„Serious Gam­ing“ zur Ver­bes­se­rung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten von Kin­dern mit uni­la­te­ra­ler Zerebralparese

K. Jakobs, P. Aarts, R. van den Heuvel, L. Beijer
Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht zahlreiche neue Therapieansätze im Bereich Rehabilitation. In der Sint Maartenskliniek im niederländischen Nimwegen, einem Krankenhaus mit Fokus auf Haltung und Bewegung, wurde im Jahr 2018 die Studie „Virtual Reality for Rehabilitation“ (VR4REHAB) initiiert. Aus der engen Zusammenarbeit mit einem europäischen Konsortium, das sich auf die gemeinsame Entwicklung und Evaluierung von Hilfsmitteln für die Rehabilitation auf der Basis von Virtual Reality konzentriert, sind bereits einige neue Reha- Ideen hervorgegangen. Eine dieser Innovationen ist das „Leap-Motion- Controller-basierte Training (LMCBT)“.

Der Con­trol­ler des Her­stel­lers Leap Moti­on, ein Ein­ga­be­ge­rät zur Ges­ten­steue­rung eines Com­pu­ters, ermög­licht die Nut­zung soge­nann­ter „Serious Games“ – also digi­ta­ler Spie­le, die nicht vor­ran­gig der Unter­hal­tung die­nen, son­dern eine the­ra­peu­ti­sche Funk­ti­on haben – als Metho­de zur Ver­bes­se­rung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten bei Kin­dern mit uni­la­te­ra­ler Zere­bral­pa­re­se (CP). In die­sem Arti­kel wird anhand der Ergeb­nis­se einer explo­ra­ti­ven Stu­die die gene­rel­le Durch­führ­bar­keit und Eva­lua­ti­on von LMCBT in der Pra­xis diskutiert.

Anzei­ge

Ein­lei­tung

Die Sint Maar­ten­skli­niek im nie­der­län­di­schen Nim­we­gen ist auf Hal­tungs- und Bewe­gungs­stö­run­gen spe­zia­li­siert. In ihrem Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum wer­den jedes Jahr rund 4.000 Kin­der und Erwach­se­ne mit Bewe­gungs­stö­run­gen behan­delt, dar­un­ter auch Unfall- und Ampu­ta­ti­ons­pa­ti­en­ten. Obers­tes Ziel ist es, den Pati­en­ten eine opti­ma­le Teil­ha­be an der Gesell­schaft zu ermög­li­chen, indem sie ler­nen, best­mög­lich mit ihrer Stö­rung umzu­ge­hen 1. Eine uni­la­te­ra­le CP wirkt sich auf den Mus­kel­to­nus und die Bewe­gun­gen einer Kör­per­sei­te aus und führt auf die­se Wei­se zu diver­sen Schwie­rig­kei­ten im All­tag. Die meis­ten Kin­der mit die­ser ange­bo­re­nen Stö­rung ent­wi­ckeln einen soge­nann­ten „Deve­lo­p­men­tal Dis­re­gard“, das heißt, der betrof­fe­ne Arm wird kaum beach­tet und fast gar nicht genutzt. Um die­sem Ver­hal­ten ent­ge­gen­zu­steu­ern, hat die Sint Maar­ten­skli­niek bereits 2006 die soge­nann­te Pira­ten-Grup­pen­in­ter­ven­ti­on ins Leben geru­fen. Dabei wird der nicht betrof­fe­ne Arm der Pati­en­ten (die „Pira­ten“) in eine Schlin­ge gelegt, sodass der von der CP betrof­fe­ne Arm genutzt wer­den muss. Zusam­men mit Ergo- oder Phy­sio­the­ra­peu­ten spie­len die Kin­der dann „Serious Games“, also digi­ta­le Spie­le, die nicht pri­mär der Unter­hal­tung die­nen, son­dern als Übun­gen für Reha­bi­li­ta­ti­ons­zwe­cke die­nen und bestimm­te Fähig­kei­ten för­dern sol­len. Auf die­se Wei­se wer­den die Kin­der ermu­tigt, her­aus­for­dern­de Bewe­gun­gen mit der betrof­fe­nen Hand aus­zu­füh­ren. Die Pira­ten-Grup­pen­in­ter­ven­ti­on erweist sich als effek­ti­ve Trai­nings­me­tho­de zur Ver­bes­se­rung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten bei Pati­en­ten mit uni­la­te­ra­ler CP 2. Die The­ra­pie ist aller­dings auf die zwölf­wö­chi­ge Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me beschränkt. Eine Ver­län­ge­rung oder die Teil­nah­me an auf­ein­an­der­fol­gen­den Inter­ven­tio­nen ist auf­grund prak­ti­scher Schwie­rig­kei­ten wie aus­ge­las­te­tem Pfle­ge­per­so­nal und Beför­de­rungs­pro­ble­men (von zu Hau­se in die Kli­nik und wie­der zurück) nicht ein­fach umsetz­bar 3. Somit stell­te sich das Pro­blem, dass nach der Ent­las­sung aus der Grup­pe eine Fort­set­zung des Trai­nings und die Auf­recht­erhal­tung der erziel­ten Ergeb­nis­se in der häus­li­chen Umge­bung schwie­rig waren und es dazu kam, dass sich die Funk­tio­nen des betrof­fe­nen Arms wie­der ver­schlech­ter­ten. Um die­ser nega­ti­ven Ent­wick­lung ent­ge­gen­zu­wir­ken, ent­wi­ckel­te eine Grup­pe von The­ra­peu­ten, For­schern und Soft­ware­de­si­gnern auf der Basis der Vir­tu­al- Rea­li­ty-Tech­nik einen Lösungs­an­satz: ein spie­le­ri­sches Trai­ning mit einem soge­nann­ten Hand­tra­cker (VR- 4‑RE­HAB-Pro­jekt).

