Implan­tier­ba­res myo­elek­tri­sches Assis­tenz­sys­tem zur intui­ti­ven Steue­rung einer bio­ni­schen Handprothese

K.-P. Hoffmann, L. Abu-Saleh, J. M. Cardona Audi, H. Dietl, H. Frank, A. Gail, E. Kaniusas, W. H. Krautschneider, S. Lewis, T. Meiners, R. Ruff, M. F. Russold, D. Schroeder, S. Westendorff
Das vorgestellte implantierbare myoelektrische Assistenzsystem zur intuitiven Steuerung einer bionischen Handprothese erfasst mit epimysial fixierten Elektroden selektiv Aktivitäten einzelner Muskeln. Diese Signale wurden im Tierexperiment über einen Zeitraum von mehr als neun Monaten erstmals vielkanalig drahtlos und in Echtzeit übertragen. Nach Analyse und Klassifikation lassen sie sich definierten Bewegungsmustern zuordnen. So können diese epimysialen Potenziale für eine intuitive Steuerung von Handprothesen herangezogen werden. Gegenwärtige Forschungen gelten der Entwicklung eines voll implantierbaren mikrotechnischen Assistenzsystems, das mit einem integrierten Stimulator auch ein sensorisches Feedback ermöglichen soll. Damit können wichtige Voraussetzungen für den Einsatz bionischer Handprothesen geschaffen werden.

Ein­lei­tung

Nach einer Ampu­ta­ti­on ist oft­mals die Ver­sor­gung der Betrof­fe­nen mit einer Arm- oder Hand­pro­the­se erfor­der­lich. Die­se muss neben der Berück­sich­ti­gung von kos­me­ti­schen Fra­gen ins­be­son­de­re die moto­ri­sche und sen­so­ri­sche Funk­tio­na­li­tät wiederherstellen.

Anzei­ge

Myo­elek­tri­sche Hand­pro­the­sen, deren Bewe­gun­gen durch die Erfas­sung von Mus­kel­ak­ti­ons­po­ten­zia­len der noch ver­blie­be­nen Mus­ku­la­tur des Unter­ar­mes gesteu­ert wer­den, gehö­ren zum gegen­wär­ti­gen Stand der Tech­nik. Die Zahl der erziel­ba­ren Frei­heits­gra­de und die Bewe­gungs­mus­ter sind jedoch begrenzt. Die der­zeit übli­che sequen­zi­el­le Ansteue­rung ein­zel­ner Bewe­gun­gen der Pro­the­se wie Öff­nen, Schlie­ßen oder Dre­hen erfolgt durch die geziel­te Kon­trak­ti­on zwei­er Mus­kel­grup­pen und erfor­dert zusätz­lich das Umschal­ten zwi­schen den gewünsch­ten Bewe­gun­gen bzw. Funk­tio­nen durch eine Kokon­trak­ti­on. Ihre Akti­vi­tät wird mit­tels Ober­flä­chen­elek­tro­den erfasst. Die Steue­rung der Griff­kraft erfolgt über die Ampli­tu­de der abge­lei­te­ten Signa­le. Damit wird die moto­ri­sche Funk­tio­na­li­tät zu einem gro­ßen Teil wie­der­her­ge­stellt, wobei ein Feed­back über die aus­ge­führ­te Bewe­gung oft­mals nur visu­ell erfolgt.

