Neue chir­ur­gi­sche The­ra­pie­kon­zep­te in der Mamma­chir­ur­gie zur Ver­hin­de­rung sekun­dä­rer Armlymphödeme

I. Richter-Heine
Die diagnostische Entfernung axillärer Lymphknoten beim invasiven Mammakarzinom ist gemäß den S3-Leitlinien integraler Bestandteil der Behandlung. Chirurgisch muss dies so invasiv wie notwendig und so gewebeschonend wie möglich erfolgen, um Störungen des Lymphabflusses und ein sekundäres Lymphödem des Armes zu vermeiden. Eine exakte Diagnose- und Indikationsstellung muss dem vorangehen.

Ein­lei­tung

„Brust­krebs ist die häu­figs­te Krebs­er­kran­kung bei Frau­en. Über 70.000 Mal im Jahr stel­len Ärz­tin­nen und Ärz­te aktu­ell die Dia­gno­se ‚Mam­ma­kar­zi­nom‘ bei einer Frau, über 17.000 Frau­en ster­ben jähr­lich dar­an. Wenn auch die häu­figs­te, so ist Brust­krebs in der Regel nicht die gefähr­lichs­te Krebs­art bei Frau­en. Recht­zei­tig erkannt und behan­delt, sind die meis­ten Erkran­kun­gen heil­bar.“ 1 Zwi­schen 10 und 12 von 100 Frau­en in Deutsch­land erkran­ken im Lau­fe ihres Lebens an einem bös­ar­ti­gen Tumor der Brust­drü­se 2. Bei 5 bis 10 % der Pati­en­tin­nen lässt die Fami­li­en­ana­mne­se auf eine erb­li­che Form mit auto­so­mal domi­nan­tem Erb­gang schlie­ßen. In 30 bis 50 % die­ser fami­liä­ren Fäl­le wer­den Muta­tio­nen in den BRCA1- oder BRCA2-Genen gefun­den 3. Frau­en mit einer Muta­ti­on im BRCA1-Gen haben eine lebens­lan­ge Wahr­schein­lich­keit von 70 bis 80 %, an Brust­krebs zu erkran­ken 4.

Je frü­her die Dia­gno­se gestellt wer­den kann, umso höher sind die Hei­lungs­chan­cen. Neben Selbst­ab­tas­ten der Brust ist ein Vor­sor­ge­pro­gramm, das soge­nann­te Mam­ma-Scree­ning, in Deutsch­land eta­bliert. Frau­en ab 50 Jah­ren bis ein­schließ­lich 69 Jah­ren wer­den zu einer kos­ten­lo­sen Mam­mo­gra­phie wohn­ort­nah ein­ge­la­den. Auf­fäl­li­ge Befun­de wer­den den Pati­en­tin­nen mit­ge­teilt, eine wei­ter­füh­ren­de Dia­gnos­tik wird emp­foh­len bzw. ein­ge­lei­tet 5.

Die Rol­le axil­lä­rer Lymph­kno­ten bei Brustkrebs

Die axil­lä­ren Lymph­kno­ten stel­len Fil­ter­sta­tio­nen der ablei­ten­den Lymph­bah­nen der Brust­drü­se dar. Sie reagie­ren mit Ver­grö­ße­rung und Schwel­lung bei Ent­zün­dun­gen, Ver­let­zun­gen und tumo­rö­sen Pro­zes­sen. In der Lymph­flüs­sig­keit trans­por­tier­te Zel­len blei­ben in den Fil­tern ste­cken und wer­den dort ent­we­der vom Immun­sys­tem unschäd­lich gemacht oder zurück­ge­hal­ten, um nicht sofort in den gro­ßen Blut­kreis­lauf zu gelan­gen 6.

