Nar­ben­bil­dung nach ther­mi­schen Ver­let­zun­gen – Grund­la­gen und Behand­lungs­kon­zep­te in Akut- und Rehabilitationsbehandlung

H. Ziegenthaler
Thermische Traumata führen zu großflächigen komplexen Schädigungen der Körperoberfläche. Das Multifunktionsorgan Haut wird so in grundlegenden Funktionen, das Individuum in seiner körperlichen Unversehrtheit gestört. Die veränderte Äußerlichkeit wirkt sich zugleich auf Interaktionen mit dem sozialen Umfeld aus. Der durch moderne plastisch-chirurgische Verfahren erreichte Hautersatz – die Narbe – stellt sich primär als vulnerabel, funktionell eingeschränkt und einer Reifung bedürfend dar. Im nachfolgenden individuell abgestimmten und komplexen Rehabilitationsprozess nimmt die textile Narbenkompressionstherapie eine hervorzuhebende Stellung ein. Der Beitrag berichtet über die anatomischen Grundlagen, die Funktionalität der Haut sowie die Pathophysiologie bei thermischen Hautverletzungen. Aussagen zu Therapiestrategien in der Akutbehandlung und über Grundlagen der Narbentherapie in der Rehabilitation fördern das Grundverständnis für den langwierigen Prozess der Narbenreifung.

Ein­lei­tung

Trotz man­nig­fal­ti­ger Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men sind in Deutsch­land pro Jahr bis zu 20.000 Arzt­kon­tak­te nach ther­mi­schen Ver­let­zun­gen zu ver­zeich­nen. Von den etwa 5.000 sta­tio­när behan­del­ten Brand­ver­letz­ten sind knapp ein Drit­tel als so schwer­wie­gend zu bewer­ten, dass die erfor­der­li­che kom­ple­xe Ver­sor­gung nur in einem spe­zia­li­sier­ten Brand­ver­letz­ten­zen­trum sicher­ge­stellt wer­den kann 1. Unab­hän­gig vom Unfall­me­cha­nis­mus und dem Unfall­zu­sam­men­hang resul­tiert bei groß­flä­chi­gen Haut­ver­let­zun­gen die Schä­di­gung eines Mul­ti­funk­ti­ons­or­gans. Den plas­tisch-chir­ur­gi­schen Ver­fah­ren fol­gen wei­te­re, eben­so spe­zia­li­sier­te Inter­ven­tio­nen, um die Fol­gen der ther­mi­schen Ver­let­zung abzu­mil­dern. Im reha­bi­li­ta­ti­ven Kon­text ist dabei der Nar­ben­the­ra­pie mit tex­ti­ler Kom­pres­si­ons­be­klei­dung eine beson­de­re Bedeu­tung bei­zu­mes­sen. Die­se ergibt sich u. a. aus der zeit­li­chen Dimen­si­on ihrer Anwen­dung, der Nut­zungs­dau­er an 23 Stun­den des Tages und über einen Zeit­raum von 18 bis zu 24 Mona­ten bis zur abschlie­ßen­den Nar­ben­rei­fe. Berich­te über den posi­ti­ven Ein­fluss der Kom­pres­si­on auf die Nar­ben­rei­fung von Blair stam­men aus dem Jahr 1924. Evi­denz­ba­sier­te Bele­ge zur Wirk­sam­keit feh­len der­weil noch immer. Den­noch ist auf­grund kli­ni­scher Erfah­run­gen inter­na­tio­nal aner­kannt, dass Kom­pres­si­ons­the­ra­pie als nicht­ope­ra­ti­ve Metho­de zur Pro­phy­la­xe und The­ra­pie hyper­tro­pher Ver­bren­nungs­nar­ben bes­tens geeig­net ist 2 3 4.

Anzei­ge

Epi­de­mio­lo­gie

Bezo­gen auf die Fall­zahl kann man über die letz­ten 10 Jah­re eine rela­ti­ve Sta­gna­ti­on in der Ent­wick­lung fest­stel­len. Die Sta­tis­tik der Deutsch­spra­chi­gen Arbeits­ge­mein­schaft für Ver­bren­nungs­be­hand­lung (DAV) weist im Jahr 2014 für Deutsch­land 1.843 Behand­lungs­fäl­le in einem der 26 Brand­ver­letz­ten­zen­tren aus 5.

Mehr als 50 % der Unfäl­le bei Jugend­li­chen und Erwach­se­nen sind im enge­ren häus­li­chen Kon­text ange­sie­delt. Neben den sai­so­nal getrig­ger­ten Ver­bren­nun­gen durch unsach­ge­mä­ßen Gebrauch von Spi­ri­tus als Brand­be­schleu­ni­ger am Holz­koh­le­grill, dem leicht­fer­ti­gen Umgang mit offe­nem Ker­zen­licht am Weih­nachts­baum oder dem Tisch­ge­steck ist in den letz­ten Jah­ren eine gehäuf­te Gefähr­dung durch bio­etha­nol­be­trie­be­ne Brenn­quel­len zu kon­sta­tie­ren. Ver­brü­hun­gen sind dem­ge­gen­über beson­ders bei Kin­dern wäh­rend der beson­de­ren Ent­wick­lung der Mobi­li­tät (1. bis 3. Lebens­jahr) und weit­aus sel­te­ner bei Erwach­se­nen mit Anfalls­er­kran­kun­gen (Epi­lep­sie) zu regis­trie­ren. Beson­de­re sozia­le oder psy­cho­emo­tio­na­le Pro­blem­la­gen sowie ein Migra­ti­ons­hin­ter­grund sind zudem als begüns­ti­gen­de Fak­to­ren zu erwäh­nen 6.