Das Ziel der­zei­ti­ger Ent­wick­lun­gen bio­ni­scher Hand­pro­the­sen 1 gilt der Bereit­stel­lung sowohl kom­ple­xer Bewe­gungs­ab­läu­fe der künst­li­chen Glied­ma­ße als auch ihrer mul­ti­funk­tio­na­len intui­ti­ven, weil simul­ta­nen Steue­rung 2. Hier­zu sind je Bewe­gung der Pro­the­se zwei Bio­si­gna­le erfor­der­lich, die auf unter­schied­li­chen Ebe­nen der moto­ri­schen Bahn gene­riert wer­den und mit­tels implan­tier­ba­rer Elek­tro­den erfasst wer­den kön­nen 3 4 5 6. Drei wesent­li­che Ableit­or­te – der moto­ri­sche Kor­tex, der peri­phe­re Nerv und der inner­vier­te Mus­kel – ste­hen hier­für zur Ver­fü­gung (Abb. 1). Bei eini­gen Anwen­dun­gen ist die trans­ku­ta­ne Über­tra­gung der erfass­ten Signa­le draht­ge­bun­den 7 8. Die Wie­der­her­stel­lung sen­so­ri­scher Ein­drü­cke, die durch pro­prio­zep­ti­ve und extero­zep­ti­ve Rezep­to­ren der Hand ent­ste­hen, ist eben­falls Gegen­stand der gegen­wär­ti­gen For­schung. Die elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on peri­phe­rer Ner­ven eröff­net dabei Mög­lich­keit eines sen­so­ri­schen Feed­backs 9 10.

Ein viel­ver­spre­chen­der Ansatz der intui­ti­ven Steue­rung ergibt sich durch den Ein­satz implan­tier­ter epi­my­sia­ler Elek­tro­den. Da die­se Elek­tro­den sich unmit­tel­bar auf ein­zel­nen Mus­keln plat­zie­ren las­sen, ist im Ver­gleich zum mit Ober­flä­chen­elek­tro­den erfass­ten EMG eine höhe­re Selek­ti­vi­tät zu erwar­ten. Liegt bei­spiels­wei­se die Ampu­ta­ti­ons­hö­he weit pro­xi­mal oder ist nur wenig Rest­mus­ku­la­tur vor­han­den, kann durch einen selek­ti­ven Ner­ven­trans­fer zur Brust­mus­ku­la­tur (Tar­ge­ted Mus­cle Rein­ner­va­ti­on, TMR) eine epi­my­sia­le Signal­er­fas­sung wei­ter­hin erfolg­reich ein­ge­setzt wer­den 11. Ver­sucht nun der Betrof­fe­ne sei­ne Hand zu bewe­gen, wer­den die peri­phe­ren Ner­ven wei­ter­hin akti­viert. Aller­dings kommt es nun anstel­le der Kon­trak­ti­on der Hand­mus­ku­la­tur zu einer Kon­trak­ti­on der Brust­mus­keln, deren Poten­zia­le erfasst werden.

Vor­aus­set­zung für einen erfolg­rei­chen Ein­satz der­ar­ti­ger implan­tier­ter Elek­tro­den ist ein implan­tier­ba­res viel­ka­na­li­ges EMG-Sys­tem mit einer tele­me­tri­schen Signal­über­tra­gung 12. Die­ses wird im Fol­gen­den vorgestellt.

Mate­ri­al und Methoden

Das zu ent­wi­ckeln­de Implan­tat (Abb. 2) soll der Erfas­sung, Vor­ver­ar­bei­tung und Über­tra­gung myo­ge­ner Signa­le die­nen, wel­che die eigent­li­che Hand­pro­the­se steu­ern sol­len. Dabei wird es kabel­los mit Ener­gie ver­sorgt und die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit­tels trans­ku­ta­ner Funk­schnitt­stel­le rea­li­siert. Die gewünsch­te intui­ti­ve Steue­rung der Hand­pro­the­se erfor­dert eine Erhö­hung der Selek­ti­vi­tät der Signal­er­fas­sung und damit den Ein­satz implan­tier­ba­rer Mikro­elek­tro­den 13. Ihre Plat­zie­rung erfolgt epi­my­si­al ent­we­der auf der Rest­mus­ku­la­tur des Armes oder wie bereits beschrie­ben nach einem selek­ti­ven Ner­ven­trans­fer über der Brustmuskulatur.

