Der Pro­the­sen­hub als Mit­tel zur Qua­li­täts­kon­trol­le der Prothesenversorgung

A. Hömme, J. Wühr, B. Sibbel, B. Drerup, S. Bieringer
In der prothetischen Versorgung spielt die Versorgungsqualität eine große Rolle. Gestaltung und Adaptation des Schaftes an die Stumpfbeschaffenheit des Patienten sind dabei ausschlaggebend für eine optimale Nutzbarkeit der Prothese. Die objektive Kontrolle der Qualität gestaltet sich jedoch schwierig. Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Studie der Erfassung des Prothesenhubs als Faktor einer objektiven Qualitätskontrolle durch den Einsatz 3-D-kinematischer Messtechnik.

Ein­lei­tung und Hintergrund

Ziel einer Pro­the­sen­ver­sor­gung ist es, dem „Urzu­stand” so nah wie mög­lich zu kom­men 1. Dies beinhal­tet sowohl die Rekon­struk­ti­on des äuße­ren Erschei­nungs­bil­des als auch die Wie­der­her­stel­lung der Bewe­gungs­mög­lich­kei­ten und Funk­tio­nen des zu erset­zen­den Kör­per­teils 2.

Der Pro­the­sen­schaft stellt in der ortho­pä­die­tech­ni­schen Ver­sor­gung das Bin­de­glied zwi­schen Pro­the­se und Stumpf dar 3. Die Gestal­tung des Pro­the­sen­schaf­tes unter­liegt dabei den Vor­ga­ben der DIN ISO-13405–1 und ‑2 4 5, wel­che sich auf die fol­gen­den Schwer­punk­te bezie­hen: Sup­port, Sta­bi­li­sa­ti­on und Sus­pen­si­on sowie die Auf­nah­me des Stumpf­vo­lu­mens. Unter dem Begriff des Sup­ports wird die Über­tra­gung von axia­len Kräf­ten zur Last­auf­nah­me ver­stan­den. Sta­bi­li­sa­ti­on bezeich­net die Über­tra­gung der hori­zon­tal gerich­te­ten Kräf­te zur Steue­rung der Pro­the­se, Sus­pen­si­on die Haft­ver­mitt­lung zwi­schen Pati­ent und Hilfs­mit­tel. Die Anfor­de­run­gen an einen Schaft sind somit vor­ge­ge­ben. Schaft­for­men und ‑mate­ria­li­en unter­lie­gen jedoch einer kon­ti­nu­ier­li­chen Wei­ter­ent­wick­lung, was die Umset­zung der defi­nier­ten Vor­ga­ben kom­pli­zier­ter gestal­tet. Um für den Pati­en­ten den­noch eine best­mög­li­che Ver­sor­gung zu rea­li­sie­ren, ist das Zusam­men­spiel zwi­schen Pro­the­sen­auf­bau, Stumpf­be­schaf­fen­heit und ‑funk­ti­on sowie Schaft­ge­stal­tung, ‑pass­form und ‑haf­tung zu koor­di­nie­ren. Auch spie­len die Kräf­te, die auf den Stumpf wir­ken, eine bedeu­ten­de Rol­le 6 7 8.

