Bewe­gungs­ana­ly­se bei Reha­bi­li­ta­ti­on nach Schulterverletzungen

J. Lackner, P. Varady, I. Klöpfer-Krämer, A. Brand, P. Augat
Videospiele ermöglichen im therapeutischen Bereich ein Training, welches Patienten motiviert und Spaß macht. Diese Studie analysiert Oberkörperbewegungen von Patienten mit Schulterverletzung während der Nutzung einer Spielkonsole. Zehn Patienten mit Schulterverletzung und zehn gesunde Kontrollprobanden wurden während des Spielens einer Bowlingsimulation untersucht. In einem Abstand von sieben Tagen fanden zwei Messungen mit einem Motion-Capture-System statt. Die Patienten nahmen in diesem Zeitraum an einem Rehabilitationsprogramm teil. Bei den gesunden Probanden ergaben sich signifikant größere Bewegungen im Schultergelenk (p < 0.05) sowie des gesamten Körpers. Eine Vergrößerung des Bewegungsumfangs der Schulter konnte in beiden Gruppen festgestellt werden (p < 0.05).

Hin­ter­grund

Der Ein­satz von Spiel­kon­so­len in der kli­ni­schen The­ra­pie kann durch die moti­vie­ren­de und spie­le­ri­sche Art der vir­tu­el­len Bewe­gungs­wel­ten die Bereit­schaft zu kör­per­li­cher Akti­vi­tät bei Pati­en­ten stei­gern 1. Spiel­fi­gu­ren und ‑ele­men­te kön­nen durch Bewe­gung des Con­trol­lers und somit durch die Akti­vi­tät des Pati­en­ten selbst gesteu­ert wer­den. Video­spie­le wie bei­spiels­wei­se Wii Sports (Nin­ten­do K. K., Kyo­to, Japan) kön­nen zwar kei­ne sport­li­che Akti­vi­tät erset­zen, den­noch kann hier­bei der Kör­per trai­niert und der Ener­gie­ver­brauch gestei­gert wer­den 2 3. Zudem ermög­licht die­se Art des Trai­nings vor allem Pati­en­ten mit ein­ge­schränk­ter Beweg­lich­keit oder Belast­bar­keit die simu­lier­te Aus­füh­rung ver­schie­de­ner sport­li­cher Übun­gen wie bei­spiels­wei­se Ten­nis, Bow­ling oder Fris­bee, wel­che auf­grund ihrer Ver­let­zung im nor­ma­len Umfeld nicht mög­lich wären 4.

Anzei­ge

Die posi­ti­ven Effek­te der The­ra­pie mit Spiel­kon­so­len konn­ten bereits in eini­gen Stu­di­en gezeigt wer­den. Dies­be­züg­lich konn­te ein redu­zier­tes Sturz­ri­si­ko bei älte­ren Pro­ban­den durch ein simu­lier­tes Bow­ling­trai­ning mit Wii Sports ermit­telt wer­den. Die Ergeb­nis­se zeig­ten deut­li­che Ver­bes­se­run­gen in Balan­ce und Sta­bi­li­tät wäh­rend des Gehens 5.

Ein Coch­ra­ne Review mit 19 Stu­di­en konn­te eine ver­bes­ser­te Beweg­lich­keit, Gang­ge­schwin­dig­keit sowie eine gestei­ger­te All­tags­ak­ti­vi­tät durch das Trai­ning mit Spiel­kon­so­len fest­stel­len. Die meis­ten Stu­di­en unter­such­ten die­se Art der The­ra­pie bei Pati­en­ten mit neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen wie Schlag­an­fall 6 oder Zere­bral­pa­re­se. Die­se Pati­en­ten lei­den vor allem unter der Ein­schrän­kung ihrer Balan­ce und Sta­bi­li­tät. Beim Trai­ning von Kin­dern mit Zere­bral­pa­re­se konn­te zudem ein ver­bes­ser­tes Selbst­ver­trau­en sowie ein höhe­res Enga­ge­ment bei einer Bewe­gungs­auf­ga­be fest­ge­stellt wer­den 7.

