Defi­ni­ti­on eines Ver­sor­gungs­stan­dards in der ortho­pä­di­schen Einlagenversorgung

A. Kerkhoff1, T. Stief2, H.-G. Ahrens3, T. Sprekelmeyer2, J. Stumpf4
Ist die orthopädische Einlagenversorgung tatsächlich so einfach, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheint? Die Autoren haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, den Prozess der Einlagenversorgung analysiert und einen zielorientierten Versorgungsstandard entwickelt. Zum ersten Mal wird beschrieben, welche Schritte, Tätigkeiten und Kompetenzen für eine individuelle strukturierte Einlagenversorgung essenziell sind, um die Qualität der Versorgung von Patienten zu gewährleisten.

Hin­ter­grund

Ortho­pä­di­sche Ein­la­gen sind in Deutsch­land bewähr­te und aner­kann­te Medi­zin­pro­duk­te. Laut dem Spit­zen­ver­band der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen wur­den 2020 ca. 4,4 Mio. Pati­en­ten mit ortho­pä­di­schen Ein­la­gen ver­sorgt. Der the­ra­peu­ti­sche Nut­zen die­ser Hilfs­mit­tel steht für die ver­ord­nen­den Ärz­te und alle Leis­tungs­er­brin­ger außer Fra­ge. Das geht aus den Stel­lung­nah­men der ärzt­li­chen Fach­ge­sell­schaf­ten zur Ein­la­gen­ver­sor­gung sowie aus ver­schie­de­nen medi­zi­ni­schen Leit­li­ni­en her­vor. In inter­na­tio­nal aner­kann­ten Publi­ka­tio­nen konn­te die Wirk­sam­keit von Ein­la­gen bei ver­schie­de­nen Indi­ka­tio­nen nach­ge­wie­sen wer­den. Ein wei­te­rer Beleg für die Wirk­sam­keit der Ein­la­gen­ver­sor­gung ist z. B. eine durch das Insti­tut für Demo­sko­pie Allens­bach durch­ge­führ­te Pati­en­ten­be­fra­gung. 93­ % der 400 befrag­ten Pati­en­ten gaben an, dass sie zufrie­den oder sehr zufrie­den mit den Ver­sor­gun­gen sind. Zudem schil­der­ten 89 %, dass Ein­la­gen ihnen viel oder sehr viel hel­fen würden.

Trotz des nach­ge­wie­se­nen Nut­zens kom­men Kos­ten­trä­ger, wie z. B. Kran­ken­kas­sen, zu einer teil­wei­se gegen­sätz­li­chen Nutz­en­ein­schät­zung von Ein­la­gen. Des Wei­te­ren wer­den die Kom­ple­xi­tät der Ein­la­gen­ver­sor­gung und das für eine adäqua­te Ver­sor­gung not­wen­di­ge Know-how unter­schätzt. Das mag auch dar­an lie­gen, dass für Außen­ste­hen­de ohne Ver­sor­gungs­exper­ti­se eine ortho­pä­di­sche Ein­la­ge im Ver­gleich zu ande­ren Hilfs­mit­teln und ande­ren the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men sehr „ein­fach“ erscheint. Dabei wird auch über­se­hen, dass es sich um ein in ein indi­vi­du­el­les Ver­sor­gungs­kon­zept ein­ge­bet­te­tes Hilfs­mit­tel handelt.

Für die opti­ma­le, auf die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se und Beschwer­den der Pati­en­ten abge­stimm­te Ein­la­gen­ver­sor­gung müs­sen die Leis­tungs­er­brin­ger nicht nur hand­werk­li­che Fähig­kei­ten, son­dern im hohen Maße ortho­pä­di­sche, bio­me­cha­ni­sche und neu­ro­phy­sio­lo­gi­sche Kennt­nis­se besit­zen. Bei­spiels­wei­se kön­nen bei Vor­fuß­de­for­mi­tä­ten in Ver­bin­dung mit Atro­phien des Fuß­soh­len­ge­we­bes Spit­zen­drü­cke im Bereich der Meta­tar­sal­köp­fe von mehr als 1.000 kPa auf­tre­ten. Bei Pati­en­ten mit einem nor­ma­len Schmerz­emp­fin­den, wie z. B. bei Rheu­ma­ti­kern, kann die­se hohe Belas­tung zu erheb­li­chen Gang­stö­run­gen mit ein­her­ge­hen­der Über­be­an­spru­chung von benach­bar­ten Struk­tu­ren, z. B. im Bereich des Knie­ge­lenks, und redu­zier­ter All­tags­mo­bi­li­tät füh­ren. Eine gute indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung hat das Ziel, die hohen Spit­zen­drü­cke so zu redu­zie­ren, dass Schmer­zen mini­miert wer­den und bei ent­spre­chen­der Schmerz­re­duk­ti­on die all­täg­li­che Mobi­li­tät erhöht wird. Um die Ver­sor­gungs­zie­le zu errei­chen und zu über­prü­fen, sind eine brei­te und tie­fe Fach­kom­pe­tenz, eine adäqua­te tech­ni­sche und räum­li­che Aus­stat­tung und ein struk­tu­rier­tes Vor­ge­hen not­wen­dig. Selbst­ver­ständ­lich sind die Ziel­füh­rung und die Wir­kung von Ein­la­gen im hohen Maß auch von der gewis­sen­haf­ten und fach­lich kom­pe­ten­ten Durch­füh­rung der Ver­sor­gung abhängig.