Umfang­rei­che Maß­nah­men zur Unfall­ver­hü­tung haben dage­gen im gewerb­li­chen Bereich zu einem kon­stant nied­ri­gen Anteil (ca. 20 %) an ther­mi­schen Ver­let­zun­gen geführt 7. Beson­de­re Gefähr­dung besteht in der metall­ur­gi­schen und der Lebens­mit­tel­in­dus­trie sowie bei Arbei­ten an strom- oder brenn­stoff­füh­ren­den Lei­tun­gen. Mensch­li­ches Ver­sa­gen und Abwei­chen von Sicher­heits­stan­dards schei­nen nach kli­ni­scher Erfah­rung des Autors in der Ursa­chen­be­wer­tung die rein tech­ni­schen Feh­ler zu übertreffen.

Das Mul­ti­funk­ti­ons­or­gan Haut

Auf­bau der Haut

Mit einer beim durch­schnitt­li­chen erwach­se­nen Mit­tel­eu­ro­pä­er zu mes­sen­den Flä­chen­aus­deh­nung zwi­schen 1,5 und 1,8 Qua­drat­me­tern gilt die Haut als das größ­te mensch­li­che Organ und weist in Abhän­gig­keit von Grö­ße, Alter und Ernäh­rungs­zu­stand mit 3,5 bis 10 kg ein beacht­li­ches Eigen­ge­wicht (etwa 16 % des Kör­per­ge­wichts) auf 8.

In Abhän­gig­keit von der Funk­ti­on und der Belas­tung vari­iert die Haut­di­cke an unbe­haar­ten, beson­ders sen­si­blen Berei­chen wie im Gesicht oder an den Geni­ta­li­en zwi­schen 0,03 und 0,05 mm und an den beson­ders belas­te­ten Hand- und Fuß­soh­len bis zu meh­re­ren Mil­li­me­tern. Zu unter­schei­den ist gene­rell ein drei­schich­ti­ger Auf­bau (Abb. 1):

Ober­haut (Epi­der­mis), ca. 30 bis 2.000 µm dick

Aus­ge­hend von der unters­ten Schicht (Stra­tum basa­le), dem Ursprung der sich per­ma­nent ver­meh­ren­den Haut­zel­len, rege­ne­riert sich je nach Belas­tungs­grad eine unter­schied­lich dicke und unter­schied­lich stark ver­horn­te Ober­haut. Basal­schicht­nah fin­den sich zugleich die Pig­ment­zel­len (Mela­no­zy­ten), in denen unter UV-Ein­strah­lung der für die Braun­fär­bung der Haut ver­ant­wort­li­che Farb­stoff Mela­nin pro­du­ziert wird.

Leder­haut (Der­mis), ca. 500 bis 1.500 µm dick

Die­se weit­aus dün­ne­re Haut­schicht zeich­net sich durch die funk­tio­nel­le Kopp­lung von Elas­ti­zi­tät und Fes­tig­keit aus. Ver­ant­wort­lich hier­für ist ein weit­ver­zweig­tes Netz aus Kol­la­gen­fa­sern. Hier­in ist ein kom­ple­xes Netz aus Blut- und Lymph­ge­fä­ßen ein­ge­bet­tet, das bei vege­ta­ti­ver Rei­zung oder beim Anspre­chen der in der kör­per­ei­ge­nen Abwehr täti­gen Lang­erhans-Zel­len aktiv wird (Stei­ge­rung der Durch­blu­tung, Ödem­bil­dung etc.). Ein Netz­werk an Ner­ven­fa­sern stellt die Wahr­neh­mung von Druck, Berüh­rung, Schmerz, Tem­pe­ra­tur und Juck­reiz sicher. Hier loka­li­sier­te Deh­nungs- (Ruf­fi­ni) und Tast­re­zep­to­ren (Meiss­ner u. Mer­kel) ermit­teln wich­ti­ge Wahrnehmungen.

Unter­haut (Sub­cu­tis), ca. 500 bis 30.000 µm dick

In ein locke­res Bin­de­ge­webs­ge­flecht ein­ge­bun­den sind hier das vor­wie­gend dem Käl­te­schutz und der Ener­gie­spei­che­rung die­nen­de Unter­haut­fett­ge­we­be sowie die grö­ße­ren, als Ver­sor­gungs­strän­ge fun­gie­ren­den Blut­ge­fä­ße und Ner­ven­strän­ge. Hier fin­den sich auch Talg- und Schweiß­drü­sen sowie die Vater-Paci­ni-Tast­kör­per­chen, Sin­nes­zel­len für star­ke Druckreize.

Funk­tio­nen der Haut

Unter funk­tio­nel­len Gesichts­punk­ten (Tab. 1) ist die Haut ein viel­sei­ti­ges Organ. Wie von einem äuße­ren Schild wird der Kör­per vor mecha­ni­scher Bean­spru­chung, che­mi­scher, ther­mi­scher und akt­i­ni­scher Schä­di­gung geschützt. Die Haut stellt zugleich eine Bar­rie­re für das Ein­drin­gen von Krank­heits­er­re­gern dar. Über die Ver­min­de­rung oder Zunah­me der Vaso­konstrik­ti­on peri­phe­rer Gefä­ße unter­stützt sie die Ther­mo­re­gu­la­ti­on. Hier­zu dient auch das Schwit­zen, zugleich wird hier­durch die Nie­ren­funk­ti­on unter­stützt. Ein aus­ge­gli­che­ner Flüs­sig­keits­und Elek­tro­lyt­haus­halt ist so nur mit einer unver­sehr­ten und funk­ti­ons­fä­hi­gen Haut sicherzustellen.

Neben der immu­no­lo­gi­schen und endo­kri­no­lo­gi­schen Funk­ti­on steht die soma­to­vis­ze­ra­le Sen­si­bi­li­tät im Vor­der­grund. Über eine Viel­zahl unter­schied­lich dicht ver­teil­ter Rezep­to­ren und frei­er Ner­ven­endi­gun­gen wer­den Druck, Berüh­rung, Vibra­ti­on, Tem­pe­ra­tur, aber auch Schmerz ver­mit­telt und nimmt das Indi­vi­du­um Rei­ze der Umwelt auf.