Der Wäch­ter­lymph­kno­ten (Sen­ti­nel­lymph­kno­ten)

Dank lang­jäh­ri­ger For­schung liegt die Erkennt­nis vor, dass beim Mam­ma­kar­zi­nom ein soge­nann­ter Wäch­ter­lymph­kno­ten – der Lymph­kno­ten, der als Ers­ter die oben genann­te Funk­ti­on erfüllt – auf­ge­fun­den und unter­sucht wer­den kann. Ist die­ser Lymph­kno­ten beim inva­si­ven Kar­zi­nom tumor­frei, so sind die nach­ge­schal­te­ten Lymph­kno­ten in der Ach­sel­höh­le als nicht befal­len zu werten.

Lymph­kno­ten­sta­tio­nen

Die­se nach­ge­schal­te­ten Lymph­kno­ten wer­den ana­to­misch in ver­schie­de­ne Lymph­kno­ten­sta­tio­nen, soge­nann­te Level, ein­ge­teilt. Nur Level I und II wer­den zur Dia­gnos­tik ope­ra­tiv ange­gan­gen. Ob Lymph­kno­ten befal­len sind, ist für die Ein­tei­lung des Tumor­sta­di­ums und der dar­aus resul­tie­ren­den The­ra­pie wich­tig. Kein Lymph­kno­ten­be­fall bedeu­tet, dass die Erkran­kung sich nur auf die Brust­drü­se beschränkt, posi­ti­ve Lymph­kno­ten bele­gen eine sys­te­mi­sche Aus­brei­tung 7.

Unter­su­chung der axil­lä­ren Lymphknoten

Nach Siche­rung der Dia­gno­se auf­grund einer Gewe­be­ent­nah­me (Biop­sie) ist die Dia­gnos­tik der Lymph­kno­ten der nächs­te Unter­su­chungs­schritt. Indi­vi­du­ell auf das Erkran­kungs­sta­di­um und die geplan­te The­ra­pie abge­stimmt, kommt eine Gewe­be­pro­be aus dem betrof­fe­nen Lymph­kno­ten, eine ope­ra­ti­ve Ent­nah­me des Sen­ti­nel­lymph­kno­tens vor oder wäh­rend der Tumor­ent­fer­nung oder eine Ent­fer­nung meh­re­rer Lymph­kno­ten aus den besag­ten Leveln in Fra­ge. Dies wird im soge­nann­ten Tumor­board oder der Tumor­kon­fe­renz in der Exper­ten­run­de des behan­deln­den Brust­zen­trums für jede Pati­en­tin vor The­ra­pie­be­ginn empfohlen.

Auf­fin­den des Wächterlymphknotens

Vor der geplan­ten Ope­ra­ti­on wird der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten vom Fach­arzt für Nukle­ar­me­di­zin mar­kiert. Um den Tumor her­um bezie­hungs­wei­se sub­areo­lär qua­dran­ten­ad­ap­tiert wird eine radio­ak­tiv ange­rei­cher­te Flüs­sig­keit, die Tra­cer­sub­stanz, gespritzt. Stan­dar­di­siert wer­den dazu 40 MBq Tc-99m-Nano­kol­lo­id inji­ziert. Die Flüs­sig­keit ver­teilt sich in den Lymph­ge­fä­ßen und wird zu den Lymph­kno­ten trans­por­tiert, über­wie­gend in die axil­lä­ren Lymph­kno­ten. Die­ses Abflie­ßen der Flüs­sig­keit wird sequen­zi­ell über ca. 60 Minu­ten unter­sucht. Der Lymph­kno­ten, der als Ers­ter die­se Sub­stanz anrei­chert und spei­chert, ist der Sen­ti­nel. Mit einer Gam­ma­son­de kann die Lage des Lymph­kno­tens detek­tiert und ent­spre­chend auf der Haut mar­kiert wer­den (Abb. 1). Die Doku­men­ta­ti­on erfolgt mit einem Aus­druck des anrei­chern­den Lymph­kno­tens am soge­nann­ten Hin­ter­grund-Phan­tom­bild in zwei Ebe­nen (Abb. 2). Der Ope­ra­teur ver­fügt über eine ste­ri­le Gam­ma­son­de, mit der er vor der OP und wäh­rend des Ein­griffs die Lage des Lymph­kno­tens über­prü­fen kann.

