Liner-Sili­kon – ein unge­wöhn­li­ches Mate­ri­al wird an sei­nen Ein­satz­zweck angepasst

C. Kurth
Silikon nimmt eine Sonderstellung unter den Elastomeren ein, da seine Molekülketten auf Silizium und Sauerstoff basieren. Daraus resultiert, dass es bakteriell nicht abgebaut werden kann und andere Stoffe das Silikon per Diffusion durchdringen können. Das bringt Effekte mit sich, die in der Anwendung von Linern zu berücksichtigen sind. Der Schlüssel zu hoher Reißfestigkeit bei maximaler Weichheit liegt im nanofeinen Einarbeiten von Silica. Um die für Liner notwendige Weichheit zu erzielen, muss das Material freie Öle enthalten. Dabei gilt es, einen geeigneten Kompromiss zwischen Ausölverhalten und Adhäsion zu finden. Zum Aufbringen von Gleitbeschichtungen auf Silikon werden zwei verschiedene Technologien vorgestellt.

Beson­der­hei­ten von Silikon

Es gibt eine Viel­zahl von Kunst­stof­fen, aus denen sich wei­che­las­ti­sche Mate­ria­li­en oder Gele her­stel­len las­sen. Mit Aus­nah­me von Sili­kon haben sie alle eines gemein­sam: Ihr mole­ku­la­res Grund­ge­rüst besteht aus mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Koh­len­stoff­ato­men (s. das Bei­spiel Poly­pro­py­len in Abb. 1). Wird das elas­ti­sche Mate­ri­al ver­formt, müs­sen die­se mit­ein­an­der „ver­knäul­ten” Mole­kül­ket­ten ihre Form ändern und anein­an­der vor­bei­glei­ten. Aller­dings ver­for­men sich sol­che Ket­ten auf eine ande­re Wei­se als die, die man aus der makro­sko­pi­schen Welt kennt. Ket­ten, wie wir sie ken­nen, ändern den Win­kel ihrer ein­zel­nen Glie­der zuein­an­der. Bei Mole­kül­ket­ten ist das nicht mög­lich, da die Win­kel zwi­schen den ein­zel­nen Glie­dern unver­än­der­bar sind. Sie kön­nen ihre Form nur vari­ie­ren, indem sich Bin­dun­gen bei fest­ge­leg­tem Win­kel zuein­an­der ver­dre­hen. An ein Koh­len­stoff­atom sind in der Regel noch vier ande­re Ato­me ange­bun­den. Zwei die­ser Bin­dun­gen lie­gen inner­halb der Ket­te, zwei wei­te­re füh­ren zu ande­ren, seit­lich von der Ket­te abste­hen­den Ato­men oder Atom­grup­pen. Die­se Sei­ten­äs­te sto­ßen sich gegen­sei­tig ab, was die freie Ver­dreh­bar­keit der Haupt­ket­te behin­dert. Für jede Form­än­de­rung der Ket­te ist somit Ener­gie aufzuwenden.

Bei Sili­ko­nen besteht die­ses Grund­ge­rüst nicht aus Koh­len­stoff, son­dern aus sich abwech­seln­den Sili­zi­um- und Sau­er­stoff­ato­men (Abb. 2). Die Sili­zi­um­ato­me kön­nen eben­falls wie­der mit vier ande­ren Ato­men Bin­dun­gen ein­ge­hen. Somit hän­gen an den Sili­zi­um­ato­men je zwei wei­te­re Ato­me, die nicht zur Ket­te gehö­ren. Die Sau­er­stoff­ato­me reagie­ren nur mit zwei ande­ren Ato­men, folg­lich sind sie mit nichts ande­rem als ihren Sili­zi­um-Nach­barn ver­bun­den. Sie stel­len also zusätz­li­che, frei ver­dreh­ba­re Ver­bin­dun­gen in der Ket­te dar.

Dar­aus erge­ben sich gene­rel­le Unter­schie­de zwi­schen Sili­ko­nen und ande­ren Elastomeren:

Zum einen kön­nen Mikro­or­ga­nis­men Sili­zi­um-Sau­er­stoff-Ket­ten bio­lo­gisch nicht abbau­en. Somit ist rei­nes Sili­kon hin­sicht­lich sei­ner Hygie­ne-Eigen­schaf­ten kon­ven­tio­nel­len Elas­to­me­ren überlegen.