Trai­ning per Gestensensor

Mit­te 2019 hat die Sint Maar­ten­skli­niek das VR-4-REHAB-Pro­jekt zur Ent­wick­lung von Reha-Hilfs­mit­teln auf Vir­tu­al-Rea­li­ty-Basis ins Leben geru­fen. Eine Pro­jekt­grup­pe namens „Hands Around the World“ wid­me­te sich dabei den aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen bei der Wie­der­her­stel­lung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten von Kin­dern mit uni­la­te­ra­ler CP. Ziel der Ent­wick­lung ist es, den betrof­fe­nen Kin­dern eine The­ra­pie im häus­li­chen Umfeld zu ermög­li­chen, die die logis­ti­schen Beschrän­kun­gen aktu­el­ler Reha­bi­li­ta­ti­ons­me­tho­den umgeht und funk­tio­nel­le Ver­schlech­te­run­gen nach Mög­lich­keit ver­hin­dert. Erreicht wer­den konn­te die­ses Ziel mit­tels eines berüh­rungs­lo­sen Hand­gestensen­sors. Ein sol­cher Sen­sor ist durch zwei mono­chro­ma­ti­sche Infra­rot­ka­me­ras in der Lage, Hand- und Fin­ger­be­we­gun­gen sehr prä­zi­se zu erken­nen (Abb. 1). Es han­delt sich somit um einen Hand­tra­cker, der es ermög­licht, ohne Maus und Tas­ta­tur  allein mit der Bewe­gung der Hän­de einen Com­pu­ter zu bedie­nen. Der Kon­takt zwi­schen Con­trol­ler und Com­pu­ter wird per USB her­ge­stellt. Ent­wi­ckelt wur­de die Tech­no­lo­gie von dem in San Fran­cis­co ansäs­si­gen Unter­neh­men Leap Moti­on, das die Tech­no­lo­gie in Rich­tung einer Ein­bin­dung in Aug­men­ted- bzw. Vir­tu­al-Rea­li­ty- Umge­bun­gen wei­ter­ent­wi­ckelt. Auf die­se Wei­se kön­nen die Benut­zer berüh­rungs­los Soft­ware-Anwen­dun­gen steu­ern, aber auch reha­bi­li­ta­ti­ons­ori­en­tier­te Com­pu­ter­spie­le spie­len. Da die­se Form der Reha­bi­li­ta­ti­on noch neu und wenig erforscht ist, wur­de die Durch­führ­bar­keit einer Reha­bi­li­ta­ti­on per Hand­tra­cker in einer explo­ra­ti­ven Stu­die an der Sint Maar­ten­skli­niek ein­ge­hen­der unter­sucht, um mög­li­che noch nicht bekann­te Kom­pli­ka­tio­nen auf­zu­de­cken und neue Lösungs­an­sät­ze zu ent­wi­ckeln. Hier setzt der Arti­kel an. Er ver­mit­telt aus den bereits gesam­mel­ten Erfah­run­gen her­aus Impul­se, wie ein reha­bi­li­ta­ti­ves Trai­ning zu Hau­se per Ges­ten­steue­rung am bes­ten funk­tio­niert bzw. an wel­chen Stel­len Ver­bes­se­rungs­po­ten­zia­le zu ermit­teln sind. Dabei ste­hen fol­gen­de drei Aspek­te im Fokus: – die Sicht­wei­se der pfle­gen­den Eltern (qua­li­ta­ti­ve Erhe­bung per Inter­view) – die erwar­te­te Qua­li­tät einer Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me per Hand­tra­cker (quan­ti­ta­ti­ve Erhe­bung per Fra­ge­bo­gen) – die Wirk­sam­keit der Reha­bi­li­ta­ti­on ins­ge­samt sowie die moti­vie­ren­de Wir­kung des Spiel­de­signs (Ana­ly­se in einer Testumgebung)