Der Ein­fluss der Pro­the­sen­ver­sor­gung und deren Auf­bau (hier: unte­re Extre­mi­tät) wird dabei vor allem im Gang­bild eines Ampu­tier­ten sicht­bar. Wird das Knie­pass­teil bei­spiels­wei­se zu weit ante­rior posi­tio­niert, führt dies zur Gefähr­dung der Sta­bi­li­tät und Sicher­heit im Stand – für die Beu­gung des Pro­the­senknies wirkt sich dies zu Beginn der Schwung­pha­se jedoch begüns­ti­gend aus. Ist das Knie­pass­teil mit sei­ner Gelenk­sach­se zu weit pos­te­ri­or posi­tio­niert, ver­bes­sert es Sta­bi­li­tät und Sicher­heit im Stand. Betrach­tet man hin­ge­gen die­se Posi­tio­nie­rung in der Dyna­mik, wird deut­lich, dass der erziel­te Zuge­winn an Sicher­heit das Beu­gen des Pro­the­senknies zu Beginn der Schwung­pha­se erschwert. Dar­über hin­aus ver­ur­sacht das Ver­schie­ben des Knie­ge­lenks nach pos­te­ri­or eine funk­tio­nel­le Ver­län­ge­rung der Pro­the­se. Da es den meis­ten Fuß­pass­tei­len nicht mög­lich ist, eine akti­ve Dor­sal­ex­ten­si­on durch­zu­füh­ren, wirkt sich die Rück­ver­la­ge­rung ent­spre­chend erschwe­rend auf die Durch­füh­rung der Schwung­pha­se mit dem Pro­the­sen­bein aus. Um den­noch ein pro­blem­lo­ses Durch­schwin­gen zu ermög­li­chen und Stür­ze zu ver­mei­den, ist der Ampu­tier­te mit einer zu lan­gen Pro­the­se gezwun­gen, kom­pen­sa­to­ri­sche Bewe­gun­gen aus­zu­füh­ren. Dies äußert sich bei­spiels­wei­se in einem Anhe­ben der Hüf­te oder einer Zirk­um­duk­ti­on im Hüft­ge­lenk auf der Pro­the­sen­sei­te wäh­rend der Schwung­pha­se 6 9.

Doch selbst wenn die Län­ge der Pro­the­se gut auf das Gang­bild des Pati­en­ten abge­stimmt ist, kann es zu einer Län­gen­än­de­rung des pro­the­tisch ver­sorg­ten Bei­nes kom­men: durch die soge­nann­te Pseud­arthro­se (Pro­the­sen­hub) zwi­schen Stumpf und Pro­the­sen­schaft. Dar­un­ter ver­steht man eine „rela­ti­ve Ver­län­ge­rung” des pro­the­tisch ver­sorg­ten Bei­nes in der Schwung­pha­se und des­sen „rela­ti­ve Ver­kür­zung” in der Stand­pha­se. Neben einer Beein­träch­ti­gung des Gang­bil­des kön­nen Pseud­arthro­sen dar­über hin­aus zu Schmer­zen, Achs­ab­wei­chun­gen und Insta­bi­li­tä­ten füh­ren. Der Pro­the­sen­hub kann dabei durch eine man­geln­de Fix­a­ti­on des Stump­fes im Schaft her­vor­ge­ru­fen wer­den 2 9 10. Das Pro­blem einer Län­gen­än­de­rung des pro­the­tisch ver­sorg­ten Bei­nes lässt sich bei der Ver­sor­gung jedoch nicht voll­stän­dig ver­mei­den, da Art und Umfang des Weich­teil­ge­we­bes des Pati­en­ten die Bewe­gung im Schaft beein­flus­sen. Das Ziel einer guten Schaft­ge­stal­tung soll­te des­halb auch in der Mini­mie­rung des Pro­the­sen­hubs lie­gen und stellt auf die­se Wei­se ein Qua­li­täts­merk­mal in der ortho­pä­die­tech­ni­schen Ver­sor­gung dar.

Zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hubs und zur Kate­go­ri­sie­rung von des­sen Aus­maß gibt es jedoch nur weni­ge wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen. So bear­bei­te­ten Papai­o­an­nou et al. (2010) und Gho­liz­adeh et al. (2011) bei­de den Pro­the­sen­hub bei trans­ti­bi­al ampu­tier­ten Pro­ban­den, die Erfas­sung fand hier­bei jedoch mit unter­schied­li­chen Mess­me­tho­den statt 11 12. Papai­o­an­nou et al. (2010) unter­such­ten 10 trans­ti­bi­al ampu­tier­te Pro­ban­den mit Hil­fe einer dyna­mi­schen Rönt­gen-Ste­reo­gram­me­trie-Ana­ly­se wäh­rend unter­schied­li­cher Bewe­gungs­auf­ga­ben. Bei der Betrach­tung der Resul­ta­te konn­te abschlie­ßend (u. a.) fest­ge­stellt wer­den, dass beim Her­ab­stei­gen einer Stu­fe zwi­schen den Mar­kern auf der Haut und den Mar­kern auf dem Schaft ein Pro­the­sen­hub von bis zu 19 mm ersicht­lich wur­de 11. Gho­liz­ade­het al. (2011) unter­such­ten mit einem ande­ren Ansatz 5 trans­ti­bi­al ampu­tier­te Pro­ban­den, die mit einem Ice­ross-Sili­kon­li­ner und einem Shut­tle-Lock-Sys­tem ver­sorgt wor­den waren. Die Pro­ban­den wur­den instru­iert, im Rah­men der Stu­die fünf ver­schie­de­ne Belas­tungs­si­tua­tio­nen durch­zu­füh­ren. Dies wur­de foto­gra­fisch doku­men­tiert. Die erfass­ten Bil­der wur­den anschlie­ßend als Daten­grund­la­ge zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hu­bes her­an­ge­zo­gen und hin­sicht­lich der Bewe­gung zwi­schen Liner und Schaft aus­ge­wer­tet. Die Ergeb­nis­se zeig­ten eine durch­schnitt­li­che Distanz von 9 mm im nicht­be­las­te­ten im Ver­gleich zum voll belas­te­ten Zustand des Pro­the­sen­bei­nes 12. Bei­de Metho­den waren somit in der Lage, eine Län­gen­än­de­rung bzw. den Hub bei trans­ti­bi­al ampu­tier­ten Pro­the­sen­trä­gern zu erfassen.

