Gro­ße Nach­fra­ge beim „Tag der Auszubildenden“

Nachdem sich das Format in der Vergangenheit auch online bewährt hatte, zog der „Tag der Auszubildenden“ der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (Bufa) auch in diesem Jahr erneut zahlreiche Interessenten vor die Bildschirme. „Die Veranstaltung ist begehrt“, stellte Fachlehrer Ralph Bethmann mit Blick auf die mehr als 300 Anmeldungen von Betrieben, Berufsschulklassen und Einzelpersonen fest.

Von Orthe­tik über Pro­the­tik bis hin zu Bewe­gungs­ana­ly­se, Reha-Tech­nik und Kom­pres­si­on boten die Referent:innen einen umfas­sen­den Ein­blick in ver­schie­de­ne Schwer­punkt­the­men der Ver­sor­gung. Offe­ne Fra­gen blie­ben nicht lan­ge unbe­ant­wor­tet. Die Zuschauer:innen betei­lig­ten sich per Chat- und Audio­funk­ti­on aktiv an der Ver­an­stal­tung, kamen so in den Aus­tausch mit den Referent:innen und konn­ten Wis­sens­lü­cken fül­len. „Vie­le von Ihnen sind im ers­ten Lehr­jahr, ande­re kurz vor dem Abschluss“, ver­riet die Teil­neh­mer­lis­te Ralph Beth­mann. „Ich kann Ihnen ver­si­chern: Fort­bil­dung wird nie auf­hö­ren. Nut­zen Sie dazu jede Möglichkeit.“

Nach der Ein­füh­rung star­te­te Beth­mann mit dem ers­ten Vor­trag – und stell­te wie­der ein­mal die Para­me­ter zum Auf­bau einer Ober­schen­kel­pro­the­se vor. Und das aus gutem Grund. „Willst du nicht mal ein ande­res The­ma machen?“ sei er vor­ab gefragt wor­den, eben­so habe es gehei­ßen „Das The­ma ist genau das, was wir brau­chen“. Und das sieht Beth­mann genau­so. „Man­che Ver­sor­gun­gen kom­men wäh­rend der Aus­bil­dung in vie­len Betrie­ben zu kurz, wer­den nur in Meis­ter­hand oder in die des Abtei­lungs­lei­ters gelegt.“ Dazu gehö­re auch die Ober­schen­kel­pro­the­se. Dabei kön­ne man den Auf­bau durch­aus auch Azu­bis zumu­ten. „Wenn man es ein, zwei Mal rich­tig gezeigt bekommt, ist es beim drit­ten Mal ein Selbst­läu­fer“, ist Beth­mann über­zeugt und beton­te: „Man könn­te dem Vor­ge­setz­ten damit eine Men­ge Arbeit abneh­men, wenn er die­se bloß abge­ben würde.“

Unter dem Titel „Pimp my AFO“ refe­rier­te Bufa-Fach­leh­rer Lud­ger Last­ring. Er mach­te klar: Mit dem Bau einer Orthe­se ist es nicht immer getan. Nicht sel­ten sei­en im Nach­gang Anpas­sun­gen not­wen­dig. Wel­che Mög­lich­kei­ten es gibt, die Funk­ti­on einer Orthe­se auch dann noch zu ver­bes­sern und an die Bedürf­nis­se der Patient:innen anzu­pas­sen, stell­te Last­ring den Zuschauer:innen anschau­lich dar. Dazu zähl­ten unter ande­rem Ver­än­de­run­gen der Schuh­zu­rich­tung sowie der Rück­fuß­he­bel­län­ge und Vorfußhebellänge.

Klein, wen­dig und faltbar

Der Bufa sei es stets ein Anlie­gen, auch den Bereich Reha-Tech­nik nicht außen vor zu las­sen, beton­te Fach­leh­rer Nor­bert Stock­mann. Wäh­rend er im Vor­jahr die Sitz­scha­len­ver­sor­gung in den Fokus genom­men hat­te, wid­me­te er sich dies­mal dem The­ma Roll­stuhl­fah­ren – mit beson­de­rer Beto­nung auf Fah­ren. Wie kann die­ses ver­bes­sert wer­den? Und was ist für das Fah­ren im All­tag von Bedeu­tung? Fra­gen, auf die Stock­mann gleich Ant­wor­ten gab. Ein Roll­stuhl müs­se in der Häus­lich­keit der Per­son mit allen Bar­rie­ren, die dort zu fin­den sind, funk­tio­nie­ren. Glei­ches gel­te für den Arbeits­platz. Um alle All­tags­si­tua­tio­nen zu meis­tern, müs­se der Roll­stuhl also klein, wen­dig und in vie­len Fäl­len falt­bar sein. „All die­se Aspek­te, also die Wen­dig­keit, die Aus­ma­ße und die Falt­bar­keit, hän­gen von dem jewei­li­gen Lenk­sys­tem ab, das im Roll­stuhl ver­baut ist“, beton­te Stock­mann und ver­an­schau­lich­te wäh­rend sei­nes Vor­trags zunächst die tech­ni­schen sowie anschlie­ßend die ergo­no­mi­schen Aspek­te des Rollstuhlfahrens.