Ein nicht unbe­deu­ten­der Teil unse­rer Inter­ak­tio­nen im zwi­schen­mensch­li­chen Kon­text wird durch Äußer­lich­kei­ten der sicht­ba­ren Haut (Exan­them, Tat­toos, Pier­cings) und mimi­sche Reak­tio­nen beein­flusst. Über sie wer­den in der non­ver­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­on visu­el­le Schlüs­sel­rei­ze ausgesendet.

Ther­mi­sche Verletzungen

Ursa­chen

Flam­men­ver­let­zun­gen ste­hen mit knapp zwei Drit­teln der Fäl­le im Ran­king der ther­mi­schen Ver­let­zun­gen vor­an. Dem fol­gen Ver­brü­hun­gen durch hei­ße Flüs­sig­kei­ten, Explo­sio­nen und Stark­strom­ver­let­zun­gen 9. Zugleich erzeu­gen flüs­si­ge Che­mi­ka­li­en über Ver­ät­zung (Säu­ren) oder Kol­li­qua­ti­ons­ne­kro­sen (Basen) ver­gleich­ba­re Ver­än­de­run­gen. Kon­takt­ver­bren­nun­gen erzeu­gen über Inten­si­vie­rung des Kon­takts oder erschwer­te Ablös­bar­keit der Sub­stanz (Har­ze, Teer) eine beson­ders tie­fe Verletzung.

Unfäl­le an strom­füh­ren­den Anla­gen (> 15.000 kV) schä­di­gen bei Strom­durch­fluss irrever­si­bel Haut- und Bin­de­ge­we­be. Unter­schätzt wird dabei oft der schä­di­gen­de Ein­fluss auf die durch­flos­se­nen Ner­ven­struk­tu­ren mit den resul­tie­ren­den funk­tio­nel­len Ein­schrän­kun­gen. Unbe­kannt oder unter­schätzt ist das Risi­ko eines Licht­bo­gens, der sich bereits bei einer Distanz von 1,5 Metern zu einer der oben genann­ten Anla­gen bil­det und dann eine typi­sche Flam­men­ver­let­zung ver­ur­sacht. Erfrie­run­gen zäh­len eben­so zu den ther­mi­schen Schädigungsursachen.

Gänz­lich unter­schied­lich im Ent­ste­hungs­me­cha­nis­mus, aber ver­gleich­bar im Ver­sor­gungs­ab­lauf mit der ther­mi­schen Schä­di­gung sind groß­flä­chi­ge Decol­le­ment­ver­let­zun­gen (Able­de­run­gen) oder Haut­ne­kro­sen infol­ge einer Infek­ti­on (z. B. Nekro­ti­sie­ren­de Fasciitis).

Schä­di­gungs­me­cha­nis­mus

Ent­schei­dend für das Aus­maß der ther­mi­schen Ver­let­zung sind neben der Haut­di­cke im Sin­ne der Dosis-Wir­kungs-Bezie­hung sowohl die Höhe der Tem­pe­ra­tur als auch die Ein­wirk­zeit. Eiwei­ße sind die Basis vie­ler mensch­li­cher Struk­tu­ren auf zel­lu­lä­rer Ebe­ne und daher prin­zi­pi­ell sehr belast­bar und anpas­sungs­fä­hig. Selbst Tem­pe­ra­tu­ren zwi­schen 40 und 44 °C wer­den über eine Expo­si­ti­ons­zeit von bis zu 6 Stun­den fol­gen­los toleriert.

Danach sind jedoch Eiweiß­de­na­tu­rie­rung und Enzym­dys­funk­ti­on fest­stell­bar. Über Stö­run­gen der Na+-Pum­pe in der Zell­mem­bran kommt es zu Stö­run­gen der Zell­funk­tio­nen und des Zellstoffwechsels.

Tem­pe­ra­tu­ren ober­halb von 45 °C füh­ren in Abhän­gig­keit von der Einwirkzeit

  • zwi­schen 45 und 51 °C inner­halb von Minuten,
  • zwi­schen 51 und 70 °C inner­halb von Sekunden,
  • über 70 °C in Sekun­den­bruch­tei­len zu einem irrever­si­blen Eiweiß- und Enzym­scha­den. Dies ist die patho­phy­sio­lo­gi­sche Grund­la­ge des ein­tre­ten­den Gewe­be­scha­dens 10.

Die ther­misch ver­letz­te Haut

All­ge­mei­nes

Im Rah­men der soge­nann­ten Ver­bren­nungs­krank­heit ver­ur­sa­chen schwe­re Ver­bren­nun­gen nahe­zu unbe­grenz­te loka­le und sys­te­mi­sche patho­phy­sio­lo­gi­sche Ver­än­de­run­gen im Kör­per des Betrof­fe­nen. Dabei stellt die Haut den Fokus aller patho­lo­gi­schen Ver­än­de­run­gen dar.

In Ana­lo­gie zu den in Tabel­le 1 fest­ge­hal­te­nen phy­sio­lo­gi­schen Funk­tio­nen fin­det man beim Brand­ver­letz­ten durch den Weg­fall der mecha­ni­schen Schutz­bar­rie­re ein enor­mes Infek­ti­ons­ri­si­ko durch den unge­hin­der­ten Ein­tritt poten­zi­el­ler Krank­heits­er­re­ger. Zugleich ist die Fähig­keit zur Ther­mo­re­gu­la­ti­on schwer gestört und dem Ver­lust von Flüs­sig­keit und Elek­tro­ly­ten „Tür und Tor” geöffnet.

