­rol­len (Akti­vi­tät des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or) und über die Groß­ze­he abzu­sto­ßen (Akti­vi­tät des Mus­cu­lus pero­nae­us longus bzw. des Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus). Wie­der­um gelingt dies nur unter Anlei­tung eines aus­ge­bil­de­ten und erfah­re­nen The­ra­peu­ten. Außer­dem sind kon­trol­lier­te Trai­nings­be­din­gun­gen mit visu­el­ler Kon­trol­le not­wen­dig, also ein Lauf­band, auf dem man sich ohne äuße­re Stör­fak­to­ren aus­schließ­lich auf die Kor­rek­tur kon­zen­trie­ren kann, und eine Kame­ra (z. B. das eige­ne Smart­phone), die die Rück­fuß­ach­se filmt und dem Pati­en­ten eine visu­el­le Rück­mel­dung ver­mit­telt, was das Ler­nen der Kor­rek­tur deut­lich erleich­tert. Geeig­ne­tes Schuh­werk, das die­sen Abroll­vor­gang zulässt, ist eben­falls Vor­aus­set­zung (zum Bei­spiel ein Laufschuh).

The­ra­pie­stu­fe 3: Über­füh­rung in den Alltag

In einem drit­ten Schritt erlernt der Pati­ent, die­ses Bewe­gungs­mus­ter ins täg­li­che Gehen zu über­füh­ren. Kein noch so dis­zi­pli­nier­ter Pati­ent bringt die Geduld und Dis­zi­plin auf, die Übun­gen der The­ra­pie­stu­fen 1 und 2 kon­se­quent 6 bis 12 Mona­te lang täg­lich durch­zu­füh­ren. Wenn es aber gelingt, die­ses Kor­rek­tur­mus­ter ins täg­li­che Gehen ein­zu­bau­en, sind die 5.000 bis 10.000 Schrit­te, die wir täg­lich zurück­le­gen, ein mehr als aus­rei­chen­des Trai­nings­pro­gramm. Zur Unter­stüt­zung des kor­rek­ten Bewe­gungs­mus­ters wer­den aktiv kor­ri­gie­ren­de sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen ver­wen­det. Der Begriff der sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­ge wird aller­dings recht varia­bel und inho­mo­gen ver­wen­det: Laut Magnus Fischer, Lan­des­in­nungs­meis­ter der Lan­des­in­nung Bay­ern für Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik, ist unter einer sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­ge eine affe­renz­sti­mu­lie­ren­de Ein­la­ge zu ver­ste­hen, die die Kor­rek­tur des Knick-Senk-Fußes durch gezielt ein­ge­setz­te sen­so­ri­sche Impul­se unter­stützt. Hin­ge­gen ist unter einer pro­prio­zep­ti­ven Ein­la­ge eine affe­renz­sti­mu­lie­ren­de Ein­la­ge zu ver­ste­hen, die gezielt die Hal­tung und die Bio­me­cha­nik des gesam­ten Kör­pers beein­flusst Fischer M. Knick-Senk-Fuß – Ver­sor­gung mit aktiv-wir­ken­den Ein­la­gen. Jah­res­kon­gress Tech­ni­sche Ortho­pä­die 2016 in Gar­misch-Par­ten­kir­chen (16.04.2016)[/efn_note]. Die Ver­fas­ser nut­zen die­se aktiv kor­ri­gie­ren­de Wir­kungs­wei­se der sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen beim „X‑Foot-Con­cept“.

