Neu­es aus der Kompressionstherapie

J. Dissemond, S. Reich-Schupke, K. Kröger
Die Kompressionstherapie ist die nebenwirkungsarme und wissenschaftlich gut belegte Basis in der Behandlung und (Rezidiv-)Prophylaxe der meisten Patienten mit Ödemen beispielsweise bei phlebologischen oder lymphologischen Krankheitsbildern. Allerdings wurde bislang zum Beispiel die arterielle Verschlusskrankheit von vielen Therapeuten ebenso wie der Diabetes mellitus als absolute Kontraindikation für eine Kompressionstherapie gesehen. Es existieren nun zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Materialien, die eine Anwendung der Kompressionstherapie auch bei Patienten, bei denen zuvor eine Kompressionstherapie kontraindiziert erschien, erlauben. Bevorzugt werden hier Kompressionstherapien mit niedrigeren Anpressdrücken, die beispielsweise durch Kompressionsware geringerer Kompressionsklassen oder mit adaptiven Bandagen über Klettverschluss-Bänder erzielt werden können. Wenn Patienten diese Therapien auch ohne fremde Hilfe im Rahmen eines Selbstmanagements, ggf. mit An- und Ausziehhilfen, durchführen können, wird zudem die Adhärenz verbessert. Die Summation dieser Behandlungsoptionen in der Kompressionstherapie bildet die Basis für eine patientengerechte Versorgung.

Ein­lei­tung

Ver­schie­de­ne Vari­an­ten der Kom­pres­si­ons­the­ra­pien gehö­ren seit vie­len Jahr­zehn­ten zu den unbe­strit­te­nen Basis­maß­nah­men von Betrof­fe­nen mit Öde­men bei­spiels­wei­se bei phle­bo­lo­gi­schen oder lym­pho­lo­gi­schen Krank­heits­bil­dern 1 . In den letz­ten Jah­ren gab es durch aktu­el­le Stu­di­en und die Ent­wick­lung neu­er Mate­ria­li­en zuneh­mend kon­tro­ver­se Dis­kus­sio­nen über die ver­schie­de­nen Behand­lungs­in­di­ka­tio­nen und Anwen­dun­gen in der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie. Im Fol­gen­den wer­den aus­ge­wähl­te Teil­aspek­te vor­ge­stellt und kri­tisch besprochen.

Anzei­ge

Neue Mate­ria­li­en für Kompressionstherapien

Mehr­kom­po­nen­ten­sys­te­me

Vor­ge­fer­tig­te Ver­band­sys­te­me, bestehend aus unter­schied­lich zusam­men­ge­setz­ten Kom­po­nen­ten mit 2 bis 4 Kurzzug‑, Lang­zug- und/oder Pols­ter­bin­den, ggf. mit kohä­si­ven Eigen­schaf­ten, sind seit mehr als einem Jahr­zehnt neben den in Deutsch­land weit ver­brei­te­ten Kurz­zug­bin­den auf dem Markt erhält­lich 2 (Abb. 1). Die­se Sys­te­me wer­den aller­dings außer­halb von Zen­tren der­zeit kaum ein­ge­setzt 34 . Indi­ka­ti­on ist hier vor allem die Ent­stau­ungs­pha­se bei Pati­en­ten mit aus­ge­präg­ten phle­bo­lo­gi­schen und/oder lym­pho­lo­gi­schen Krank­heits­bil­dern ins­be­son­de­re beim zeit­glei­chen Vor­lie­gen eines Ulcus cru­ris 56.