In der Lite­ra­tur sind jedoch kaum Unter­su­chun­gen zur Effek­ti­vi­tät von Spiel­kon­so­len in der ortho­pä­di­schen Reha­bi­li­ta­ti­on beschrie­ben. Eine der weni­gen Ana­ly­sen wur­de bei Pati­en­ten nach Schul­ter­ver­let­zung durch­ge­führt. Die Autoren zeig­ten, dass 18 Trai­nings­ein­hei­ten mit Spiel­kon­so­le über sechs Wochen eine Ver­bes­se­rung der sub­jek­ti­ven Bewer­tung der Funk­ti­on in Arm, Schul­ter und Hand bewirk­ten. Hier­zu wur­den die Pati­en­ten mit dem DASH-Score („disa­bi­li­ties of the arm, should­er and hand“) befragt 8.

Eine objek­ti­ve Bewe­gungs­ana­ly­se der The­ra­pie mit Spiel­kon­so­le bei Pati­en­ten mit ortho­pä­di­schen Ver­let­zun­gen wur­de bis­her jedoch noch nicht durch­ge­führt. Ziel die­ser Stu­die war es daher, die Bewe­gung bei Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung wäh­rend der The­ra­pie mit einer Spiel­kon­so­le zu erfas­sen sowie die Bewe­gungs­ab­läu­fe vor und nach der Reha­bi­li­ta­ti­ons­zeit zu beschrei­ben. Hier­bei soll­te die Bewe­gung wäh­rend des Spie­lens einer Bow­ling-Simu­la­ti­on (Nin­ten­do K. K., Kyo­to, Japan) ana­ly­siert werden.

Mate­ri­al und Methode

Die Unter­su­chung erfolg­te an einer Grup­pe von zehn Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung wäh­rend des Trai­nings mit einer Nin­ten­do-Wii-Spiel­kon­so­le (Bow­ling). Als Ver­gleichs­grup­pe wur­den zehn gesun­de Pro­ban­den, in Alter und Geschlecht gematcht zur Pati­en­ten­grup­pe, her­an­ge­zo­gen. Alle Pro­ban­den wur­den über die Stu­di­en­in­hal­te auf­ge­klärt und gaben ihr schrift­li­ches Einverständnis.

Zehn Pati­en­ten mit ver­schie­de­nen Ver­let­zun­gen der Schul­ter wur­den rekru­tiert. Die Grup­pe bestand aus fünf weib­li­chen (44,6 ± 7,1 Jah­re) und fünf männ­li­chen (51,6 ± 10,1 Jah­re) Teil­neh­mern. In der Kon­troll­grup­pe nah­men eben­falls fünf weib­li­che (44 ± 7,1 Jah­re) und fünf männ­li­che Pro­ban­den (49,4 ± 9,9 Jah­re) an den Mes­sun­gen teil (Tab. 1).

Die Bewe­gun­gen der Pro­ban­den wur­den zu zwei Mess­zeit­punk­ten im Abstand von sie­ben Tagen erfasst. Zwi­schen den bei­den Mes­sun­gen erhielt die Pati­en­ten­grup­pe ein täg­li­ches, an ihre Ver­let­zung ange­pass­tes Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm. Hier­in waren Phy­sio­the­ra­pie, Phy­si­ka­li­sche The­ra­pie, medi­zi­ni­sche Trai­nings­the­ra­pie sowie ver­schie­de­ne Arten von Sport­the­ra­pie mit spe­zi­el­lem Trai­ning für die Schul­ter ent­hal­ten. Die Grup­pe der gesun­den Pro­ban­den nahm an kei­ner Inter­ven­ti­on teil.

Zu Beginn jeder Mess­ein­heit gab es eine Gewöh­nungs- und Auf­wärm­pha­se mit dem Nin­ten­do-Wii-Spiel­Bow­ling; hier­bei hat­ten die Pro­ban­den Zeit für etwa 10 Bow­ling­schü­be. Anschlie­ßend absol­vier­te jeder Pro­band 16 Bow­ling­schü­be, wel­che mit­tels eines Bewe­gungs­ana­ly­se­sys­tems erfasst wur­den. Es wur­den kei­ne Vor­ga­ben zur Durch­füh­rung der Bewe­gungs­auf­ga­be gemacht. Die Pati­en­ten führ­ten die Bow­ling­be­we­gung mit ihrem ver­letz­ten Arm aus, wäh­rend die gesun­den Test­per­so­nen auf­ge­for­dert wur­den, ihren domi­nan­ten Arm zur Aus­übung der Bewe­gung zu ver­wen­den en.