Das implan­tier­ba­re viel­ka­na­li­ge Sys­tem besteht aus fol­gen­den grund­sätz­li­chen Komponenten:

  • implan­tier­ba­re fle­xi­ble Mikro­elek­tro­den für die inva­si­ve epi­my­sia­le Erfas­sung myo­elek­tri­scher Aktivitäten
  • anwen­dungs­spe­zi­fi­sche inte­grier­te Schal­tung (ASIC) und Mikro­con­trol­ler (Texas Instru­ments MSP430) zur Signal­kon­di­tio­nie­rung und Signalvorverarbeitung
  • Tele­me­trie­mo­dul zur kabel­lo­sen Signal­über­tra­gung (Zar­link ZL70101)
  • induk­ti­ve Energieübertragung

Dar­über hin­aus sind fol­gen­de exter­nen Kom­po­nen­ten erforderlich:

  • intel­li­gen­te Mus­ter­er­ken­nung und Klas­si­fi­zie­rung der Signa­le zur Erken­nung der gewünsch­ten Hand­be­we­gung und Berech­nung der Steu­er­si­gna­le für die Bewe­gung der Prothese
  • elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on defi­nier­ter Haut­area­le und Erzeu­gung eines sen­so­ri­schen Feedbacks

Ergeb­nis­se

Das Sys­tem und sei­ne Kom­po­nen­ten wur­den vor der ers­ten Erpro­bung im Tier in ver­schie­de­nen Set­tings zunächst im Labor getes­tet (Abb. 3). Hier­bei ging es vor­ran­gig um Ener­gie­ver­sor­gung, Signal­kon­di­tio­nie­rung und Signal­über­tra­gung. Ziel war es, die tech­ni­schen Para­me­ter des Implan­ta­tes sowohl für das expe­ri­men­tel­le Pro­to­koll als auch die Signal­ei­gen­schaf­ten zu optimieren.

Gleich­zei­tig wur­den zu Beginn der Expe­ri­men­te epi­my­sia­le Akti­vi­tä­ten wäh­rend der Aus­füh­rung ver­schie­de­ner Arm­be­we­gun­gen trans­ku­tan draht­ge­bun­den über­tra­gen und mit dem kon­ven­tio­nel­len EMG-Sys­tem „Topas” regis­triert, um Form, Ampli­tu­de und Fre­quenz­be­reich der zu erwar­ten­den Signa­le abzu­schät­zen. Dies war eine der wesent­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, um die Para­me­ter der Signal­kon­di­tio­nie­rung im ASIC fest­zu­le­gen. Die Signa­le wur­den in einem Fre­quenz­be­reich von 1 Hz bis 10 kHz abge­lei­tet und das Fre­quenz­spek­trum berech­net (Abb. 4a). Die Abtast­ra­te betrug 20 kHz. Das Fre­quenz­spek­trum zeigt zwei cha­rak­te­ris­ti­sche Gip­fel: im nie­der­fre­quen­ten Bereich von 10 bis 40 Hz und stär­ker aus­ge­prägt im höher­fre­quen­ten Bereich von 100 bis 500 Hz. Dar­über hin­aus sind Arte­fak­te im Bereich um 50 Hz und im nie­der­fre­quen­ten Bereich sicht­bar. Ein typi­sches Roh­si­gnal, das in einem Fre­quenz­be­reich von 100 Hz bis 10 kHz abge­lei­tet wur­de, ist in Abbil­dung 4b dar­ge­stellt. Es ist erkenn­bar, dass der Ein­fluss nie­der­fre­quen­ter Stö­run­gen (ins­be­son­de­re der Arte­fak­te auf­grund der Netz­span­nung) besei­tigt wer­den konn­ten und hoch­fre­quen­te Signal­an­tei­le nicht auf­tre­ten. Auch hier betrug die Abtast­ra­te 20 kHz. Zusam­men­fas­send kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass die für eine wei­te­re Ana­ly­se signi­fi­kan­ten Signal­an­tei­le im Fre­quenz­be­reich von 100 bis 500 Hz liegen.

