Entscheidend für einen erfolgreichen Einsatz dieser Orthese sind aus Sicht der Autoren die auf die Defizite des einzelnen Patienten abgestimmten individualisierten Funktionscharakteristiken der Orthese sowie die notwendige Trageakzeptanz der Kinder. Die Orthese wird von der Formerfassung bis zur Fertigung einem digitalen orthopädietechnischen Gestaltungs- und Fertigungsprozess unterzogen und der technischen Anforderung eines möglichst leichtgewichtigen Medizinproduktes durch die Anwendung des selektiven Laser-Sinterverfahrens gerecht. Kern-Werkstoff der Orthese ist Nylon-Polyamid PA12.
Aufgrund des seltenen und in der Ausprägung sehr unterschiedlichen Auftretens der entstandenen funktionalen Defizite wird auch die Orthese in unterschiedlichen Gestaltungsvarianten individualisiert eingesetzt und entspricht daher nicht einem standardisierten Versorgungsprocedere. Die ersten Versorgungserfahrungen zeigen neben einer hohen Akzeptanz durch die Kinder auch eine zielführende Unterstützung der unterschiedlichen Behandlungsphasen. Sie wirkt als begleitende dynamische oder teildynamische Lagerungsorthese in Abhängigkeit vom Alter des Kindes in der Nacht sowie in den Ruhestunden des Tages sowohl im konservativen wie auch postoperativen Setting korrigierend, stützend und funktionsfördernd.
Einleitung
Die geburtstraumatische Plexusläsion zählt mit einer Häufigkeit von 0,38–1,56 Fällen auf 1000 Geburten1 zu den eher seltenen Schädigungen Neugeborener. Die Häufigkeit hält sich seit Jahrzehnten konstant und hat sich auch durch Veränderungen in den geburtshelferischen Maßnahmen über die vielen Jahre hinweg nicht signifikant verändert. In Abhängigkeit des Schädigungsausmaßes unterscheidet man zwischen der oberen Erb’schen Lähmung (C5–C7) und der kompletten Lähmung, bei der alle Nervenwurzeln von C5–Th1 betroffen sind2 3. Während leichtere Schädigungsformen wie z. B. Nervendehnungen (Neurapraxien) bereits nach einigen Wochen wieder regenerieren, können größere Schädigungen zu ausgeprägteren und dauerhaften Ausfallerscheinungen führen.
Orthesen zur Unterstützung der konservativ-therapeutischen und operativen Interventionen4 5 nach geburtstraumatischer Plexusläsion kommen zumeist bei den symptomatisch ausgeprägteren Fällen zum Einsatz und zeigen verschiedene Gestaltungsvarianten mit sehr unterschiedlichen Wirkungsweisen und konzeptionellen Ansätzen. So konnten z. B. durch den Einsatz individuell nach Maß gefertigter dynamischer Orthesen-Handschuhe (Dynamic Movement Orthoses-DMO) Effekte einer verbesserten Handkontrolle und auch Verbesserungen in der einseitigen Nutzung der betroffenen Hand verzeichnet werden6.
Statistisch signifikante Ergebnisse wurden auch in der konservativen Behandlung einzelner auffälliger Deformitäten und Bewegungseinschränkungen nachgewiesen, wie z. B. in der Behandlung von Flexionskontrakturen des Ellenbogens durch den Einsatz von Serienverbänden und Schienen7. Eine kanadische Forschergruppe verfolgt eine deutlich differenziertere Betrachtung der funktionalen Ausfälle und versucht sowohl die Außenrotation der Schulter wie auch die fehlende Unterarmsupination mit einer kombinierten Orthesenbandage zu behandeln.
