„Eigenverantwortliches unternehmerisches Handeln verlangt das Auge für das große Ganze: Die wohnortnahe und qualitätsgesicherte Versorgung für jede und jeden Einzelnen ist von hoher Bedeutung. Patientinnen und Patienten müssen auf Qualitätsstandards in der Versorgung vertrauen können, auch während Krisen wie einer Pandemie“, betonte Lütke bei ihrem Besuch. „Gleichzeitig müssen Unternehmen im Gesundheitswesen auf Preisschwankungen und Lieferengpässe schneller reagieren können, damit keine Engpässe in der Versorgung entstehen. Nur so können wir die derzeit hohe Versorgungsqualität halten und Leistungskürzungen vermeiden.“
Entbürokratisierung durch Harmonisierung der Mehrwertsteuer, standardisierte Formulare in Krankenkassenverträgen und die Überarbeitung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) – für Kirsten Abel, Generalsekretärin des Bündnisses „Wir versorgen Deutschland“ (WvD), zentrale Maßnahmen, um die hohe Versorgungsqualität in Deutschland zu gewährleisten und versteckte Leistungskürzungen zu verhindern. Das Bündnis fordert zudem Leitverträge mit führenden Organisationen der Leistungserbringer statt immer wieder Qualitätsstandards verletzende Einzelverträge. Leitverträge würden auf das Konto einer stabilen Versorgungsqualität unter der Maßgabe deutlich größerer Effizienz einzahlen, erläuterte Michael Schäfer, stellvertretender Obermeister der Landesinnung Bayern, und verwies beispielhaft auf die vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) gestoppte E‑Versorgung mit Einlegesohlen (PG 08). Der Einzelvertrag der Barmer sei ein Versuch gewesen, unter dem Deckmantel der Digitalisierung Versorgungsstandards abzusenken. „Dieses vom BAS aus dem Verkehr gezogene Beispiel hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Vertragsparteien über das Wohl der Versicherten entscheiden, die eine qualitätsgesicherte Versorgung im Blick behalten, denn Fehlversorgung hat schlussendlich ebenfalls wirtschaftliche Konsequenzen“, betonte Schäfer.
Inhaber und OTM Matthias Dechet führte die Gäste durch den Betrieb und wies gemeinsam mit Alf Reuter, WvD-Vorstand und Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), auf aktuelle Herausforderungen hin. Neben Fachkräftemangel und stark steigenden Preisen für Lieferungen und Energie kennzeichne auch ein überaus hohes Maß an Bürokratie den Alltag, so Reuter. „Verwaltungsaufgaben sowie Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Kostenübernahme für Versorgungen, die den Patienten und Patientinnen nach dem Sozialgesetzbuch eigentlich zustehen, nehmen immer mehr Zeit ein“, erläuterte er. „Zusätzlich erreichen uns jeden Tag neue Nachrichten über Kostensteigerungen, die wir zumeist allein schultern müssen. Denn wir haben mit den rund 100 Kostenträgern in Deutschland mehrjährige Verträge. Zwar zeigen einzelne Krankenkassen kleine Flexibilitäten und übernehmen Zuschüsse, zumeist bleiben die Betriebe aber auf den Mehrkosten sitzen.“ Mit Blick auf die ebenfalls stark unter Kostendruck stehenden Kostenträger warnte Reuter vor versteckten Leistungskürzungen: „Mit Spannung warten wir daher auf das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, an dem das Bundesministerium für Gesundheit derzeit arbeitet.“
Nicht nur in der Theorie, sondern auch in gelebter Praxis zeigte Matthias Dechet auf, wie eine qualitätsgesicherte Versorgung aussehen sollte und zog dafür das Fallbeispiel eines an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Patienten heran. Durch eine funktionelle elektrostimulierende Hilfsmittelversorgung sei er mobiler, doch das Produkt verlange viele Erprobungen und eine lange Testphase, berichtete Dechet und kritisierte, dass die Bewilligung durch die Krankenkasse dauere und keinem wirklich geregelten Prozess folge. Trotz genauer Versorgungsdokumentation sei unklar, ob die Krankenkasse das Hilfsmittel anerkennt. Auch notwendige Vorleistungen müssten von den Krankenkassen anerkannt werden, so Dechet weiter. Zudem würden im Hinblick auf Qualitätsstandards wenig Transparenz und viel Raum für Willkür bei den Kassen herrschen.
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