Als Lokal­re­ak­ti­on ent­steht eine media­to­ren- und pro­sta­glandin­ge­trig­ger­te unge­hemm­te ent­zünd­li­che Reak­ti­on, die Zir­ku­la­ti­on immun­kom­pe­ten­ter Zel­len wird beför­dert, und neu­roh­u­mo­ra­le Refle­xe wer­den aus­ge­löst. Peri­phe­re Gefäß­bah­nen unter­lie­gen einer Vaso­konstrik­ti­on und ver­ur­sa­chen eine Min­der­per­fu­si­on. Zugleich tritt über das soge­nann­te Kapil­lar­leck intra­va­sa­le Flüs­sig­keit in den extra­va­sa­len Raum aus und ver­ur­sacht ein extre­mes Anschwel­len des Körpers.

Akti­vier­te und geschä­dig­te Rezep­to­ren lösen eine maxi­ma­le Nozi­zep­ti­on aus. Die­se anfangs lokal begrenz­ten Reak­tio­nen kön­nen rasch eine sys­te­mi­sche ent­zünd­li­che Reak­ti­on aus­lö­sen. Neben der Schwe­re der Ver­bren­nung sind für die Gesamt­re­ak­ti­on das Alter, das Geschlecht, Begleit­ver­let­zun­gen sowie Vor­er­kran­kun­gen maß­geb­lich 11.

Schwe­re­grad­ein­tei­lung

Das Zonen­mo­dell nach Jackson

Im Bereich der maxi­ma­len Ener­gie­frei­set­zung (dem Zen­trum der Hit­ze­ein­wir­kung) kommt es unmit­tel­bar und irrever­si­bel zur ther­mi­schen Zell­ne­kro­se und Eiweiß­de­na­tu­rie­rung. Die­ser zen­tra­le Bereich wird als Koagu­la­ti­ons­zo­ne bezeich­net und bedarf im wei­te­ren The­ra­pie­ver­lauf des Gewe­be­er­sat­zes. In der scha­len­för­mig angren­zen­den Umge­bung zeigt sich in den noch vita­len Struk­tu­ren eine gestör­te Blut­zir­ku­la­ti­on. Die­se Zone der Sta­se wird je nach Ent­wick­lung der Durch­blu­tung von einer Aus­wei­tung der zen­tra­len Nekro­se betrof­fen sein oder sich erholen.

Nicht pri­mär von Gewe­be­ver­lust betrof­fen zeigt sich die äußers­te, drit­te Zone – die Zone der Hyper­ämie. Hier ist es zu einer ent­zünd­lich beding­ten Gefäß­er­wei­te­rung gekom­men. Das Risi­ko für eine sekun­dä­re Gewe­be­schä­di­gung ist eher gering. Ein Ansatz­punkt zur The­ra­pie­op­ti­mie­rung des Brand­ver­letz­ten besteht dem­entspre­chend in der Ver­hin­de­rung des soge­nann­ten Nach­bren­nens und der Ver­hin­de­rung der Kon­ver­si­on der Nekro­se­zo­ne nach außen durch Ver­bes­se­rung und Sta­bi­li­sie­rung der Durch­blu­tung in der Sta­se­zo­ne 12.

Ver­bren­nungs­tie­fen

Bei der Ein­tei­lung der Ver­bren­nungs­tie­fen ori­en­tiert man sich an den ana­to­mi­schen Strukturen.

Ober­fläch­li­che Ver­bren­nun­gen (1. Gra­des) betref­fen aus­schließ­lich die Epi­der­mis, sind gekenn­zeich­net von Juck­reiz und Haut­rö­tung und rege­ne­rie­ren sich fol­gen­los über die ver­mehr­te Pro­li­fe­ra­ti­on von Kera­ti­no­zy­ten aus der Basal­schicht und Haut­schup­pung inner­halb von 3 bis 4 Tagen.

Ver­bren­nun­gen der Der­mis sind in ober­fläch­li­che (2a) und tie­fe­re (2b) der­ma­le Ver­bren­nun­gen zu differenzieren.

Bei der 2a-gra­di­gen Läsi­on schä­digt die Hit­ze die ober­fläch­li­chen, war­zen­ar­tig aus­ge­stülp­ten Antei­le der Der­mis (papil­lär) und die dort lie­gen­den klei­nen Gefä­ße. Die der­ma­len Antei­le heben sich ab, Gewe­be­flüs­sig­keit son­dert sich ab, Bla­sen ent­ste­hen. Über Migra­ti­on und Pro­li­fe­ra­ti­on von Kera­ti­no­zy­ten aus tie­fen der­ma­len Antei­len ver­läuft die Wund­hei­lung inner­halb von 14 Tagen. Bei die­ser recht kur­zen Reepi­the­li­sie­rung sind prin­zi­pi­ell kei­ne Nar­ben zu erwarten.

Dage­gen wer­den bei den 2b-gra­di­gen Ver­bren­nun­gen die tie­fe­ren reti­ku­lä­ren Der­misstruk­tu­ren ein­schließ­lich der Haut­an­hangs­ge­bil­de (Haar­wur­zeln, Schweiß­drü­sen) geschä­digt. Für die Reepi­the­li­sie­rung ste­hen im Bereich der Koagu­la­ti­ons­zo­ne kei­ne und in den Rand­be­rei­chen deut­lich dezi­miert epi­the­lia­le Zel­len (Kera­ti­no­zy­ten) bereit. So ver­zö­gert sich die Wund­hei­lung auf eine Zeit­span­ne von mehr als 14 Tagen, geht ein­her mit der Bil­dung von über­schie­ßen­dem Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be und hyper­tro­pher Nar­ben. Wun­de und Nar­be wei­sen die Nei­gung zur Kon­trak­ti­on auf.

Noch ungüns­ti­ger gestal­ten sich die Hei­lungs­ten­den­zen bei den dritt­gra­di­gen Ver­bren­nun­gen. Hier­bei sind alle Haut­schich­ten bis in die Sub­cu­tis betrof­fen. Ohne einen ope­ra­ti­ven Gewe­be­er­satz ist kei­ne Hei­lung zu erwarten.