Die Sup-ER-Konzeptorthese besteht aus einer aus Niedertemperatur-Thermoplast gefertigten Ganzarmorthese sowie einer Rumpfbandage. Letztere dient zur Aufnahme und Befestigung von Außenrotationsgurten8 9. Hierzu wurden infolge der Versorgung retrospektive Studien zur Einflussnahme auf einzelne Deformitäten und Fehlstellungen durchgeführt. Auch diese Gruppe berichtet in 48 % der Fälle von auftretenden Ellenbogen-Flexionskontrakturen. Bei Kindern, die nach dem Sup-ER-Protokoll behandelt wurden, zeigt sich eine deutlich verringerte Prävalenz und Schwere im Bereich der Ellenbogen-Kontrakturen10. Die Erfahrungen in der Behandlung schwerer und dauerhafter Ausfallfolgen zeigt, dass eine Fokussierung auf einzelne Deformitäten und Ausfallerscheinungen, wie z. B. die dynamische Unterstützung von Hand und Unterarm [6] sowie die Behandlung von Ellenbogen-Kontrakturen11 mit Serienverbänden und statischen Schienen, nach Ansicht der Autoren nicht ausreicht. Die Sup-ER-Orthese zeigt gute Ansätze in einer dreidimensionalen Betrachtung der summierten Ausfallmuster, limitiert jedoch die dynamischen Korrektureinflüsse und die Berücksichtigung von Stellungsverbesserungen aufgrund der statischen Ausführung. Die im Rahmen der postoperativen Versorgung lange Zeit eingesetzten Schulterabduktions- und Außenrotations-Vollkontaktorthesen, die wahlweise mit oder ohne Ellenbogengelenk ausgestattet wurden12, werden heute sehr kritisch gesehen, da diese Position eine erhöhte Belastung auf die Plexusregion verursacht.
Bei den komplexen Verläufen mit muskulären Imbalancen und Kontrakturen kann sich die fehlende Funktionalität im Alltag deutlich beeinträchtigend manifestieren, so dass der Wunsch nach einem bestmöglich an das Defizit anzupassenden und dynamisch wirkenden Orthesenkonzept entstand. Wichtig war sowohl für die medizinische wie auch die technische Disziplin die Grundanforderung an eine modulare Auslegung der Konzeptorthese. Nur so kann sichergestellt werden, dass die jeweilige Versorgung eine hoch individuelle und zielgerichtete Funktionalität erfüllt und die Behandlung dadurch optimal unterstützt.
Anforderungen und fachärztliche Indikation
Die Behandlung schwerer kindlicher Plexusläsionen besteht in der mikrochirurgischen Rekonstruktion der Nervenverletzung (Entfernung der Neurome, Direktkoaptation oder Interponate, ggf. Nerventransfers) und einer Reihe sekundärer Verfahren zur Verbesserung der Muskelschwächen und Ungleichgewichte durch Muskeltransfers, der Gelenkkontrakturen durch Schienenbehandlung und operativer Gelenklösungen sowie der begleitenden Langzeit-Physiotherapie13 14 15.
Bei den Gelenken steht von Geburt an das glenohumerale Gelenk im Vordergrund mit dem bereits peripartalen Risiko einer dorsalen Subluxation des Humeruskopfes und der progressiven Entwicklung einer sog. Innenrotationsfehlstellung durch ein funktionelles Muskelungleichgewicht zwischen den meist gelähmten Außenrotatoren (vor allem M. infraspinatus) und den früh sich erholenden starken Innenrotatoren (vor allem M. subscapularis).
Dieses bereits früh einsetzende Muskelungleichgewicht bringt den Arm in eine Innenrotationsstellung (Abb. 1), die den Oberarmkopf zwingend leicht dorsalisiert und somit eine dorsale Subluxation mit gleichzeitiger Dysplasie des Glenoids hervorruft. Der nach dorsal drängende Humeruskopf lässt vorne dem Coracoid Platz für eine lokale Hypertrophie, die anschließend die Außenrotation durch eine Knochensperre passiv hindert, indem sie dem Humeruskopf den Weg nach ventral versperrt. Außerdem entwickelt sich das eigentliche glenohumerale Gelenkfeld mehr im dorsalen Gelenkbereich des Kontaktes beider Partner, wo der dorsalisierte Humeruskopf vermehrt das dorsale Labrum des Glenoids formt und Letzteres durch vermehrte Retroversion (also Dorsalkippung des Glenoidhalses) sich den dabei entstehenden Druckverhältnissen anpasst.