Die Indi­ka­tio­nen für ortho­pä­di­sche Ein­la­gen umfas­sen in der Pro­dukt­grup­pe (PG) 08 (Ein­la­gen) mehr als 30 Indi­ka­tio­nen vom Knick-Senk-Spreiz­fuß mit Belas­tungs­be­schwer­den bis zu schwe­ren kon­trak­ten Fuß­fehl­for­men. Dar­über hin­aus fal­len Über­be­an­spru­chun­gen des Mus­kel- und Seh­nen­ap­pa­ra­tes und Knie‑, Hüft- und Wir­bel­säu­len­pro­ble­me in den Ver­sor­gungs­be­reich für Ein­la­gen. Die viel­fäl­ti­gen Indi­ka­tio­nen kön­nen nur durch indi­vi­du­el­le Ein­la­gen adäquat behan­delt wer­den. Betrach­tet man die indi­vi­du­el­len Aus­prä­gun­gen der Indi­ka­tio­nen, even­tu­el­le Wech­sel­wir­kun­gen von ver­schie­de­nen Beschwer­de­bil­dern und die unter­schied­li­chen Ein­satz­ge­bie­te von Ein­la­gen, wie z. B. All­tag, Beruf oder Sport, so wird deut­lich, wie kom­plex eine Ver­sor­gung mit Ein­la­gen ist.

Die hier ange­ris­se­ne Kom­ple­xi­tät ver­deut­licht die Not­wen­dig­keit einer sys­te­ma­ti­schen Her­an­ge­hens­wei­se an die gesam­te Ein­la­gen­ver­sor­gung. Im aktu­el­len Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis fin­den sich in der PG 08 rudi­men­tä­re Beschrei­bun­gen zur Befun­dung, zum Maß­neh­men, zur Abdruck­tech­nik, Abga­be, Ein­wei­sung und Doku­men­ta­ti­on. Die­se sind aber für die prak­ti­sche Umset­zung in der Ver­sor­gung nicht ausreichend.

Bis­her exis­tiert kei­ne aktu­el­le, umfas­sen­de und stan­dar­di­sier­te Dar­stel­lung und Beschrei­bung des ver­sor­gungs­ziel­ge­lei­te­ten Pro­zes­ses der indi­vi­du­el­len ortho­pä­di­schen Ein­la­gen­ver­sor­gung. Das hat zur Fol­ge, dass die Kom­ple­xi­tät der Ver­sor­gung nur unzu­rei­chend für die Pati­en­ten, die Ver­ord­ner und die Kos­ten­trä­ger dar­stell­bar und nach­voll­zieh­bar ist. Dar­über hin­aus kön­nen Ver­sor­gungs­zie­le nicht aus­rei­chend quan­ti­fi­ziert und doku­men­tiert wer­den, was die Ver­gleich­bar­keit und die Trans­pa­renz der Ver­sor­gun­gen einschränkt.

Ziel der Ent­wick­lung des vor­ge­stell­ten Ver­sor­gungs­stan­dards war ein struk­tu­rier­tes, nach­voll­zieh­ba­res und trans­pa­ren­tes Vor­ge­hen in der ortho­pä­di­schen Ein­la­gen­ver­sor­gung zu defi­nie­ren und eta­blie­ren. Der Stan­dard beschreibt einen stan­dar­di­sier­ten, struk­tu­rier­ten und ziel­ori­en­tier­ten Ver­sor­gungs­pro­zess und ist auf alle Indi­ka­tio­nen und Pro­dukt­ar­ten der PG 08 über­trag­bar. Durch den Ver­sor­gungs­stan­dard wird nicht fest­ge­legt, wel­che Ein­la­ge ein­ge­setzt wird und wie die Aus­füh­rung der Ein­la­ge erfolgt.

Der Ver­sor­gungs­stan­dard

Der vor­ge­stell­te Ver­sor­gungs­stan­dard für die ortho­pä­di­sche Ein­la­gen­ver­sor­gung wur­de auf der Basis der Pro­zess­be­schrei­bung von Tho­mas Stief von einem inter­dis­zi­pli­nä­ren Exper­ten­gre­mi­um wei­ter­ent­wi­ckelt. Mit­glie­der des Gre­mi­ums sind Hans-Georg Ahrens, Annet­te Kerkhoff, Tino Spre­kel­mey­er, Tho­mas Stief und Jür­gen Stumpf.

Im Mit­tel­punkt jeder Ver­sor­gung mit ortho­pä­di­schen Ein­la­gen steht der Pati­ent mit sei­nen indi­vi­du­el­len Beschwer­den und Bedürf­nis­sen. Aus die­sem Grund steht er im Mit­tel­punkt der Ent­wick­lung des Ver­sor­gungs­stan­dards für Ein­la­gen. Umfang­rei­che Erkennt­nis­se der Ein­la­gen­ver­sor­gung der letz­ten Jah­re, sowohl aus den Berei­chen der Befun­dung, der Funk­ti­ons­tests, der qua­li­ta­ti­ven und appa­ra­ti­ven Ana­ly­se­ver­fah­ren als auch der neu­es­ten Fer­ti­gungs­tech­ni­ken sind in den Pro­zess eingeflossen.

Die Dar­stel­lung des Ver­sor­gungs­stan­dards erfolgt über eine kur­ze Beschrei­bung des Gesamt­pro­zes­ses. Anschlie­ßend wer­den die Haupt­pro­zess­schrit­te und ein­zel­nen Pro­zess­schrit­te aus­führ­lich erläutert.