Adap­ti­ve Bandagen

In Deutsch­land sind adap­ti­ve Kom­pres­si­ons­ban­da­gen mit Klett­ver­schluss­bän­dern noch neu und nicht weit ver­brei­tet. Bis­her (Stand 04/2017) ist ledig­lich ein Sys­tem für Pati­en­ten mit Ulcus cru­ris im Han­del erhält­lich (Abb. 2). Im anglo­ame­ri­ka­ni­schen Raum sind die­se The­ra­pien seit vie­len Jah­ren bekannt und weit ver­brei­tet. Die ein­fa­che Hand­ha­bung der Sys­te­me erlaubt den meis­ten Pati­en­ten, selbst Anpress­druck und Sitz des Kom­pres­si­ons­ma­te­ri­als ent­spre­chend dem kli­ni­schen Ver­lauf und dem eige­nen Kom­fort immer wie­der neu anzu­pas­sen. Bereits nach kur­zer Ein­wei­sung sind vie­le der Pati­en­ten im kor­rek­ten Umgang mit den ein­fach zu nut­zen­den Mate­ria­li­en geschult (Abb. 3). Durch die pati­en­ten­ei­ge­ne Re-Adapt­a­ti­on des Anpress­drucks las­sen sich in der Ent­stau­ung von Öde­men signi­fi­kant bes­se­re Effek­te erzie­len als in der The­ra­pie mit Sys­te­men, die nach fes­tem Sche­ma bei­spiels­wei­se ein­mal pro Tag neu ange­legt wer­den 78. Der Anpress­druck kann hier­bei für eine effek­ti­ve The­ra­pie bei­spiels­wei­se mit 40 mmHg statt 60 mmHg durch­aus nied­ri­ger gewählt wer­den als bei den klas­si­schen Ver­band­sys­te­men 9. Dar­über hin­aus bewer­ten die Pati­en­ten den Kom­fort der adap­ti­ven Sys­te­me hin­sicht­lich des Umgangs mit dem eige­nen Schuh­werk sowie den ästhe­ti­schen Aspekt des Mate­ri­als bes­ser als bei den Ver­band­sys­te­men 10. Prak­ti­sche Schwie­rig­kei­ten bei der Eigen­an­wen­dung und der Re-Adapt­a­ti­on der Sys­te­me sind aller­dings bei sehr alten, stark adi­pö­sen Pati­en­ten oder bewe­gungs­ein­ge­schränk­ten Pati­en­ten zu erwarten.

In meh­re­ren Stu­di­en wur­de eine Eigen­an­wen­dung emp­foh­len, wenn Pati­en­ten in der Lage sind, eigen­stän­dig Schu­he anzu­zie­hen 11. Die in Stu­di­en unter­such­ten adap­ti­ven Sys­te­me bie­ten deut­li­che Vor­tei­le bei der Ödem­re­duk­ti­on hin­sicht­lich Effek­ti­vi­tät und Kom­fort bei Pati­en­ten mit Lymph­öde­men und venö­sen Öde­men. Auch hin­sicht­lich wirt­schaft­li­cher Aspek­te bie­ten die adap­ti­ven Ban­da­gen eini­ge Vor­tei­le. In aller Regel ist für die Neu­an­la­ge eines ent­stau­en­den Kom­pres­si­ons­ver­ban­des aus meh­re­ren Kom­po­nen­ten eine erneu­te Ver­sor­gung durch ent­spre­chend geschul­te The­ra­peu­ten not­wen­dig 12. Von der Selbst­an­la­ge von Kom­pres­si­ons­ver­bän­den bei­spiels­wei­se mit Kurz­zug­ban­da­gen wird von Exper­ten abge­ra­ten 13 . Üblich ist bis­her die Anwen­dung von Ver­bän­den in der Ent­stau­ungs­pha­se. In der fol­gen­den Erhal­tungs­pha­se kön­nen medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­strümp­fe (MKS) oder bei flo­ri­dem Ulcus cru­ris soge­nann­te Ulcus-Strumpf­sys­te­me getra­gen wer­den. Die adap­ti­ven Ban­da­gen kön­nen sowohl in der Ent­stau­ungs- als auch in der Erhal­tungs­pha­se genutzt wer­den 1415.

Pneu­ma­ti­sche Manschetten

Es wur­de in den letz­ten Jah­ren über eine Rei­he wei­te­rer neu­er Sys­te­me berich­tet, die aller­dings in Deutsch­land (noch) nicht erhält­lich sind. Exem­pla­risch vor­ge­stellt wird hier eine pneu­ma­ti­sche Man­schet­te, die über min­des­tens 10 Stun­den pro Tag am Unter­schen­kel mit per­ma­nen­tem Druck von 20 bis 40 mmHg oder inter­mit­tie­ren­dem Druck von 40 bis 50 mmHg getra­gen wer­den soll. Die Druck­wer­te kön­nen über eine elek­tro­ni­sche Steu­er­ein­heit exakt ein­ge­stellt wer­den. Zudem gibt es die Opti­on, die Tra­ge­dau­er etc. über ein Auf­zeich­nungs­sys­tem objek­tiv nach­zu­ver­fol­gen 16. Das Sys­tem hat nach Stu­di­en­la­ge Vor­tei­le hin­sicht­lich Exsu­d­at­ma­nage­ment, Haut­schutz und Kör­per­pfle­ge sowie hin­sicht­lich Ent­fer­nung, Schlaf­kom­fort und Lebens­qua­li­tät 17.