Die Mes­sung wur­de in einem Gang­und Bewe­gungs­ana­ly­se­la­bor mit einem Vicon-Sys­tem (Oxford Metrics Ltd., Oxford, Groß­bri­tan­ni­en) durch­ge­führt. Die ver­wen­de­ten Infra­rot­ka­me­ras (200 Hz) erfass­ten ein Raum­vo­lu­men von 14,30 m (Län­ge) × 4,26 m (Brei­te) × 2,60 m (Höhe). Die Kame­ras wur­den vor jeder Mes­sung kalibriert

Refek­tie­ren­de Mar­ker (14 mm Durch­mes­ser) wur­den gemäß dem Plug-in-Gait-Full­bo­dy-Modell 9 am Kör­per der Pro­ban­den fxiert. Für die Berech­nung der ein­zel­nen Gelenk­win­kel wur­de das Modell durch zusätz­li­che Mar­ker ergänzt (Abb. 1)

Die ana­ly­sier­te Bewe­gung war durch die maxi­ma­le Exten­si­on (Rück­schwung) bis zur maxi­ma­len Fle­xi­on (Abga­be der Bow­ling­ku­gel) des Schul­ter­ge­lenks def­niert. Wäh­rend die­ses Bewe­gungs­ab­lau­fes wur­den fol­gen­de Para­me­ter am jeweils akti­ven Arm betrachtet:

  • Gelenk­win­kel: Flexion/Extension sowie Abduk­ti­on des Schul­ter­ge­lenks (°) Fle­xi­on des Ellbogengelenks (°)
  • Geschwin­dig­keit: Win­kel­ge­schwin­dig­keit des Schul­ter­ge­lenks (rad/s) Geschwin­dig­keit der Hand (m/s)
  • Dau­er des gesam­ten Bewe­gungs­ab­lau­fes (s)
  • Bewe­gung des Kör­pers: Fort­be­we­gung der Mar­ker FIN, SHO und SACR (mm)

Die Bewe­gun­gen wur­den mit dem Plug­in-Gait-Modell mit­tels Euler-Win­keln nach dem Stan­dard der Inter­na­tio­nal Socie­ty of Bio­me­cha­nics (ISB) berech­net 10 11 12 13. Die Schul­ter­ge­lenks­win­kel wur­den zusätz­lich mit Mat­lab R2013a (The Mathwork Inc., Natick, MA, USA) berechnet.

Die Mit­tel­wer­te (+/- SD) wur­den für alle gemes­se­nen Para­me­ter bestimmt. Um die Mes­sun­gen (prä/post) inner­halb der Grup­pen sta­tis­tisch ver­glei­chen zu kön­nen, wur­de der Wil­coxon-Test ver­wen­det. Der Ver­gleich zwi­schen der Grup­pe von Pati­en­ten und gesun­den Pro­ban­den wur­de mit­tels Mann-Whit­ney-U-Test berech­net. Alle sta­tis­ti­schen Ana­ly­sen wur­den mit IBM SPSS 19 durch­ge­führt (IBM Corp., Armonk, NY, USA).

Ergeb­nis­se

Die Fle­xi­ons- und Exten­si­ons­be­we­gung im Schul­ter­ge­lenk war in der Grup­pe der Pati­en­ten im Ver­gleich zu gesun­den Test­per­so­nen um etwa 50 % redu­ziert (Tab. 2). Für die Fle­xi­ons­be­we­gung zeig­te sich kei­ne Ver­än­de­rung nach der Inter­ven­ti­on, wäh­rend die Exten­si­ons­be­we­gung bei der zwei­ten Mes­sung der Pati­en­ten­grup­pe um cir­ca 20 % ver­bes­sert wer­den konn­te. In der Kon­troll­grup­pe kam es zu einer leich­ten Ver­bes­se­rung der Fle­xi­on (6 %) wäh­rend der zwei­ten Mess­ein­heit. Der maxi­ma­le Abduk­ti­ons­win­kel im Schul­ter­ge­lenk zeig­te kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Grup­pen. Eben­so zeig­te sich kei­ne Ver­än­de­rung des Bewe­gungs­aus­ma­ßes zwi­schen den zwei Messungen.