Es gibt etli­che Stu­di­en, die die Wirk­sam­keit der sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen nach­ge­wie­sen haben, und wahr­schein­lich eben­so vie­le Stu­di­en, die sie wider­legt haben. Auch bezüg­lich der genau­en Wir­kungs­wei­se besteht unter den Befür­wor­tern eine gro­ße Unei­nig­keit. Die Ver­fas­ser ver­tre­ten in die­sem Zusam­men­hang fol­gen­de Theo­rie: Durch eine rela­tiv har­te und kur­ze Pelot­te im Bereich des pro­xi­ma­len media­len Ein­la­gen­ran­des wird ein kon­trol­lier­ter Schmerz­reiz im Bereich der media­len Fer­se gesetzt. Der Pati­ent reagiert dar­auf mit einer Rück­fuß-Vari­sie­rung (durch Akti­vie­rung des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or), um die­sem Schmer­z­aus­lö­ser aus­zu­wei­chen („Stein­chen-im-Schuh-Prin­zip“). Durch eine zwei­te Pelot­te am gegen­über­lie­gen­den pro­xi­ma­len late­ra­len Ein­la­gen­rand wird ein kon­trol­lier­ter Impuls gesetzt, der in der Lage ist, den Mus­cu­lus pero­nae­us longus zu akti­vie­ren und damit eine Plant­ar­fle­xi­on des 1. Strahls des Fußes aus­zu­lö­sen Lud­wig O, Quad­flieg R, Koch M. Einfluss einer sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­ge auf die Akti­vi­tät des M. pero­neus longus in der Stand­pha­se. Deut­sche Zeit­schrift für Sport­me­di­zin, 2013; 64 (3): 77–82[/efn_note] (Abb. 10). Mit sol­chen sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­gen ist es also mög­lich, den beim The­ra­peu­ten erlern­ten Bewe­gungs­ab­lauf eins zu eins „nach­zu­ar­bei­ten“ und damit das phy­sio­lo­gi­sche Bewe­gungs­kon­zept eines akti­ven Knick-Senk-Fuß-Aus­gleichs über 6 bis 12 Mona­te zu verinnerlichen.

Mit den genann­ten The­ra­pie­stu­fen 1 bis 3 des „X‑Foot-Con­cepts“ ist es also mög­lich, einem schmerz­frei­en Pati­en­ten ein Bewe­gungs­mus­ter zu ver­mit­teln, das mit ein­fa­chen Mit­teln eine akti­ve, dau­er­haf­te Kor­rek­tur sämt­li­cher Fehl­stel­lun­gen des Knick-Senk-Fußes erlaubt. Die Wahr­schein­lich­keit des Auf­tre­tens ernst­haf­ter Fol­gen des Knick-Senk-Fußes wie die Dege­ne­ra­ti­on der Seh­ne des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or oder arthro­ti­scher Ver­än­de­run­gen der Sprung- oder Fuß­ge­len­ke wird so ohne Ope­ra­ti­on minimiert.

Kon­ser­va­ti­ve The­ra­pie bei Schmerzen

Die kon­ser­va­ti­ve The­ra­pie des Knick-Senk-Fußes kommt – im Gegen­satz zur oben beschrie­be­nen Pro­phy­la­xe – dann ins Spiel, wenn eine Defor­mi­tät und gleich­zei­tig Schmer­zen vor­lie­gen. Wie oben bereits erwähnt, ist es enorm schwie­rig, einen ein­mal schmerz­haf­ten Knick-Senk-Fuß wie­der in einen schmerz­frei­en Zustand zu ver­set­zen. Trotz­dem bie­ten die Ver­fas­ser dem Pati­en­ten die­se Mög­lich­keit an und schla­gen ihm in aller Regel nicht direkt eine Ope­ra­ti­on vor. Es wird aller­dings aus­drück­lich auf die nicht beson­ders güns­ti­gen Erfolgs­aus­sich­ten der kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie hin­ge­wie­sen. Außer­dem wird aus­drück­lich auf die Mög­lich­keit einer gewis­sen Ver­schlech­te­rung der Situa­ti­on durch Fixie­rung der Defor­mi­tät und/oder Arthro­se­ent­ste­hung in den defor­miert ste­hen­den Gelen­ken hin­ge­wie­sen. Man­che Pati­en­ten ent­schei­den sich dann direkt für die Ope­ra­ti­on, ein gro­ßer Teil der Pati­en­ten wagt aber den­noch einen kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie­ver­such. Die Pati­en­ten wer­den dann aller­dings eng­ma­schig in 6‑Wo­chen-Abstän­den nach­kon­trol­liert und wech­seln bei kon­ser­va­ti­ver The­ra­pie­re­sis­tenz oder Schmerz­zu­nah­me rasch zur Operation.