Zwei klinische Situationen an der Schulter nach geburtstraumatischer Plexusläsion beschäftigen uns regelmäßig:
- Sehr häufig zeigt sich die zunehmende Innenrotationsfehlstellung des Armes mit der fehlenden Möglichkeit, eine gute passive Außenrotation des Humeruskopfes bei am Oberkörper angelegtem Oberarm aufrecht zu erhalten (die sog. pAR (ADD) bleibt unter dem Neutralwert bzw. nimmt mit der Lebenszeit ab).
- Selten ist es eine bereits initial bestehende dorsale Subluxation des Humeruskopfes, vergleichbar mit einem initialen peripartalen Gelenktrauma, die eine Verbesserung der aktiven und passiven Schulterbewegung bereits in den ersten Lebensmonaten erheblich erschwert, eine Beurteilung der Muskelerholung unmöglich macht und von vorneherein der Gelenkdysplasie Vorschub leistet.
Wenden wir uns in den ersten zwei Lebensjahren vor allem konservativ an diese passive Bewegungseinschränkung (mit Ausnahme einer tatsächlichen gefestigten frühen Subluxation, die unter Narkose früh geschlossen reponiert werden muss) durch entsprechende Dehnübungen (Arm in Adduktion, passive Bewegung in Außenrotation, um den Humeruskopf aus der dorsalen Fehllage heraus außenrotierend zu zentrieren und somit den Rotatoren einen physiologischen Gelenkzustand zu geben in der Hoffnung auf eine ausgeglichene Muskelerholung), so sind wir uns hier seit langem der Notwendigkeit eines Hilfsinstrumentes – im Sinne einer Lagerungsschiene – bewusst, die regelmäßig über längere Zeiträume diese Gelenkreposition fixieren hilft. Entsprechend braucht es eine Nachtschiene, individuell modelliert, die genau diese außenrotierende Stellung bei adduziertem Oberarm hält und erweitert und dabei den Unterarm „physiologisch“ mitnimmt, in leichter Beugung des Ellenbogens, mit korrigierter Pro-/Supinationsstellung.
Hierbei muss erwähnt werden, dass die Drehstellung des Unterarmes (Pro-/Supination) durch die Drehstellung im Glenohumeralgelenk konditioniert wird (eine Innenrotationsstellung des Schultergelenkes induziert per se eine Pronationsstellung des Unterarmes) und dass bei einer Plexusparese durch ein entsprechendes Muskelungleichgewicht am Unterarm dort zusätzlich andere Fehlstellungen entstehen bzw. gegeben sein können (Supinationsfehlstellung durch eine kontrakte Membrana interossea bei schwacher aktiver Pronation; Pronationsfehlstellung bei schwachem Bizeps mit ausbleibender bzw. schwacher Supination). Diese „sekundären“ Fehlstellungen im Unterarm sollen und können in einer entsprechenden Armorthese gleichzeitig mit angegangen werden – ebenso wie die häufige Fallhandstellung, wobei hier eine Lagekorrektur in leichter Dorsalextension des Handgelenkes für die Kinder unter 3 Jahren erst einmal ausreichend ist.
Insgesamt waren also unsere Anforderungen an eine Gesamtorthese zur Nacht bei Schulterfehlstellung: die Modularität bzgl. der Gelenke Schulter, Unterarm und Daumen, ein guter Tragekomfort für die Nacht, die individuelle Anpassung und präzise Gelenkeinwirkung (außenrotierende Dehnungskraft am glenohumeralen Gelenk bei angelegtem Oberarm, korrigierende und neutralisierende Wirkung auf den Unterarm, Schonlagerung des Handgelenkes und ggf. Abduktion des Daumens).