Lymph­ödem

Unter einem Lymph­ödem ver­steht man die Ansamm­lung von Lymph­flüs­sig­keit außer­halb der Lymph­ge­fä­ße im Gewe­be. Dies ent­steht durch den Rück­stau die­ser Flüs­sig­keit in die Zwi­schen­zell­räu­me. Die Ursa­chen hier­für kön­nen ent­we­der in einem gestör­ten Lymph­ab­fluss oder einer gestei­ger­ten Pro­duk­ti­on von Lymph­flüs­sig­keit lie­gen. Bei beson­ders schwe­ren Krank­heits­bil­dern lie­gen bei­de Stö­run­gen gleich­zei­tig vor. Die Fol­gen davon sind Schwel­lun­gen mit oft erheb­li­cher Umfangs­ver­meh­rung, Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen und Haut­ver­än­de­run­gen mit Ver­här­tun­gen des Bindegewebes.

Man unter­schei­det zwei Arten von Lymph­öde­men: das pri­mä­re und das sekun­dä­re. Das pri­mä­re Lymph­ödem wird durch ange­bo­re­ne Fehl­bil­dun­gen oder Nicht­an­la­ge von Lymph­ge­fä­ßen oder ‑kno­ten ver­ur­sacht. Das Lymph­sys­tem ist ent­we­der über- oder unter­ent­wi­ckelt, Lymph­ge­fä­ße kön­nen zu schmal, ver­klebt oder erheb­lich erwei­tert sein. Meist sind die­se Fehl­ent­wick­lun­gen von Geburt an sicht­bar, sel­ten erst ab der Pubertät.

Das sekun­dä­re Lymph­ödem ist eine erwor­be­ne Erkran­kung. Meis­tens sind Tumo­re oder die Fol­gen von Ope­ra­tio­nen an Lymph­kno­ten oder eine Bestrah­lung der Lymph­ab­fluss­we­ge als Ursa­chen zu fin­den. Wei­te­re Aus­lö­ser für ein sekun­dä­res Lymph­ödem kön­nen schwe­re Weicht­eil­zer­stö­run­gen oder Stran­gu­la­ti­ons­fol­gen nach Unfäl­len, Ent­zün­dun­gen oder Para­si­ten­be­fall sein. Immo­bi­li­tät und Über­ge­wicht kön­nen eine erheb­li­che Ein­schrän­kung des Lymph­ab­flus­ses dar­stel­len. Ers­tes Anzei­chen einer Lymph­ödem­bil­dung ist eine schmerz­lo­se und tei­gi­ge Schwel­lung der betrof­fe­nen Extre­mi­tät, die sich durch Hoch­la­gern wie­der zurück­bil­det. Im wei­te­ren Krank­heits­ver­lauf bleibt das Ödem bestehen, die Kon­tu­ren des betrof­fe­nen Arms ver­strei­chen, die Haut­fal­ten über den Gelen­ken sind ver­tieft. Neben einem erheb­li­chen Schwe­re­ge­fühl kann die Beweg­lich­keit ein­ge­schränkt sein.

Je nach Schwe­re­grad wird das Lymph­ödem in 4 Sta­di­en unter­teilt: vom Sta­di­um 0, das kli­nisch kei­ne Beschwer­den ver­ur­sacht und nicht offen­sicht­lich ist, bis zum Sta­di­um III, das zu einer bis zur Unför­mig­keit auf­tre­ten­den blei­ben­den Schwel­lung mit Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen und schwe­ren Haut­ver­än­de­run­gen füh­ren kann 8 9.