Die maxi­ma­le Fle­xi­on des Ell­bo­gen­ge­len­kes war in der Pati­en­ten­grup­pe um etwa 26° grö­ßer als in der Grup­pe der gesun­den Pro­ban­den. Die­ser Unter­schied war jedoch nicht signi­fi­kant (p = 0.08). Auch zwi­schen den bei­den Mes­sun­gen zeig­te sich kein signi­fi­kan­ter Unterschied

Die Pati­en­ten sowie die gesun­den Test­per­so­nen zeig­ten ähn­li­che Wer­te in der Win­kel­ge­schwin­dig­keit des Schul­ter­ge­len­kes ohne einen Unter­schied zwi­schen den bei­den Messungen.

Die Geschwin­dig­keit der Vor­wärts­be­we­gung der Hand war ver­gleich­bar zwi­schen den bei­den Grup­pen. Die Pati­en­ten zeig­ten bei die­sem Para­me­ter eine leich­te Ver­bes­se­rung um etwa 14 % bei der zwei­ten Mes­sung. Den­noch war die Dau­er der Gesamt­be­we­gung in der Pati­en­ten­grup­pe im Ver­gleich zur Kon­troll­grup­pe zu bei­den Unter­su­chungs­zeit­punk­ten län­ger (20 %, Tab. 2).

Die Vor­wärts­be­we­gung des gesam­ten Kör­pers der Pati­en­ten war deut­lich gerin­ger (p < 0.001) als bei der Grup­pe der gesun­den Per­so­nen (sie­he Tab. 2). Kei­ne der bei­den Grup­pen zeig­te eine Ver­än­de­rung bei die­sem Para­me­ter inner­halb der zwei­ten Messung.

Zusätz­li­che Unter­su­chun­gen erga­ben Unter­schie­de inner­halb der Pati­en­ten­grup­pe bezüg­lich der ver­schie­de­nen Ver­let­zungs­mus­ter (Abb. 2). Pati­en­ten mit einer Seh­nen­rup­tur zeig­ten eine ande­re Ent­wick­lung im Lau­fe der Inter­ven­ti­on als Pati­en­ten mit einer Frak­tur oder Luxa­ti­on. Der Fle­xi­ons­win­kel war bei der Mes­sung nach Inter­ven­ti­on bei Pati­en­ten mit Seh­nen­rup­tur signi­fi­kant grö­ßer als bei Pati­en­ten mit Luxa­ti­on oder Frak­tur (p = 0.05). Eben­so zeig­te sich ein signi­fi­kant grö­ße­rer Bewe­gungs­um­fang der Hand (um etwa 30 %) in der Grup­pe der Pati­en­ten mit Seh­nen­rup­tur als bei den rest­li­chen Pati­en­ten mit Frak­tur oder Luxa­ti­on des Schul­ter­ge­len­kes (p = 0.03) in der zwei­ten Mes­sung. Signi­fi­kan­te Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Mess­zeit­punk­ten konn­ten jedoch nicht fest­ge­stellt wer­den. Eben­so konn­ten kei­ne Unter­schie­de zwi­schen Pati­en­ten mit einer Alt­ver­let­zung im Ver­gleich zu Pati­en­ten mit einer fri­schen Ver­let­zung fest­ge­stellt werden.

Dis­kus­si­on

Die Ergeb­nis­se der Unter­su­chung zei­gen, dass die Ober­kör­per­be­we­gung der Pati­en­ten bei Gebrauch einer Nin­ten­do Wii gemes­sen und die Gelenk­win­kel mit­tels 3‑D-Bewe­gungs­ana­ly­se beur­teilt wer­den kön­nen. Hier­bei zeig­te die Bewe­gungs­ana­ly­se deut­li­che Unter­schie­de zwi­schen der Grup­pe der Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung und der Grup­pe der gesun­den Test­per­so­nen auf. Wei­ter­hin konn­ten Ver­än­de­run­gen der Ober­kör­per­be­we­gun­gen bei Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung im Ver­lauf der Reha­bi­li­ta­ti­on fest­ge­stellt und quan­ti­ta­tiv beur­teilt werden.