Selbst­ma­nage­ment in der Kompressionstherapie

Im kli­ni­schen All­tag sind es oft die Pati­en­ten selbst, die Kom­pres­si­ons­the­ra­pien anle­gen. Vie­le der zumeist älte­ren Pati­en­ten sind auf­grund von Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen, bei­spiels­wei­se durch Arthri­tis, Arthro­se oder auch Adi­po­si­tas, aller­dings nicht in der Lage, ihre eige­nen Bei­ne und Füße zu errei­chen. Das Anle­gen eines adäqua­ten Kom­pres­si­ons­ver­ban­des bedarf zudem umfas­sen­der Erfah­rung und eines regel­mä­ßi­gen Trai­nings. Eine gute Selbst­ban­da­gie­rung kön­nen in der Pra­xis nur die wenigs­ten Pati­en­ten durch­füh­ren, sodass die­se Eigen­be­hand­lung heu­te nicht emp­foh­len wer­den kann 18 . Selbst bei aus­ge­bil­de­ten Wund­ex­per­ten konn­te in meh­re­ren Stu­di­en gezeigt wer­den, dass die Qua­li­tät der ange­leg­ten Kom­pres­si­ons­ver­bän­de sehr unter­schied­lich und oft nicht adäquat ist 19. Son­den für die Mes­sung der erziel­ten Druck­wer­te wer­den in der Pra­xis nicht regel­haft ver­wen­det. Eine ori­en­tie­ren­de Rück­mel­dung über erziel­te Druck­wer­te ist ledig­lich bei Mehr­kom­po­nen­ten­sys­te­men mit auf­ge­druck­ten Mar­kie­run­gen oder adap­ti­ven Ban­da­gen über ange­leg­te Scha­blo­nen mög­lich 20 . Bei kor­rekt ver­mes­se­nen Kom­pres­si­ons­strümp­fen bzw. Ulcus-Strumpf­sys­te­men soll­te der erziel­te Druck der RAL-Norm fol­gend defi­ni­ti­ons­ge­mäß ein­deu­tig sein.

Wann immer mög­lich soll­te ver­sucht wer­den, den Pati­en­ten bei der Aus­wahl und Durch­füh­rung einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit ein­zu­bin­den. Mate­ria­li­en wie adap­ti­ve Ban­da­gen, MKS und Ulcus-Strümp­fe sind hier­für grund­sätz­lich geeig­net. Wich­tig ist hier­bei dann auch die Klä­rung, ob Pati­en­ten An- und Aus­zieh­hil­fen benö­ti­gen, die meist eine Hilfs­mit­tel­zu­las­sung haben und bei ent­spre­chen­der Indi­ka­ti­on ver­ord­nungs- und erstat­tungs­fä­hig sind 21. Der zusätz­li­che Ein­satz genopp­ter Gum­mi- bzw. Haus­halts­hand­schu­he ist eine gute Unter­stüt­zung, um die Grif­fig­keit zu erhö­hen und das Risi­ko von Mate­ri­al­schä­den zu mindern.

Das Selbst­ma­nage­ment wird zukünf­tig in allen Berei­chen der Medi­zin bei der Ver­sor­gung von Pati­en­ten vor dem Hin­ter­grund u. a. psy­cho­lo­gi­scher Fak­to­ren, der Kos­ten­aspek­te und des demo­gra­fi­schen Wan­dels mit einem zu erwar­ten­den Man­gel an qua­li­fi­zier­tem Pfle­ge­fach­per­so­nal bei stei­gen­der Zahl älte­rer, poten­zi­ell pfle­ge­be­dürf­ti­ger Pati­en­ten eine zuneh­mend wich­ti­ge Bedeu­tung erhal­ten. Ein Selbst­ma­nage­ment in der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie kann aber nur dann dau­er­haft funk­tio­nie­ren, wenn auch eine adäqua­te Edu­ka­ti­on der Pati­en­ten über Indi­ka­ti­on, Art und Tech­nik erfolgt ist.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit gerin­gen Anpressdrücken