Die Implan­ta­t­elek­tro­nik ist mit Sili­kon gekap­selt und hat eine Grö­ße von 38 × 25 × 8 mm. Die Signal­ver­stär­kung erfolgt in einer Band­brei­te zwi­schen 6 und 1500 Hz. Die Signal­über­tra­gung wird nahe­zu in Echt­zeit MICS-kon­form zwi­schen 402 und 405 MHz bei einer Über­tra­gungs­ra­te von ca. 260 kBit/s durch­ge­führt. Bei einer opti­ma­len Ver­bin­dung konn­te eine Feh­ler­ra­te von ca. 1 % ein­ge­hal­ten wer­den. Die Latenz des Gesamt­sys­tems beträgt ~23 ms ± 7 ms. Die Ener­gie­ver­sor­gung erfolgt induk­tiv, wobei es auf der Sekun­där­sei­te zu kei­nen nen­nens­wer­ten Tem­pe­ra­tur­er­hö­hun­gen kam. Die­se wur­den ther­mo­gra­fisch erfasst 14 15.

Die epi­my­si­al auf der Mus­ku­la­tur fixier­ten Elek­tro­den sind einer stän­di­gen mecha­ni­schen Bean­spru­chung auf­grund einer bis zu 10-pro­zen­ti­gen Län­gen­deh­nung des Ziel­mus­kels bei Kon­trak­ti­on aus­ge­setzt. Daher müs­sen die­se Elek­tro­den fle­xi­bel und dehn­bar sein. Die Elek­tro­den­struk­tu­ren auf Poly­imid­ba­sis (sie­he Abb. 3) auf­grund einer bis zu 10-pro­zen­ti­gen Län­gen­deh­nung des Ziel­mus­kels bei Kon­trak­ti­on aus­ge­setzt. Daher müs­sen die­se Elek­tro­den fle­xi­bel und dehn­bar sein. Die Elek­tro­den­struk­tu­ren auf Poly­imid­ba­sis (sie­he Abb. 3) erwie­sen sich für einen Lang­zeit­ein­satz als unge­eig­net. Erfolg­reich wur­de im spä­te­ren Tier­ver­such Sili­kon als Trä­ger­ma­te­ri­al für die epi­my­sia­le Signal­er­fas­sung ein­ge­setzt (Abb. 5) 16.

Am Deut­schen Pri­ma­ten­zen­trum wur­den einem Rhe­sus­ma­ka­ken die Mikro­elek­tro­den epi­my­si­al auf Tri­zeps, Bizeps und Del­to­ide­us implan­tiert. Das eigent­li­che Sys­tem wur­de im Schul­ter­be­reich posi­tio­niert. Der Affe war vor­her trai­niert wor­den, defi­nier­te Bewe­gun­gen aus­zu­füh­ren und auf einem Moni­tor auf­leuch­ten­de Ziel­punk­te zu berüh­ren (Abb. 6a). Alle Tier­ver­su­che ent­spra­chen den Vor­ga­ben des Deut­schen Tier­schutz­ge­set­zes und waren durch das zustän­di­ge Lan­des­amt genehmigt.

Das ent­wi­ckel­te Gesamt­sys­tem wur­de über mehr als neun Mona­te im Tier­mo­dell erfolg­reich ein­ge­setzt und getes­tet. Es funk­tio­nier­te über die­sen Zeit­raum ohne mecha­ni­sche oder bio­lo­gi­sche Pro­ble­me und tech­ni­sche Aus­fäl­le. Dabei wur­de ins­be­son­de­re die gesam­te Über­tra­gungs­stre­cke eva­lu­iert, wobei die Qua­li­tät der Signa­le und die Sta­bi­li­tät der Ener­gie­ver­sor­gung im Mit­tel­punkt standen.