Gewe­be­scho­nen­de Ent­fer­nung von Lymphknoten

Bei der Ent­nah­me eines Sen­ti­nel­lymph­kno­tens soll­te die Haut­in­zi­si­on in den Haut­spalt­li­ni­en direkt über der Haut­mar­kie­rung erfol­gen. Vor­her wird mit der ste­ri­len Gam­ma­son­de die Lage noch­mals über­prüft (Abb. 3 u. 4). Die Gam­ma­son­de ortet sowohl in Form von ange­zeig­ten Counts als auch akus­tisch – als schnel­les Ticken – den mar­kier­ten Lymphknoten.

Die Län­ge des Haut­schnit­tes soll­te dabei so lang wie nötig und so kurz wie mög­lich sein. Schnitt­füh­run­gen, die die vor­de­re Axil­lar­fal­te über­schrei­ten, soll­ten ver­mie­den wer­den, da hier­bei das erhöh­te Risi­ko einer Nar­ben­kon­trak­tur mit Bewe­gungs­ein­schrän­kung des Armes ein­ge­gan­gen wird. Das direk­te Vor­prä­pa­rie­ren bis auf die axil­lä­re Fas­zie soll­te gewe­be­scho­nend unter bipo­la­rer Koagu­la­ti­on von Gefä­ßen erfolgen.

Im ope­ra­ti­ven Set­ting der Ver­fas­se­rin trägt der Ope­ra­teur stets eine Lupen­bril­le mit Stirn­lam­pe zur bes­se­ren Iden­ti­fi­zie­rung der Ner­ven­ge­fäß­bün­del und der Lymph­kno­ten. Die axil­lä­re Fas­zie, die das sub­ku­ta­ne Fett­ge­we­be vom axil­lä­ren Fett­ge­we­be ana­to­misch trennt, wird dann inzi­diert und stumpf gespal­ten. Das axil­lä­re Fett­ge­we­be unter­schei­det sich hin­sicht­lich der hel­le­ren Gelb­fär­bung und der Grö­ße der Fett­läpp­chen deut­lich vom sub­ku­ta­nen Fett­ge­we­be. Der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten wird erneut mit der Gam­ma­son­de geor­tet; ein ent­spre­chen­der Tast­be­fund weist den Weg zum Ziel­lymph­kno­ten (Abb. 5). Die­ser wird ange­klemmt, unter Koagu­la­ti­on der fei­nen zufüh­ren­den Blut- und Lymph­ge­fä­ße mit der bipo­la­ren Pin­zet­te frei­prä­pa­riert und ent­fernt (Abb. 6 u. 7).

Bereits bei der Ent­nah­me eines ein­zel­nen Lymph­kno­tens müs­sen sämt­li­che Ner­ven­ge­fäß­bün­del, die durch­aus am oder um den Lymph­kno­ten lie­gen, unter sorg­fäl­ti­ger Scho­nung abprä­pa­riert wer­den. In ers­ter Linie müs­sen dicke­re inter­kost­obra­chia­le Ner­ven und die late­ra­len tho­ra­ka­len Gefä­ße geschont werden.

Extra­kor­po­ral wird mit der Gam­ma­son­de noch­mals geprüft, ob es sich um den mar­kier­ten Lymph­kno­ten han­delt. Sämt­li­che Mess­wer­te des Sen­ti­nel­lymph­kno­tens – vor Inzi­si­on der Haut, nach Eröff­nen der axil­lä­ren Fas­zie, in situ und extra­kor­po­ral nach der Ent­fer­nung – wer­den doku­men­tiert. Wur­den meh­re­re Lymph­kno­ten mar­kiert, so wer­den die­se in glei­cher Art und Wei­se ent­fernt. Der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten wird ste­ril ver­packt und gekühlt zur his­topa­tho­lo­gi­schen Schnell­schnitt­un­ter­su­chung weitergeleitet.