Eben­falls zum Beruf gehört die phle­bo­lo­gi­sche Kom­pres­si­ons­strumpf­ver­sor­gung, die in das Fach­ge­biet von Bet­ti­na Gra­ge-Roß­man fällt. Sie stell­te vor, wor­auf es bei der Ver­sor­gung der Patient:innen ankommt und ging neben einer not­wen­di­gen umfang­rei­chen Bera­tung auf die Wich­tig­keit der Aus­wahl pas­sen­der Strümp­fe und Mate­ria­li­en sowie wei­te­ren Zube­hörs ein und wies auf typi­sche Feh­ler­quel­len hin. „Beach­ten Sie das Abschluss­maß. Der Strumpf darf nicht ein­schnü­ren“, sag­te sie. Sorg­fäl­tig zu mes­sen sei die Vor­aus­set­zung für einen guten Sitz.

In Ver­tre­tung für ihren ehe­ma­li­gen Fach­leh­rer Bernd Sib­bel gab OTM Jas­min Röss­ler, die vor ihrem Abschluss im ver­gan­ge­nen Jahr noch die Bufa in Dort­mund besuch­te, einen Ein­blick in die Pro­the­tik der obe­ren Extre­mi­tät. Unter­arm­pro­the­sen, mul­ti-arti­ku­lie­ren­de Hän­de, kom­plet­te Sys­te­me, Spe­zi­al­fäl­le – Röss­ler mach­te deut­lich, wie viel­fäl­tig der Ver­sor­gungs­be­reich ist. Dafür stell­te sie u. a. die ver­schie­de­nen Spar­ten – akti­ve und pas­si­ve Arm­pro­the­sen – sowie deren wei­te­re Auf­glie­de­rung vor und beschrieb bei­spiels­wei­se die Funk­ti­ons­wei­se einer myo­elek­tri­schen Steue­rung. Wäh­rend des Unter­richts an der Bufa haben sie und ihre Mitschüler:innen ver­schie­de­ne Hän­de tes­ten kön­nen, auch um zu schau­en, wie anstren­gend die Bewe­gung ist. „Vie­le Pati­en­ten, die Myo­tests machen, ermü­den sehr schnell. Heißt, am Anfang bekommt man ein gutes Signal, spä­ter wird es immer schwä­cher“, so Röss­ler. Bewe­ge man selbst das eige­ne Hand­ge­lenk, also die Hand immer wie­der nach oben und unten, stel­le man fest, wie anstren­gend es ist, die Mus­ku­la­tur für den Test zu ver­wen­den. Ihr Tipp an alle Nach­wuchs­kräf­te: „Ich wür­de jedem, der mit Arm­pro­the­tik zu tun hat, emp­feh­len, sich sel­ber einen Schaft zu bau­en. Nicht immer ist es ein­fach hin­ein­zu­kom­men, man merkt, wel­che Haft­rei­bung das Sili­kon­ma­te­ri­al hat und man hat dadurch den Vor­teil, dass man ver­schie­de­ne Hän­de anbau­en und Steue­run­gen aus­pro­bie­ren kann.“

Der Pro­the­tik der obe­ren Extre­mi­tät schloss Fach­leh­rer Jan Becker „Pro­the­ti­sche Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten nach TT-Ampu­ta­ti­on“ an, stell­te die Auf­ga­ben der Pro­the­se, des Pro­the­sen­schafts sowie ver­schie­de­ne Pro­the­sen- und Liner­sys­te­me vor. Nicht zu unter­schät­zen sei bei der Ver­sor­gung der kos­me­ti­sche Aspekt. Vie­le Prothesenträger:innen wür­den sich heut­zu­ta­ge kei­ne natür­li­che, son­dern eine bun­te Optik wün­schen. „Die Pro­the­se muss das kos­me­ti­sche Erschei­nungs­bild ver­voll­stän­di­gen“, beton­te Becker.

Mess­tech­nik als zusätz­li­ches Werkzeug

Bewe­gungs­ana­ly­se wird an der Bufa prak­tisch gelehrt und gelebt. Das Insti­tut für Mess­tech­nik und Bio­me­cha­nik (IMB) fun­giert dafür als Schnitt­stel­le zwi­schen der pra­xis­ori­en­tier­ten Berufs­bil­dung und der aka­de­mi­schen For­schung und Leh­re. Dr. Ann-Kath­rin Höm­me, Lei­te­rin des IMB, stell­te das Labor sowie die Mög­lich­kei­ten der Bewe­gungs­ana­ly­se in der Ortho­pä­die-Tech­nik vor. Dabei nahm sie bereits zu Anfang vor­weg: „Wir sehen die Mess­tech­nik nicht als Ersatz von Fach­kom­pe­tenz, son­dern ganz klar als zusätz­li­ches Werk­zeug und Unter­stüt­zung der Fach­kom­pe­tenz, die in der Ortho­pä­die-Tech­nik vor­han­den ist.“

Höm­me nutz­te den „Tag der Aus­zu­bil­den­den“ auch, um die Aus­bil­dung und den Meis­ter­lehr­gang an der Bufa vor­zu­stel­len sowie in ihrer Funk­ti­on als Lei­te­rin des Bache­lor- und Mas­ter­stu­di­en­gangs Ortho­pä­die- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­tech­nik, um über das Stu­di­um, den Auf­bau und die Vor­tei­le zu infor­mie­ren. Vie­le Wege füh­ren in die Ortho­pä­die-Tech­nik, für Höm­me aber in jedem Fall über die Bufa. „Für uns ist der Mensch das Maß und steht im Mit­tel­punkt“, beton­te sie.

                                                                                                                                     Pia Engelbrecht

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