Bei den viert­gra­di­gen Ver­bren­nun­gen sind zusätz­lich die angren­zen­den Gewe­be (Mus­keln, Seh­nen und Kno­chen) mitbetroffen.

Auf­wand und Behand­lungs­ri­si­ko neh­men bei die­sen plas­tisch-chir­ur­gi­schen Ver­sor­gun­gen ent­spre­chend der Flä­chen- und Tie­fen­aus­deh­nung pro­por­tio­nal zu.

The­ra­pie­stra­te­gien

Außer bei den erst­gra­di­gen Ver­bren­nun­gen steht die chir­ur­gi­sche The­ra­pie im Vordergrund.

Avi­ta­les Gewe­be, dies betrifft auch den Bla­sen­balg der ober­fläch­li­chen der­ma­len Ver­bren­nung (2a), soll­te nach dem Abklin­gen der initia­len Schock­pha­se (bis 3 Tage nach Trau­ma) zur Ver­hin­de­rung sep­ti­scher Kom­pli­ka­tio­nen abge­tra­gen sein. Dies erfolgt bei ober­fläch­li­chen Ver­bren­nun­gen tan­gen­ti­al (bis zur Berüh­rung der nicht betrof­fe­nen vita­len Struk­tu­ren) oder bei grö­ße­rer Tie­fen­aus­deh­nung epi­fas­zi­al unter Mit­nah­me der Sub­cu­tis bis hin zur Faszie.

Im Sin­ne der Nar­ben­qua­li­tät gelingt es nur in die­sem zeit­lich begrenz­ten Inter­vall, nach gewe­be­scho­nen­der, aber kon­se­quen­ter Nekrek­to­mie durch Der­mis- und Epi­the­l­er­satz einer Bil­dung von Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be ent­ge­gen­zu­wir­ken und dadurch Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen für die Gene­rie­rung von Haut­er­satz mit wei­test­ge­hend natür­li­cher Haut­qua­li­tät 13.

Als Haut­er­satz kom­men über­wie­gend auto­lo­ge (Spen­der und Emp­fän­ger ein Indi­vi­du­um) Haut­trans­plan­ta­te zum Ein­satz. Die­se wer­den als soge­nann­te Spalt­haut (Mesh, git­ter­för­mig) oder als MEEK (schach­brett­ar­tig) in unter­schied­li­chem Expan­si­ons­grad auf den Defekt auf­ge­bracht. Bei groß­flä­chi­gen Ver­bren­nun­gen (ab 40 % Kör­per­ober­flä­che) kön­nen zusätz­lich auto­lo­ge Kera­ti­no­zy­ten­prä­pa­ra­te (Sheet oder in Sus­pen­si­on) allein oder in einer Sand­wich­tech­nik genutzt werden.

An funk­tio­nell bedeut­sa­men Regio­nen (Axil­la), zum Schutz beson­ders sen­si­bler und funk­tio­nal wich­ti­ger Struk­tu­ren (Streck­seh­nen­ap­pa­rat an der Hand) oder bei unzu­rei­chen­den Weich­teil­ver­hält­nis­sen (Knö­chel oder Unter­schen­kel) bestehen Mög­lich­kei­ten zum gestiel­ten oder frei­en mikro­chir­ur­gi­schen Gewe­be­trans­fer, um eine siche­re und belast­ba­re Defekt­de­ckung zu erreichen.

Bei ober­fläch­li­chen Ver­bren­nun­gen (bis 2a-gra­dig) hat sich in den letz­ten Jah­ren zudem ein tem­po­rär auf­ge­brach­ter allo­plas­ti­scher resor­bier­ba­rer Haut­er­satz (Supra­thel®) eta­bliert, der eine nar­ben­freie Abhei­lung gewährleistet.

Nach der chir­ur­gi­schen Ver­sor­gung ver­bleibt den­noch eine groß­flä­chi­ge Wund­re­gi­on mit einer bis zur voll­stän­di­gen Epi­the­li­sie­rung erhöh­ten Infek­ti­ons­ge­fahr. Dem ist in der Ver­bands­pfle­ge und der gesam­ten Nach­sor­ge spe­zi­ell Rech­nung zu tra­gen 14.

Nar­ben

All­ge­mei­nes

Eine resti­tu­tio ad inte­grum ist nur nach Ver­let­zung der feta­len Haut zu beob­ach­ten. Nach der Geburt führt jede der­ma­le Ver­let­zung zu einer Defekt­hei­lung mit Nar­ben­bil­dung. Sie ent­ste­hen im Rah­men der drei­pha­si­gen Wund­hei­lung infol­ge über­schie­ßen­der phy­sio­lo­gi­scher Repa­ra­tur­pro­zes­se. Die Destruk­ti­ons­pha­se ist gekenn­zeich­net durch Hypo­xie, Hämo­sta­se und Bil­dung von Gerinn­seln. In der nach­fol­gen­den Inflamm­a­ti­ons- und Exsu­da­ti­ons­pha­se bedin­gen vaso­ak­ti­ve Sub­stan­zen eine gestei­ger­te Mikro­zir­ku­la­ti­on und Expres­si­on von Wachs­tums­fak­to­ren wie Trans­forming Growth Factor‑1 (TGF‑1) sowie die Migra­ti­on von Abwehr­zel­len, die Neo­an­gio­ge­ne­se und die Fibro­blas­ten­pro­li­fe­ra­ti­on 15. Hier­durch wird in der Gra­nu­la­ti­ons- und Pro­li­fe­ra­ti­ons­pha­se die Bil­dung einer stark vas­ku­la­ri­sier­ten extra­zel­lu­lä­ren Matrix geför­dert, bevor es zur Aus­bil­dung eines Gleich­ge­wichts zel­lu­lä­rer, humo­ra­ler, mesen­chy­ma­ler und endo­the­lia­ler Fak­to­ren kommt. Schließ­lich wan­delt sich in der Rege­ne­ra­ti­ons- und Epi­the­li­sie­rungs­pha­se die Matrix zu einer sta­bi­len Kol­la­gen­ma­trix und über Apo­pto­sen zu einem zell­ar­men Matrixgewebe.