Metho­den

Für die hier vor­ge­stell­te Stu­die beauf­trag­te die Kli­nik das spa­ni­sche Soft­ware­un­ter­neh­men Eody­ne mit der Ent­wick­lung drei­er reha­bi­li­ta­ti­ver Spie­le (sie­he die Beschrei­bung im Kas­ten) für die Ziel­grup­pe „Kin­der im Alter zwi­schen drei und acht Jah­ren“. Das Unter­neh­men ist spe­zia­li­siert auf die Ent­wick­lung von „Serious Games“ im Bereich Neu­ro­re­ha­bi­li­ta­ti­on und auf Reha­bi­li­ta­ti­ons­spiel­sys­te­me. Die drei ent­wi­ckel­ten Spie­le wei­sen unter­schied­li­che Trai­nings­schwer­punk­te bezüg­lich der Hand­funk­tio­nen auf (s. die genaue­re Beschrei­bung im Kas­ten): 1. Trai­ning des Pin­zet­ten­griffs („Robo­ter­spiel“) 2. Trai­ning des Zylin­der­griffs („Affen­spiel“) 3. Trai­ning der Rota­ti­on des Hand­ge­lenks („Raum­schiff­spiel“) Ins­ge­samt nah­men vier pfle­gen­de Eltern­tei­le an der Befra­gung und fünf Kin­der im Alter zwi­schen drei und fünf Jah­ren an der Tes­tung der Spie­le zu Hau­se teil. Das Pfle­ge­per­so­nal der Sint Maar­ten­skli­niek füll­te dabei einen Fra­ge­bo­gen mit geschlos­se­nen Fra­gen zum Spiel­de­sign aus, der auf dem vali­dier­ten „MIU-Game­F­low Model“ für moto­risch ein­ge­schränk­te Benut­zer beruht 4. Zur Bewer­tung des Erfol­ges der neu­en Form der Reha­bi­li­ta­ti­on wur­de zudem die effek­ti­ve Spiel­dau­er der Kin­der gemes­sen. Als effek­ti­ve Spiel­zeit wur­de die Zeit ange­se­hen, in der der Gestensen­sor die Hand­be­we­gun­gen der Teil­neh­mer wahr­neh­men konn­te. Wenn der Sen­sor die Bewe­gung der Hand nicht ein­ord­nen konn­te, wur­de das Spiel „ein­ge­fro­ren“ und die Zeit der inef­fek­ti­ven Spiel­zeit zuge­ord­net. Die effek­ti­ve Spiel­dau­er wur­de sodann durch die gesam­te Spiel­dau­er des Spiels divi­diert und mit 100 mul­ti­pli­ziert, um den ent­spre­chen­den Pro­zent­wert zu ermitteln.