Wirkprinzipien der Versorgung, digitaler Workflow in der Herstellung und Materialauswahl
Zuordnung und Wirkprinzipien der Orthese
Die Anforderungen an eine entsprechende orthetische Versorgung waren komplex und mussten zunächst konstruktiv erörtert und abgewogen werden. Anhand erster Entwurfszeichnungen und Prototypen musste die neuartige Konstruktion interdisziplinär besprochen, modifiziert und weiterentwickelt werden (Abb. 2).
In Anlehnung an die Unterteilung nach Hohmann und Uhlig16 entschied man sich, die neu entstehende Orthese sowohl mit statisch wie auch dynamisch wirkenden Funktionselementen einer Korrekturlagerung zu versehen. In diesem Kontext ermöglicht die Concept-4D-Orthese eine korrigierende Beeinflussung in 4 Gelenkebenen (Abb. 3):
- Schultergelenk: dynamische Außenrotationslagerung durch eine 3D-gedruckte Pohli-Slide-Einheit
- Ellenbogengelenk: freie Bewegungsmöglichkeit in volle Flexion und 10° limitierte Extension
- Unterarm: statische oder dynamische Pro-/Supinationslagerung durch eine 3D-gedruckte Pohli-Slide-Einheit
- Handgelenk: statische Stabilisation in physiologischer Neutralposition des Handgelenkes
Ergänzend kann hierzu noch die Abduktionslagerung des eingeschlagenen Daumens angeführt werden.
In Anlehnung an die 4 oben angeführten und im Vordergrund stehenden Wirkprinzipien entschied man sich für die Namensgebung „Concept-4D-Orthese nach Pohlig/Bahm“.
Aus den Erfahrungen im eigenen Versorgungsumfeld ist bekannt, dass im Schulterbereich geführte korrigierende Orthesen eine eher bescheidene Compliance besitzen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Bewegungsumfang mit der Orthese in der Nacht sehr limitiert ist und viele Kinder den Schlaf kostet. Insofern war bereits zu einem frühen Zeitpunkt klar, dass die wichtige korrigierende Außenrotationskomponente über den Arm gesteuert werden sollte. Zur Sicherung der positionsstabilen Lage und dadurch auch einer zielgerichteten Einleitung der dynamischen und statischen Korrekturwirkung wurde ein orthetischer Beckenhalbring mit einer zirkulären Verschlusstechnik konzipiert. Durch die Einarbeitung eines Taillenprofiles kann dieser über den Schlafanzug der Kinder angezogen werden und erzielt eine höhenstabile Positionierung. Dies ist vor allem deswegen wichtig, weil die glenohumerale Gelenksituation zur entlastenden Lagerung ein sicheres „Gegenlager“ benötigt. Die medizinische Anforderung einer dynamisch korrigierenden Außenrotationslagerung der Schulter bei einem an den Rumpf möglichst angelegten Oberarm stellte eine Herausforderung dar und konnte nach Überarbeitung einer ersten Orthesenvariante, die die dynamischen Wirkungen noch über eine am Beckenring positionierte Gasdruck-Federeinheit erzielte, und der jetzigen finalen Variante der Concept-4D-Orthese durch den Einsatz zweier dynamischer Pohli-Slide-Einheiten adäquat realisiert werden (Abb. 4).
Die Orthese wurde in einem modularen Aufbau konzipiert, so dass Rumpfteil und Armorthese zunächst separat angezogen werden können, um dann im Bereich der lateralen Beckenspange per Anklicken höhen- und rotationsstabil verbunden zu werden (Abb. 5). Dies ist vor allem für die Einleitung der dynamischen Korrekturwirkungen auf die Schulter (dynamische Außenrotation) und den Unterarm (dynamische Supination) von großer Bedeutung.