Von gesun­der Haut unter­schei­den sich die Nar­ben durch:

  • Ver­lust der Hautanhangsgebilde
  • Ver­strei­chen der Reteleisten
  • eine ver­än­der­te Architektur
  • eine ver­än­der­te Zusam­men­set­zung der extra­zel­lu­lä­ren Matrixbestandteile
  • eine her­ab­ge­setz­te Dehn­fä­hig­keit und ver­min­der­te Verschieblichkeit
  • Infekt­an­fäl­lig­keit sowie Elek­tro­lyt-/Ei­weiß­ver­lust
  • gestör­te Nozizeption/Propriozeption
  • loka­le und gene­ra­li­sier­te vege­ta­ti­ve Reiz­erschei­nun­gen (Juck­reiz)
  • Niveau­un­ter­schie­de in der Ober­flä­che an den Über­gän­gen zum Gesunden

Sie ver­ur­sa­chen neben ratio­nal nach­voll­zieh­ba­ren kör­per­li­chen Schmer­zen und funk­tio­nel­len Ein­schrän­kun­gen eben­so Pro­ble­me bei der Ver­ar­bei­tung des erleb­ten Trau­mas sowie der Akzep­tanz des ver­än­der­ten Kör­per­bil­des und för­dern über das Gefühl der Stig­ma­ti­sie­rung nicht sel­ten sozia­le Ängs­te oder Ausgrenzung.

Jed­we­de Maß­nah­me zur Opti­mie­rung der Nar­ben­si­tua­ti­on ist geeig­net, über Ver­hin­de­rung oder Mini­mie­rung vor­ge­nann­ter nega­ti­ver Begleit­erschei­nun­gen der Nar­be ent­ge­gen­zu­wir­ken und so sozia­le Aus­wir­kun­gen zu minimieren.

Nar­ben­the­ra­pie

Nar­ben­the­ra­pie beginnt mit Maß­nah­men zur Ver­mei­dung der Nar­ben­bil­dung. Unter Beach­tung der oben genann­ten Grund­prin­zi­pi­en der Ver­bren­nungs­be­hand­lung zur För­de­rung einer raschen Reepi­the­li­sie­rung und der gezielt gewe­be­scho­nen­den plas­tisch-chir­ur­gi­schen Ver­sor­gung sind bes­te Vor­aus­set­zun­gen gegeben.

In der Pha­se der nach­fol­gen­den Nar­ben­rei­fung, der eigent­li­chen Schluss­pha­se der Wund­hei­lung, wan­deln sich die unge­rich­tet knäu­el­för­mig ange­ord­ne­ten Kol­la­gen-Typ-III-Fasern in Kol­la­gen-Typ-I-Bün­del, was beim Erwach­se­nen bis zu 1,5 und beim Kind bis zu 4 Jah­re dau­ern kann. Im Ergeb­nis ver­bes­sert sich die Belast­bar­keit gegen­über mecha­ni­scher Irri­ta­ti­on, der UV-Strah­lung und der Elas­ti­zi­tät. Die Zug­fes­tig­keit wird dann wie­der bis zu 80 % der unver­letz­ten Haut errei­chen 16.

Patho­phy­sio­lo­gisch ist die Ent­ste­hung von hyper­tro­phen Nar­ben­area­len gera­de nach Ver­bren­nungs­ver­let­zung belegt. Daher wird, auch bei nicht beleg­ba­rer Evi­denz, die tex­ti­le Nar­ben­kom­pres­si­ons­the­ra­pie nicht nur im deutsch­spra­chi­gen Raum favo­ri­siert und bis zum Abschluss der Nar­ben­rei­fung zur Pro­phy­la­xe und The­ra­pie prak­ti­ziert 17.

Nach Maß indi­vi­du­ell gefer­tig­te tex­ti­le Kom­pres­si­ons­be­klei­dung erzeugt einen per­ma­nen­ten Druck von ca. 20 bis 35 mmHg und erlaubt zugleich eine all­tags­re­le­van­te Beweg­lich­keit. Anzieh­hil­fen oder spar­sam ein­ge­ar­bei­te­te Reiß­ver­schlüs­se erleich­tern ins­be­son­de­re initi­al das An- und Aus­zie­hen (Abb. 3 a u. b).

Über wel­chen zel­lu­lä­ren oder humo­ra­len Mecha­nis­mus sich die Wir­kung voll­zieht, ist nicht abschlie­ßend geklärt. In der Pra­xis beleg­bar sind die redu­zie­ren­de Wir­kung auf die star­ke Vas­ku­la­ri­sa­ti­on und der sich rasch zei­gen­de posi­ti­ve Ein­fluss auf den meist als sehr unan­ge­nehm emp­fun­de­nen Juck­reiz. Gleich­zei­tig ist kli­nisch ein Abblas­sen und Abfla­chen der Nar­ben­area­le zu beobachten.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit tex­ti­len Mate­ria­li­en ist eine der am wei­tes­ten ver­brei­te­ten Maß­nah­men zur För­de­rung der Nar­ben­rei­fung und Pro­phy­la­xe der Nar­ben­hy­per­tro­phie (Abb. 4). Sie stellt in Ver­bin­dung mit loka­len Sili­kon­auf­la­gen, den intra­epi­der­ma­len Kor­ti­ko­id-Injek­tio­nen, der spe­zi­el­len manu­el­len Nar­ben­mas­sa­ge in Ver­bin­dung mit Kran­ken­gym­nas­tik und Ergo­the­ra­pie die Basis kon­ser­va­ti­ver Naben­the­ra­pie dar 18 19. Seit Jah­ren wird die­ses Port­fo­lio vom Autor durch das Ver­fah­ren der Unter­druck­va­ku­um­the­ra­pie® mit gutem Erfolg zur Behand­lung sowohl von fri­schen als auch von älte­ren hyper­tro­phen Nar­ben ergänzt. Bei den inter­ven­tio­nel­len The­ra­pie­ver­fah­ren unter­schei­det man die abla­ti­ven Ver­fah­ren (Pee­ling, Laser­the­ra­pie, Der­ma­bra­sio, Bestrah­lung) von den Ver­fah­ren zur Anre­gung des Remo­del­ling über der­ma­le Mikro­lä­sio­nen. Bekannt sind hier das Medi­cal Need­ling und die frak­tio­nier­te Pho­to­ther­mo­ly­se 20 21.