Sicht­wei­se der pfle­gen­den Eltern

Da es um die Reha­bi­li­ta­ti­on im häus­li­chen Umfeld geht, spie­len die pfle­gen­den Eltern ins­be­son­de­re bei der Über­wa­chung des Trai­nings eine wich­ti­ge Rol­le. Daher ist die Ein­bin­dung der Eltern in die Reha­bi­li­ta­ti­on von Kin­dern mit CP unter Nut­zung eines Hand­tra­ckers bei der prak­ti­schen Umset­zung von ent­schei­den­der Bedeu­tung, so die Erfah­rung der Ver­fas­ser. Grund­sätz­lich zeig­ten die Befrag­ten eine posi­ti­ve Ein­stel­lung gegen­über der häus­li­chen Reha­bi­li­ta­ti­on mit einem Ges­ten­con­trol­ler. Die Befra­gungs­er­geb­nis­se deu­ten zudem dar­auf hin, dass die Moti­va­ti­on und die kogni­ti­ven Fähig­kei­ten des Anwen­ders die wich­tigs­ten Aspek­te bei der Durch­füh­rung der Spie­le und für den Erfolg der häus­li­chen The­ra­pie sind. In die­sem Zusam­men­hang äußer­te bei­spiels­wei­se ein Eltern­teil: „Unser Sohn hat ein­fach nicht immer Lust, bestimm­te schwie­ri­ge Hand­be­we­gun­gen durch­zu­füh­ren. Und dies [das Trai­ning mit dem Hand­sen­sor] ist ein zusätz­li­cher Anreiz für ihn, dies zu tun.“ Ande­rer­seits kann es sich als schwie­rig erwei­sen zu errei­chen, dass die Kin­der beim Spiel auch tat­säch­lich durch­weg die beein­träch­tig­te Hand nut­zen: „Die Tat­sa­che, dass es ein Com­pu­ter­spiel ist, mag er sehr. […] Aber […] wir müs­sen das Kind dar­an erin­nern, mit sei­ner ‚Pira­ten­hand‘ zu spie­len. Er fin­det das ein­fach schwie­rig.“ Wenn zudem wie in eini­gen Fäl­len auf­ge­tre­ten – die Spie­le die Kin­der nicht über einen län­ge­ren Zeit­raum moti­vie­ren konn­ten, stan­den die jewei­li­gen Eltern die­ser Form der Reha­bi­li­ta­ti­on im häus­li­chen Umfeld eher ableh­nend gegen­über. Des­halb ist es sehr wich­tig, dass moti­vie­ren­de Aspek­te stan­dard­mä­ßig in „Serious Games“ inte­griert wer­den. Das bedeu­tet: Sowohl die Pati­en­ten als auch die betreu­en­den Eltern benö­ti­gen in einem sol­chen neu­en  the­ra­peu­ti­schen Rah­men Unter­stüt­zung 5. Umso wich­ti­ger ist es, die Mei­nun­gen pfle­gen­der Eltern bei der Ent­schei­dung über neue the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men umfas­send mit ein­zu­be­zie­hen 6. Die Ergeb­nis­se der Befra­gung bele­gen jeden­falls schon zu die­sem Zeit­punkt, dass eine hand­tra­cker­ge­stütz­te Reha­bi­li­ta­ti­on zu Hau­se umso erfolg­rei­cher ver­läuft, je mehr die neue Tech­nik von den Men­schen, die die häus­li­che The­ra­pie beglei­ten, akzep­tiert wird.