Zum ande­ren lie­gen bei Sili­ko­nen die seit­lich an der Ket­te befes­tig­ten Ato­me wei­ter aus­ein­an­der, und die Sili­k­on­ket­ten las­sen sich ohne Ener­gie­auf­wand ver­for­men 1. Dar­aus folgt, dass frem­de Mole­kü­le und sehr klei­ne Par­ti­kel das Sili­kon durch­drin­gen kön­nen, indem sie die grö­ße­ren Abstän­de zwi­schen den Ato­men nut­zen und die Ket­ten ohne Ener­gie­auf­wand bei­sei­te­schie­ben. Die­se Eigen­schaft wird auch als „dif­fu­si­ons­of­fen” bezeich­net. Sie ermög­licht es, gezielt mikro­sko­pi­sche Tröpf­chen haut­pfle­gen­der Sub­stan­zen in das Sili­kon ein­zu­schlie­ßen, die es lang­sam durch­drin­gen und dann vom Liner abge­ge­ben wer­den. Ein gewis­ser Anteil die­ser Pfle­ge­sub­stan­zen ver­bleibt aber immer zwi­schen den Sili­kon­mo­le­kü­len, da sich ein Teil der Pfle­ge­sub­stanz im Sili­kon löst – wie Zucker im Kaffee.

Das kann pro­ble­ma­tisch sein, da die­ser Pro­zess auch unge­wollt funk­tio­niert: Wird ein neu­es Haut­pfle­ge­pro­dukt auf den Stumpf auf­ge­tra­gen und der Liner dar­über gezo­gen, dif­fun­diert die Sub­stanz in den Liner hin­ein. Ver­ur­sacht das ver­wen­de­te Pfle­ge­pro­dukt jedoch all­er­gi­sche Haut­re­ak­tio­nen, kann es durch Rei­ni­gen der Liner-Ober­flä­che nicht mehr voll­stän­dig aus dem Sili­kon ent­fernt wer­den. Da die Haut­re­ak­tio­nen des­halb nicht abklin­gen kön­nen, ist der Liner auszutauschen.

Um dem vor­zu­beu­gen, soll­ten neue Haut­pfle­ge­pro­duk­te, Rei­ni­gungs­mit­tel oder Sal­ben immer erst an unkri­ti­scher Stel­le (zum Bei­spiel an der kon­tra­la­te­ra­len Sei­te) auf ihre Ver­träg­lich­keit getes­tet werden.

Es kann noch zu einem wei­te­ren Effekt kom­men: Drin­gen bio­lo­gisch abbau­ba­re Sub­stan­zen in den Liner ein, kön­nen die­se auch im Inne­ren des Sili­kons abge­baut wer­den. Ent­hält das Pfle­ge­pro­dukt bei­spiels­wei­se bio­lo­gi­sche Öle oder Fet­te, beginnt der Liner mit der Zeit (trotz regel­mä­ßi­ger Rei­ni­gung) unan­ge­neh­me Gerü­che zu ent­wi­ckeln. Das liegt dar­an, dass sich beim Abbau Stof­fe wie etwa But­ter- und Vale­ri­an­säu­re bil­den, die dem Liner wie­der ent­wei­chen. Somit ist es sinn­voll, Pfle­ge­pro­duk­te auf syn­the­ti­scher Basis wie etwa medi­zi­ni­sches Weiß­öl oder Vase­li­ne zu verwenden.

Liner-Sili­ko­ne im Ver­gleich zu ande­ren Silikonen

Damit Sili­ko­ne ihre elas­ti­sche Rück­stell­kraft erhal­ten, müs­sen sie zunächst ver­netzt wer­den. Die Mole­kül­ket­ten reagie­ren dabei che­misch mit­ein­an­der und bil­den Ver­bin­dun­gen aus, die ein drei­di­men­sio­na­les Netz ent­ste­hen las­sen. Dazu ist bei Sili­ko­nen immer ein Kata­ly­sa­tor not­wen­dig, ohne den die­se Reak­ti­on nicht mög­lich ist. Da Sili­ko­ne bei dau­er­haf­tem Haut­kon­takt unein­ge­schränkt bio­kom­pa­ti­bel sein müs­sen, ist man bei Liner-Sili­ko­nen auf die Ver­wen­dung eines Kata­ly­sa­tor­typs fest­ge­legt, der die Bio­kom­pa­ti­bi­li­tät selbst nicht ver­ei­telt. Die bei Stan­dard­si­li­ko­nen ein­ge­setz­ten Ver­net­zer sind dies­be­züg­lich unge­eig­net. Wel­che Tests zur Bewer­tung des Mate­ri­als in wel­chem Fall durch­zu­füh­ren sind, ist in DIN ISO 10993: „Bio­lo­gi­sche Beur­tei­lung von Medi­zin­pro­duk­ten” festgelegt.