Erst nach wei­test­ge­hend abge­schlos­se­ner Nar­ben­rei­fung, unzu­rei­chen­dem Effekt kon­ser­va­ti­ver The­ra­pien oder aber bei wesent­li­chen funk­tio­nel­len Beein­träch­ti­gun­gen durch Nar­ben soll­te über Vari­an­ten der chir­ur­gi­schen Nar­ben­the­ra­pie mit z. B. Plas­ti­ken zur Auf­lö­sung von Nar­bensträn­gen oder aber loka­len und Fern­lap­pen­plas­ti­ken ent­schie­den wer­den. Ziel ist es dann, über Län­gen­ge­winn die Gewe­be­span­nung zu redu­zie­ren oder aber die Span­nungs­rich­tung einer Nar­be zu ver­än­dern 22.

Gene­rell sind vor der Ent­schei­dung für eine The­ra­pie rei­fe Nar­ben von atro­phen und hyper­tro­phen Nar­ben zu unter­schei­den. Gänz­lich hier­von abzu­gren­zen sind Nar­ben­kel­oide. Deren Inzi­denz steigt mit zuneh­men­der Haut­pig­men­tie­rung. Sie tre­ten gewöhn­lich spä­ter als 6 Mona­te nach einer nicht sel­ten gering­fü­gi­gen (Pier­cing) Haut­lä­si­on auf, wach­sen über die Läsi­ons­gren­zen hin­aus und bil­den sich fak­tisch nie spon­tan zurück. Mit­tels kon­ser­va­ti­ver und inter­ven­tio­nel­ler Nar­ben­the­ra­pie­me­tho­den allein sind die Kel­oide nicht zu beein­flus­sen. Infol­ge des hohen Rezi­div­ri­si­kos kommt daher i. d. R eine Kom­bi­na­ti­on aus kon­ser­va­ti­ven, chir­ur­gi­schen und inter­ven­tio­nel­len Metho­den zur Anwen­dung 23.

Tex­ti­le Kom­pres­si­on in der Narbentherapie

Mit der tex­ti­len Kom­pres­si­ons­the­ra­pie zur För­de­rung der Nar­ben­rei­fung und Pro­phy­la­xe hyper­tro­pher Nar­ben­bil­dung muss früh­zei­tig begon­nen wer­den 24. Bereits 5 bis 7 Tage nach Trans­plan­ta­ti­on sind meist die Weich­teil­ver­hält­nis­se so weit sta­bil, dass mit der Maß­nah­me begon­nen wer­den kann. Wei­te­re 5 bis 8 Tage spä­ter ist bei indi­vi­du­el­ler Fer­ti­gung nach Maß mit der Aus­lie­fe­rung zu rechnen.

Für die Kom­pres­si­ons­be­hand­lung von Nar­ben nach Ver­bren­nun­gen kom­men kom­pri­mie­ren­de, das Behand­lungs­ge­biet flä­chig umhül­len­de tex­ti­le Gewe­be bzw. Gestri­cke zum Ein­satz. Die­se fer­tigt man in unter­schied­li­cher Zusam­men­set­zung vor allem aus Poly­amid, Ela­s­t­an, Baum­wol­le, Elas­to­dien und Vis­ko­se. Sie erzeu­gen einer­seits einen Ruhe­druck, der durch die kon­ti­nu­ier­li­che Kraft (Kom­pres­si­on) des elas­ti­schen Mate­ri­als gegen die Nar­be erzeugt wird. Hier­von abzu­gren­zen ist der Arbeits­druck, der durch Aus­deh­nung eines Gewe­bes (Mus­kel) gegen einen defi­nier­ten Wider­stand ent­steht (Abb. 5a und 5b).

Bei den Mate­ria­li­en dif­fe­ren­ziert man zwi­schen Rund- und Flach­ge­stri­cken. Rund­ge­stri­cke beru­hen auf einem Zwei­fa­den­sys­tem, wobei bei­de Fäden elas­ti­scher Natur sind und das Gestrick somit sowohl in Längs- als auch in Quer­rich­tung dehn­fä­hig ist. Bei den Flach­ge­stri­cken begrenzt ein zusätz­li­cher drit­ter, nicht dehn­fä­hi­ger tex­ti­ler Faden die Längs­deh­nung, sodass ein form­sta­bi­le­res und rigi­de­res Gestrick ent­steht, das einen flä­chig kon­stan­ten Druck aus­übt und eine beson­de­re Form­sta­bi­li­tät auf­weist 25.