In der Zwi­schen­zeit wird eine erneu­te Wund­in­spek­ti­on und geziel­te Blut­stil­lung mit der bipo­la­ren Koagu­la­ti­ons­pin­zet­te durch­ge­führt. Ist his­topa­tho­lo­gisch im Schnell­schnitt kein Tumor­be­fall des Sen­ti­nel­lymph­kno­tens nach­ge­wie­sen, wird der Ein­griff abge­schlos­sen. Es erfolgt der schicht­wei­se Wundverschluss.

Auf ein Ein­le­gen einer Wund­drai­na­ge wird in der Regel ver­zich­tet. Ist die Inzi­si­on der axil­lä­ren Fas­zie län­ger als einen Zen­ti­me­ter, so wird die­se mit einer Vicryl­naht ver­schlos­sen. Das Cori­um wird mit Mono­cryl-Ein­zel­knopf­näh­ten adap­tiert; eine fort­lau­fen­de Intra­kut­an­naht mit resor­bier­ba­rem oder nicht resor­bier­ba­rem Naht­ma­te­ri­al ver­voll­stän­digt den Wund­ver­schluss. Eine gefal­te­te ste­ri­le Kom­pres­se wird mit einem Pflas­ter­ver­band über der Naht fixiert.

Wird der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten im Rah­men einer Mas­tek­to­mie ent­fernt, so kann in den meis­ten Fäl­len die Ent­fer­nung über den Mas­tek­to­mie­zu­gang – ohne zusätz­li­che Inzi­si­on in der Axil­la – erfol­gen. Nach sub­ku­ta­nem Aus­lö­sen der Brust­dü­se oder nach einer Abla­tio ist der Zugang zur Axil­la und zur axil­lä­ren Fas­zie ein­fach und sehr übersichtlich.

Auch hier wird die Sen­ti­nella­ge mit der Gam­ma­son­de veri­fi­ziert, die axil­lä­re Fas­zie eröff­net, der Lymph­kno­ten mit der Gam­ma­son­de auf­ge­sucht, getas­tet und wie oben beschrie­ben ent­fernt. Ist der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten befal­len, so müs­sen gemäß den S3-Leit­li­ni­en noch meh­re­re Lymph­kno­ten aus Level I und II ent­fernt und unter­sucht wer­den, jedoch nicht mehr als ins­ge­samt 10 Lymphknoten.

Ent­fer­nung von Lymph­kno­ten aus Level I und II

Das Auf­su­chen der axil­lä­ren Fas­zie, deren Inzi­si­on und Spal­tung erfol­gen in glei­cher Wei­se wie bei der Sen­ti­nel­lymph­kno­ten­ent­nah­me. Die Inzi­si­on soll­te jedoch zur bes­se­ren Über­sicht und wegen des brei­te­ren Zugangs län­ger und wei­ter axil­la­wärts gewählt wer­den. Die ana­to­mi­sche Begren­zung der Level ist kra­ni­al die Vena axil­la­ris, late­ral und ven­tral die axil­lä­re Fas­zie, medi­al die Tho­rax­wand und dor­sal das tho­ra­ko­dor­sa­le Ner­ven­ge­fäß­bün­del. Die Prä­pa­ra­ti­on der Lymph­kno­ten, die in das axil­lä­re Fett­ge­we­be ein­ge­bet­tet sind, erfolgt am über­sicht­lichs­ten von kra­ni­al nach kau­dal und von dor­sal nach ventral.

Hier­zu wird stumpf das Fett­ge­we­be von der V. axil­la­ris abge­scho­ben und die Vene dar­ge­stellt. Ein­zel­ne sicht- und tast­ba­re Lymph­kno­ten wer­den wie oben beschrie­ben frei­prä­pa­riert und ent­fernt. Die Prä­pa­ra­ti­on wird nach kau­dal, late­ral und ent­lang der Tho­rax­wand fort­ge­setzt. Wich­tig ist, nur die gefor­der­te Zahl zu entnehmen.