Der Bewe­gungs­um­fang der Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung war im Ver­gleich zu den gesun­den Pro­ban­den deut­lich limi­tiert. Zudem zeig­ten gesun­de Per­so­nen einen ande­ren Bewe­gungs­ab­lauf zum Errei­chen des Zie­les als die Pati­en­ten­grup­pe. Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung zeig­ten deut­lich limi­tier­te Wer­te in den Schul­ter­ge­lenks­win­keln. Zudem konn­te eine Redu­zie­rung des Bewe­gungs­um­fangs und der Vor­wärts­be­we­gung des gesam­ten Kör­pers fest­ge­stellt wer­den. Die ver­letz­ten Pro­ban­den beweg­ten sich wäh­rend der Wurf­be­we­gung nicht nach vor­ne. Der stei­fe­re Bewe­gungs­ab­lauf der Pati­en­ten kann durch die erhöh­te Kon­zen­tra­ti­on auf den Ablauf der Wurf­be­we­gung sowie durch den Schmerz der ver­letz­ten Schul­ter erklärt werden.

Die erhöh­te Ell­bo­gen­fle­xi­on inner­halb der Pati­en­ten­grup­pe dient zur Kom­pen­sa­ti­on der ein­ge­schränk­ten Schul­ter­ge­lenks­fle­xi­on. Durch den gerin­ge­ren Bewe­gungs­weg des Bow­ling­schu­bes über das Ell­bo­gen­ge­lenk kommt es in der Grup­pe der Pati­en­ten zu einem schnel­le­ren Bewe­gungs­ab­lauf im Ver­gleich zur Kon­troll­grup­pe. In der zwei­ten Mes­sung zeig­te sich in der Grup­pe der Pati­en­ten mit Schul­ter­ver­let­zung eine erhöh­te Exten­si­on im Schul­ter­ge­lenk mit etwa 33°. Der ver­bes­ser­te Bewe­gungs­um­fang ist durch die The­ra­pie zwi­schen den Mes­sun­gen oder durch den sehr spie­le­ri­schen und moti­vie­ren­den Cha­rak­ter des Nin­ten­do-Wii-Spie­les zu erklä­ren. Die erhöh­te Fle­xi­ons­be­we­gung im Schul­ter­ge­lenk der gesun­den Test­per­so­nen wäh­rend der zwei­ten Mes­sung zeig­te sich auf­grund der feh­len­den Inter­ven­ti­on in der Kon­troll­grup­pe als eher uner­war­te­tes Ergeb­nis. Dies könn­te jedoch als ein Effekt der hohen Moti­va­ti­on oder der Gewöh­nung der Pro­ban­den gedeu­tet werden.

Eine Stu­die von Gley­ze et al. (2011) zeig­te eben­falls einen ein­ge­schränk­ten Bewe­gungs­um­fang an 148 Pati­en­ten mit Schul­ter­be­schwer­den (Mes­sung mit Gonio­me­ter: Fle­xi­on < 150°). Die Ergeb­nis­se die­ser Stu­die machen deut­lich, dass ver­schie­de­ne Arten von the­ra­peu­ti­schem Trai­ning (klas­si­sches Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm vs. Trai­nings­pro­gramm für zu Hau­se) den Bewe­gungs­um­fang der Pati­en­ten signi­fi­kant ver­bes­sern kön­nen 14.