Erwar­te­te Qua­li­tät der Rehabilitationsmaßnahme

Der zwei­te kri­ti­sche Bereich bei der Bewer­tung einer Reha­bi­li­ta­ti­on mit­tels ges­ten­ge­steu­er­ter Com­pu­ter­spie­le betrifft die Qua­li­tät der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me. Sie muss den Erwar­tun­gen und Bedürf­nis­sen der Pati­en­ten eben­so wie denen der betreu­en­den Eltern gerecht wer­den 7. Ein wich­ti­ger Aspekt ist dabei der Ver­gleich der Situa­ti­on zu Hau­se ohne Anwe­sen­heit eines The­ra­peu­ten mit der Situa­ti­on in der Kli­nik. Um hier­über Auf­schluss zu erhal­ten, wur­de ein Fra­ge­bo­gen mit 26 Items ent­wor­fen, der die Erwar­tun­gen von Eltern und The­ra­peu­ten zu fol­gen­den Aspek­ten auf einer 5‑teiligen Likert-Ska­la (von „stim­me über­haupt nicht zu“ bis „stim­me voll und ganz zu“) erhob: – Eig­nung der Metho­de für das Trai­ning der betrof­fe­nen Hand (Bei­spiel- Item: „Kin­der mit ein­sei­ti­ger CP kön­nen Serious Games ver­wen­den, um sich wäh­rend einer Übungs­stun­de län­ger auf die Reha­bi­li­ta­ti­on der Hand­funk­ti­on zu kon­zen­trie­ren.“) – Enga­ge­ment und Empa­thie (Bei­spiel- Item: „Ohne direk­ten Kon­takt mit dem The­ra­peu­ten haben Kin­der Schwie­rig­kei­ten, bei der Reha moti­viert zu blei­ben“.) – Effek­ti­vi­tät der Metho­de (Bei­spiel- Item: „Eine Heim­the­ra­pie mit dem Leap-Moti­on-Sen­sor sorgt letzt­end­lich dafür, dass die täg­li­chen Akti­vi­tä­ten bes­ser aus­ge­führt wer­den kön­nen [But­ter­bro­te schmie­ren, sich anzie­hen und Schnür­sen­kel bin­den]“). – Zugäng­lich­keit der Metho­de (Bei­spiel- Item: „Der Kauf­preis des Leap- Moti­on-Sen­sors [etwa 80 Euro] ist kein Grund für Eltern/Erziehungsberechtigte, von die­ser Trai­nings­me­tho­de abzu­se­hen.“) – Sicher­heit der Metho­de (Bei­spiel- Item: „,Serious Gam­ing‘ kann zur Sucht füh­ren.“) Die Aus­wer­tung der Fra­ge­bö­gen ergab, dass die erwar­te­te Qua­li­tät der Ver­sor­gung mit einer Gesamt­no­te von 3,6 von 5 eher posi­tiv­ein­ge­schätzt wird. Eine sta­tis­ti­sche Ana­ly­se per Mann-Whit­ney-U-Test ergab zudem  Erwar­te­te Qua­li­tät der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me Der zwei­te kri­ti­sche Bereich bei der Bewer­tung einer Reha­bi­li­ta­ti­on mit­tels ges­ten­ge­steu­er­ter Com­pu­ter­spie­le betrifft die Qua­li­tät der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me. Sie muss den Erwar­tun­gen und Bedürf­nis­sen der Pati­en­ten eben­so wie denen der betreu­en­den Eltern gerecht wer­den 8. Ein wich­ti­ger Aspekt ist dabei der Ver­gleich der Situa­ti­on zu Hau­se ohne Anwe­sen­heit eines The­ra­peu­ten mit der Situa­ti­on in der Kli­nik. Um hier­über Auf­schluss zu erhal­ten, wur­de ein Fra­ge­bo­gen mit 26 Items ent­wor­fen, der die Erwar­tun­gen von Eltern und The­ra­peu­ten zu fol­gen­den Aspek­ten auf einer 5‑teiligen Likert-Ska­la (von „stim­me über­haupt nicht zu“ bis „stim­me voll und ganz zu“) erhob:

  • Eig­nung der Metho­de für das Trai­ning der betrof­fe­nen Hand (Bei­spiel- Item: „Kin­der mit ein­sei­ti­ger CP kön­nen Serious Games ver­wen­den, um sich wäh­rend einer Übungs­stun­de län­ger auf die Reha­bi­li­ta­ti­on der Hand­funk­ti­on zu konzentrieren.“)
  • Enga­ge­ment und Empa­thie (Bei­spiel- Item: „Ohne direk­ten Kon­takt mit dem The­ra­peu­ten haben Kin­der Schwie­rig­kei­ten, bei der Reha moti­viert zu bleiben“.)
  • Effek­ti­vi­tät der Metho­de (Bei­spiel- Item: „Eine Heim­the­ra­pie mit dem Leap-Moti­on-Sen­sor sorgt letzt­end­lich dafür, dass die täg­li­chen Akti­vi­tä­ten bes­ser aus­ge­führt wer­den kön­nen [But­ter­bro­te schmie­ren, sich anzie­hen und Schnür­sen­kel binden]“).
  • Zugäng­lich­keit der Metho­de (Bei­spiel- Item: „Der Kauf­preis des Leap- Moti­on-Sen­sors [etwa 80 Euro] ist kein Grund für Eltern/Erziehungsberechtigte, von die­ser Trai­nings­me­tho­de abzusehen.“)
  • Sicher­heit der Metho­de (Bei­spiel- Item: „,Serious Gam­ing‘ kann zur Sucht führen.“)

Die Aus­wer­tung der Fra­ge­bö­gen ergab, dass die erwar­te­te Qua­li­tät der Ver­sor­gung mit einer Gesamt­no­te von 3,6 von 5 eher posi­tiv­ein­ge­schätzt wird. Eine sta­tis­ti­sche Ana­ly­se per Mann-Whit­ney-U-Test ergab zudem kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den Erwar­tun­gen der pfle­gen­den Eltern und der The­ra­peu­ten auf einer Alpha-Ebe­ne von 0,05 (Mdn = 3,773; U = 3,6; p = 0,251). Hier scheint dem­nach ein Kon­sens zwi­schen The­ra­peu­ten und Eltern hin­sicht­lich ihrer Erwar­tun­gen gegen­über Com­pu­ter­spie­len mit reha­bi­li­ta­ti­ver Funk­ti­on zu bestehen. Die Fra­ge, ob die geäu­ßer­ten Erwar­tun­gen sich auch tat­säch­lich empi­risch bestä­ti­gen las­sen, wird im Rah­men einer wei­ter­füh­ren­den Stu­die unter­sucht, die 2020 publi­ziert wer­den soll.