Jeder wei­te­re ent­fern­te Lymph­kno­ten erhöht das Risi­ko einer Ver­let­zung und Unter­bre­chung der Lymph­ab­fluss­we­ge unter Aus­bil­dung eines sekun­dä­ren Lymph­ödems. Auch hier müs­sen wich­ti­ge Ner­ven- und Gefäß­struk­tu­ren dar­ge­stellt und geschont wer­den. In ers­ter Linie sind dies die tho­ra­ko­dor­sa­len Gefä­ße, die die Blut- und Ner­ven­ver­sor­gung des Mus­cu­lus latis­si­mus dor­si dar­stel­len. Sie ver­lau­fen auf der Ven­tral­sei­te des Mus­cu­lus latis­si­mus dor­si und gehen von der Arte­ria und Vena axil­la­ris ab. Die Ver­let­zung einer der bei­den Venen oder der Arte­rie zer­stört die axia­le Blut­ver­sor­gung des Mus­cu­lus latis­si­mus dor­si und macht eine gestiel­te Mus­cu­lus-latis­si­mus-dor­si-Lap­pen­plas­tik zur Brust­re­kon­struk­ti­on oder Haut-Weich­teil­de­ckung der Tho­rax­wand unmöglich.

Die aus dem Inter­kost­al­raum ent­sprin­gen­den und sub­ku­tan in die Haut ein­strah­len­den inter­kost­obra­chia­len Ner­ven müs­sen in glei­cher Wei­se prä­pa­riert und erhal­ten wer­den. Sie ver­sor­gen sen­si­bel die Haut des late­ra­len, media­len und dor­sa­len Ober­arms. Die Durch­tren­nung oder Ver­let­zung die­ser Ner­ven zieht eine erheb­li­che Ein­schrän­kung der Sen­si­bi­li­tät des Ober­ar­mes nach sich, was neben einer dau­er­haf­ten Gefühl­lo­sig­keit auch eine Dys­äs­the­sie im Ver­sor­gungs­ge­biet nach sich zieht.

Liegt eine aus­ge­dehn­te Metasta­sie­rung in der Axil­la vor, so soll­ten nur die gro­ßen Lymph­kno­ten­me­ta­sta­sen in Level I und II ent­fernt wer­den. In die­sen Fäl­len kann die Prä­pa­ra­ti­on der inter­kost­obra­chia­len Ner­ven schwie­rig oder gar unmög­lich sein. Die Ent­nah­me wei­te­rer Lymph­kno­ten stei­gert nur das Risi­ko eines sekun­dä­ren Lymph­ödems des Armes ohne posi­ti­ve Aus­wir­kung auf die Pro­gno­se oder die wei­te­re Therapie.

Nach der sorg­fäl­ti­gen bipo­la­ren Blut­stil­lung wird die axil­lä­re Fas­zie mit Ein­zel­näh­ten adap­tiert und dar­über eine Drai­na­ge mit axil­lä­rer sub­ku­ta­ner Aus­lei­tung gelegt. Eine Drai­na­ge direkt in der Axil­la in unmit­tel­ba­rer Lage zu den Ner­ven und Gefäß­ner­ven­bün­deln zieht neben Schmer­zen manch­mal auch eine gestei­ger­te Lym­ph­pro­duk­ti­on mit Aus­bil­dung einer Lym­pho­ze­le nach sich und soll­te des­halb ver­mie­den wer­den. Sind mehr als 3 Lymph­kno­ten mit Tumor­zel­len befal­len, so wird eine Bestrah­lung der Axil­la und der ablei­ten­den Lym­ph­we­ge empfohlen.