Im Fall von Ober­schen­kel­am­pu­tier­ten gestal­tet sich die Erfas­sung des Pro­the­sen­hubs jedoch kom­pli­zier­ter, da der Ober­schen­kel­stumpf mit einem deut­lich grö­ße­ren Anteil an Weich­teil­ge­we­be bedeckt ist. So ent­wi­ckel­te Wühr 2 3 einen Ansatz zur Erhe­bung des Pro­the­sen­hubs bei Ober­schen­kel­am­pu­tier­ten mit Hil­fe einer 3‑D-kine­ma­ti­schen Bewe­gungs­ana­ly­se. Sie defi­nier­te den Pro­the­sen­hub in Bezug auf die ange­wand­te Mess­tech­no­lo­gie als Län­gen­än­de­rung des Abstan­des des Spi­nen-Mar­kers zum Mar­ker am Knie­dreh­punkt, erfasst zum Zeit­punkt der Neu­tral-Null-Stel­lung der Hüf­te. Hier­für wur­de zum einen die Län­ge des pro­the­tisch ver­sorg­ten Bei­nes in der mitt­le­ren Stand­pha­se und somit unter Last ermit­telt (ca. 20– 30 % des Gang­zy­klus). Zum ande­ren wur­de die Län­ge des pro­the­tisch ver­sorg­ten Bei­nes in der Schwung­pha­se ermit­telt (ca. 70–80 % des Gang­zy­klus). Die Dif­fe­renz die­ser bei­den ermit­tel­ten Län­gen ergab den gesuch­ten Pro­the­sen­hub (Abb. 1).

Um die­ses metho­di­sche Vor­ge­hen zu prü­fen, wur­de die­se Berech­nung eben­falls auf der erhal­te­nen Sei­te der unter­such­ten Pro­ban­den durch­ge­führt. Durch­schnitt­lich zeig­te sich hier­bei eine Län­gen­än­de­rung von bis zu 1 mm, was im Bereich der Genau­ig­keit des ange­wand­ten Mess­sys­tems liegt und somit das ent­wi­ckel­te metho­di­sche Vor­ge­hen bestärkt. Wühr leg­te bei ihrer Unter­su­chung – neben dem metho­di­schen Vor­ge­hen zur Erfas­sung des Hubes mit Hil­fe 3‑D-kine­ma­ti­scher Mess­tech­nik – einen wei­te­ren Schwer­punkt auf die Gegen­über­stel­lung des Hub­aus­ma­ßes zwei­er unter­schied­li­cher Schaft­for­men: des tuber­um­grei­fen­den und des tuber­un­ter­stüt­zen­den Schafts. Dies­be­züg­lich zeig­ten die Ergeb­nis­se einen Hub von durch­schnitt­lich 13,2 mm (71 % > 1 cm) für den tuber­un­ter­stüt­zen­den Schaft und einen Hub von durch­schnitt­lich 7,09 mm (90 % < 1 cm) bei den Ver­sor­gun­gen mit tuber­um­grei­fen­dem Schaft. Van Dron­ge­len et al. (2013) lehn­ten sich an die metho­di­sche Her­an­ge­hens­wei­se von Wühr 2 3 an und unter­such­ten retro­spek­tiv einen Daten­satz von 69 trans­fe­mo­ral ampu­tier­ten Pati­en­ten mit unter­schied­li­chen Schaft­ver­sor­gun­gen auf den dyna­mi­schen Pro­the­sen­hub 13. Die Ergeb­nis­se wie­sen einen Hub von 12,8 ± 6,1 mm für das pro­the­tisch ver­sorg­te Bein aus, für das erhal­te­ne Bein wur­de ein Hub von 1,4 ± 6,9 mm erfasst. Es konn­ten jedoch kei­ne sta­tis­tisch signi­fi­kan­ten Unter­schie­de zwi­schen den unter­such­ten Schaft­for­men ermit­telt wer­den. Der Unter­schied zwi­schen erhal­te­ner und betrof­fe­ner Sei­te war dage­gen sta­tis­tisch hoch signi­fi­kant, sodass auch hier das metho­di­sche Vor­ge­hen nach Wühr 2 3 die Erfas­sung des Pro­the­sen­hu­bes ermöglichte.