In glei­cher Wei­se sind soge­nann­te Lang­zug­ma­te­ria­li­en von den Kurz­zug­ma­te­ria­li­en durch ihre spe­zi­el­len Mate­ri­al- und Anwen­dungs­ei­gen­schaf­ten zu unter­schei­den (Tab. 2). Lang­zug­ma­te­ria­li­en erleich­tern in der frü­hen Pha­se der Ver­sor­gung Brand­ver­letz­ter durch die hohe Dehn­fä­hig­keit das An- und Aus­zie­hen, kom­pen­sie­ren bei Volu­men­än­de­rung bes­ser die Druck­ver­hält­nis­se und gewähr­leis­ten durch einen kon­stant hohen Ruhe­druck eine gute Ent­stau­ung. Kurz­zug­ma­te­ria­li­en über­zeu­gen bei sta­bi­len Volu­men­ver­hält­nis­sen durch eine gute Akzep­tanz der Nut­zer durch den nied­ri­ge­ren Ruhe­druck. Der Wirk­ef­fekt tritt hier­bei durch den aktiv erzeug­ten Arbeits­druck ein. Bei­de Mate­ria­li­en haben unter­schied­li­che Gebrauchs­vor­tei­le; die Prä­fe­renz in der kli­ni­schen Nut­zung beruht nach Erfah­run­gen des Autors auf dem hand­werk­li­chen Umgang des Ortho­pä­die-Tech­ni­ker­s/­Ban­da­gis­ten mit dem jewei­li­gen Mate­ri­al und der indi­vi­du­ell zu bewer­ten­den Versorgungssituation.

Tex­ti­le Kom­pres­si­ons­ban­da­gen wer­den in vier Kom­pres­si­ons­klas­sen ein­ge­teilt, die sich durch die Inten­si­tät des Andrucks in Ruhe unter­schei­den. Eine Über­sicht mit der Zuord­nung von Kom­pres­si­ons­druck und Indi­ka­ti­on ver­mit­telt Tabel­le 3. Ent­spre­chend kli­ni­scher Beob­ach­tung hat sich bei der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie der Ver­bren­nungs­nar­be ein Druck zwi­schen 20 und 35 mmHg bewährt. An den Extre­mi­tä­ten liegt der höchs­te Druck an den kör­per­fer­nen Punk­ten und nimmt dann zum Rumpf hin ab 26. Ent­spre­chend kli­ni­scher Beob­ach­tung hat sich bei der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie der Ver­bren­nungs­nar­be ein Druck zwi­schen 20 und 35 mmHg bewährt 27 28.

Nur über eine gute Akzep­tanz der Kom­pres­si­ons­klei­dung ist die erfor­der­li­che Tra­ge­dau­er von annä­hernd 23 Stun­den pro Tag und die damit ver­bun­de­ne Com­pli­ance beim Betrof­fen erreich­bar. Fol­gen­de Anfor­de­run­gen sind aus Sicht des Kli­ni­kers daher an die Kom­pres­si­ons­klei­dung zu stellen:

  • gut haut­ver­träg­lich
  • stra­pa­zier­fä­hig
  • atmungs­ak­tiv
  • elas­tisch
  • pfle­ge­leicht
  • gleich­för­mi­ge Kom­pres­si­on mit mög­lichst gerin­ger funk­tio­nel­ler Behinderung
  • exak­te Abbil­dung des Haut­pro­fils ohne ein­schnei­den­de Faltenbildung

Für eine sach­ge­rech­te Fer­ti­gung bedarf es einer kor­rek­ten und aus­sa­ge­fä­hi­gen Ver­ord­nung mit Aus­sa­gen zum Ver­wen­dungs­zweck, zu Ver­sor­gungs­be­son­der­hei­ten, ggf. erfor­der­li­chen Befes­ti­gungs­hil­fen oder Emp­feh­lun­gen der Kom­bi­na­ti­on mit Pelot­ten oder Silikonen.

In glei­cher Wei­se ist der ver­ord­nen­de Arzt zur Kon­trol­le der Aus­füh­rung und Abnah­me des Hilfs­mit­tels ver­pflich­tet. Zur Abprü­fung des erreich­ten Kom­pres­si­ons­dru­ckes und zur Kon­trol­le der Wirk­sam­keit der Kom­pres­si­on im Ver­lauf der Anwen­dung haben sich Mes­sun­gen mit dem Kikuhime®-Messgerät bewährt.

Resü­mee

Nar­ben nach ther­mi­schem Trau­ma prä­gen den Behand­lungs­ver­lauf in der Akut­ver­sor­gung genau wie in der Reha­bi­li­ta­ti­on. Eine Viel­zahl von Behand­lungs­op­tio­nen ermög­licht bereits bei der OP-Pla­nung, im Sin­ne der Nar­ben­prä­ven­ti­on Ein­fluss zu neh­men. Die eigent­li­che Nar­ben­the­ra­pie ist dann indi­vi­du­ell den beson­de­ren Umstän­den, der Loka­li­sa­ti­on und der Evi­denz, der Prak­ti­ka­bi­li­tät sowie der Akzep­tanz der Metho­de anzupassen.

Im Regel­fall wer­den ver­schie­de­ne Ele­men­te der kon­ser­va­ti­ven, inter­ven­tio­nel­len und der chir­ur­gi­schen Nar­ben­the­ra­pie kom­bi­niert. Ein kon­zer­tier­tes Vor­ge­hen aller Betei­lig­ten ist gefordert.

Ein­ge­denk der beson­de­ren Ein­fluss­nah­me von Nar­ben auf Selbst­wert­ge­fühl, sozia­le Akzep­tanz und Inte­gra­ti­on sind alle Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, um eine Stig­ma­ti­sie­rung zu ver­hin­dern und die funk­tio­nel­le Limi­tie­rung zu minimieren.

Der Autor:
Dr. med. Hans Ziegenthaler
Gräf­li­che Kliniken
Moritz Kli­nik GmbH & Co. KG
Reha­bi­li­ta­ti­ons-Fach­kli­nik für Neu­ro­lo­gie und Orthopädie/Traumatologie
Reha-Zen­trum für Brandverletzte
Her­mann-Sach­se-Stra­ße 46
07639 Bad Klosterlausnitz
hans.ziegenthaler@moritz-klinik.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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