Über­blick über den Gesamtprozess

Der stan­dar­di­sier­te Ver­sor­gungs­pro­zess ist für die gesam­te PG 08 anwend­bar, unab­hän­gig von der Pro­dukt­art und der jewei­li­gen Indi­ka­ti­on. Er besteht aus drei Haupt­pro­zess­schrit­ten, die mit­ein­an­der in Ver­bin­dung ste­hen, und wird unter­teilt in die Schrit­te (s. Abb. 1):

  1. ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung und Bera­tung mit dem Haupt­fo­kus auf der Defi­ni­ti­on der Versorgungsziele,
  2. Pro­dukt­aus­wahl und Pro­dukt­ge­stal­tung mit der Umset­zung der Ver­sor­gungs­zie­le und
  3. Aus­lie­fe­rung und Ver­sor­gungs­kon­trol­le mit der Über­prü­fung des Errei­chens der Versorgungsziele.

Wie läuft eine Ver­sor­gung ab?

In der Regel sucht der Pati­ent bei (ortho­pä­di­schen) Beschwer­den einen Arzt auf. Die­ser ermit­telt den Ver­sor­gungs­be­darf und stellt ein Rezept mit der zu ver­ord­nen­den Pro­dukt­art und ent­spre­chen­der Indi­ka­ti­on aus. Mit der Ver­ord­nung wen­det sich der Pati­ent an einen Leis­tungs­er­brin­ger der Orthopädie(schuh)technik sei­ner Wahl.

Im Betrieb des Leis­tungs­er­brin­gers wer­den im ers­ten Haupt­pro­zess­schritt ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung und Bera­tung indikations‑, beschwer­de- und per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten erho­ben. Sie mün­den gemein­sam mit der Bera­tung, der ärzt­li­chen Ver­ord­nung und gege­be­nen­falls wei­te­rer Infor­ma­tio­nen in die Defi­ni­ti­on rea­lis­ti­scher und umsetz­ba­rer Ver­sor­gungs­zie­le. Die Defi­ni­ti­on der Ver­sor­gungs­zie­le und die Erhe­bung des indi­vi­du­el­len Beschwer­de­bil­des (Ist-Zustand) sind für die erfolg­rei­che Umset­zung der Ver­sor­gung und somit der Wir­kung der Ein­la­ge uner­läss­lich. Hier spie­len ins­be­son­de­re geeig­ne­te pra­xis­re­le­van­te Mess­grö­ßen für die Ermitt­lung und Ana­ly­se des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le eine wich­ti­ge Rolle.

Anhand der Ver­sor­gungs­zie­le und mit Hil­fe der erho­be­nen Daten wird anschlie­ßend im zwei­ten Haupt­pro­zess­schritt Pro­dukt­aus­wahl und Pro­dukt­ge­stal­tung das Hilfs­mit­tel geplant, aus­ge­wählt und gefer­tigt. Hier­bei müs­sen u. a. Kom­pe­ten­zen dar­über her­an­ge­zo­gen wer­den, mit wel­cher Ein­la­gen­ge­stal­tung und wel­chen Kom­po­nen­ten die Ver­sor­gungs­zie­le erreicht wer­den kön­nen. Ziel des stan­dar­di­sier­ten Ver­sor­gungs­pro­zes­ses ist nicht, die Pro­dukt­aus­wahl und ‑gestal­tung zu stan­dar­di­sie­ren. Des­halb erfolgt kei­ne Beschrei­bung zur Aus­wahl und Gestal­tung der Ein­la­ge. Dies ermög­licht, dass die Indi­vi­dua­li­tät in der indi­vi­du­el­len Ver­sor­gung der Pati­en­ten bestehen bleibt.

Im drit­ten Haupt­pro­zess­schritt Aus­lie­fe­rung und Ver­sor­gungs­kon­trol­le fin­det die Über­prü­fung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le statt. Dazu gehört auch die Pass­form­kon­trol­le. Die Über­prü­fung der Wirk­sam­keit der Ein­la­ge, d. h. die Ermitt­lung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le, fin­det mit den glei­chen Ver­fah­ren statt, die bei der Fest­le­gung der Ver­sor­gungs­zie­le ein­ge­setzt wur­den. Hier­zu wer­den noch ein­mal die glei­chen Para­me­ter wie bei der Ermitt­lung des Ist-Zustands erho­ben und anhand die­ser das Errei­chen der Ver­sor­gungs­zie­le über­prüft. Wur­den die Zie­le erreicht, ist die Per­son zu die­sem Zeit­punkt opti­mal mit Ein­la­gen ver­sorgt. Wur­den sie nicht erreicht, muss zu einem der vor­he­ri­gen Haupt­pro­zess­schrit­te zurück­ge­kehrt wer­den und eine erneu­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung und/oder eine Anpas­sung des Pro­duk­tes erfol­gen. Even­tu­el­le Anpas­sun­gen oder ande­re Ände­run­gen wer­den doku­men­tiert und anschlie­ßend wird erneut die Über­prü­fung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le durch­ge­führt. Die­ser sich wie­der­ho­len­de Ablauf fin­det so lan­ge statt, bis die auf­ge­stell­ten Ver­sor­gungs­zie­le erreicht wer­den oder man fest­stellt, dass mit der gewähl­ten Ver­sor­gung die Zie­le nicht erreicht wer­den. Dann kön­nen dem­entspre­chend wei­te­re Maß­nah­men, wie Schuh­zu­rich­tun­gen, ergän­zend ange­wandt wer­den oder eine höher­gra­di­ge Ver­sor­gung ist notwendig.