Sekun­dä­res Arm­lymph­ödem trotz gewe­be­scho­nen­der Ent­nah­me der axil­lä­ren Lymphknoten

Abhän­gig vom Aus­maß des Befalls der axil­lä­ren Lymph­kno­ten und des Tumor­sta­di­ums in den Lymph­kno­ten kön­nen post­ope­ra­tiv im Wund­hei­lungs­ver­lauf Stö­run­gen des Lymph­ab­flus­ses der Tho­rax­wand auf­tre­ten. Infek­tio­nen und eine ver­zö­ger­te Wund­hei­lung unter Aus­bil­dung eines Seroms leis­ten einer Indu­ra­ti­on Vor­schub. Eine Bestrah­lung der Lymph­ab­fluss­we­ge führt oft zu einer star­ken Ver­nar­bung und strah­len­in­du­zier­ten Fibro­sie­rung der axil­lä­ren Lymph­bah­nen und Lymph­kno­ten. Dar­aus resul­tiert ein sekun­dä­res Arm­lymph­ödem, das zeit­le­bens behand­lungs­be­dürf­tig ist 10 11.

Schluss­fol­ge­rung

Die Mor­bi­di­tät der Axil­la nach dia­gnos­ti­scher Ent­nah­me axil­lä­rer Lymph­kno­ten kann durch gewe­be­scho­nen­de ope­ra­ti­ve Ver­fah­ren redu­ziert wer­den. Die Dia­gno­se- und Indi­ka­ti­ons­stel­lung für die Ent­nah­me des Sen­ti­nel­lymph­kno­tens und für die Axil­la­dis­sek­ti­on müs­sen gesi­chert sein. Wenig inva­si­ve Ver­fah­ren zur Lymph­kno­ten­dia­gnos­tik wie die Lymph­kno­ten­bi­op­sie oder aus­sa­ge­kräf­ti­ge nicht­in­va­si­ve Unter­su­chungs­ver­fah­ren soll­ten vor­an­ge­trie­ben werden.

Eine ope­ra­ti­ve Behand­lung zur Ver­bes­se­rung des sekun­dä­ren Arm­lymph­ödems besteht in der mikro­chir­ur­gi­schen Trans­plan­ta­ti­on von Lymph­kno­ten in die betrof­fe­ne Axil­la. Erfolg­ver­spre­chen­de post­ope­ra­ti­ve Ergeb­nis­se lie­gen bereits vor 12.

Die Autorin:
Dr. Ire­ne Richter-Heine
Fach­ärz­tin für Plas­ti­sche, Ästhe­ti­sche und
Rekon­struk­ti­ve Chirurgie
Maxi­mi­li­an­stra­ße 38 – 40, 80539 München
richter-heine@heitmann-fansa.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Rich­ter-Hei­ne I. Neue chir­ur­gi­sche The­ra­pie­kon­zep­te in der Mamma­chir­ur­gie zur Ver­hin­de­rung sekun­dä­rer Arm­lymph­öde­me. Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (10): 46–49
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  10. Bruns F, Hadamitz­ky C, Bünt­zel J. Lymph­ödem: Defi­ni­ti­on und Pro­blem­be­schrei­bung. Letz­te Ände­rung: 14.09.2012. In: Link H, Boke­mey­er C, Feyer P. Sup­port­iv­the­ra­pie bei mali­gnen Erkran­kun­gen. Online-Publi­ka­ti­on, Kap. 12.1. http://www.onkodin.de/e6/e94850/e94851 (Zugriff am 31.08.2016)
  11. Bruns F, Hadamitz­ky C, Bünt­zel J. Lymph­ödem: Patho­phy­sio­lo­gie. Letz­te Ände­rung: 14.09.2012. In: Link H, Boke­mey­er C, Feyer P. Sup­port­iv­the­ra­pie bei mali­gnen Erkran­kun­gen. Online-Publi­ka­ti­on, Kap. 12.3. http://www.onkodin.de/e6/e94850/e94859 (Zugriff am 31.08.2016)
  12. Har­der Y, Mül­ler D, Rezaei­an F, Stock K, Sören­sen D, Becker C, Machens H. Mikro­vas­ku­lä­re Lymph­kno­ten­trans­plan­ta­ti­on zur Behand­lung des chro­ni­schen Lymph­ödems: ein 1‑Jahres Fol­low-up. Seno­lo­gie, 2012; 9: A63. doi: 10.1055/s‑0032–1313429
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