Bei der kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie steht zual­ler­erst im Vor­der­grund, die Schmer­zen des Pati­en­ten zu eli­mi­nie­ren. Wenn dies nicht gelingt, wird – durch die schmerz­be­ding­te Stö­rung des pro­prio­zep­ti­ven Regel­krei­ses – eine akti­ve Kor­rek­tur nach dem „X‑Foot-Con­cept“ nicht mög­lich sein. Die Eli­mi­na­ti­on der Schmer­zen rich­tet sich nach der indi­vi­du­ell vor­lie­gen­den Patho­lo­gie und dem indi­vi­du­el­len Anspre­chen des Pati­en­ten auf die unter­schied­li­chen Maß­nah­men. Wie bei kon­ser­va­ti­ven Maß­nah­men üblich, gilt es, den opti­ma­len Mix für den indi­vi­du­el­len Pati­en­ten zu finden.

Fol­gen­de Maß­nah­men fin­den hier­bei u. a. Anwendung:

  • Medi­al pas­siv stüt­zen­de Ein­la­gen und/oder über­knö­chel­ho­he Orthe­sen: Bei Vor­lie­gen von Schmer­zen gilt es, die dyna­mi­schen und sta­ti­schen media­len Sta­bi­li­sa­to­ren der Sprung- und Fuß­ge­len­ke zu ent­las­ten, um deren Schmerz­haf­tig­keit zu redu­zie­ren. Aktiv kor­ri­gie­ren­de sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen sind in die­ser Pha­se nicht ange­zeigt (Abb. 11).
  • Geeig­ne­tes Schuh­werk: Häu­fig wird ver­ges­sen, dass medi­al pas­siv stüt­zen­de Ein­la­gen nur in geeig­ne­ten Schu­hen ihre opti­ma­le Wir­kung ent­fal­ten. Die Fer­se des Schuhs muss breit und gut gedämpft sein. Die Soh­le muss seit­lich gut füh­ren und den Abroll­vor­gang opti­mal unter­stüt­zen. Dies führt dazu, dass nicht mehr über die schmerz­haf­ten Gelen­ke abge­rollt wird, son­dern dass der Schuh abrollt und die Sprung- und Fuß­ge­len­ke beim Abrol­len ent­las­tet wer­den. Häu­fig fin­det man im Bereich der Trail­run­ning-Schu­he ein geeig­ne­tes Modell (Abb. 12).
  • Nicht­ste­ro­ida­le Anti­rheu­ma­ti­ka (NSAR) und/oder phy­si­ka­li­sche Maß­nah­men: Durch Käl­te, Elek­tro­the­ra­pie, Ultra­schall-The­ra­pie u. a. in Kom­bi­na­ti­on mit nicht­ste­ro­ida­len Anti­rheu­ma­ti­ka (NSAR) kön­nen Seh­nen­schei­den­ent­zün­dun­gen und Gelenk­ent­zün­dun­gen (Arthri­tis) wir­kungs­voll ein­ge­dämmt wer­den – aller­dings häu­fig nur tem­po­rär; bei per­sis­tie­ren­der Defor­mi­tät fla­ckern die­se Pro­ble­me nach Wochen häu­fig wie­der auf.
  • Sport­ver­bot: Die wich­tigs­te aller Maß­nah­men ist eine Reduk­ti­on der Belas­tung. Wäh­rend häu­fig das Gehen im All­tag noch gut (schmerz­frei) tole­riert wird, ist die sport­li­che Belas­tung meis­tens zu viel und führt zu einer Ver­stär­kung der Seh­nen­schei­den­ent­zün­dun­gen und Arthrit­i­den. Aller­dings ist viel Über­zeu­gungs­ar­beit not­wen­dig, um Sport­ler über Wochen und Mona­te von ihrer Lieb­lings­be­schäf­ti­gung fernzuhalten.
  • Infil­tra­tio­nen: Im Zen­tum der Ver­fas­ser wird grund­sätz­lich kein Cor­ti­son zur Infil­tra­ti­on von Seh­nen und Bän­dern oder gesun­den Gelen­ken ver­wen­det, weil dabei zu häu­fig mas­si­ve Schä­den an Seh­nen- und Band­struk­tu­ren beob­ach­tet wer­den. Statt­des­sen wird auf PRP-Kon­zen­trat (auto­lo­ges throm­bo­zy­ten­rei­ches Blut­plas­ma) oder Kom­plex­ho­möo­pa­thi­ka zurück­ge­grif­fen (z. B. Forma­san und Trau­meel). Dabei wird aber der Pati­ent aus­drück­lich auf den ver­zö­ger­ten Wir­kungs­ein­tritt von min­des­tens 6 Wochen hin­ge­wie­sen (Abb. 13).