Durch die in der Pra­xis bis­her nicht stan­dard­mä­ßig ein­ge­setz­ten Werk­zeu­ge „Defi­ni­ti­on der Ver­sor­gungs­zie­le“, „Umset­zung der Ver­sor­gungs­zie­le“ und „Über­prü­fung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le“ wird der Pro­zess in ein struk­tu­rier­tes, nach­voll­zieh­ba­res, trans­pa­ren­tes und ver­sor­gungs­ziel­ori­en­tier­tes Vor­ge­hen, bei dem Bedürf­nis­se und Beschwer­den der Pati­en­ten im Mit­tel­punkt ste­hen, überführt.

Detail­lier­te Dar­stel­lung der ein­zel­nen (Haupt-)Prozessschritte

Im Fol­gen­den wird auf die ein­zel­nen (Haupt-)Prozessschritte und die Tätig­kei­ten in den jewei­li­gen Pro­zess­schrit­ten detail­liert eingegangen.

Ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung und Beratung

Die Infor­ma­ti­ons­er­he­bung nimmt eine essen­zi­el­le Rol­le für den Erfolg der Ver­sor­gung ein und muss daher auch mit gro­ßer Sorg­falt erfol­gen. Des­halb liegt ein Schwer­punkt der Beschrei­bung auf der rich­ti­gen ver­sor­gungs­re­le­van­ten Infor­ma­ti­ons­er­he­bung (s. Abb. 2), zu der u. a. die Ana­mne­se, die kli­ni­sche Unter­su­chung und das Maß­neh­men zäh­len. Es wer­den in die­sem Schritt alle für die Ver­sor­gung not­wen­di­gen Daten erho­ben, dabei kann das Aus­maß der Daten­er­he­bung sehr unter­schied­lich aus­fal­len, je nach Indi­ka­ti­on und Pro­blem­stel­lung. Der Leis­tungs­er­brin­ger in der Orthopädie(schuh)technik hat die fach­li­che Kom­pe­tenz zu ent­schei­den, wel­che Maß­nah­men, wie z. B. wel­che Funk­ti­ons­tests oder wel­che wei­ter­füh­ren­den Ana­ly­sen für eine opti­ma­le indi­vi­du­el­le Ein­la­gen­ver­sor­gung not­wen­dig sind.

Die ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung unter­teilt sich in ers­ter Ebe­ne in zwei Strän­ge, in betriebs­in­tern und in extern erho­be­ne Infor­ma­tio­nen. Zu den extern Erho­be­nen zäh­len die Ver­ord­nung und ande­re ärzt­li­che Infor­ma­tio­nen, die der Pati­ent mit­bringt oder dem Leis­tungs­er­brin­ger anders über­mit­telt wer­den. Zudem kön­nen wei­te­re Infor­ma­tio­nen not­wen­dig sein, die von ande­ren an der Ver­sor­gung betei­lig­ten Sek­tio­nen stam­men, wie z. B. von Physiotherapeuten.

In den ers­ten Schrit­ten der betriebs­in­ter­nen Infor­ma­ti­ons­ge­win­nung wer­den soge­nann­te sub­jek­tiv ermit­tel­ba­re Grö­ßen erho­ben. Dazu gehö­ren Per­so­nen­da­ten, Ana­mne­se­da­ten, Infor­ma­tio­nen zu Lebens­ge­wohn­hei­ten und den indi­vi­du­el­len Zie­len des Pati­en­ten. In der Ana­mne­se wer­den u. a. kon­kre­te Anga­ben zum Beschwer­de­bild, Anga­ben zum Kör­per­bau und der Fami­li­en- und Sozi­al­ana­mne­se gemacht. Zum Beschwer­de­bild müs­sen ins­be­son­de­re Infor­ma­tio­nen zur Loka­li­sa­ti­on, Aus­strah­lung, zum Cha­rak­ter und zeit­li­chen Ver­lauf erho­ben wer­den. Zu den Infor­ma­tio­nen über die Lebens­ge­wohn­hei­ten des Pati­en­ten zählt z. B. der Akti­vi­täts­grad. Die­se Infor­ma­tio­nen kön­nen meist über Fra­ge­bö­gen (vor­zugs­wei­se digi­tal) erho­ben wer­den. Ein Fokus liegt auf der Ermitt­lung des Ist-Zustands und der per­sön­li­chen indi­vi­du­el­len (Versorgungs-)Ziele des Pati­en­ten. Ist ein Ver­sor­gungs­ziel z. B. eine Schmerz­re­duk­ti­on, so kann die aktu­el­le Schmerz­si­tua­ti­on mit einem stan­dar­di­sier­ten und geprüf­ten Ver­fah­ren wie z. B. einer Visu­el­len Ana­lo­gen Ska­la (VAS) erho­ben wer­den. Alle not­wen­di­gen sub­jek­tiv ermit­tel­ba­ren Daten flie­ßen gesam­melt in die Ermitt­lung der indi­vi­du­el­len Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on und der indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se des Pati­en­ten ein.

Im nächs­ten Pro­zess­schritt wer­den dann je nach Indi­ka­ti­on und Beschwer­de­bild die soge­nann­ten objek­tiv ermit­tel­ba­ren Daten erfasst. Das Maß­neh­men und die Erfas­sung der Anthro­po­me­trie, zu der auch Abform­tech­ni­ken zäh­len, spie­len eine wich­ti­ge Daten­grund­la­ge für die Her­stel­lung der Ein­la­gen. 2D- oder 3D-Daten vom Fuß und der Fuß­stel­lung ent­hal­ten aber nicht alle für die Ver­sor­gung essen­zi­el­len Infor­ma­tio­nen. So kön­nen bei­spiels­wei­se Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen und Patho­lo­gien, wie die Loka­li­sa­ti­on und Aus­prä­gung z. B. bei Fer­sen­sporn­be­schwer­den, nicht aus die­sen Infor­ma­tio­nen abge­lei­tet werden.

