Die Kompressionstherapie gilt heute als wesentlicher Bestandteil der Basisbehandlung lymphatischer und venöser Erkrankungen 1 2. Dabei wird von außen ein lokal dosierter, zirkulär gleichmäßiger Druck auf das Gewebe und die Gefäße einer Extremität ausgeübt. Der wirkende Druck verbessert den Rückfluss des Blutes zum Herzen sowie die Entwässerung des Gewebes. Ziel dessen ist es, durch eine Verbesserung der Mikro- und Makrozirkulation eine Normalisierung der Ver- und Entsorgung des Gewebes zu erreichen. Der dazu notwendige Druck wird mechanisch, in der Regel durch Kompressionsbinden oder spezielle Kompressionsware, bewerkstelligt 1 2.
Physiologische und pathophysiologische Grundlagen
Das Blut- und Lymphkapillarnetz überspannt den Körper und seine Organe. Es stellt den Bereich dar, in dem Nährstoffe und Sauerstoff aus dem Blut an das Körpergewebe abgegeben (Filtration) und Abfallprodukte aus dem Zellstoffwechsel in Blut- und Lymphgefäßen aufgenommen werden (Resorption).
Filtration und Resorption werden über unterschiedlich hohe Drücke im arteriellen und venösen Teil der Kapillare sowie über den durch die Bluteiweiße erzeugten kolloidosmotischen Druck geregelt. Laut gängiger Lehrmeinung ist der von außen auf das Kapillargefäß wirkende und von den Bluteiweißen erzeugte kolloidosmotische Druck mit ca. 20 mmHg weitgehend konstant, während der Blutdruck im Kapillargefäß vom arteriellen Teil mit ca. 30 mmHg zum venösen Teil mit ca. 10 mmHg stark abnimmt (Abb. 1). Die Gefäßwand der Kapillare wirkt dabei wie ein Sieb, welches nur für Flüssigkeiten und Stoffe einer bestimmten Größe durchlässig ist. Einige der Abfallprodukte im Gewebe sind zu groß, um durch die Gefäßwand der Kapilare ins venöse Blut zu gelangen. Die Aufnahme dieser Abfallprodukte und Flüssigkeit erfolgt durch die initialen Lymphgefäße. Physiologisch werden in 24 Stunden ca. 20 l Flüssigkeit und Nährstoffe filtriert, 18 l Flüssigkeit und Abfallprodukte in die Blutkapillare resorbiert und ca. 2 l große Abfallprodukte und Flüssigkeit vom Lymphgefäßsystem aufgenommen. Das so entstehende Flüssigkeitsgleichgewicht wird auch Starling’sches Gleichgewicht genannt 3.
In neuerer Literatur wird der auf dem Kapillarendothel befindlichen Glykokalix eine wesentliche Rolle im Stoffaustausch zugesprochen. Es wird angenommen, dass die Glykokalix die Durchlässigkeit des Kapillarendothels für Eiweißmoleküle beeinflusst und somit der kolloidosmotische Druck nicht immer konstant ist. Auf Grundlage des inkonstanten kolloidosmotischen Druckes wird angenommen, dass die Hauptlast der Stoffwechselabbauprodukte aus dem Interstitium über das Lymphgefäßsystem aufgenommen wird 4.
Steigt der Druck in den Kapillaren durch venöse oder im Gewebe durch lymphatische Erkrankungen an, kommt es zu einer Verschiebung der zum Stoffaustausch notwendigen Druckverhältnisse. Durch die Fähigkeit des Lymphgefäßsystems, seine Aufnahme- und Transportkapazität bei ansteigendem Gewebsdruck zu erhöhen, kann dieser Entwicklung kurzzeitig entgegengewirkt werden. Bleiben die zugrunde liegenden Erkrankungen jedoch bestehen und ist die Kapazität des Lymphgefäßsystems ausgeschöpft, kommt es zu einer dauerhaften Störung des Stoffaustausches und zu Ödemen. Durch die Ödeme verlängert sich die Diffusionsstrecke für die verbleibenden Nährstoffe, aber auch für Immunzellen. Folgen für den Betroffenen sind Gewebsuntergang, Schmerzen sowie Einschränkungen in der Immunabwehr 5 6 7.
Die Kompressionstherapie
Standardtherapie zur Behandlung venöser und lymphatischer Erkrankungen ist die Kompressionstherapie. Mit ihr kann durch die Effektivierung unterstützender physiologischer Mechanismen auf die Ursachen dieser Erkrankungen Einfluss genommen werden.