Metho­dik

Das Ver­fah­ren, mit­tels 3‑D-kine­ma­ti­scher Mess­tech­nik den Pro­the­sen­hub zu erfas­sen, unter­liegt nach Wühr 2 3 aller­dings eini­gen Ein­fluss­fak­to­ren: der Pass­ge­nau­ig­keit des Schaf­tes, der Stumpf­be­schaf­fen­heit, dem Volu­men und Aus­se­hen des Weich­teil­ge­we­bes sowie dem Alter bzw. der Zeit­span­ne der Ver­sor­gung und dem Zeit­punkt der Ampu­ta­ti­on. Die­se Fak­to­ren sind jedoch im Rah­men der Bewer­tung einer Ver­sor­gung nicht modi­fi­zier­bar, son­dern ledig­lich zu doku­men­tie­ren. Dar­über hin­aus wird deut­lich, dass die Posi­ti­on der ver­wen­de­ten Spi­nen-Mar­ker, die zur Berech­nung des Hubes her­an­ge­zo­gen wer­den, dem Ein­fluss der Becken­be­we­gung unter­lie­gen; dies beein­träch­tigt eben­falls die Erhe­bung des Hubes.

Im Rah­men eines inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tau­sches zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hubs wur­de in die­sem Zusam­men­hang die Erwei­te­rung des Ansat­zes nach Wühr 2 3 durch einen wei­te­ren Mar­ker in der Modell­be­rech­nung beschlos­sen. Die­ser Mar­ker soll­te auf der „Wir­kungs­li­nie des Hubes” und somit in der „Ver­län­ge­rung der Tro­chan­ter­ach­se” auf dem Becken­kamm posi­tio­niert wer­den. Um die Funk­tio­na­li­tät des ergänz­ten Mar­kers bes­ser quan­ti­fi­zie­ren zu kön­nen, wur­de die­ser zuguns­ten der Repro­du­zier­bar­keit für Pilot­un­ter­su­chun­gen auf der Cris­tail­i­a­ca plat­ziert (Abb. 2). Die­se Posi­ti­on ist deut­lich zu pal­pie­ren und somit weni­ger feh­ler­an­fäl­lig. Die Berech­nung des Hubes fand dabei genau nach der Defi­ni­ti­on von Wühr 2 statt, um eine gute Ver­gleich­bar­keit der Ergeb­nis­se zu gewähr­leis­ten. Grund­la­ge zur Berech­nung der Län­gen­än­de­rung war hier jedoch die Distanz zwi­schen Cris­tail­i­a­ca-Mar­ker und Kniedrehpunkt-Marker.

Die Mes­sun­gen zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hu­bes mit ergänz­tem Mar­ker­set fan­den im Rah­men einer Pilot­stu­die statt. Die ver­wen­de­te 3‑D-kine­ma­ti­sche Mess­tech­nik (Fa. Vicon, Groß­bri­tan­ni­en) des Bewe­gungs­ana­ly­se­la­bors bestand hier­bei aus 12 Infra­rot-Kame­ras und 2 ergän­zen­den Video­ka­me­ras und ist ver­gleich­bar mit der Aus­stat­tung der Stu­die von Wühr 2 3.