Die Erfas­sung der Signa­le star­te­te 4 Wochen nach der Implan­ta­ti­on. Das Auf­zeich­nungs­sys­tem wur­de von den Arm­be­we­gun­gen gesteu­ert, wobei die Berüh­rung des Bild­schir­mes der Trig­ger war. So lie­ßen sich Kor­re­la­tio­nen zwi­schen den ziel­ge­rich­te­ten Arm­be­we­gun­gen und den erfass­ten bio­elek­tri­schen Poten­zia­len ermitteln.

Die bipo­lar vier­ka­na­lig erfass­ten myo­ge­nen Signa­le konn­ten nach einer Signal­ana­ly­se klas­si­fi­ziert und den ein­zel­nen Bewe­gungs­rich­tun­gen zuge­ord­net wer­den. Hier­für kamen 6 Klas­si­fi­ka­to­ren und 7 Merk­ma­le aus dem Zeit- und Fre­quenz­be­reich zur Anwen­dung. Dadurch konn­te die jewei­li­ge Bewe­gungs­rich­tung aus dem EMG-Signal dis­kri­mi­niert wer­den. Dar­aus ließ sich ein­deu­tig die Intui­ti­on der Bewe­gung ableiten.

Die epi­my­sia­le Appli­ka­ti­on der Elek­tro­den ist im Ver­gleich zur ner­va­len Signal­er­fas­sung weni­ger inva­siv und bie­tet eine Rei­he wei­te­rer Vor­tei­le. Die abge­lei­te­ten mus­ku­lä­ren Signa­le haben eine höhe­re Ampli­tu­de (ca. 200 µV), einen gerin­ge­ren Fre­quenz­be­reich (bis maxi­mal 600 Hz) und ein höhe­res Signal-Rausch-Ver­hält­nis. Auch sind sie weni­ger von stö­ren­den Arte­fak­ten über­la­gert 17.

Das Sys­tem wur­de über den mehr­mo­na­ti­gen Zeit­raum von bei­den Tie­ren gut tole­riert. Auch konn­te kein Ein­fluss durch das Implan­tat auf die Bewe­gungs­frei­heit fest­ge­stellt wer­den. Nach erfolg­ter Explan­ta­ti­on wie­sen Implan­tat, Elek­tro­den und Gewe­be kei­ne nen­nens­wer­ten Ver­än­de­run­gen auf. Es gab kei­ne Anzei­chen ent­zünd­li­cher Reak­tio­nen. Somit kann ins­ge­samt ein­ge­schätzt wer­den, dass ein neu­er Ansatz der moto­ri­schen intui­ti­ven Hand­pro­the­sen­steue­rung erfolg­reich getes­tet wurde.

Schluss­fol­ge­run­gen und Ausblick

Mit dem vor­ge­stell­ten implan­tier­ba­ren Sys­tem war es mög­lich, epi­my­si­al erfass­te Mus­kel­si­gna­le zu kon­di­tio­nie­ren und trans­ku­tan draht­los zu über­tra­gen. Die Mög­lich­keit ihrer Klas­si­fi­ka­ti­on und Zuord­nung zu defi­nier­ten Bewe­gungs­mus­tern bie­tet die Grund­la­ge einer mög­li­chen intui­ti­ven Steue­rung von Hand­pro­the­sen. Für ihren Trä­ger wird es dann mög­lich wer­den, mit bio­ni­schen Hand­pro­the­sen natür­li­che Bewe­gungs­ab­läu­fe aus­zu­füh­ren. Dies wird ins­be­son­de­re durch die höhe­re Zahl an Frei­heits­gra­den erreicht wer­den kön­nen. Bei einem hohen Ampu­ta­ti­ons­ni­veau und einer nur gerin­gen Rest­mus­ku­la­tur kann nach einem selek­ti­ven Ner­ven­trans­fer (Tar­ge­ted Mus­cle Rein­ner­va­ti­on, TMR) zur Brust­mus­ku­la­tur die mus­ku­lä­re Signal­er­fas­sung trotz­dem ange­wandt wer­den 18.