Folgende Effekte können mit der Kompressionstherapie erzielt werden:
- Bei venöser Insuffizienz wird der Innendurchmesser der Venen verringert, der Schluss der Venenklappen verbessert und venöse Abflussmechanismen wie die Muskel-Gelenk-Pumpe effektiviert. Dadurch fließt das Blut schneller und ein Rückstau des Blutes bis in das Kapillarnetz wird verhindert. Als Folge verringert sich der venöse und kapillare Hochdruck.
- Bei intakten und ausreichend funktionsfähigen Lymphgefäßen bewirkt der Druck der Kompressionstherapie eine vermehrte Aufnahme und einen schnelleren Abtransport von Gewebsflüssigkeit durch die Lymphgefäße. Als Folge verringert sich das Ödem, der Druck im Interstitium sinkt, und die Diffusionsstrecke für Sauerstoff, Nährstoffe, Immunzellen und Abfallprodukte verkürzt sich wieder.
- Bei Erkrankungen der Lymphgefäße wird die Gewebsflüssigkeit in Regionen mit intakten Lymphgefäßen verschoben (Lymphdrainage).
- Der Druck der Kompression verhindert eine erneute Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe der betroffenen Extremität 1 2.
Der Durchführung und dem Erfolg der Kompressionstherapie liegen zwei wichtige physikalische Erkenntnisse zugrunde:
- Flüssigkeiten lassen sich kaum komprimieren, sie fließen in Richtung des geringeren Druckes ab.
- Die durch die Zugkraft entstehende konstante Spannung in Kompressionsbinde bzw. ‑strumpf erzeugt einen vom individuellen Radius der Extremität abhängigen Druck, d. h., je kleiner der Radius, umso größer der Druck (Laplace-Gesetz).
Um eine Fließrichtung der Körperflüssigkeiten vom Ende der Extremität Richtung Herz zu erreichen, muss ein Druckgefälle von distal nach proximal in der Extremität erzeugt werden.
Laut Laplace muss dazu mit gleichbleibender Zugkraft bandagiert werden, da die in der Kompressionsbinde erzeugte Spannung im Fesselbereich auf einen kleineren Extremitätenradius wirkt als im Waden- oder Oberschenkelbereich und somit der Druck von distal nach proximal abnimmt (Abb. 2). Analoge Bedingungen herrschen, wenn auch weniger ausgeprägt, am Arm.
Anwendung findet Laplace auch beim Extremitätenumfang. Grundlage einer effektiven Kompressionstherapie ist per definitionem eine zirkulär gleichmäßige Druckverteilung. Diese Bedingung ist nicht so leicht zu erfüllen, da beispielsweise die Tibiakante am Unterschenkel einen sehr kleinen Radius darstellt, der Wadenbereich hingegen einen großen (Abb. 3 u. 4) Das bedeutet, dass auf die Tibiakante ein höherer Druck wirkt als auf den Wadenbereich. Ebenso verhindern im Fesselbereich die Knöchel (Malleolen) und die Hohlkehlen um die Knöchel (Bisgaard’sche Kulisse) einen gleichmäßigen Druckverlauf (Abb. 5). Hohe Drücke auf kleinen Radien können außerdem zu Hautschäden führen, die das Infektionsrisiko erhöhen und die Therapie erschweren (Abb. 6).
Um den für eine effektive Kompressionstherapie notwendigen gleichmäßig zirkulären Druckverlauf zu erreichen und Hautschäden zu vermeiden, müssen Knochenvorsprünge abgepolstert, Vertiefungen aufgefüllt und ein gleichmäßig runder Querschnitt der Extremität hergestellt werden. Dies kann mit Hilfe einer Unterpolsterung, für die Vertiefungen ggf. zuzüglich mit Pelotten (Schaumstoffpolstern), bewerkstelligt werden (Abb. 4 u. 5) (siehe auch unten zum Mehrlagenkompressionsverband).
Indikation und Kontraindikation
Indikationen für eine Kompressionstherapie sind: — Krampfadern (Varikose) einschließlich Prophylaxe und Therapie von Schwangerschaftsvarizen
- Phlebothrombose und postthrombotisches Syndrom
- Lymphödeme
- chronisch-venöse Insuffizienz
- Verhinderung und Verringerung postoperativer Lymphödeme und Hämatome
- Verhinderung hypertropher Narben, insbesondere nach schweren Verbrennungen 8
Kontraindikationen sind in relative und absolute Kontraindikationen unterteilt. Bei relativen Kontraindikationen kann nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt unter Umständen eine Kompressionstherapie erwogen werden.
