DiGA – Weg­be­rei­ter oder Stol­per­stein der Digitalisierung?

Seit September 2020 stehen Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), im Volksmund auch „Apps auf Rezept“ genannt, für GKV-Versicherte zur Verfügung. Aktuell – im Mai 2022 – sind 33 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) gelistet, zwölf von ihnen dauerhaft.

Der Nut­zen der Digi­ta­len Gesund­heits­an­wen­dun­gen ist aller­dings umstrit­ten. Denn: Im Moment wür­den – so ein an vie­len Stel­len for­mu­lier­ter Vor­wurf – die Apps nur ana­lo­ge Pro­zes­se im digi­ta­len Gewand abbil­den, deren Mehr­wert für die Gesund­heit der Patient:innen eher begrenzt sei. Unlängst sprach Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach im Rah­men der Mes­se DMEA über die Digi­ta­len Gesund­heits­an­wen­dun­gen und deren noch nicht zufrie­den­stel­len­de Ausarbeitung.

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Mit gro­ßer Ambi­va­lenz betrach­tet auch der GKV-Spit­zen­ver­band in sei­ner Stel­lung­nah­me anläss­lich des ers­ten „Geburts­tags“ der DiGA die Kos­ten und Nut­zen der Apps. Der DiGA-Report der Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se (TK) zeich­net ein ähn­li­ches Bild: viel Poten­zi­al, wenig Nut­zen (der­zeit).

Aber noch ein­mal auf Anfang. 2019 wur­de im Digi­ta­len-Ver­sor­gung-Gesetz (DVG) in Para­graph 33a fol­gen­de Rege­lung pos­tu­liert: „Ver­si­cher­te haben Anspruch auf Ver­sor­gung mit Medi­zin­pro­duk­ten nied­ri­ger Risi­koklas­se, deren Haupt­funk­ti­on wesent­lich auf digi­ta­len Tech­no­lo­gien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Ver­si­cher­ten oder in der Ver­sor­gung durch Leis­tungs­er­brin­ger die Erken­nung, Über­wa­chung, Behand­lung oder Lin­de­rung von Krank­hei­ten oder die Erken­nung, Behand­lung, Lin­de­rung oder Kom­pen­sie­rung von Ver­let­zun­gen oder Behin­de­run­gen zu unter­stüt­zen (digi­ta­le Gesundheitsanwendungen).“

In den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren hat­ten nun die Her­stel­ler die­ser Digi­ta­len Gesund­heits­an­wen­dun­gen Zeit, ihre Appli­ka­tio­nen an die­sen Geset­zes­text anzu­pas­sen. Die Kri­tik, dass zum Bei­spiel eine App für Dia­be­ti­ker „nur“ ein digi­ta­les Tage­buch sei, müss­te auf Grund des Geset­zes­tex­tes rela­ti­viert wer­den, denn es wird expli­zit auch die Über­wa­chung von Krank­hei­ten als Grund­la­ge für eine DiGA-Ent­wick­lung genannt. Dass zwi­schen der Umset­zung in der Pra­xis und dem Wunsch der Poli­tik zur Aus­ge­stal­tung des Geset­zes eine Dis­kre­panz herrscht, ist den­noch nicht von der Hand zu wei­sen. Aktu­ell domi­nie­ren Apps auf Rezept zu den The­men Angst, Panik, Depres­sio­nen, Dia­be­tes mit je drei ver­schrei­bungs­fä­hi­gen Anwen­dun­gen. Das Design der Apps ist dabei größ­ten­teils ähn­lich, da es Über­wa­chungs – bzw. Emp­feh­lungs­funk­tio­nen beinhal­tet. Aus Sicht der Ortho­pä­die-Tech­nik ist die Aus­wahl an DiGA der­zeit noch über­schau­bar. Der Bay­reu­ther Hilfs­mit­tel­her­stel­ler Medi hat gemein­sam mit der deut­schen Knie­ge­sell­schaft eine DiGA für Patient:innen mit vor­de­rem Knie­schmerz her­aus­ge­bracht. Dort kön­nen Anga­ben zu Schmerz- und Belas­tungs­emp­fin­den einge­geben wer­den und basie­rend dar­auf wird der bewegungs­therapeutische Trai­nings­plan angepasst.

Grund­sätz­lich wird den digi­ta­len Anwen­dun­gen aller­dings ein ent­spre­chen­des Poten­ti­al zuge­spro­chen. Vor allem, dass Patient:innen in ihrer Gesund­heits­kom­pe­tenz gestärkt wer­den und so bei Ent­schei­dun­gen zur eige­nen The­ra­pie ent­spre­chend eine Mit­spra­che­mög­lich­keit haben, die sie ohne die durch die DiGA erwor­be­nen Kom­pe­ten­zen nicht hätten.

Kon­kre­te Kri­tik­punk­te aus Sicht der Kos­ten­trä­ger sind vor allem die hohen Kos­ten, begrenz­te Kon­trol­le sowie feh­len­der Nach­weis der Wirk­sam­keit. Rund 400 Euro ent­fal­len pro Quar­tal im Durch­schnitt auf die Erstat­tung einer DiGA, bei einer nicht immer gege­be­nen Kon­trol­le, ob die Patient:innen über­haupt das Pro­dukt nut­zen. Außer­dem ist die unge­bun­de­ne Preis­fest­le­gung durch den Her­stel­ler im ers­ten Jahr den Kran­ken­kas­sen ein Dorn im Auge. Erst ab dem zwei­ten Jahr und der dau­er­haf­ten Über­nah­me in das DiGA-Ver­zeich­nis ver­han­deln Kran­ken­kas­sen und Entwickler/Hersteller über einen Preis. Natür­lich ist es gera­de zu Beginn eines sol­chen digi­ta­len Pro­jekts wich­tig, die Ein­stiegs­hür­den nied­rig zu hal­ten. Der im ers­ten Jahr ver­an­schlag­te Preis soll die Inves­ti­tio­nen decken, die nötig sind, um erst ein­mal in den Markt zu kom­men. Der Gesetz­ge­ber muss sich aber fra­gen, ob er damit nicht fal­sche Anrei­ze setzt für die dau­er­haf­te Ent­wick­lung von DiGA. Auch das soge­nann­te Fast-Track-Ver­fah­ren stößt an der einen oder ande­ren Stel­le auf Kri­tik. Der Nut­zen, so eine For­de­rung der Kos­ten­trä­ger­sei­te, soll­te bewie­sen sein, bevor eine Finan­zie­rung durch die Mit­tel von Kran­ken­kas­sen erfolgt.

Auch auf der OTWorld 2022 wur­de an dem einen oder ande­ren Stand über die Digi­ta­len Gesund­heits­an­wen­dun­gen gespro­chen. Wie kon­kret die Plä­ne wer­den, das wird die Zukunft zei­gen. Fakt ist: Die DiGA allei­ne wird in einer digi­ta­li­sier­ten Gesund­heits­ver­sor­gung nicht erfolg­reich sein. Dafür bedarf es der Eta­blie­rung wei­te­rer digi­ta­ler Kom­po­nen­ten, die dann gemein­sam das Poten­ti­al der  Digi­ta­li­sie­rung ausschöpfen.

Hei­ko Cordes

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