Bei der Ver­ar­bei­tung zwei­kom­po­nen­ti­gen Flüs­sig­si­li­kons wird eine oft­mals als „Pla­tin­ka­ta­ly­sa­tor” bezeich­ne­te Sub­stanz ein­ge­setzt. Genau genom­men besteht die­ser Kata­ly­sa­tor nicht aus Pla­tin, son­dern aus einem orga­ni­schen Mole­kül, das als reak­ti­ves Zen­trum ein ein­zel­nes Pla­tin­atom auf­weist 2. Das Pla­tin ist hier ähn­lich ein­ge­bun­den wie zum Bei­spiel das Eisen­atom im Hämo­glo­bin. Die metall­or­ga­ni­sche Ver­bin­dung ist hoch­trans­pa­rent, kann aber mit der Zeit zer­fal­len. Dann bil­det sich kol­lo­ida­les Pla­tin, das dem Sili­kon bevor­zugt in Ober­flä­chen­nä­he eine rauch­graue Tönung ver­leiht 3. Die­ser Effekt hat jedoch kei­ner­lei Aus­wir­kun­gen auf die Beschaf­fen­heit des Silikons.

Vom Sili­kon zum Liner-Silikon

Das Anfor­de­rungs­pro­fil an Liner-Sili­ko­ne umfasst teil­wei­se Eigen­schaf­ten, die sich ent­ge­gen­ste­hen. Hier­bei müs­sen somit spe­zi­fisch zur Anwen­dung pas­sen­de Kom­pro­mis­se ein­ge­gan­gen wer­den. Eine der Her­aus­for­de­run­gen besteht etwa dar­in, maxi­ma­le Wei­ter­reiß­fes­tig­keit bei mög­lichst gro­ßer Weich­heit zu erzie­len – und zwar ohne, dass das Sili­kon kleb­rig wird. Auf der ande­ren Sei­te muss das Mate­ri­al zum Pro­duk­ti­ons­pro­zess passen.

Indus­tri­ell erhält­li­che Stan­dard-Sili­ko­ne kön­nen die­se Anfor­de­run­gen nicht erfül­len. Ein Ansatz, die­ser Her­aus­for­de­rung als Liner-Her­stel­ler zu begeg­nen, besteht in der For­mu­lie­rung eige­ner Sili­ko­ne aus kom­mer­zi­ell erhält­li­chen Grund­kom­po­nen­ten. Wei­te­re Mög­lich­kei­ten erge­ben sich, wenn man noch einen Schritt wei­ter­geht und auch die Grund­kom­po­nen­ten selbst synthetisiert.

Reiß­fes­tig­keit ver­sus Weichheit

Eine zen­tra­le Rol­le spielt in die­sem Zusam­men­hang der Zuschlag­stoff Sili­ca. Die­ses Addi­tiv ist auch aus der Rei­fen­pro­duk­ti­on bekannt. Dort hat es zum Teil in den Kau­tschuk­mi­schun­gen den Ruß abge­löst und dar­über hin­aus Roll­wi­der­stand und Nass­haf­tung opti­miert. Sili­ca, auch „wei­ßer Ruß” oder „pyro­ge­ne Kie­sel­säu­re” genannt, besteht aus Quarz­par­ti­keln, die beim Ver­bren­nen von Sili­zi­um­ver­bin­dun­gen ent­ste­hen. Die­se Teil­chen sind kugel­för­mig und haben im Fall der hier betrach­te­ten Sili­ko­ne einen mitt­le­ren Durch­mes­ser von nur zehn Nanometern.