Relative Kontraindikationen
- kompensierte Herzinsuffizienz
- Sensibilitätsstörungen der Extremitäten (sie können durch fehlendes Schmerzempfinden zu Komplikationen führen)
- niedergradige pAVK (ggf. kann bei noch ausreichender arterieller Durchblutung und Toleranz des Betroffenen eine Kompressionstherapie durchgeführt werden)
Absolute Kontraindikation
- fortgeschrittene pAVK
- dekompensierte Herzinsuffizienz
- septische Phlebitis
- Phlegmasia coerulea dolens (schwerwiegende tiefe Beinvenenthrombose, bei der der venöse Abfluss aus der Extremität vollständig verlegt ist) 5 9 10
Hautpflege
Die Haut von Patienten mit venösen und/oder lymphatischen Erkrankungen ist aufgrund der Minderversorgung der Haut mit Nährstoffen häufig geschädigt und durch das Tragen des Kompressionsverbandes oder ‑strumpfes zusätzlich mechanisch beansprucht. Als Folge trocknet die Haut aus und wird rissig und schuppig, wodurch die Hautbarrierefunktion gestört ist und das Infektionsrisiko zunimmt. Zur Vermeidung von Austrocknung, Irritation und Überreizung sollte grundsätzlich auf den Einsatz von Seifen, Ölen und hyperämisierenden Salben verzichtet werden. Dagegen kann die Anwendung von Syndets mit einem pH-Wert von 5,5 sinnvoll sein. In jedem Fall sollte ein dem Hauttyp angepasstes Hautpflegemittel mit ausreichend rückfettender Wirkung ohne reizende oder allergisierende Inhaltstoffe eingesetzt werden.
Mehrlagenkompressionsverband
Kompressionsverbände können für verschiedene Indikationen mit unterschiedlichen Anlagetechniken und Materialkombinationen hergestellt werden. Ein aktuelles Review der Cochrane Collaboration wertet mehrere Studien zur Wirksamkeit von Kompressionsverbänden in Bezug auf das Abheilen venöser Ulzerationen aus und kommt zu dem Schluss, dass venöse Ulzerationen mit Kompressionstherapie besser heilen als ohne, dass Mehrlagenverbände besser als Einlagenverbände sind und dass spezielle 4‑Lagen-Verbände zu einer schnelleren Heilung führen als gewöhnliche Kurzzugverbände 11. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass in den 4‑Lagen-Verbänden spezielle, sehr dünne Langzugbinden verwendet werden, die so in Deutschland nicht erhältlich sind. Alternativen dazu bieten industrielle Kompressionssysteme. In der Regel werden in Deutschland als „Basisverband“ Mehrlagenverbände mit Kurzzugbinden (Abb. 7) empfohlen, obwohl diese bei immobilen Patienten nicht in jedem Fall den größtmöglichen Effekt erzielen, dafür jedoch das höchste Maß an Sicherheit für den Patienten bieten. Da bei Lymphödemen auch die Zehen ödematös geschwollen sein können, werden sie bei der lymphologischen Kompressionstherapie mit eingebunden (Abb. 8).Sowohl für Verbände bei lymphatischer als auch venöser Indikation gibt es grundlegende Komponenten, die nachfolgend besprochen werden.
Baumwollstrumpf
Der Baumwollstrumpf (s. Abb. 7, Position 1) dient dem Hautschutz. Er verhindert einen direkten Kontakt der Polstermaterialien (Watte oder Schaumstoff) mit der Haut und wirkt prophylaktisch gegen Scherkräfte, Reibungsschäden, Verkleben und Juckreiz.
Unterpolsterung
Zur Unterpolsterung (s. Abb. 7, Position 2) werden Watte oder Schaumstoff eingesetzt. Patienten mit Lymphödemen oder Patienten, bei denen die Verbände stark einschnüren, sollten mit Schaumstoff als Unterpolsterung versorgt werden. Schaumstoff bildet eine stabile Unterlage für die Kompressionsbinden, wodurch das Einschnüren in weiches Gewebe oder Hautfalten verhindert wird.