Limi­ta­tio­nen der hier vor­ge­stell­ten Stu­die sind die klei­ne Pro­ban­den­an­zahl sowie die ver­schie­de­nen The­ra­pien, wel­che die Pati­en­ten als Inter­ven­ti­on zwi­schen den bei­den Mess­zeit­punk­ten erhiel­ten. In Fol­ge­stu­di­en soll­te somit die Teil­neh­mer­zahl erhöht und die Inter­ven­ti­ons­zeit ver­län­gert sowie das Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm für alle Pati­en­ten gleich gehal­ten wer­den. Zusätz­lich zum klas­si­schen Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm soll­te ein Trai­ning mit dem Nin­ten­do­Wii-Sys­tem statt­fin­den. Somit könn­te die Effek­ti­vi­tät der Spiel­kon­so­le als Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me bei Schul­ter­ver­let­zun­gen beur­teilt wer­den. In wei­te­ren Unter­su­chun­gen soll­te auch eine kla­re Unter­tei­lung der Ver­let­zungs­mus­ter in Pati­en­ten mit einer Seh­nen­rup­tur und Pati­en­ten mit einer Fraktur/Luxation erfol­gen, um eine detail­lier­te­re Ana­ly­se der Bewe­gungs­mus­ter zu ermöglichen.

Den­noch bil­det die­se Stu­die die Grund­la­ge für wei­te­re Unter­su­chun­gen der Ober­kör­per­be­we­gung wäh­rend der Nut­zung von Spiel­kon­so­len. Eben­so kön­nen die Ergeb­nis­se die­ser Stu­die einen Bei­trag zur Pla­nung und Ver­bes­se­rung kli­ni­scher The­ra­pie­ein­hei­ten leisten.

Ein Nach­teil des Trai­nings mit Spiel­kon­so­len zeigt sich in den ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten, das Ziel des jewei­li­gen Spie­les zu errei­chen. So kann das Spiel Nin­ten­do Wii Bow­ling bei­spiels­wei­se sowohl mit einer sehr gro­ßen als auch mit einer sehr klei­nen Bewe­gung erfolg­reich durch­ge­führt wer­den. Um aus dem Trai­ning mit Spiel­kon­so­le ein effek­ti­ves Instru­ment für Reha­bi­li­ta­ti­ons­zwe­cke zu schaf­fen, soll­te eine spe­zi­el­le und sen­si­ti­ve­re Ent­wick­lung eines ver­gleich­ba­ren Spiels mit reha­bi­li­ta­ti­vem Ziel ange­strebt wer­den. Für ein effek­ti­ves Reha­bi­li­ta­ti­ons­trai­ning muss der Bewe­gungs­um­fang für jeden Pati­en­ten indi­vi­du­ell ein­ge­stellt wer­den kön­nen. Zudem soll­te der The­ra­peut die Mög­lich­keit haben, einen bestimm­ten Bewe­gungs­um­fang fest­zu­le­gen, der aus­ge­führt wer­den muss, um das Ziel des Spie­les errei­chen zu kön­nen. Somit wird gesi­chert, dass der Pati­ent effi­zi­ent trai­niert und das vom The­ra­peu­ten vor­ge­ge­be­ne Bewe­gungs­aus­maß nutzt. Eine Aus­füh­rung des Spie­les mit ledig­lich klei­nen Bewe­gun­gen könn­te somit ver­hin­dert wer­den. Ins­ge­samt haben Spiel­kon­so­len wie die Nin­ten­do Wii einen sehr spie­le­ri­schen Ansatz und schaf­fen es somit, die Pati­en­ten für Bewe­gung zu moti­vie­ren und zu begeis­tern 15 16. Dies bie­tet eine abwechs­lungs­rei­che Alter­na­ti­ve zum sonst sehr funk­tio­nel­len Therapiealltag.

Zusam­men­fas­sung

Die Ergeb­nis­se zei­gen, dass die Ober­kör­per­be­we­gung bei Durch­füh­rung eines simu­lier­ten Bow­ling­spie­les mit­tels Moti­on-Cap­tu­re-Sys­tem gemes­sen und beur­teilt wer­den kann. In den Grup­pen konn­ten Ver­bes­se­run­gen des Bewe­gungs­um­fan­ges der obe­ren Extre­mi­tät fest­ge­stellt wer­den. Durch die Ver­bes­se­rung bei­der Grup­pen in den Para­me­tern bestä­tigt sich der moti­vie­ren­de Cha­rak­ter der Spiel­kon­so­le.