Die internationale Zuordnung erfolgt im Rahmen der internationalen Kurzbezeichnungen der ICS/ISO, die sich an der Bauhöhe und dem Wirkungsort der Orthese orientieren. In Abhängigkeit zu den Korrekturmechanismen und der Versorgungshöhe ist die Concept-4D-Orthese als SEWHFO (Shoulder Elbow Wrist Hand Finger Orthosis) oder SEWHO (Shoulder Elbow Wirst Hand Orthosis) anzusehen.
Digitaler Workflow bei Formerfassung, Konstruktion und Produktion
Der Workflow für die Versorgung mit einer Concept-4D-Orthese baut auf einem digitalisierten Versorgungsprozess auf. Dieser beinhaltet sowohl in den Arbeitsschritten zur Formerfassung – mittels Streiflicht-basiertem 3D-Scanner (Abb. 6) – wie auch in den folgenden formgebenden Bearbeitungsschritten der Modellierung sowie der Konstruktion der definitiven Orthese (Abb. 7) die virtuelle Bearbeitung eines Datenmodells. Im Vergleich zur traditionellen Gips-Negativ- und Positivherstellung bietet diese Methode den Vorteil der Sicherung des Grundmodelles sowie einer nachgelagerten vergleichenden Analyse etwaiger durchgeführter Modellierungsmaßnahmen. Eine Ausnahme kann hier die Versorgung von Kindern im 1. Lebensjahr darstellen, da diese im Rahmen des Scanprozesses nicht immer die benötigte Geduld zur Positionierung in korrigierter Armstellung aufbringen. In diesen Fällen wird die Formerfassung noch traditionell mit Gipsabdruck angefertigt, wobei das Gipspositiv nach der traditionellen Herstellung wiederum abgescannt und zur Durchführung der weiteren Arbeitsschritte in den digitalen Prozessablauf eingesteuert wird.
Konstruiert wird die Konzeptorthese ebenfalls digital und in der Auslegung geeignet für die Nutzung des selektiven Lasersinterverfahrens (SLS) unter Verwendung der polyamiden Werkstoffe PA 11 und PA 12. In die Konstruktion fließen die beiden dynamischen Pohli-Slide-Einheiten ein, deren dynamische Wirkprinzipien auf der Konstruktion des gleichnamigen patentierten Systems beruhen. Das Ellenbogengelenk ist frei beweglich und kann bei erhöhter Kontrakturneigung unter Verzicht der dynamischen Sup-/Pronationskorrektur mit einer dynamischen Streckquengelung mittels Gasdruckfedersystem versehen werden. Eingeschlagene Daumen sind in abduzierter physiologischer Gelenkposition zu führen und können ggf. basierend auf vielen ähnlichen Kinderversorgungen in der bewährten Silikontechnik angefertigt werden17 18.
Materialauswahl
Die Materialauswahl zur Gestaltung der Concept-4D-Orthese orientiert sich zum einen an den klinisch notwendigen und fachärztlich geforderten Wirkprinzipien, zum anderen an der Akzeptanz der Kinder, denn die bestens wirkende Orthese nützt nichts, wenn sie das Kind nicht akzeptiert und trägt. Die Materialauswahl für die orthetische Versorgung von Kindern mit geburtstraumatischer Plexusparese sollte dabei die folgenden Anforderungen erfüllen:
- geringes Gewicht, leichte Konstruktionen und leichte Grundwerkstoffe
- stabile Konstruktionen zur Sicherung der Korrekturposition bei der Lagerung
- modulare Gelenkpassteile mit getrennter Adaptierbarkeit zur erleichterten Adaption und zur Wachstumsnachpassung
- dynamische Gelenksysteme zur Mobilisierung korrigierender Gelenkbewegungen
- segmentale Bauweise (Pohlig-System) zur Korrektur von dreidimensionalen komplexen Fehlstellungen
- angenehme, hautfreundliche Fütterungsmaterialien
- farbliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Erhöhung der Akzeptanz
- hoher Tragekomfort, Atmungsaktivität
Besonders eignet sich in diesem Fall die Herstellung der Concept-4D-Orthese im additiven Druckverfahren mit selektiver Laser-Sinterung (SLS) 19. Die gängigen Werkstoffe hierfür sind die polyamiden Polymere PA 12 und PA 11. Diese Fertigungstechnik ermöglicht nicht nur eine extrem leichte Bauweise, sondern realisiert die aufwändigen dynamischen Pohli-Slide-Einheiten für Schulter und Unterarm in einem Druck. Da die Orthese vornehmlich in der Nacht und über dem Schlafanzug zu tragen ist, wurden die flächigen Anteile der Orthese mit atmungsaktiven Perforationen versehen (Abb. 8). Auch die Justierelemente können in dem Druckverfahren berücksichtigt werden und stellen sich kindgerecht dar.