Ein zwin­gend not­wen­di­ger Schritt ist die kli­ni­sche Unter­su­chung, bei der wei­te­re ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen mit Stan­dard­ver­fah­ren erho­ben wer­den. Mit­tels visu­el­ler Inspek­ti­on, die u. a. im Ste­hen und wäh­rend der Fort­be­we­gung durch­ge­führt wird, wer­den z. B. Fehl­stel­lun­gen oder Asym­me­trien erfasst. Über eine geziel­te Pal­pa­ti­on und Beweg­lich­keits­prü­fung wer­den der Aus­gangs­zu­stand, die Beschwer­den und even­tu­ell mög­li­che Ursa­chen der Beschwer­den ermit­telt. Auch die geziel­te Anwen­dung von kli­ni­schen Funk­ti­ons­tests und ein­fa­chen neu­ro­lo­gi­schen Unter­su­chun­gen kann not­wen­dig sein.

Tabel­le 1 lis­tet rele­van­te Ver­fah­ren auf, die je nach Indi­ka­ti­on und Beschwer­de­bild ein­zu­set­zen sind. Gege­be­nen­falls kann eine wei­ter­füh­ren­de instru­men­tier­te Hal­tungs- und Bewe­gungs­ana­ly­se not­wen­dig sein. So kön­nen Ein­schrän­kun­gen und Beschwer­den bei kom­ple­xen Bewe­gungs­ab­läu­fen betrach­tet und doku­men­tiert wer­den. Bei ent­las­ten­den Maß­nah­men, die z. B. zur Reduk­ti­on hoher plant­a­rer Druck­be­las­tung beim Rheu­ma­ti­ker ein­ge­setzt wer­den, muss die Grö­ße der Belas­tung über geeig­ne­te Ver­fah­ren erfasst wer­den. Die Aus­wahl pra­xis- und ver­sor­gungs­re­le­van­ter Mess­grö­ßen spielt eine wich­ti­ge Rol­le. Bei der Ermitt­lung von Mess­grö­ßen sind vali­de und relia­ble (Standard-)Messverfahren einzusetzen.

Anhand aller erfass­ten Infor­ma­tio­nen wer­den der ortho­pä­di­sche Sta­tus und der indi­vi­du­el­le Ver­sor­gungs­be­darf des Pati­en­ten ermit­telt und die Ver­sor­gungs­zie­le fest­ge­legt. Extern erho­be­ne Infor­ma­tio­nen flie­ßen eben­falls in die Defi­ni­ti­on der Ver­sor­gungs­zie­le ein. Die­se müs­sen in der Bera­tung mit dem Pati­en­ten abge­stimmt wer­den. Es müs­sen ins­be­son­de­re die Vor­stel­lun­gen des Pati­en­ten mit den rea­li­sier­ba­ren Mög­lich­kei­ten unter den gege­be­nen Vor­aus­set­zun­gen der indi­vi­du­el­len Ver­sor­gung in Ein­klang gebracht wer­den. Die Abwä­gung von Vor- und Nach­tei­len ver­schie­de­ner Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten muss eben­falls mit ein­be­zo­gen wer­den. Mit dem Pati­en­ten zusam­men wer­den die end­gül­ti­gen Ver­sor­gungs­zie­le fest­ge­legt. Bei allen Ver­sor­gungs­zie­len ist dar­auf zu ach­ten, dass sie umsetz­bar, nach­voll­zieh­bar und quan­ti­fi­zier­bar sind. Kön­nen kei­ne Ver­sor­gungs­zie­le defi­niert wer­den oder feh­len Infor­ma­tio­nen, die für die Umset­zung von Ver­sor­gungs­zie­len rele­vant sind, kann es not­wen­dig sein, einen Pro­zess­schritt zurück­zu­ge­hen und wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu erhe­ben. Soll­ten exter­ne Infor­ma­tio­nen wie z. B. ein Rezept unzu­rei­chen­de oder nicht rich­ti­ge Infor­ma­tio­nen beinhal­ten, so müs­sen auch hier die rich­ti­gen Infor­ma­tio­nen vom z. B. Arzt ange­for­dert wer­den und in die Ver­sor­gung mit­ein­flie­ßen. Gene­rell gilt, dass bei feh­len­den oder nicht rich­ti­gen Infor­ma­tio­nen ein Pro­zess­schritt zurück­ge­gan­gen wer­den muss, um die Infor­ma­ti­ons­er­he­bung anzupassen.

Pro­dukt­aus­wahl und Produktgestaltung

Die Orthopädie(schuh)technik zeich­net sich durch ihr tech­ni­sches und hand­werk­li­ches Know-how und das Wis­sen über die Ana­to­mie und die funk­tio­nel­len, neu­ro­mus­ku­lä­ren und bio­me­cha­ni­schen Zusam­men­hän­ge aus. Die­se müs­sen in den kom­ple­xen Pro­zess der Ein­la­gen­ver­sor­gung adäquat ein­ge­bracht werden.