In Bezug auf die Wahl der Pro­ban­den wur­den fol­gen­de Kri­te­ri­en fest­ge­legt: Die Pro­ban­den soll­ten min­des­tens der Mobi­li­täts­klas­se 2 (nach MDS) ent­spre­chen und mit einem sitz­be­in­um­grei­fen­den Schaft­sys­tem ver­sorgt sein. Der Schaft soll­te min­des­tens ein Jahr, maxi­mal aber drei Jah­re alt sein, damit eine gewohn­te, aber noch aus­rei­chend gute Schaft­si­tua­ti­on vor­lag. Die Ver­sor­gung soll­te aus einem dem Mobi­li­täts­grad ange­pass­ten mikro­pro­zes­sor­ge­steu­er­ten Knie­pass­teil und einem Car­bon­fe­der­fuß bestehen.

An der vor­lie­gen­den Pilot­un­ter­su­chung nah­men ins­ge­samt 5 trans­fe­mo­ral ampu­tier­te Pro­ban­den teil (Ø: 47,4 ± 13,3 Jah­re, 1,81 ± 0,1 m, 89,6 ± 22,3 kg, Tab. 1), wobei jeder der Pro­ban­den den Ein­schluss­kri­te­ri­en ent­sprach und mit sei­ner Ver­sor­gung zufrie­den war. Die Teil­neh­mer wur­den ent­spre­chend der Vor­ge­hens­wei­se nach Wühr 2 3 pal­piert und mit dem erwei­ter­ten Mar­ker­set ver­se­hen. Anschlie­ßend wur­den die Pro­ban­den instru­iert, auf einer vor­ge­ge­be­nen Lauf­stre­cke (6 m) im Mess­feld des Labors mit selbst­ge­wähl­ter Geschwin­dig­keit zu gehen.

Ergeb­nis­se und Diskussion

Nach der Erhe­bung der Daten wur­den die­se gemäß der Fra­ge­stel­lung auf­be­rei­tet und hin­sicht­lich des Pro­the­sen­hubs ana­ly­siert. Die Erfas­sung des Hubs bezog sich bei die­ser Pilot­un­ter­su­chung jedoch nicht auf einen Schaft­ty­pen­ver­gleich vgl. 3, son­dern auf die grund­sätz­li­che Über­prü­fung des erwei­ter­ten Metho­di­kan­sat­zes. Dem­nach wer­den in der fol­gen­den Ergeb­nis­dar­stel­lung die errech­ne­ten Hub­wer­te der Pro­the­sen­sei­te denen der erhal­te­nen Sei­te gegen­über­ge­stellt (Tab. 2).

Die Aus­wer­tung der erho­be­nen Daten zeigt einen durch­schnitt­li­chen Hub der erhal­te­nen Sei­te von 4,2 ± 2,3 mm und für die Pro­the­sen­sei­te einen mitt­le­ren Hub­wert von 19,6 ± 13,1mm (sie­he Tab. 2). Die­se Wer­te sind mit denen von van Dron­ge­len et al. 13 und Wühr 2 ver­gleich­bar. Die Ergeb­nis­se wei­sen somit dar­auf hin, dass der Ein­satz des zusätz­li­chen Mar­kers kei­ne star­ken Wert­ab­wei­chun­gen zur Fol­ge hat.