Erst wenn es gelun­gen ist, die Schmer­zen anhal­tend aus­zu­schal­ten, kann wie­der auf die aktiv kor­ri­gie­ren­de The­ra­pie des „X‑Foot-Con­cepts“ mit Unter­stüt­zung durch sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen zurück­ge­grif­fen werden.

Ope­ra­ti­ve The­ra­pie bei kon­ser­va­ti­ver Therapieresistenz

Wenn die beschrie­be­nen kon­ser­va­ti­ven Maß­nah­men nicht zum gewünsch­ten Erfolg füh­ren, ist eine ope­ra­ti­ve The­ra­pie häu­fig unum­gäng­lich. Die Alter­na­ti­ve für den Pati­en­ten bleibt ledig­lich, mit den Schmer­zen und der Defor­mi­tät (und der damit ver­bun­de­nen Funk­ti­ons­ein­schrän­kung) zu leben.

Bei der ope­ra­ti­ven The­ra­pie unter­schei­det man gelenk­er­hal­ten­de und ‑ver­stei­fen­de Ope­ra­tio­nen. Die Ent­schei­dung, ob gelenk­er­hal­tend vor­ge­gan­gen wer­den kann oder ob eine ver­stei­fen­de Ope­ra­ti­on durch­ge­führt wer­den muss, hängt unter ande­rem von fol­gen­den Kri­te­ri­en ab:

  • Kor­ri­gier­bar­keit der Defor­mi­tät: Wenn die vor­lie­gen­de Knick-Senk-Fuß-Defor­mi­tät pas­siv kor­ri­gier­bar ist, kann sie grund­sätz­lich – auch bei Pati­en­ten höhe­ren Alters – auch gelenk­er­hal­tend ope­ra­tiv kor­ri­giert wer­den. Wenn die Defor­mi­tät pas­siv nicht mehr kor­ri­giert wer­den kann, ist – auch bei jün­ge­ren Pati­en­ten – kei­ne gelenk­er­hal­ten­de Kor­rek­tur mehr mög­lich, und es muss mit­tels Gelenks­ver­stei­fun­gen inkl. Stel­lungs­kor­rek­tur (Kor­rek­tur­ar­thro­de­se) vor­ge­gan­gen werden.
  • Arthro­se: Wenn eines oder meh­re­re der Sprung- oder Fuß­ge­len­ke eine schmerz­haf­te Arthro­se haben, kann – unab­hän­gig vom Alter – nicht mehr gelenk­er­hal­tend vor­ge­gan­gen wer­den. Es muss dann in der Regel das schmerz­haft arthro­tisch ver­än­der­te Gelenk ver­steift wer­den, um ein für den Pati­en­ten befrie­di­gen­des, schmerz­frei­es Resul­tat zu erzie­len. Häu­fig ist die Stel­lung schmerz­haf­ter Arthro­se-Gelen­ke ohne­hin nicht mehr pas­siv kor­ri­gier­bar; sie bedür­fen schon aus die­sem Grund einer Gelenk­ver­stei­fung mit Stel­lungs­kor­rek­tur (Kor­rek­tur­ar­thro­de­se).
  • Beglei­ten­de neu­ro­lo­gi­sche, rheu­ma­to­lo­gi­sche oder myo­pa­thi­sche Erkran­kun­gen: Bei gelenk­er­hal­ten­den Ope­ra­tio­nen wer­den in der Regel („funk­tio­nie­ren­de“) Mus­keln als Ersatz des („nicht mehr funk­tio­nie­ren­den“) Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or ver­pflanzt. Wenn die zu ver­pflan­zen­den Mus­keln zum Bei­spiel auf­grund neu­ro­lo­gi­scher oder myo­pa­thi­scher Erkran­kun­gen nicht mehr funk­ti­ons­tüch­tig sind oder eine Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung auf­grund einer pro­gres­si­ven neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kung (z. B. Mul­ti­ple Skle­ro­se) befürch­tet wer­den muss, kann eben­falls nicht mehr gelenk­er­hal­tend ope­riert wer­den. Glei­ches gilt für aggres­si­ve arthri­ti­sche Ver­än­de­run­gen der Sprung- und Fuß­ge­len­ke bei beglei­ten­den rheu­ma­to­lo­gi­schen Erkran­kun­gen (Abb. 14).