Auf der Grund­la­ge der Infor­ma­ti­ons­er­he­bung, der Bera­tung und der Defi­ni­ti­on der Ver­sor­gungs­zie­le erfol­gen die Pro­dukt­aus­wahl, Pro­dukt­ge­stal­tung und die Fer­ti­gung im zwei­ten Haupt­pro­zess­schritt. Auf Basis der erho­be­nen Infor­ma­tio­nen wird als Ers­tes ein schlüs­si­ges Ver­sor­gungs­kon­zept ent­wi­ckelt. Das Rezept schreibt die Pro­dukt­art des Hilfs­mit­tels vor. Über die genaue Aus­füh­rung ent­schei­det der jewei­li­ge Leis­tungs­er­brin­ger. Das auf die Beschwer­den und Bedürf­nis­se des Pati­en­ten abge­stimm­te Ver­sor­gungs­kon­zept beinhal­tet die funk­tio­nel­le Ein­stel­lung des Fußes, die Gestal­tung der Ein­la­ge und die Aus­wahl geeig­ne­ter funk­tio­nel­ler Ein­la­gen­kom­po­nen­ten. Auch dabei unter­stüt­zen das struk­tu­rier­te Vor­ge­hen und spe­zi­ell die Defi­ni­ti­on der Ver­sor­gungs­zie­le. Dazu ist Wis­sen not­wen­dig, mit wel­cher tech­ni­schen Umset­zung wel­che Ver­sor­gungs­zie­le ver­folgt und erreicht wer­den kön­nen. Bei­spiels­wei­se kann eine Schmerz­re­duk­ti­on durch die Aus­wahl ver­schie­de­ner funk­tio­nel­ler Kom­po­nen­ten, z. B. Ver­stei­fun­gen oder Pols­te­run­gen, erreicht werden.

Die Erstel­lung der Kon­struk­ti­ons­da­ten und die Mate­ri­al­aus­wahl müs­sen mit der glei­chen gewis­sen­haf­ten und fach­li­chen Sorg­falt durch­ge­führt wer­den wie das Bear­bei­ten der Ein­la­ge und Einlagenkomponenten.

Im hier beschrie­be­nen stan­dar­di­sier­ten Ver­sor­gungs­pro­zess spielt es eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le, ob ein teil­kon­fek­tio­nier­tes Hilfs­mit­tel (Roh­ling) indi­vi­dua­li­siert oder das Hilfs­mit­tel kom­plett indi­vi­du­ell gefer­tigt wird. Die­se Aus­wahl und die Art des Fer­ti­gungs­ver­fah­rens (Tief­zie­hen, Frä­sen, 3D-Druck) oblie­gen dem Leis­tungs­er­brin­ger. In der täg­li­chen Pra­xis spie­len die Pro­dukt­aus­wahl, ‑gestal­tung und ‑fer­ti­gung inner­halb des Haupt­pro­zess­schrit­tes Pro­dukt­aus­wahl und Pro­dukt­ge­stal­tung eine ele­men­ta­re Rol­le. Sie sind wich­ti­ge Bestand­tei­le im gesam­ten Ver­sor­gungs­pro­zess. Am Ende der Fer­ti­gung des Pro­duk­tes erfolgt die Qua­li­täts­kon­trol­le, die Teil des Qua­li­täts­ma­nage­ments ist.

Aus­lie­fe­rung und Versorgungskontrolle

Im letz­ten Haupt­pro­zess­schritt erfol­gen die Aus­lie­fe­rung und die Kon­trol­le der Ver­sor­gung. Im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis sind durch die medi­zi­ni­schen Anfor­de­run­gen gemäß § 139 SGB V die per­sön­li­che Abga­be vor Ort und die Ein­wei­sung in das Hilfs­mit­tel vor­ge­schrie­ben. Laut Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis müs­sen eine sach­ge­rech­te, per­sön­li­che Abga­be der Ein­la­ge mit Ein­pas­sung in den Schuh und eine Ein­wei­sung in den bestim­mungs­ge­mä­ßen Gebrauch erfol­gen. Die Kon­trol­le und Bewer­tung der Pass­form der Ein­la­ge fin­den sowohl am Fuß als auch im Schuh statt. Dabei muss ins­be­son­de­re die Funk­ti­on der Ein­la­ge in Kom­bi­na­ti­on mit dem Schuh über­prüft wer­den. Der Fokus muss auf der Über­prü­fung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le lie­gen. Die Ermitt­lung der Wirk­sam­keit erfolgt mit den­sel­ben Para­me­tern wie bei der Erhe­bung des Ist-Zustan­des. Nur so kann die Wirk­sam­keit der Ein­la­gen­ver­sor­gung objek­tiv und trans­pa­rent über­prüft wer­den. Wur­den die Ver­sor­gungs­zie­le nicht oder nur teil­wei­se erreicht, so muss die Ein­la­ge dem­entspre­chend über­ar­bei­tet wer­den. Oder es müs­sen wei­te­re für eine erfolg­rei­che Ver­sor­gung not­wen­di­ge Infor­ma­tio­nen erho­ben wer­den. Dazu wird eine wich­ti­ge Ver­sor­gungs­schlei­fe hin­zu­ge­fügt, indem ein Haupt­pro­zess­schritt zurück­ge­gan­gen, die Ein­la­ge modi­fi­ziert und in der anschlie­ßen­den Ver­sor­gungs­kon­trol­le erneut über­prüft wird, ob die Ver­sor­gungs­zie­le erreicht wur­den. Die Ände­run­gen müs­sen doku­men­tiert und im Rah­men des betrieb­li­chen Qua­li­täts­ma­nage­ments bewer­tet werden.