Wirk­sam­keit der Reha­bi­li­ta­ti­on und moti­vie­ren­de Wir­kung des Spieldesigns

Es wur­de fest­ge­stellt, dass 87,5 % der  befrag­ten The­ra­peu­ten es für „sehr  wahr­schein­lich“ hal­ten, dass eine  vir­tu­el­le Umge­bung die moto­ri­sche  Reha­bi­li­ta­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten  unter­stüt­zen kann 9. Daher  ließ sich die Hypo­the­se auf­stel­len,  dass eine Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me  per Hand­tra­cker die glei­che Inten­si­tät  auf­weist wie ein Ein­zel­trai­ning mit  einem Ergo- oder Phy­sio­the­ra­peu­ten  und dass somit eine Reha­bi­li­ta­ti­on im  häus­li­chen Umfeld per Ges­ten­con­trol­ler  für jun­ge Pati­en­ten mit uni­la­te­ra­ler  CP eine geeig­ne­te Metho­de zum  Trai­nie­ren der Hand­funk­ti­on ist.  Um die tat­säch­li­che Wirk­sam­keit  die­ser spe­zi­el­len Form der Reha­bi­li­ta­ti­on zu über­prü­fen, wur­de die Trai­nings­in­ten­si­tät unter­sucht und mit der Inten­si­tät eines Ein­zel­trai­nings mit einem Phy­sio­the­ra­peu­ten in der Pira­ten-Grup­pen­in­ter­ven­ti­on ver­gli­chen. Zur Mes­sung der Inten­si­tät dien­te die Zahl der Wie­der­ho­lun­gen des Spiels wäh­rend einer fünf­mi­nü­ti­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­ein­heit. Eine Video­ana­ly­se jun­ger Pati­en­ten mit uni­la­te­ra­ler CP, die die vor­ge­stell­ten ges­ten­ba­sier­ten Reha­bi­li­ta­ti­ons­spie­le spiel­ten (Abb. 2), zei­tig­te posi­ti­ve Ergeb­nis­se: Zwei der drei Spie­le erwie­sen sich als eben­so wirk­sam wie die ent­spre­chen­den kon­ven­tio­nel­len Spie­le. Ein Spiel war sogar deut­lich wirk­sa­mer als das ent­spre­chen­de kon­ven­tio­nel­le Spiel. Aller­dings funk­tio­nier­te nur eines der drei Spie­le rei­bungs­los, wäh­rend zwei Spie­le nur unzu­rei­chend ablie­fen: Der Sen­sor war nicht immer in der Lage, die Hand­be­we­gun­gen kor­rekt zu detek­tie­ren – dies ver­län­ger­te die inef­fek­ti­ven Pha­sen der Spiel­zeit. Eine wei­te­re wich­ti­ge Varia­ble, die die Wirk­sam­keit beein­flusst, ist die Qua­li­tät des Spiel­de­signs. Wie oben beschrie­ben ist aus Sicht der pfle­gen­den Eltern das Spiel­de­sign ein Fak­tor, der Kin­der bei der Reha­bi­li­ta­ti­on in hohem Maße sti­mu­lie­ren und moti­vie­ren kann. Das Ergeb­nis des Tests der Spie­le mit einem Durch­schnitts­wert von 3,1 von 5 deu­tet aller­dings dar­auf hin, dass die aktu­el­len Ver­sio­nen der zu die­sem Zweck ent­wi­ckel­ten Spie­le noch nicht das gewünsch­te Niveau auf­wei­sen, um für jun­ge Pati­en­ten mit CP über einen län­ge­ren Zeit­raum attrak­tiv zu bleiben.