Ein mitt­le­res bis hohes Pati­en­ten­al­ter ist per se kein Aus­schluss­kri­te­ri­um für eine gelenk­er­hal­ten­de Operation.

Die ope­ra­ti­ve Kor­rek­tur des Knick-Senk-Fußes umfasst schließ­lich die Kor­rek­tur sämt­li­cher Pathologien:

  • Die dege­ne­ra­tiv auf­ge­fa­ser­te Seh­ne des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or wird chir­ur­gisch débri­diert und tubu­la­ri­siert (als „Röh­re“ wie­der rund vernäht).
  • In sehr vie­len Fäl­len wird auf die dege­ne­ra­tiv auf­ge­fa­ser­te Seh­ne des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or eine gesun­de Nach­barseh­ne „hucke­pack“ ver­pflanzt, um die unge­nü­gend funk­tio­nie­ren­de Seh­ne des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or in ihrer Funk­ti­on zu unter­stüt­zen. Hier­für wird in aller Regel die Seh­ne des Mus­cu­lus flex­or digi­torum longus, die genau neben der Seh­ne des Mus­cu­lus tibia­lis pos­te­ri­or ver­läuft, pro­xi­mal des „Mas­ter Knot of Hen­ry“ (Kreu­zung mit der Seh­ne des Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus im Bereich der Fuß­soh­le) abge­trennt und auf das Os navicu­la­re oder/und das Os cun­ei­for­me media­le zum Bei­spiel tran­sossär ver­pflanzt. Die Funk­ti­ons­ein­schrän­kung durch Abset­zen der Seh­ne des Mus­cu­lus flex­or digi­torum longus ist mini­mal und für den Pati­en­ten oft nicht merk­lich, da fase­ri­ge Ver­bin­dun­gen mit der Seh­ne des Mus­cu­lus flex­or hal­lu­cis longus bestehen und die­se Seh­ne dann die Funk­ti­on der abge­trenn­ten Seh­ne teil­wei­se über­nimmt. Auch gibt es noch die kur­zen, in der Fuß­soh­le ange­sie­del­ten Zehen­beu­ger­mus­keln, die die­sen „Ver­lust“ aus­rei­chend kompensieren.
  • Die Abkip­pung des Talo­cal­ca­ne­ar­ge­lenks, die zum Rück­fuß­val­gus führt, wird mit­tels media­li­sie­ren­der Cal­ca­neu­s­os­teo­to­mie oder eines Sinu­star­si-Dübels kor­ri­giert. Ein Sinus-tar­si-Dübel ist nicht nur Kin­dern und Jugend­li­chen vorbehalten.
  • Die Außen­ro­ta­ti­on des Vor­fu­ßes wird mit­tels ver­län­gern­der Cal­ca­neu­s­os­teo­to­mie kor­ri­giert. Immer wie­der muss eine media­li­sie­ren­de mit einer ver­län­gern­den Cal­ca­neu­s­os­teo­to­mie kom­bi­niert werden.
  • Ein insuf­fi­zi­en­tes Liga­men­tum cal­ca­neo­na­vicu­la­re plant­are (Spring-Liga­ment) oder ein insuf­fi­zi­en­ter Del­tab­and­kom­plex wer­den vom Kno­chen abge­löst und zum Bei­spiel mit Faden­an­kern gerafft (mit ver­stärk­ter Span­nung wie­der am Kno­chen fixiert).
  • Schließ­lich muss der 1. Strahl adres­siert wer­den, der häu­fig nach Kor­rek­tur des Rück­fu­ßes ange­ho­ben (dor­sal­ex­ten­diert) steht. Wenn der 1. Strahl nicht bewusst plant­a­ri­siert wird, fehlt dem Fuß ein gro­ßer Anteil sei­ner intrin­si­schen Sta­bi­li­tät, die der 1. Strahl den pro­na­to­ri­schen Momen­ten des Rück­fu­ßes ent­ge­gen­wir­ken lässt. Die Plant­a­ri­sie­rung des 1. Strahls gelingt durch eine plant­ar­flek­tie­ren­de Osteo­to­mie des pro­xi­ma­len Meta­tar­sa­le 1 oder des Os cun­ei­for­me media­le (Abb. 15).