Kön­nen mit der Ein­la­gen­ver­sor­gung auch nach mehr­fa­cher Anpas­sung Ver­sor­gungs­zie­le nicht erreicht wer­den, soll­te ggf. mit dem Arzt, dem The­ra­peu­ten im inter­dis­zi­pli­nä­ren Team dis­ku­tiert wer­den, ob eine ande­re Ver­sor­gungs­art ziel­füh­ren­der sein kann oder die Ver­sor­gungs­zie­le neu for­mu­liert wer­den müs­sen. Je nach Ergeb­nis die­ses Aus­tau­sches und nach Rück­spra­che mit dem Kos­ten­trä­ger wird eine alter­na­ti­ve Ver­sor­gung geplant und durch­ge­führt. Am Ende einer erfolg­rei­chen Ver­sor­gung mit Ein­la­gen steht immer der opti­mal ver­sorg­te Pati­ent. Opti­mal bedeu­tet, dass sowohl die Ver­sor­gungs­zie­le erreicht wur­den als auch der Pati­ent eine hohe Akzep­tanz der Ein­la­gen­ver­sor­gung zeigt.

Schluss­fol­ge­rung und Fazit

Bis­her gibt es kei­ne rele­van­te Publi­ka­ti­on, die den aktu­el­len Pro­zess einer Ein­la­gen­ver­sor­gung detail­liert beschreibt. Ziel der Ent­wick­lung des vor­ge­stell­ten Ver­sor­gungs­stan­dards war, ein struk­tu­rier­tes, nach­voll­zieh­ba­res und trans­pa­ren­tes Vor­ge­hen in der ortho­pä­di­schen Ein­la­gen­ver­sor­gung zu defi­nie­ren und in der Pra­xis zu eta­blie­ren. Ein struk­tu­rier­tes Vor­ge­hen ist not­wen­dig, um eine wirk­sa­me und somit auf die indi­vi­du­el­len Beschwer­den und Bedürf­nis­se der Pati­en­ten abge­stimm­te Ver­sor­gung im aus­rei­chen­den Maß zu gewähr­leis­ten. Für die Ent­wick­lung des Ver­sor­gungs­stan­dards wur­den alle rele­van­ten Pro­zess­schrit­te eines struk­tu­rier­ten, ver­sor­gungs­ziel­ori­en­tier­ten Vor­ge­hens in der Ein­la­gen­ver­sor­gung ermittelt.

Mit­tels drei Hauptprozessschritten:

  1. ver­sor­gungs­re­le­van­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung und
    Bera­tung mit dem Haupt­fo­kus auf der Defi­ni­ti­on der Versorgungsziele,
  2. Pro­dukt­aus­wahl und Pro­dukt­ge­stal­tung mit der Umset­zung der Ver­sor­gungs­zie­le und
  3. Aus­lie­fe­rung und Ver­sor­gungs­kon­trol­le mit Über­prü­fung des Errei­chens der Versorgungsziele

lässt sich die ortho­pä­di­sche Ein­la­gen­ver­sor­gung in ers­ter Ebe­ne dar­stel­len und beschreiben.

Die Kom­ple­xi­tät der Pro­zess­schrit­te inner­halb der drei Haupt­pro­zess­schrit­te (s. Abb. 2) kann je nach Betrieb, Betriebs­grö­ße und Schwer­punkt des Betrie­bes (z. B. Sport), aber auch je nach Indi­ka­ti­on stark vari­ie­ren. Basis muss aber immer ein struk­tu­rier­ter, nach­voll­zieh­ba­rer Ablauf sein. Die­ser Ablauf ist sehr kom­plex und for­dert die gesam­te Fach­kom­pe­tenz des Leis­tungs­er­brin­gers. Der Ablauf kann im not­wen­di­gen Fall in sei­nem Umfang erwei­tert wer­den oder im begrün­de­ten Fall kann auch von dem dar­ge­stell­ten Ablauf abge­wi­chen wer­den. Auf­grund sei­ner fach­li­chen Kom­pe­tenz kann der Leis­tungs­er­brin­ger ent­schei­den, wel­che z. B. wei­te­ren Infor­ma­tio­nen er für eine opti­ma­le Ver­sor­gung benö­tigt. Auch hier hilft ein struk­tu­rier­tes und nach­voll­zieh­ba­res Vorgehen.

Der Fokus bei der Ent­wick­lung des Ver­sor­gungs­stan­dards, und das ist neu und für den Erfolg der Ver­sor­gung essen­zi­ell, liegt auf

  • der Defi­ni­ti­on von nach­voll­zieh­ba­ren, pra­xis­re­le­van­ten, rea­lis­ti­schen und quan­ti­fi­zier­ba­ren Versorgungszielen,
  • der Umset­zung die­ser Ziele
  • und der Über­prü­fung des Errei­chens der Versorgungsziele.

Nur durch das Auf­stel­len, Ver­fol­gen und Über­prü­fen von Zie­len lässt sich objek­tiv nach­voll­zie­hen, wie ziel­füh­rend ver­sorgt wur­de. Zudem lässt sich im indi­vi­du­el­len Ver­sor­gungs­fall nach­wei­sen, wie die Wir­kung der Ein­la­gen­ver­sor­gung, die auf die indi­vi­du­el­len Beschwer­den und Bedürf­nis­se des ein­zel­nen Pati­en­ten abge­stimmt sein muss, auch wirk­lich ist. Das sorgt u. a. für eine Auf­wer­tung der hand­werk­li­chen Leis­tung und für Transparenz.