Fazit

Ins­ge­samt ist eine Reha­bi­li­ta­ti­on im häus­li­chen Umfeld per Gestensen­sor eine viel­ver­spre­chen­de Metho­de zur Ver­bes­se­rung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten bei jun­gen Pati­en­ten mit uni­la­te­ra­ler CP. In ihrem der­zei­ti­gen Zustand ist sie zwar noch nicht unein­ge­schränkt für den Ein­satz im häus­li­chen Umfeld geeig­net. Den­noch zeig­ten alle Akteu­re eine posi­ti­ve Ein­stel­lung gegen­über dem neu­en the­ra­peu­ti­schen Hilfs­mit­tel. Die pfle­gen­den Eltern gaben an, dem Ein­satz reha­bi­li­ta­ti­ver Spie­le mit Hand­ges­ten­steue­rung im häus­li­chen Umfeld ins­be­son­de­re dann posi­tiv gegen­über­zu­ste­hen, wenn die­ser sich posi­tiv auf die Moti­va­ti­on ihrer Kin­der und auf die Ein­hal­tung der jewei­li­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­men aus­wirkt. Dar­über hin­aus zeig­te sich, dass die Wirk­sam­keit der häus­li­chen Reha­bi­li­ta­ti­ons­me­tho­de der der Spie­le in der kon­ven­tio­nel­len The­ra­pie weit­ge­hend ent­spricht; eines der Spie­le zeig­te sogar eine höhe­re Wirk­sam­keit als das ent­spre­chen­de kon­ven­tio­nel­le Spiel.  Offen­sicht­lich gibt es aber noch Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten, die vor einer all­ge­mei­nen Ver­brei­tung der The­ra­pie­me­tho­de erfüllt wer­den soll­ten. Ins­be­son­de­re das Spiel­de­sign ent­spricht noch nicht dem gewünsch­ten Stan­dard und muss ver­bes­sert wer­den, um Miss­erfol­ge bei der Ein­füh­rung die­ser neu­en the­ra­peu­ti­schen Metho­de zu ver­mei­den. Zusam­men­fas­send lässt sich fest­stel­len, dass eine Reha­bi­li­ta­ti­on unter Ein­satz eines Hand­ges­ten­con­trol­lers zwar auf dem bes­ten Wege zu einem bedeu­ten­den the­ra­peu­ti­schen Instru­ment ist, dass für ihren Erfolg jedoch noch wei­te­re For­schung und Ent­wick­lung nötig sind.

Für die Autoren:

Dr. Pau­li­ne Aarts, Lei­te­rin der Abtei­lung für Kin­der­re­ha­bi­li­ta­ti­on Sint Maartenskliniek
Hengst­dal 3
6574 NA Ubber­gen (bij Nijmegen)
Niederlande
p.aarts@maartenskliniek.nl

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Jakobs K, Aarts P, van den Heu­vel R, Bei­jer L. „Serious Gam­ing“ zur Ver­bes­se­rung der Funk­ti­on der obe­ren Extre­mi­tä­ten von Kin­dern mit uni­la­te­ra­ler Zere­bral­pa­re­se. Ortho­pä­die Tech­nik. 2020; 71 (1): 28–33

 

Bis dato wur­den drei reha­bi­li­ta­ti­ons­ori­en­tier­te Spie­le als Pro­to­ty­pen ent­wi­ckelt (s. Abbil­dun­gen A‑F):