Fazit
Die Concept-4D-Orthese stellt eine neuartige Orthese zur korrekturlagernden Versorgung von Kindern mit geburtstraumatischer Plexusläsion dar. Sie befindet sich bereits in der 2. Generation und wurde bis dato bei 43 Kindern zum Einsatz gebracht. Die ersten 6 Versorgungen wurden noch in der ersten Variante der Concept-4D-Orthese mit einem Gasdruckfedersystem durchgeführt. Die dynamisch und statisch begleitete Lagerung mit der Concept-4D-Orthese wurde sowohl im konservativen wie auch postoperativen Rahmen erfolgreich eingesetzt, wobei bis dato insbesondere festzustellen war, dass die Gelenke mit dynamisch korrigierenden Einheiten (Schulter, Unterarm) spürbar bessere Ergebnisse als die der begleitenden passiven Lagerungen aufwiesen.
Die Orthese wurde grundsätzlich als Nachtlagerungsorthese mit dynamischer Korrekturwirkung deklariert und kann in Abhängigkeit vom Alter des Kindes sowohl in der Nacht als auch in den Ruhestunden des Tages getragen werden. Die in einigen Studien geschilderte Ellenbogen-Flexionskontrakturen konnte bei den hier versorgten, zumeist operierten Kindern nicht in einem kritischen Umfang festgestellt werden, so dass die Behandlung ausschließlich im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlungseinheiten erfolgte.
Die hohe Akzeptanz der Orthese ist auf die kompakte Bauweise, das geringe Gewicht der Konstruktion, den Tragekomfort der adaptiven Orthese sowie das ansprechende kindgerechte Design und die freie Farbgestaltung zurückzuführen. Bei nahezu allen Versorgungen konnten erfolgreiche Wachstumsnachpassungen mit Nachjustierungen aufgrund von verbesserten Ausgangssituationen durchgeführt werden. Die Modularität der Orthese ermöglicht dabei auch einen partiellen Ersatz einzelner zu klein gewordener Orthesenkomponenten. Bei einem Kind musste die begleitende Physiotherapie aufgrund einer sich einstellenden inklinierenden Schulter erhöht werden. Die Autoren streben nach den ersten erfolgten 50 Versorgungen mit der jetzigen Orthesenvariante der Concept-4D-Orthese eine retrospektive Studie an.
Interessenkonflikt
Der Autor Michael Schäfer ist Angestellter der Pohlig GmbH.
Die Autoren:
Michael Schäfer
Orthopädietechniker-Meister
Pohlig GmbH
Grabenstätter Str. 1
83278 Traunstein
m.schaefer@pohlig.net
Dr. med. Jörg Bahm
Ärztlicher Leiter der Sektion Plexuschirurgie
Universitätsklinikum Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Schäfer M, Bahm J. Neuartige Orthesenversorgung für Kinder mit geburtstraumatischer Plexusläsion. Orthopädie Technik, 2023; 74 (7): 50–55
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024
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