Die gute Ver­träg­lich­keit und Funk­tio­na­li­tät des Gesamt­sys­tems wäh­rend sei­nes Ein­sat­zes sind zwei unent­behr­li­che Vor­aus­set­zun­gen für einen mög­li­chen zukünf­ti­gen huma­nen Ein­satz des Implantats.

Neben der Wie­der­her­stel­lung einer moto­ri­schen Funk­tio­na­li­tät muss eine bio­ni­sche Hand­pro­the­se auch die sen­so­ri­sche Kom­po­nen­te berück­sich­ti­gen. Eine elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on der peri­phe­ren Ner­ven kann dem Betrof­fe­nen ein Gefühl der ampu­tier­ten Hand ver­mit­teln 19. Ers­te Erfol­ge mit der Detek­ti­on drei­di­men­sio­na­ler geo­me­tri­scher For­men konn­ten bereits ver­wirk­licht wer­den 20. Dar­aus ergibt sich die Mög­lich­keit, der Hand­pro­the­sen­steue­rung ein sen­so­ri­sches Feed­back als Rück­kopp­lung hin­zu­zu­fü­gen. Der so ent­ste­hen­de Regel­kreis lässt sich als Clo­sed-Loop-Sys­tem (Abb. 7) rea­li­sie­ren. Dabei sind sowohl die Signal­er­fas­sung als auch die elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on in einem gemein­sa­men Implan­tat zu inte­grie­ren. Dies wird ein wich­ti­ger Schritt für zukünf­ti­ge Ent­wick­lun­gen einer bio­ni­schen Hand­pro­the­se sein.

Beson­de­re Bedeu­tung kommt dabei den implan­tier­ten Elek­tro­den als Inter­faces zwi­schen dem tech­ni­schen Sys­tem und dem bio­lo­gi­schen Gewe­be zu. Die­se müs­sen die Bedin­gun­gen, die sich aus dem umge­ben­den Gewe­be erge­ben, tole­rie­ren. Fort­schrit­te ver­spricht man sich gegen­wär­tig von dop­pel­sei­ti­gen Elek­tro­den zur Sti­mu­la­ti­on 21 und funk­tio­na­li­sier­ten Poly­me­ren mit lei­ten­den und nicht­lei­ten­den Kom­po­nen­ten. Auf­grund glei­cher mecha­ni­scher Eigen­schaf­ten der Kom­po­nen­ten kön­nen die­se soge­nann­ten All-Poly­mer-Elek­tro­den (Abb. 8) die Bewe­gung der Mus­ku­la­tur beson­ders gut kompensieren.

Wich­ti­ge tech­ni­sche Pro­ble­me, an denen auch wei­ter­hin gear­bei­tet wer­den muss, sind neben Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät und Lang­zeit­sta­bi­li­tät ins­be­son­de­re die Ener­gie­ver­sor­gung. Auch die Signal­über­tra­gung als größ­ter Ener­gie­ver­brau­cher lässt sich durch ein intel­li­gen­tes Ener­gie­ma­nage­ment und den Ein­satz von Kom­pri­mie­rungs­al­go­rith­men wei­ter opti­mie­ren. Die dau­er­haf­te Erhal­tung der voll­stän­di­gen Funk­tio­na­li­tät des Gesamt­sys­tems ist das Ziel der Ent­wick­lung der­ar­ti­ger Sys­te­me. Sie müs­sen die Ein­schrän­kun­gen der Betrof­fe­nen lebens­lang so kom­pen­sie­ren, dass ihre Lebens­qua­li­tät wie­der­her­ge­stellt bzw. wei­ter ver­bes­sert wird.

Dank­sa­gung

Die­se Arbeit wur­de geför­dert durch EU: Cyber­hand (EU IST 2001–35094), Neu­ro­bo­tics (IST-FET Pro­ject 2003–001917), BMBF: Myo­plant (BMBF 16SV3697) und FhG: Leit­pro­jekt 2014 (Ther­anos­ti­sche Implantate).