Funktion der Unterpolsterung:
- Auffüllen von Vertiefungen und Abpolstern von Knochenvorsprüngen
- Voraussetzung für die zirkulär gleichmäßige Druckverteilung durch Schaffung eines runden Querschnittes der Extremität (vgl. die Ausführungen zur Kompressionstherapie oben)
- Abmilderung von Bandagierfehlern und Scherkräften
Kompressionsbinde
Die Kompressionsbinde (s. Abb. 7, Position 3) ist der therapeutisch wirksame Teil des Verbandes. Kompressionsbinden werden nach Wirkungsweise grob in Lang‑, Mittel- und Kurzzugbinden unterteilt. Zur Anlage der Kompressionsbinden gibt es unterschiedliche Bandagetechniken, wobei keine der anderen maßgeblich überlegen ist. Alle Bandagetechniken, z. B. nach Pütter, Fischer oder Sigg, haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Ein optimaler Druckverlauf ist mit keiner Bandagetechnik zu erzielen. Daher gilt, dass nach maximalem Abschwellen (vollständige Entstauung) der Extremität diese ohne Kompressionslücke mit einem Kompressionsstrumpf versorgt werden sollte.
Kurzzugbinden
Kurzzugbinden bewirken einen hohen Arbeits- und einen geringen Ruhedruck. Sie entfalten ihre höchste Effektivität in Verbindung mit Bewegungsübungen der betroffenen Extremität.
Langzugbinden
Langzugbinden bewirken einen hohen Ruhedruck und einen geringen Arbeitsdruck. Sie entfalten ihre höchste Effektivität bei Ruhigstellung der betroffenen Extremität. Das Anlegen dieser Binden erfordert besondere Fachkenntnis und Erfahrung, denn bei zu starker Bindendehnung besteht die Gefahr, den arteriellen Zufluss in der Extremität zu behindern.
Definition Ruhedruck
Ruhedruck ist der Druck, der durch die Rückstellkraft der Binde in Abhängigkeit von der Dehnung auf die Extremität ausgeübt wird 1 2.
Definition Arbeitsdruck
Arbeitsdruck ist der Druck, den die Binde der Muskelkontraktion entgegensetzt. Es kommt zu einer Kontraktion des Muskels nach innen und damit zu einer Kompression der tiefen Venen 1 2.
Medizinische Kompressionsstrümpfe
Der medizinische Kompressionsstrumpf (MKS) ist in der Therapie phlebologischer und lymphologischer Erkrankungen der Beine und Arme unverzichtbar. Die in den MKS eingearbeiteten elastischen Fäden geben ihm komprimierende Eigenschaften, sodass er einen gleichmäßigen Druck auf die Extremität ausübt. Er bewirkt unter anderem:
- Reduzierung des Venenquerschnitts
- Beschleunigung des venösen und lymphatischen Rückstroms
- Verbesserung der Venenklappenfunktion
- Reduktion und Prävention des Extremitätenödems
Auswahl und Verordnung erfordern spezielle Kenntnisse und Erfahrungen in Diagnose, Differentialdiagnose und Kontraindikationen 12.
Gütesicherung
Die Qualität medizinischer Kompressionsstrümpfe wird vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) überwacht. Eine Güterichtlinie für medizinische Kompressionsstrümpfe wurde erstmals 1972 unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Proktologie, der Gütezeichengemeinschaft Medizinische Gummistrümpfe, des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik und der Krankenkassen verfasst. Geregelt wurden die medizinische Güte, die Herstellerrichtlinien und Prüfbestimmungen. Die aktuelle Version der Gütesicherung RAL-GZ 387 aus dem Jahr 2008 regelt u. a. folgende Aspekte:
- Anforderung an Strickart, Material, Ausführung, Kompression, Elastizität
- Hautverträglichkeit
- Kennzeichnung der Verpackung (Herstellungs- und Verfallsdatum etc.)
- Qualitätsmanagement der Hersteller
- regelmäßige Qualitätskontrolle
Von den Krankenkassen werden nur medizinische Kompressionsstrümpfe mit dem RAL-Gütezeichen vergütet.
Kompressionsklassen
Bei den Kompressionsklassen weicht die Einteilung der RAL von der Europäischen Norm ab. Diese Abweichung liegt in dem Bestreben begründet, eine klare Abgrenzung der medizinischen Kompressionsstrümpfe von prophylaktisch wirkenden Strümpfen zu erreichen (Tab. 1).
Eine starre Zuordnung einer Kompressionsklasse zu einer Diagnose ist nicht sinnvoll. Ziel der Kompressionstherapie ist die Besserung des klinischen Befundes 12.