Für die Autoren:
Jani­na Lackner
Insti­tut für Biomechanik
Berufs­ge­nos­sen­schaft­li­che Unfallklinik
Mur­nau, Para­cel­sus Medi­zi­ni­sche Pri­vat­uni­ver­si­tät Salzburg
Prof.-Küntscher-Str. 8
82418 Mur­nau
janina.lackner@bgu-murnau.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Lack­ner J, Vara­dy P, Klöp­fer-Krä­mer I, Brand A, Augat P. Bewe­gungs­ana­ly­se bei Reha­bi­li­ta­ti­on nach Schul­ter­ver­let­zun­gen. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (8): 35–39
Alter der Ver­let­zungArt der Verletzung
frisch ver­letz­te Patientenalt ver­letz­te PatientenSeh­nen­rup­turLuxa­ti­on oder Fraktur
(weni­ger als 6,6 Mona­te nach Unfall)(mehr als 6 Jah­re nach Unfall)(Supraspinatus‑, Bizeps­seh­ne)
Weib­li­che Patienten3232
Männ­li­che Patienten2332
Tab. 1 Stu­di­en­pa­ti­en­ten (n = 10) mit ver­schie­de­nen Ver­let­zungs­mus­tern der Schulter.
Mess­par­am­terPati­en­tenKon­troll­grup­pe
prä (MW ± SD)post (MW ± SD)
p (prä-post)
prä (MW ± SD)post (MW ± SD)
p (prä-post)p (Grup­pe prä)
Exten­si­on (Schul­ter­ge­lenk)
(27 ± 13)°
(33 ± 14)°
0.02
(47 ± 17)°
(49 ± 16)°
0.29
0.008
Fle­xi­on (Schul­ter­ge­lenk)
(57 ± 28)°
(58 ± 29)°
0.51(115 ± 14)° (122 ± 14)°
0.03
0.0001
max. Abduk­ti­on
(Schul­ter­ge­lenk)
(38 ± 23)°
(41 ± 20)°0.39(41 ± 14)°
(42 ± 18)°
0.45
0.36
max. Fle­xi­on
(Ell­bo­gen­ge­lenk)
(69 ± 35)°(73 ± 37)°0.11
(43 ± 15)° 
(42 ± 17)°
0.20
0.08
max.
Winkelgeschwindigkeit
(Schul­ter­ge­lenk)
(3,1 ± 1,6) rad/s
(4,0 ± 2,6) rad/s
0.09
(3 ± 1) rad/s
(3 ± 1) rad/s
0.51
0.94
max.
Geschwin­dig­keit Hand
(2,1 ± 0,9) m/s
(2,4 ± 0,9) m/s
0.04(2,7 ± 0,8) m/s
(2,9 ± 0,8) m/s
0.59
0.096
Dau­er
(0,9 ± 0,4) s
(0,8 ± 0,3) s
0.02
(1,1 ± 0,4) s
(1,2 ± 0,5) s
0.80.10
Bewe­gung FIN
(1591 ± 406) mm
(1725 ± 459) mm
0.11
(2969 ± 606) mm
(3101 ± 664) mm
0.17
0.0001
Bewe­gung SHO
(500 ± 251) mm
(495 ± 275) mm
0.88
(1244 ± 502) mm
(1268 ± 489) mm
0.79
0.0001
Bewe­gung SACR
(302 ± 222) mm
(298 ± 200) mm
0.88
742 mm ± 481 mm 736 mm ± 428 mm
0.72
0.004
Tab. 2 Ergeb­nis­se des Ver­gleichs inner­halb bei­der Grup­pen zwi­schen der ers­ten und der zwei­ten Mes­sung (prä/post) sowie des Ver­gleichs zwi­schen der Grup­pe von Pati­en­ten und der Kon­troll­grup­pe prä (Grup­pe prä) (MW = Mit­tel­wert, SD = Stan­dard­ab­wei­chung, prä = Mes­sung 1, post = Mes­sung 2).

 

  1. Bet­ker AL, Szturm T, Moussa­vi ZK, Nett C. Video game­ba­sed exer­ci­s­es for balan­ce reha­bi­li­ta­ti­on: a sin­gle-sub­ject design. Arch Phys Med Reha­bil, 2006; 87: 1141–1149
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