Für die Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter Hoffmann
Lei­ter der Abtei­lung für Medi­zin­tech­nik & Neuroprothetik
Fraun­ho­fer-Insti­tut für Bio­me­di­zi­ni­sche Technik
Ens­hei­mer Stra­ße 48
66386 St. Ingbert
klaus-peter.hoffmann@ibmt.fraunhofer.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Hoff­mann KP, Abu-Saleh L, Car­do­na Audi JM, Dietl H, Frank H, Gail A, Kani­usas E, Kraut­schnei­der WH, Lewis S, Mei­ners T, Ruff R, Rus­sold MF, Schroe­der D, Wes­ten­dorff S. Implan­tier­ba­res myo­elek­tri­sches Assis­tenz­sys­tem zur intui­ti­ven Steue­rung einer bio­ni­schen Hand­pro­the­se. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (5): 36–40
  1. Hoff­mann K‑P, Car­roz­za MC, Mic­e­ra S, Koch KP. Neu­ro­pro­the­sen – implan­tier­ba­re Mikro­sys­te­me auf der Grund­la­ge von Metho­den der Neu­ro­bio­nik. Ortho­pä­die Tech­nik, 2006; 57: 334–339
  2. Mic­e­ra S, Ros­si­ni PM, Rigosa J, Citi L, Car­pa­ne­to J, Ras­po­po­vic S, Tom­bi­ni M, Cipria­ni C, Assen­za G, Car­roz­za MC, Hoff­mann K‑P, Yoshi­da K, Navar­ro X, Dario P. Deco­ding of Gras­ping Infor­ma­ti­on from Neu­ral Signals Recor­ded Using Peri­phe­ral Intra­fa­sci­cu­lar Inter­faces. Neu­ro Eng Rehab; 2011; 8 (1): 133–138
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  8. Ros­si­ni PM, Mic­e­ra S, Ben­ven­uto A, Car­pa­ne­to J, Cavallo G, Citi L, Cipria­ni C, Den­a­ro L, Den­a­ro V, Di Pino G, Fer­re­ri F, Gugliel­mel­li E, Hoff­mann K‑P, Ras­po­po­vic S, Rigosa J, Ros­si­ni L, Tom­bi­ni M, Dario P. Dou­ble Ner­ve Intra­neu­ral Inter­face Implant on a Human Ampu­tee for Robo­tic Hand Con­trol. Clin Neu­ro­phy­si­ol, 2010; 121 (5): 777–783
  9. Ros­si­ni PM, Mic­e­ra S, Ben­ven­uto A, Car­pa­ne­to J, Cavallo G, Citi L, Cipria­ni C, Den­a­ro L, Den­a­ro V, Di Pino G, Fer­re­ri F, Gugliel­mel­li E, Hoff­mann K‑P, Ras­po­po­vic S, Rigosa J, Ros­si­ni L, Tom­bi­ni M, Dario P. Dou­ble Ner­ve Intra­neu­ral Inter­face Implant on a Human Ampu­tee for Robo­tic Hand Con­trol. Clin Neu­ro­phy­si­ol, 2010; 121 (5): 777–783
  10. Ben­ven­uto A, Ras­po­po­vic S, Hoff­mann K‑P, Car­pa­ne­to J, Cavallo G, Di Pino G, Gugliel­mel­li E, Ros­si­ni L, Ros­si­ni P, Tom­bi­ni M, Mic­e­ra S. Intra­fa­sci­cu­lar thin film mul­tich­an­nel elec­tro­des for sen­so­ry feed-back: evi­den­ces on a human ampu­tee. Pro­cee­dings 32nd Annu­al Inter­na­tio­nal Con­fe­rence IEEE EMBS. Bue­nos Aires, 2010: 1800–1803
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  12. Hoff­mann K‑P, Dietl H. Hand­pro­the­sen: Nach dem Vor­bild der Natur. Deut­sches Ärz­te­blatt, 2010; 107 (45): 11–14
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