Es ist seit vie­len Jah­ren wis­sen­schaft­lich gut belegt und somit ein Dog­ma in der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie, dass ins­be­son­de­re bei Pati­en­ten mit fort­ge­schrit­te­ner chro­ni­scher venö­ser Insuf­fi­zi­enz (CVI) bezie­hungs­wei­se Ulcus cru­ris veno­sum (UCV) Kom­pres­si­ons­the­ra­pien mit hohen Anpress­drü­cken vor­teil­haft sind. Auf der ande­ren Sei­te konn­te aber auch ein­drück­lich gezeigt wer­den, dass vie­le Pati­en­ten die ver­ord­ne­ten Kom­pres­si­ons­the­ra­pien nicht durch­füh­ren 22. Es wur­de dis­ku­tiert, dass die Adhä­renz der Pati­en­ten bei Kom­pres­si­ons­the­ra­pien mit höhe­ren Anpress­drü­cken gerin­ger wird 23. Nun bele­gen aktu­el­le Stu­di­en zuneh­mend, dass auch Kom­pres­si­ons­the­ra­pien mit Ruhe­an­press­drü­cken um 10 bis 15 mmHg in der Lage sind, venö­se Beschwer­den und Öde­me zu bes­sern 24. Zudem konn­ten durch einen Anpress­druck von 11 bis 21 mmHg Öde­me und Schmer­zen bei Betrof­fe­nen mit ste­hen­den Beru­fen ein­drucks­voll redu­ziert wer­den 25. Aktu­el­le Unter­su­chun­gen zeig­ten auch bei Pati­en­ten mit UCV eine Ver­bes­se­rung der venö­sen Funk­ti­on unter Kom­pres­si­ons­ban­da­gen mit Anpress­druck­wer­ten von 20 bis 30 mmHg 26. In der Abhei­lung des UCV und des­sen Rezi­div­pro­phy­la­xe sind die redu­zier­ten Anpress­drü­cke eben­falls wirk­sam 27. Wenn­gleich hohe Anpress­drü­cke effek­ti­ver in der Rezi­div­pro­phy­la­xe sind als gerin­ge­re, so sind Anpress­drü­cke ent­spre­chend der deut­schen Kom­pres­si­ons­klas­se 1 aber effek­ti­ver als kei­ne Kom­pres­si­on 282930 .

Kom­pres­si­ons­ma­te­ria­li­en mit gerin­gen Ruhe­druck­wer­ten soll­ten jedoch eine hohe Mate­ri­al­fes­tig­keit, also eine gerin­ge Elas­ti­zi­tät, bie­ten, um unter Mobi­li­tät ent­spre­chend hohe Arbeits­druck­wer­te erzeu­gen zu kön­nen. In der prak­ti­schen Aus­wahl von Kom­pres­si­ons­ma­te­ri­al und Ziel­an­press­druck soll­te u. a. auch der Bein­um­fang beach­tet wer­den (Exper­ten­emp­feh­lung für die Abschät­zung des idea­len Ruhe­an­press­drucks: Waden­um­fang + Wadenumfang/2 31). So benö­ti­gen bei­spiels­wei­se Pati­en­ten mit grö­ße­rem Waden­um­fang meist eine kräf­ti­ge­re Kom­pres­si­ons­wa­re als sol­che mit gerin­gem Waden­um­fang 3233.

Ange­sichts der ste­tig wach­sen­den Zahl älte­rer Pati­en­ten, die nicht oder nur schwer in der Lage sind, eine Kom­pres­si­ons­the­ra­pie selbst anzu­wen­den, eine Hil­fe Drit­ter ableh­nen und gleich­zei­tig aber eine ein­deu­ti­ge Indi­ka­ti­on zur Kom­pres­si­ons­the­ra­pie haben, besteht die Not­wen­dig­keit, die Mög­lich­kei­ten der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie voll­stän­dig aus­zu­schöp­fen. Kom­pres­si­ons­ver­bän­de und/oder Kom­pres­si­ons­strümp­fe mit redu­zier­tem Ruhe­an­press­druck, hoher Mate­ri­al­fes­tig­keit und dar­aus resul­tie­ren­dem hohem Arbeits­druck sind in der Lage, vie­le der mit den Öde­men ver­bun­de­nen Beschwer­den zu lin­dern und Kom­pli­ka­tio­nen zu redu­zie­ren. In ihrer Hand­ha­bung sind sie kom­for­ta­bler als Kom­pres­si­ons­ma­te­ria­li­en mit hohem Ruhe­an­press­druck 34. MKS der Kom­pres­si­ons­klas­se I sind in Deutsch­land ver­ord­nungs- und erstat­tungs­fä­hig, das An- und Aus­zie­hen die­ser Strümp­fe durch einen ambu­lan­ten Pfle­ge­dienst aller­dings der­zeit im Regel­fall nicht. Hier ist (noch) eine geson­der­te Begrün­dung not­wen­dig 35. Eine wei­te­re Alter­na­ti­ve für Pati­en­ten mit UCV, Kom­pres­si­ons­the­ra­pien mit gerin­gen Anpress­drü­cken durch­zu­füh­ren, stel­len soge­nann­te Lite-Vari­an­ten der Mehr­kom­po­nen­ten­sys­te­me oder die ein­stell­ba­ren adap­ti­ven Kom­pres­si­ons­ban­da­gen dar. Unter Nut­zung der Behand­lungs­op­ti­on mit gerin­gen Anpress­drü­cken kann dann meist auch die Adhä­renz der Pati­en­ten gestei­gert wer­den 36.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei arte­ri­el­ler Verschlusskrankheit