Dehnung und Strickarten
Medizinische Kompressionsstrümpfe sind längs- und querelastisch. Diese Elastizität ergibt sich aus der Verschlingung von textilen und elastischen Fäden. Für die Querelastizität ist ein elastischer Schussfaden eingebunden, der weitgehend die Kompressionskraft des Strumpfes bestimmt.
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Elastizität können medizinische Kompressionsstrümpfe in Lang- und Kurzzug unterteilt werden.
Kurzzugstrümpfe/Flachstrickware
Kurzzugstrümpfe haben eine geringe Dehnbarkeit und daraus resultierend einen hohen Arbeitsdruck; sie werden in der Regel zur Behandlung von Ödemen eingesetzt und aus flachgestricktem Material gefertigt. Flachgestrickte Strümpfe werden Reihe für Reihe gestrickt, ihre Formgebung erhalten sie durch Veränderung der Maschenzahl. Maschengröße und Vorspannung des Einlegefadens bleiben konstant. Der Druckverlauf wird durch Art und Stärke des Einlegefadens bestimmt.
Diese Strümpfe können sehr passgenau mit großer Kompressionsstärke hergestellt werden. Der Flachstrickstrumpf wird durch eine Naht auf der Rückseite des Strumpfes geschlossen. Diese Naht muss beinseitig wulstfrei und haltbar sein 13.
Langzugstrümpfe/Rundstrickware
Langzugstrümpfe haben eine höhere Dehnbarkeit und damit einen hohen Ruhedruck; sie werden meist zur Behandlung venöser Erkrankungen eingesetzt und aus rundgestricktem Material gefertigt.
Rundgestrickte Strümpfe werden im Zylinder gestrickt; die Maschenzahl bleibt dabei auf der gesamten Länge des Strumpfes gleich. Die Form und das erforderliche Druckgefälle werden durch Veränderung der Maschenlänge und Vordehnung des Einlegefadens erreicht. Rundgestrickten Strümpfen sind bei der Formgebung Grenzen gesetzt. Extremitäten mit sehr kleinen Umfängen, extremen Umfangsänderungen oder großen Umfangssprüngen können damit nicht versorgt werden 12.
Strumpfgrößen für die untere Extremität
Maßstrümpfe werden individuell nach Beinumfang und ‑länge angefertigt 13. Serienstrümpfe werden in Standardgrößen hergestellt. Ihre Umfangs- und Längenmaße orientieren sich an festgelegten Messstellen (A–T) (Abb. 9) 13. Sie werden in vier Ausführungen angeboten:
- Wadenstrumpf (AD)
- Halbschenkelstrumpf (AF)
- Schenkelstrumpf (AG)
- Strumpfhose (AT)
Beispiel für Größenkennzeichnung:
- AD 22–24
- (34–36/40–43)
Erläuterung
AD: Buchstabenschlüssel für Wadenstrumpf 22–24: Beinumfangsbereich an Messstelle B (22–24 cm) 34–36: Beinumfangsbereich am oberen Strumpfende (hier Messstelle D: 34–36 cm) 40–43: Längenbereich (hier AD: 40–43 cm) 13
Pflege von Kompressionsstrümpfen
Kompressionsstrümpfe sollten aus hygienischen Gründen und zum Erhalt der Elastizität täglich gewaschen werden. Spezielle Reinigungs- und Pflegehinweise des Herstellers müssen dabei beachtet werden 12.
In der Regel sollten Kompressionsstrümpfe mit der Hand oder im Feinwaschprogramm bei 30 bis 40 °C mit Feinwaschmittel ohne Weichspüler gewaschen werden. Zum Trocknen können die nassen Strümpfe in ein Handtuch gewickelt und die Feuchtigkeit ausgedrückt werden; anschließend werden sie aufgehängt, bis sie endgültig trocken sind. Die Strümpfe sollten nicht in der Sonne oder über der Heizung getrocknet und nicht gebügelt werden.
An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen
Für den Erfolg der Kompressionstherapie sind neben der Passform und der Wahl des richtigen Kompressionsmaterials und der richtigen Kompressionsklasse die Mitarbeit und Akzeptanz des Betroffenen wichtig.
Gerade das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen kann für Patienten aufgrund von Immobilität oder fehlender Kraft in den Händen ein Problem darstellen und deshalb sowohl zu einer verminderten Akzeptanz als auch zu einer verminderten Wirkung der Kompression führen.