In den Sili­kon­mi­schun­gen hat Sili­ca die Haupt­auf­ga­be, die Wei­ter­reiß­fes­tig­keit auf das gewünsch­te Niveau zu brin­gen. Dazu wird in die­sem Fall das zuge­kauf­te, noch nicht modi­fi­zier­te Mate­ri­al zunächst in sei­ner Ober­flä­chen­che­mie so ver­än­dert, dass es sich spä­ter mög­lichst gut mit dem Sili­kon ver­bin­det und sich die Par­ti­kel so fein wie mög­lich ver­tei­len las­sen. Denn je fei­ner die Ver­tei­lung gelingt, des­to wir­kungs­vol­ler wer­den Ris­se im Mate­ri­al gestoppt und des­to wei­ter lässt sich das Sili­kon deh­nen. Aller­dings kön­nen Nano­par­ti­kel nur schwer von­ein­an­der getrennt und ver­teilt wer­den. Je klei­ner die Teil­chen sind, des­to grö­ßer ist ihre Nei­gung, sich zu mikro­sko­pi­schen Klum­pen zusam­men­zu­bal­len. Las­sen sich die­se wie­der in klei­ne­re Klum­pen oder ein­zel­ne Teil­chen auf­bre­chen, wer­den sie als „Agglo­me­ra­te” bezeich­net. Sind sie nicht mehr von­ein­an­der zu tren­nen, hei­ßen sie „Aggre­ga­te”.

Sili­ca ist hier ein Grenz­fall: Ab einer gewis­sen Klümp­chen­grö­ße wird wei­te­res Rüh­ren sinn­los, und nur star­kes Sche­ren des Fluids, also Quet­schen unter seit­li­cher Ver­schie­bung, führt zu wei­te­rer Ver­bes­se­rung der Ver­tei­lung. Je mehr Ener­gie man dabei in das Flu­id ein­bringt, des­to fei­ner wird das Sili­ca ver­teilt und des­to fei­ner wer­den die Agglo­me­ra­te auf­ge­bro­chen. Dabei muss per­ma­nent gekühlt wer­den, da das Sili­kon andern­falls ther­misch geschä­digt wer­den wür­de. Schließ­lich erhält man ein hoch­vis­ko­ses Pro­dukt. Es besteht zu etwa 30 Gewichts­pro­zent aus Quarz, ist aber trotz­dem noch rela­tiv trans­pa­rent, da die ver­blei­ben­den Par­ti­kel klei­ner sind als die Wel­len­län­ge des Lich­tes (Abb. 3).

Sol­che Agglo­me­ra­te aus ein­di­sper­gier­tem Sili­ca las­sen sich in nor­ma­len, auf Koh­len­stoff basie­ren­den Kunst­stof­fen mit­tels Trans­mis­si­ons­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pie (TEM) dar­stel­len. Hier­bei wer­den Elek­tro­nen durch das Mate­ri­al geschos­sen und je nach Atom­sor­te ver­schie­den stark abge­lenkt. Lei­der bestehen aber Sili­ca und Sili­kon haupt­säch­lich aus den glei­chen Ato­men, näm­lich Sili­zi­um und Sau­er­stoff; somit lässt sich zwi­schen Sili­kon und Sili­ca nur schwer ein aus­rei­chen­der Kon­trast erzielen.

Den­noch ist bei trans­pa­ren­ten Sili­ko­nen optisch erkenn­bar, ob es sich um ein mikro­ver­stärk­tes Pro­dukt han­delt, in das das Sili­ca nur ein­ge­rührt wur­de, oder ob das Pro­dukt wirk­lich nano­ver­stärkt ist. Mikro­ver­stärk­te Pro­duk­te sind trüb oder opak (Agglo­me­rat grö­ßer als Licht­wel­len­län­ge), wäh­rend Nano­ver­stärk­te trans­pa­rent erschei­nen und wei­ßes Licht in ver­schie­de­ne Far­ben auf­spal­ten. Im Durch­licht ist ein Bron­ze­ton sicht­bar, wäh­rend das Streu­licht bläu­lich erscheint. Die in Abbil­dung 4 wie­der­ge­ge­be­ne Sili­kon­schei­be zeigt die­sen Effekt. Sie wur­de wäh­rend der Auf­nah­me von rechts von der Son­ne beschienen.