Der beschrie­be­ne Stan­dard zeigt deut­lich, dass die hand­werk­li­che Fer­ti­gung der Ein­la­ge bzw. des Hilfs­mit­tels nur einen Teil der gesam­ten Ver­sor­gung dar­stellt. Die Wich­tig­keit der gewis­sen­haf­ten und fach­li­chen Her­stel­lung der Ein­la­gen soll dabei nicht gemin­dert wer­den. Viel­mehr wird deut­lich, dass für eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung wei­te­re wich­ti­ge Schrit­te und Kom­pe­ten­zen not­wen­dig sind, um die gewünsch­te Wir­kung der Ein­la­ge zu erreichen.

Wel­che Vor­tei­le bie­tet das struk­tu­rier­te Vorgehen?

Mit dem Ver­sor­gungs­stan­dard wer­den die Ver­sor­gung und ins­be­son­de­re das eige­ne Vor­ge­hen nach­voll­zieh­bar und trans­pa­rent. Die Defi­ni­ti­on von Ver­sor­gungs­zie­len, die Umset­zung die­ser Zie­le in die Ver­sor­gung und die anschlie­ßen­de Über­prü­fung des Errei­chens der Ver­sor­gungs­zie­le hel­fen auch dabei, eine sys­te­ma­ti­sche Qua­li­täts­prü­fung zu imple­men­tie­ren. Über eine geziel­te Infor­ma­ti­ons­er­he­bung kön­nen die Ursa­chen von Rekla­ma­tio­nen und Rück­läu­fern bes­ser ein­grenzt und dar­aus not­wen­di­ge Ände­run­gen in der Ein­la­gen­ver­sor­gung abge­lei­tet wer­den. Zudem kann das struk­tu­rier­te Vor­ge­hen im Ver­sor­gungs­pro­zess dabei hel­fen, die Wir­kung von Ein­la­gen und deren funk­tio­nel­ler Ein­la­gen­kom­po­nen­ten bes­ser zu verstehen.

Der Ver­sor­gungs­stan­dard bie­tet den Leis­tungs­er­brin­gern die Mög­lich­keit, den sub­jek­tiv emp­fun­de­nen Mehr­wert von Ein­la­gen quan­ti­fi­zie­ren zu kön­nen. Dadurch kann die Wir­kung des auf die indi­vi­du­el­len Beschwer­den und Bedürf­nis­se des Pati­en­ten abge­stimm­ten Hilfs­mit­tels objek­tiv nach­ge­wie­sen wer­den. Die­se Daten machen den Erfolg/Nutzen der Ein­la­gen­ver­sor­gung sicht­bar und kön­nen zur Argu­men­ta­ti­ons-/Dis­kus­si­ons­grund­la­ge und zum Nach­weis des kli­ni­schen Nut­zens der Ein­la­gen­ver­sor­gung z. B. bei Kos­ten­trä­gern ange­bracht wer­den. Durch ein ein­heit­li­ches Vor­ge­hen wer­den auch rele­van­te Daten erho­ben, die in Zukunft für den wis­sen­schaft­li­chen Nach­weis der Wir­kung von Ein­la­gen genutzt wer­den kön­nen. Auch dazu lie­fert der stan­dar­di­sier­te Ver­sor­gungs­pro­zess die not­wen­di­ge Basis.

Durch die Umset­zung des Ver­sor­gungs­stan­dards in der täg­li­chen orthopädie(schuh)technischen Pra­xis wird die Qua­li­tät der Ver­sor­gung des Pati­en­ten mit indi­vi­du­el­len Ein­la­gen optimiert.

Anmer­kung

Im Rah­men der „Ver­sor­gungs­welt Ein­la­gen“ wur­de auf der OTWorld 2022 der Ver­sor­gungs­stan­dard erst­ma­lig vor­ge­stellt und wir bedan­ken uns an die­ser Stel­le für die Unterstützung.

Hin­weis

Das Kom­Zet O.S.T. wird aus Mit­teln des Lan­des Hes­sen, des Lan­des Sach­sen, des Lan­des Nie­der­sach­sen sowie durch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land mit Mit­teln des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Ener­gie gefördert.

Dr. Annet­te Kerkhoff und Tho­mas Stief haben zu glei­chen Tei­len zu die­sem Pro­jekt und die­sem Arti­kel bei­getra­gen und sind als Co-Erst­au­toren zu betrachten.

Für die Autoren:
Dr. Annet­te Kerkhoff
Kom­Zet O.S.T. Stand­ort Hannover
Bun­des­fach­schu­le für Orthopädie-Schuhtechnik
Rick­lin­ger Stadt­weg 90–92
30459 Han­no­ver
kerkhoff@bfo-hannover.de

Tho­mas Stief
(ts)² GmbH
Mar­ti­ni­stra­ße 79
49080 Osna­brück
t.stief@tshoch2.de

1Kom­pe­tenz­zen­trum Orthopädieschuhtechnik
2Stu­di­en­ge­mein­schaft Ortho­pä­die­schuh­tech­nik Han­no­ver e. V.
3Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik Hannover
4ARGE PG 08

Zita­ti­on
Kerkhoff A & Stief T, Ahrens H‑G, Spre­kel­mey­er T, Stumpf J. Defi­ni­ti­on eines Ver­sor­gungs­stan­dards in der ortho­pä­di­schen Ein­la­gen­ver­sor­gung. Ortho­pä­die Tech­nik, 2022; 73 (11): 53–60
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