Um dem Betroffenen eine aktive Mithilfe bei der Kompressionstherapie zu ermöglichen und Angehörigen und Pflegenden ihre Arbeit zu erleichtern, können An- und Ausziehhilfen verwendet werden. Diese werden in Gleithilfen zur Verringerung des Kraftaufwandes beim An- und Ausziehen der Strümpfe und in Gestelle zum Ausgleich von Bewegungseinschränkungen unterteilt.
Unabhängig davon, ob Anziehhilfen verwendet werden oder nicht, gilt:
- Der Strumpf wird Stück für Stück nach oben geschoben. Auf keinen Fall darf er am oberen Ende nach oben gezogen werden, da dann die Maschen des Strumpfes im oberen Drittel übermäßig gedehnt werden, was das Rutschen des Strumpfes nach sich zieht und Faltenwurf verursacht.
- Durch das Verwenden spezieller, an der Innenfläche genoppter Handschuhe lässt sich der Kompressionsstrumpf besser greifen und glattstreifen. Die Maschen werden gleichmäßig um die Extremität verteilt, was für bessere Druckverteilung sorgt, das Strumpfgewebe schont und dessen Haltbarkeit für sechs Monate sicherstellt.
Verordnung von Kompressionstherapie
Medizinische Kompressionsstrümpfe und Kompressionsbinden sind Hilfsmittel und im Hilfsmittelverzeichnis unter Produktgruppe 17 bzw. 5 aufgeführt 14 12 13 15. Die manuelle Lymphdrainage einschließlich Kompressionsbandagierung ist im Heilmittelkatalog verzeichnet 16. Das Anlegen und Abnehmen von Kompressionsstrümpfen bzw. Kompressionsverbänden ist in den Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‑BA) unter Nr. 31 aufgelistet und somit ebenfalls verordnungsfähig 17. Die Verordnungsgebühr und 10 Prozent Zuzahlung gelten auch für die häusliche Krankenpflege. Bei der häuslichen Krankenpflege bleibt die Zuzahlung aber auf die ersten 28 Tage der Inanspruchnahme je Kalenderjahr begrenzt.
Bei der Verordnung von Heilmitteln beträgt der Eigenanteil des Versicherten 10 Prozent der Kosten. Hinzu kommen 10 Euro pro Rezept. Ausnahmen bilden Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren; sie sind von der Zuzahlung befreit. Im Rahmen der Verordnung von Heilmitteln wie z. B. „manueller Lymphdrainage (einschließlich Kompressionsbandagierung)“ sind Materialien wie Baumwollschlauch, Schaumstoff oder Watte sowie die Durchführung der Kompressionstherapie inbegriffen. Die Kompressionsbinden sind gesondert verordnungsfähig.
Für rundgestrickte Serien- und Maßstrümpfe gelten Festbeträge. Versorgungen mit flachgestrickten Kompressionsstrümpfen oder ‑strumpfhosen sind aufgrund der Individualität der Versorgung von den Festbeträgen ausgenommen, sofern es sich um flachgestrickte Kompressionsware nach Maß handelt. Für Hilfsmittel tragen Versicherte 10 Prozent der Kosten selbst. Dabei ist jedoch die Mindestzuzahlung auf 5 Euro und die Höchstzuzahlung auf 10 Euro festgesetzt.
Der Autor:
Falk Goedecke
Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V.
Glaubrechtstraße 7, 35392 Gießen
f.goedecke@dgfw.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Goedecke F. Grundlagen der Kompressionstherapie. Orthopädie Technik, 2015; 66 (12): 50–55
Kompressionsklasse | Kompressionsintensität | RAL-GZ 387/1 Kompressionsdruck im Fesselbereich (mmHg) | Europäische Norm Kompressionsdruck im Fesselbereich (mmHg) | Anwendungsbeispiele |
---|---|---|---|---|
A | kein med. Kompressionsstrumpf | 14–15 | Thromboseprophylaxe | |
1 | leicht | 18–21 | 15–21 | Varikose ohne Ödem, CVI Stadium 1 |
2 | mittel | 23–32 | 23–32 | beginnendes postthrombotisches Syndrom, beginnendes Lymphödem (Stadium I) |
3 | kräftig | 34–46 | 34–46 | höhere Stadien des Lymphödems oder CVI |
4 | sehr kräftig | 49 und höher | 49 und höhrer | höhere Stadien des Lymphödems |
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