In ver­schie­de­nen Leit­li­ni­en wird die fort­ge­schrit­te­ne peri­phe­re arte­ri­el­le Ver­schluss­krank­heit (pAVK) als abso­lu­te Kon­tra­in­di­ka­ti­on für eine Kom­pres­si­ons­the­ra­pie beschrie­ben, hin­ge­gen stellt die kom­pen­sier­te peri­phe­re arte­ri­el­le Ver­schluss­krank­heit ledig­lich eine rela­ti­ve Kon­tra­in­di­ka­ti­on dar 37 . In der Lite­ra­tur fin­det sich viel­fach ein Knö­chel-Arm-Druck-Index (KADI) von 0,8 als Gren­ze für die Zuläs­sig­keit der Durch­füh­rung der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie. Eine gute Evi­denz für die­sen Grenz­wert gibt es jedoch nicht. Unter­halb die­ser Gren­ze wur­de dann oft die Anwen­dung einer nicht näher defi­nier­ten „mode­ra­ten“ Kom­pres­si­ons­the­ra­pie emp­foh­len. Aktu­el­le Stu­di­en­re­sul­ta­te zei­gen ein­deu­tig, dass die arte­ri­el­le Per­fu­si­on durch die Anwen­dung einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit bis zu 40 mmHg mit kurz­zü­gi­gen Mate­ria­li­en und Unter­pols­te­rung nicht ver­schlech­tert wird. Die Autoren schluss­fol­gern aus ihren Daten, dass bei einem KADI von > 0,6, einem systo­li­schen Knö­chel­arte­ri­en­druck über 60 mmHg oder einem Groß­ze­hen­ar­te­ri­en­druck über 30 mmHg eine Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit einem Ruhe­druck von bis zu 40 mmHg sicher und effek­tiv ange­wen­det wer­den kann 38.

Eine Unter­pols­te­rung des Kom­pres­si­ons­ver­ban­des ist ins­be­son­de­re bei Pati­en­ten mit redu­zier­ter arte­ri­el­ler Per­fu­si­on sinn­voll, um Ein­schnü­run­gen, unge­woll­te Druck­spit­zen und kon­se­ku­ti­ve Haut­schä­den zu ver­mei­den. Gleich­zei­tig sorgt die Unter­pols­te­rung für eine höhe­re Mate­ri­al­fes­tig­keit des Gesamt­ver­ban­des und führt so zu einem gestei­ger­ten Arbeits­druck 39.