1. Trai­ning des Pin­zet­ten­griffs („Robo­ter­spiel“; Abb. A u. B)  Das ers­te Spiel kon­zen­triert sich auf das Zusam­men­füh­ren und Aus­ein­an­der­be­we­gen von Dau­men und Zei­ge­fin­ger („Pin­zet­ten­griff“). Ziel ist es hier, die Hin­der­nis­se vor der klei­nen wei­ßen Kat­ze (jeweils unten links) zu zer­stö­ren, indem die elek­tri­schen Gegen­stän­de in der Luft gegrif­fen und anschlie­ßend mit dem Robo­ter auf die Hin­der­nis­se fal­len­ge­las­sen wer­den. Das Grei­fen wird durch Zusam­men­füh­ren von Zei­ge­fin­ger und Dau­men erreicht (obe­re rech­te Ecke von Abbil­dung A). Der Gegen­stand kann durch Öff­nen der Hand los­ge­las­sen wer­den (obe­re rech­te Ecke von Abbil­dung B). Durch Zer­stö­ren der Objek­te vor der Kat­ze gelangt sie sicher durch die Wüs­te in Rich­tung Levelende. 2. Trai­ning des Zylin­der­griffs („Affen­spiel“; Abb. C u. D) Das zwei­te Spiel beschäf­tigt sich mit dem „Zylin­der­griff“: Wenn die Hand im rich­ti­gen Moment geschlos­sen wird, greift der links mit­tig zu sehen­de Affe einen Ast (unte­re rech­te Ecke von Abbil­dung C). Wenn die Hand zum rich­ti­gen Zeit­punkt geöff­net wird, schwingt sich der Affe nach vor­ne von einem Ast zum ande­ren (unte­re rech­te Ecke von Abbil­dung D). Die Hand muss geschlos­sen wer­den, damit der Affe nach einem neu­en Ast greift. Um das Level erfolg­reich abzu­schlie­ßen, muss der Affe das Leve­len­de erreichen. 3. Trai­ning der Rota­ti­on des Hand­ge­lenks („Raum­schiff­spiel“; Abb. E u. F) Das drit­te Spiel kon­zen­triert sich auf die Rota­ti­on (Pro­na­ti­on und Supi­na­ti­on) von Hand und Hand­ge­lenk. Ziel die­ses Spiels ist es, ein Raum­schiff durch im Welt­raum schwe­ben­de Rin­ge zu len­ken. Das Raum­schiff wird durch Rota­ti­on von Hand und Hand­ge­lenk gesteu­ert. Dabei sorgt die Pro­na­ti­on der Hand für eine Bewe­gung nach links, wäh­rend durch Supi­na­ti­on eine Bewe­gung nach rechts erfolgt. In der unte­ren rech­ten Ecke von Abbil­dung E und F ist das jewei­li­ge Aus­maß der Pro­na­ti­on bzw. Supi­na­ti­on im Ver­gleich zur Neu­tral­stel­lung der Hand zu sehen.

 

  1. Sint Maar­ten­skli­niek. De Sint Maar­ten­skli­niek brengt je ver­der in beweging. http://www.maartenskliniek. nl (Zugriff am 15.11.2019)
  2. Sint Maar­ten­skli­niek. Pira­ten­groep leert kin­de­ren aan­ge­da­ne arm weer gebrui­ken. www.maartenskliniek. nl/artikelen/piratengroep (Zugriff am 15.11. 2019) 
  3. Cada EA, O’Shea RK. Iden­ti­fy­ing bar­riers to occu­pa­tio­nal and phy­si­cal the­ra­py ser­vices for child­ren with cere­bral pal­sy. J Pediatr Reha­bil Med, 2008; 1 (2): 127–135
  4. Zain NHM, Jaa­far A, Razak FHA. Enjoya­ble Game Design: Vali­da­ti­on of Motor-Impai­red User Game­F­low Model. Inter­na­tio­nal Jour­nal of Com­pu­ter Theo­ry and Engi­nee­ring, 2016; 2(8): 116–121
  5. Chiluba BC, Moyo G. Caring for
    a cere­bral pal­sy child: a care­gi­vers per­spec­ti­ve at the Uni­ver­si­ty Tea­ching Hos­pi­tal, Zam­bia. BMC Res Notes, 2017; 10 (1): 724
  6. Vicen­tic S, Sapic R, Dam­ja­no­vic A, Vekic B, Lon­car Z, Dimit­ri­je­vic I, Ilankovic,
    A, Jova­no­vic A. Burn­out of For­mal Care­gi­vers of Child­ren with Cere­bral Pal­sy. Isr J Psych­ia­try Rela­ted Sci, 2016; 53 (2): 10–15
  7. Vicen­tic S, Sapic R, Dam­ja­no­vic A, Vekic B, Lon­car Z, Dimit­ri­je­vic I, Ilan­ko­vic, A, Jova­no­vic A. Burn­out of For­mal Care­gi­vers of Child­ren with Cere­bral Pal­sy. Isr J Psych­ia­try Rela­ted Sci, 2016; 53 (2): 10–15
  8. Vicen­tic S, Sapic R, Dam­ja­no­vic A, Vekic B, Lon­car Z, Dimit­ri­je­vic I, Ilan­ko­vic, A, Jova­no­vic A. Burn­out of For­mal Care­gi­vers of Child­ren with Cere­bral Palsy.
    Isr J Psych­ia­try Rela­ted Sci, 2016; 53 (2): 10–15
  9. Lee DH. HEALTHQUAL: a mul­ti-item sca­le for asses­sing health­ca­re ser­vice qua­li­ty. Ser­vice Busi­ness, 2017; 3 (11): 491–516
Tei­len Sie die­sen Inhalt