Die­se ope­ra­ti­ven Kor­rek­tu­ren bedin­gen eine gro­ße ope­ra­ti­ve Erfah­rung mit Fuß- und Sprung­ge­len­k­ope­ra­tio­nen grund­sätz­lich und mit der ope­ra­ti­ven Kor­rek­tur des Knick-Senk-Fußes im Spe­zi­el­len – unter ande­rem auch wegen der Ope­ra­ti­ons­dau­er, da alle genann­ten OP-Schrit­te in einer Ope­ra­ti­on abge­ar­bei­tet wer­den soll­ten, auf­grund der maxi­ma­len Blut­sper­ren­dau­er von 120 Minu­ten aber nicht belie­big viel Zeit zur Ver­fü­gung steht. Die Ope­ra­ti­on muss des­we­gen gut geplant, die Rei­hen­fol­ge der OP-Schrit­te auf­ein­an­der abge­stimmt und dann die Ope­ra­ti­on zügig durch­ge­führt werden.

Auch die Nach­sor­ge nach solch kom­ple­xen Ope­ra­tio­nen soll­te beim Ope­ra­teur oder einem erfah­re­nen Kol­le­gen erfol­gen. „Eine ein­zi­ge Nach­kon­trol­le nach drei Mona­ten“ ist nicht aus­rei­chend. Im Zen­trum der Ver­fas­ser wer­den die Pati­en­ten selbst und eng­ma­schig in den ers­ten drei Mona­ten nach der Ope­ra­ti­on betreut. Nur so kann auf die unter­schied­li­chen Hei­lungs­ver­läu­fe zeit­nah adäquat reagiert wer­den. Gera­de bei sol­chen kom­ple­xen Ein­grif­fen gilt die Faust­re­gel, dass die Ope­ra­ti­on 50 % des Behand­lungs­er­geb­nis­ses erbringt, die ande­ren 50 % aber durch die kor­rek­te Nach­be­hand­lung geleis­tet wer­den. In unse­rem Zen­trum wird daher gro­ßer Wert auf eine funk­tio­nel­le Nach­be­hand­lung mit frei­er pas­si­ver und aktiv assis­tier­ter Bewe­gung in allen Ebe­nen schon unmit­tel­bar nach der Ope­ra­ti­on gelegt. Der Kon­trol­le der Schwel­lung in den ers­ten vier Wochen nach der Ope­ra­ti­on misst man aus Grün­den einer opti­ma­len Wund­hei­lung und Schmerz­the­ra­pie einen sehr gro­ßen Stel­len­wert bei. Die Zeit­dau­er der Teil­be­las­tung soll – je nach Ein­griff – so kurz wie mög­lich gehal­ten werden.

Für die Autoren:
Dr. med. Hei­ko Durst,
OTC Regens­burg
TOP-Medi­zi­ner Fußchirurgie
FOCUS-Ärz­te­lis­te Mai 2016
Para­cel­sus­stra­ße 2
93053 Regens­burg
info@otc-regensburg.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Durst H, Lies­ch­ke A, Fischer M. Der Knick-Senk-Fuß – häu­fig unter­schätzt: Die pro­phy­lak­ti­sche Behand­lung mit­tels „X‑Foot-Con­cept“ des OTC Regens­burg. Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (8): 24–31
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