Mitt­ler­wei­le fin­den sich auf dem Markt auch ver­schie­de­ne Mehr­kom­po­nen­ten­ver­band­sys­te­me, die auch als soge­nann­te Lite-Ver­bän­de erhält­lich sind und ins­be­son­de­re für die Anwen­dung bei Pati­en­ten mit einem Ulcus cru­ris mix­t­um geeig­net sind. Sie bie­ten bei hoher Mate­ri­al­fes­tig­keit einen redu­zier­ten Ruhe­an­press­druck von ca. 20 mmHg und wer­den gut tole­riert 4041. Pati­en­ten mit einer Indi­ka­ti­on zur Kom­pres­si­ons­the­ra­pie wie bei­spiels­wei­se CVI, Lymph­ödem etc. und einer beglei­ten­den pAVK soll­ten kli­nisch eng­ma­schig über­wacht wer­den. Soll­te es zu Schmer­zen und/oder einer Befund­ver­schlech­te­rung der arte­ri­el­len Situa­ti­on kom­men, ist die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie unver­züg­lich zu been­den. Ansons­ten kann bei einem Knö­chel­arte­ri­en­druck von min­des­tens 60 mmHg bzw. einem Groß­ze­hen­ar­te­ri­en­druck von min­des­tens 30 mmHg eine Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit redu­zier­tem Anpress­druck bis 40 mmHg und unelas­ti­schen Mate­ria­li­en unter eng­ma­schi­ger kli­ni­scher Kon­trol­le durch­ge­führt wer­den. Eine abso­lu­te Kon­tra­in­di­ka­ti­on für die Anwen­dung der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bleibt aller­dings wei­ter­hin die kri­ti­sche Ischä­mie mit Nekro­se und/oder Gang­rän und/oder einem KADI mit Wer­ten unter 0,5 bezie­hungs­wei­se abso­lu­ten systo­li­schen Knö­chel­arte­ri­en­druck­wer­ten unter 60 mmHg 42.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei Dia­be­tes mellitus

Dia­be­tes mel­li­tus stellt per se kei­ne Kon­tra­in­di­ka­ti­on für die Durch­füh­rung einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie dar. Pati­en­ten mit Dia­be­tes mel­li­tus kön­nen aller­dings im Lau­fe der Erkran­kung gehäuft eine Poly­neu­ro­pa­thie, (funk­tio­nel­le) Mikro­an­gio­pa­thie und Makro­an­gio­pa­thie ent­wi­ckeln. Im Rah­men eines dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms (DFS) kann es dann zu einem dia­be­ti­schen Fußul­cus (DFU) kom­men, das meist an den Zehen oder der Fuß­soh­le loka­li­siert ist. Das Auf­tre­ten einer Wun­de an den Unter­schen­keln durch Dia­be­tes mel­li­tus ist sel­ten. Aller­dings lei­den etwa 15 bis 20 % aller Pati­en­ten mit einem chro­ni­schen Ulcus cru­ris auch an einem Dia­be­tes mel­li­tus, der hier eine rele­van­te Begleit­erkran­kung dar­stellt. Die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist bei den meis­ten Pati­en­ten mit Dia­be­tes mel­li­tus durch­aus mög­lich. Hier müs­sen aller­dings die bereits beschrie­be­nen Kon­tra­in­di­ka­tio­nen und Ein­schrän­kun­gen ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Poly­neu­ro­pa­thie und eine fort­ge­schrit­te­ne pAVK beach­tet wer­den 4344.

Fazit

Die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist die neben­wir­kungs­ar­me und wis­sen­schaft­lich gut beleg­te Basis in der Behand­lung und (Rezidiv-)Prophylaxe der meis­ten Pati­en­ten mit Öde­men unter­schied­lichs­ter Gene­se. Heu­te gibt es zuneh­mend neue Mate­ria­li­en wie bei­spiels­wei­se adap­ti­ve Ban­da­gen und Erkennt­nis­se für die prak­ti­sche Durch­füh­rung der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie. In der Fol­ge steigt die Zahl der Pati­en­ten mit Indi­ka­tio­nen für die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie, und auch für frü­her als Kon­tra­in­di­ka­ti­on betrach­te­te Krank­heits­bil­der ste­hen heu­te meist The­ra­pie­op­tio­nen zur Ver­fü­gung. Bei der Aus­wahl des geeig­ne­ten Kom­pres­si­ons­sys­tems soll­ten die Fähig­kei­ten und Wün­sche der Pati­en­ten berück­sich­tigt wer­den. An- und Aus­zieh­hil­fen soll­ten, falls erfor­der­lich, ver­ord­net wer­den. Somit kann oft auch ein Selbst­ma­nage­ment nach ent­spre­chen­der Edu­ka­ti­on ange­strebt wer­den. Die Sum­ma­ti­on die­ser Behand­lungs­op­tio­nen in der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bil­det die Basis für eine pati­en­ten­ge­rech­te Versorgung.

Für die Autoren:
Prof. Dr. med. Joa­chim Dissemond
Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Essen
Kli­nik und Poli­kli­nik für Dermatologie,
Vene­ro­lo­gie und Allergologie
Hufe­land­stra­ße 55
45122 Essen
joachim.dissemond@uk-essen.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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