Bei Betrach­tung der pro­ban­den­spe­zi­fi­schen Hub­wer­te wird deut­lich, dass bei Pro­band 1 beid­sei­tig ein Hub­wert von 6 mm erfasst wur­de. Da das Aus­maß des erfass­ten Hubs auf der erhal­te­nen Sei­te Weich­teil­be­we­gun­gen zuge­schrie­ben wer­den kann, deu­tet ein glei­ches Hub­aus­maß auf der Pro­the­sen­sei­te auf eine sehr gute Pass­form des Pro­the­sen­schaf­tes hin. Bei den Pro­ban­den 2, 3, 4 und 5 zeigt sich jedoch ein deut­li­cher Unter­schied im Aus­maß des errech­ne­ten Hubes zwi­schen erhal­te­ner Sei­te und Pro­the­sen­sei­te, ins­be­son­de­re bei den Pro­ban­den 2 und 5. Der gemes­se­ne Hub der erhal­te­nen Sei­te fiel somit auch in die­ser Unter­su­chung mini­mal aus und lag im Ver­gleich zur Lite­ra­tur in einem rea­lis­ti­schen Wer­te­be­reich. Die Unter­schie­de im Aus­maß der Hub­wer­te an der erhal­te­nen Sei­te kön­nen, wie bei Pro­band 1, auf die Weich­teil­be­schaf­fen­heit der Pro­ban­den (sie­he Tab. 1) zurück­ge­führt wer­den. Die deut­lich höhe­ren Wer­te des Pro­the­sen­hubs auf der ver­sorg­ten Sei­te kön­nen neben der Weich­teil­be­schaf­fen­heit zusätz­lich durch eine nicht opti­ma­le Pass­form des Schaf­tes begrün­det sein.

Zusam­men­fas­sung und Ausblick

Die Ergeb­nis­se der vor­ge­stell­ten Pilot­stu­die zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hubs zei­gen, dass der erwei­ter­te metho­di­sche Ansatz durch einen zusätz­li­chen Mar­ker ver­gleich­ba­re Wer­te zu Wühr 2 und van Dron­gel­en­et al. 13 lie­fert. Der zusätz­li­che Mar­ker auf der Cris­ta ili­a­ca ermög­licht die Erfas­sung der Län­gen­än­de­rung in Wir­kungs­li­nie des Hubes. Zudem ließ sich die Mar­ker­plat­zie­rung an der Cris­ta ili­a­ca in der Pra­xis pro­blem­lo­ser umset­zen. Dies war vor allem bei Pro­ban­den mit viel Unter­haut­fett­ge­we­be der Fall, bei denen es an den Spi­nen zu Mar­ker­ver­de­ckun­gen gekom­men war.

Um Aus­sa­gen über Vali­di­tät und Repro­du­zier­bar­keit die­ses Ver­fah­rens tref­fen zu kön­nen, soll­te eine Fol­ge­stu­die die Inhal­te die­ser Pilot­un­ter­su­chung auf­grei­fen und mit einem grö­ße­ren Pro­ban­den­kol­lek­tiv erneut durch­ge­führt wer­den. Auch könn­ten mit dem ange­wand­ten Ver­fah­ren zur Erfas­sung des Pro­the­sen­hu­bes per­spek­ti­visch Unter­su­chun­gen bezüg­lich Kor­re­la­tio­nen zwi­schen Pro­the­sen­hub und Para­me­tern wie Druck­ver­tei­lung und Mus­kel­ak­ti­vi­tät im Schaft oder der Ober­kör­per­be­we­gung vor­ge­nom­men wer­den, um wei­te­re Infor­ma­tio­nen über den Ein­fluss des Pro­the­sen­hubs zu erhal­ten. Dar­über hin­aus soll­te im Rah­men wis­sen­schaft­li­cher Stu­di­en auch die Rele­vanz des Aus­ma­ßes des erfass­ten Hubes unter­sucht wer­den, um den gemes­se­nen Hub kate­go­ri­sie­ren zu kön­nen vgl. 2.

Zusam­men­fas­send kann fest­ge­stellt wer­den, dass sich der Pro­the­sen­hub mit Hil­fe des erwei­ter­ten metho­di­schen Ansat­zes – der Distanz­än­de­rung zwi­schen dem zusätz­lich ein­ge­setz­ten Mar­ker auf der Cris­ta ili­a­ca und dem Mar­ker auf dem Knie­dreh­punkt – bestim­men lässt und die erho­be­nen Ergeb­nis­se mit denen ande­rer Labo­re ver­gleich­bar sind.

Für die Autoren:
Dr. phil. Ann-Kath­rin Hömme
Lei­te­rin des Insti­tuts für Mess­tech­nik und Bio­me­cha­nik (IMB)
Bun­des­fach­schu­le für Orthopädie-Technik
Schliep­stra­ße 6–8
44135 Dort­mund
A.Hoemme@ot-bufa.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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