Im Ein­satz für Men­schen mit Querschnittlähmung

Ein Soldat mit Schussverletzung. Die Folge: Querschnittlähmung. Für die weitere Behandlung wird er nach Deutschland gebracht – zunächst zur Vorversorgung ins Klinikum Bamberg, anschließend übernehmen PD. Dr. med. Rainer Abel, Direktor der Klinik für Querschnittgelähmte am Klinikum Bayreuth, und sein Team.

Als eines der bun­des­wei­ten Zen­tren für Quer­schnitt­ge­lähm­te ver­sorgt die Ein­rich­tung der­zeit sowohl Geflüch­te­te mit kriegs­be­ding­ter als auch sol­che mit chro­ni­scher Quer­schnitt­läh­mung. Ers­te­re gelan­gen meist durch die Bun­des­wehr hier­her, Letz­te­re u. a. über die gemein­sa­me Initia­ti­ve der Euro­pean Spi­nal Cord Inju­ry Fede­ra­ti­on (ESCIF), der Schwei­zer Para­ple­gi­ker Stif­tung (SPS) und der För­der­ge­mein­schaft der Quer­schnitt­ge­lähm­ten in Deutsch­land e. V. (FGQ). Für Men­schen mit Behin­de­run­gen – ins­be­son­de­re mit Quer­schnitt­läh­mung – sowie deren Ange­hö­ri­ge orga­ni­sie­ren sie Eva­ku­ie­rungs­fahr­ten und betrei­ben nahe der pol­nisch-ukrai­ni­schen Gren­ze in Cyców ein Schutz­haus. In der behin­der­ten­ge­rech­ten Unter­kunft haben die Geflüch­te­ten die Mög­lich­keit, sich eini­ge Tage aus­zu­ru­hen und erhal­ten eine medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung, ehe sie spä­ter auf ande­re Unter­künf­te ver­teilt wer­den. Ist wei­te­rer Behand­lungs­be­darf not­wen­dig, wer­den die Zen­tren für Quer­schnitt­ge­lähm­te aktiv, berich­tet Abel, eben­falls stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der FGQ. „Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ist kein Pro­blem. Das ist für uns Rou­ti­ne.“ Eine Her­aus­for­de­rung sei jedoch die Klä­rung der Kos­ten­über­nah­me. Erst wenn die Patient:innen als Flücht­lin­ge aner­kannt sind, wer­de das Sozi­al­amt aktiv und geneh­mi­ge den Erstat­tungs­an­trag. Die Bear­bei­tungs­zeit sei lang, der Auf­wand hoch, so Abel. „Wir müs­sen erst ein­mal ohne fes­te Kos­ten­zu­sa­ge behan­deln.“ Das hand­ha­be sei­ner Erfah­rung nach nicht jede Ein­rich­tung so. In Bay­reuth aber habe man Ver­trau­en – und das zahlt sich bis­her aus. „Wir haben alle Kos­ten erstat­tet bekom­men. Aber es bleibt immer ein Rest­ri­si­ko.“ Noch pro­ble­ma­ti­scher gestal­te sich das Ver­fah­ren bei mili­tär­an­ge­hö­ri­gen Patient:innen. Kein Flücht­lings­sta­tus, kei­ne Zustän­dig­keit des Sozi­al­amts, kei­ne Erstat­tung. Noch sind das offe­ne Fragen.

Was dem Kli­nik­di­rek­tor eben­falls deut­lich zu schaf­fen macht: aku­ter coro­nabe­ding­ter Per­so­nal­man­gel und mul­ti­re­sis­ten­te Kei­me, die nahe­zu alle Patient:innen aus der Ukrai­ne mit­bräch­ten. Um sich mit­ein­an­der ver­stän­di­gen zu kön­nen, grei­fen Per­so­nal und Patient:innen auf Apps zurück, die das Gespro­che­ne direkt über­set­zen. Pro­fes­sio­nel­le Dolmetscher:innen ste­hen im All­tag nicht zur Ver­fü­gung, sie wer­den nur hin­zu­ge­zo­gen, wenn es dar­um geht kri­ti­sche Ope­ra­tio­nen zu erklä­ren oder Ein­wil­li­gun­gen dafür einzuholen.

Schutz­haus als ers­te Anlaufstelle

Bla­sen­funk­ti­ons­stö­run­gen, Ent­zün­dun­gen oder Druck­ge­schwü­re: „Durch die Flucht haben sich eini­ge Beschwer­den ver­schärft“, berich­tet Abels Ver­eins­kol­le­ge Kevin Schul­tes, Vor­sit­zen­der des Vor­stan­des der FGQ, von der kör­per­li­chen Ver­fas­sung der Flücht­lin­ge, die im Schutz­haus ankom­men. Rund 15 Per­so­nen wur­den bis­lang zur wei­te­ren Behand­lung bun­des­weit auf die Quer­schnitt­zen­tren ver­teilt. Ins­ge­samt sind durch das Hilfs­pro­jekt bis­her rund ein­hun­dert Men­schen mit Behin­de­run­gen sowie deren Ange­hö­ri­ge nach Deutsch­land und in wei­te­re euro­päi­sche Län­der trans­por­tiert wor­den. Zwei Fahr­zeu­ge, zur Ver­fü­gung gestellt vom Fahr­zeug­um­rüs­ter Auto­mo­bi­le Soder­manns, pen­deln dafür rund ein Mal pro Woche zwi­schen Cyców und Frank­furt. Die Mal­te­ser stel­len Fahrer:innen zur Ver­fü­gung, die die Per­so­nen in die euro­päi­schen Län­der brin­gen. Ende Sep­tem­ber läuft das Pro­jekt aus, auch weil die Nach­fra­ge abnimmt, u. a. weil ein Groß­teil der Flucht­wil­li­gen und Flucht­fä­hi­gen das Land bereits ver­las­sen hat oder in den Wes­ten der Ukrai­ne gezo­gen ist. Geplant ist eine Nach­fol­ge­re­ge­lung, ein Pro­jekt, das bereits vor Jah­ren anlief. „Schon vor dem Krieg gab es erheb­li­che Defi­zi­te in der Ver­sor­gung“, so Schul­tes. „Es gibt in der Ukrai­ne bis­lang kei­ne auf Quer­schnitt­läh­mung spe­zia­li­sier­ten Zen­tren. Medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung fin­det zwar statt, aber es gibt kei­ne Reha­bi­li­ta­ti­ons­struk­tu­ren.“ Der Krieg habe die Situa­ti­on noch­mals ver­schärft und gezeigt, dass drin­gen­der Hand­lungs­be­darf besteht. Ursprüng­lich ins Leben geru­fen von der World Health Orga­niza­ti­on (WHO) und wei­ter­ge­führt von der Inter­na­tio­nal Spi­nal Cord Socie­ty (ISCOS) soll in der Nähe der Stadt Luzk ein bestehen­des Reha­zen­trum erwei­tert wer­den und Men­schen mit Quer­schnitt­läh­mung als Anlauf­stel­le die­nen. Ein Trans­port nach Deutsch­land oder in ande­re euro­päi­sche Län­der wür­de damit ent­fal­len. Das Pro­jekt steht aller­dings noch auf wacke­li­gen Bei­nen. Ob der Betrieb noch in die­sem Jahr auf­ge­nom­men wer­den kann, sieht Schul­tes kritisch.

Pia Engel­brecht

 

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