Durch die­se Tech­no­lo­gie kön­nen Sili­ko­ne pro­du­ziert wer­den, die gleich­zei­tig wei­cher und reiß­fes­ter sind. Um die­se Eigen­schaf­ten mess­bar zu machen, wer­den Sili­kon­pro­ben in eine Zug­prüf­ma­schi­ne gespannt, die die Pro­ben zer­reißt und die hier­für not­wen­di­gen Kräf­te auf­zeich­net. Sol­che Mes­sun­gen las­sen sich gut mit Ring-Pro­be­kör­pern vom Typ A nach ISO 37 durch­füh­ren, die abwei­chend zur Norm innen mit einer Rasier­klin­ge ange­schnit­ten wer­den (Abb. 6, 7). Das geschieht zur Simu­la­ti­on von Ein­schnit­ten am pro­xi­ma­len Ende des Liners.

Im Kraft-Deh­nungs-Dia­gramm zeigt sich, wie sich durch Anwen­dung die­ser Tech­no­lo­gie das Ver­hält­nis von Weich­heit zu Zug­fes­tig­keit ver­bes­sern lässt. Ver­gli­chen wird das aktu­el­le Sili­kon für Trans­fe­mo­ral-Liner mit sei­nem Vorgänger.

Einer­seits nimmt die Reiß­fes­tig­keit umso mehr ab, je wei­cher das Sili­kon ein­ge­stellt wird. Ande­rer­seits steigt die Reiß­fes­tig­keit des Mate­ri­als mit zuneh­men­der Fein­heit der Ver­tei­lung des Sili­cas an. In Abbil­dung 7 ist erkenn­bar, dass ein an die Rezep­tur ange­pass­ter Com­poun­die­rungs­pro­zess tat­säch­lich die Her­stel­lung von Sili­ko­nen ermög­licht, die wei­cher und reiß­fes­ter zugleich sind.

Kleb­rig­keit ver­sus Ausölen

Bei Linern wer­den Sili­ko­ne vom Poly­di­me­thyl­sil­oxan-Typ (PDMS) ein­ge­setzt. Hin­sicht­lich der Kleb­rig­keit sind hier die Methyl- bezie­hungs­wei­se CH3-Grup­pen inter­es­sant, die die Benetz­bar­keit ver­rin­gern und Anti­haft-Eigen­schaf­ten auf­wei­sen. Sie sind in den Abbil­dun­gen der Mole­kül­ket­ten oben (Abb. 1 und 2) durch die schwar­zen mit den dar­an befes­tig­ten drei wei­ßen Kugeln dar­ge­stellt. Die­se Methyl­grup­pen sind im Übri­gen auch beim Poly­pro­py­len dafür ver­ant­wort­lich, dass es sich mit her­kömm­li­chen Mit­teln nicht ver­kle­ben lässt.

Um die ein­zel­nen Sili­kon­mo­le­kü­le zu einem wei­chen, gum­mi- bis gel­ar­ti­gen Mate­ri­al ver­net­zen zu kön­nen, sind an ihren Enden Kopp­lungs­stel­len erfor­der­lich. Sol­che Mole­kü­le bezeich­net man auch als „ter­mi­nal funk­tio­na­li­siert”. Sie müs­sen mit­ein­an­der reagie­ren kön­nen. Es han­delt sich hier­bei um sili­zi­um­ge­bun­de­nen Was­ser­stoff auf der einen und Vinyl­grup­pen auf der ande­ren Sei­te. Lang­ket­ti­ge Sili­kon­öle mit Vinyl am Ende sind jedoch extrem kleb­rig. Die Pra­xis zeigt, dass nicht alle Kopp­lungs­stel­len mit­ein­an­der reagie­ren. Das ver­netz­te Pro­dukt bleibt kleb­ri­ger, als es sein sollte.

Der Hin­ter­grund ist, dass man zur Bil­dung des poly­me­ren Netz­wer­kes lan­ge Mole­kül­ket­ten braucht, um eine hohe Deh­nung und einen fla­chen Kraft­an­stieg bei zuneh­men­der Ver­deh­nung zu erzie­len. Je län­ger die Ket­ten wer­den, des­to wei­ter lie­gen die Kopp­lungs­stel­len des nicht ver­netz­ten Sili­kons im Mit­tel aus­ein­an­der. Eine gewis­se Ent­fer­nung der Kopp­lungs­stel­len zuein­an­der darf jedoch nicht über­schrit­ten wer­den, da sie die Kata­ly­sa­tor­mo­le­kü­le sonst nicht mehr mit­ein­an­der kop­peln kön­nen. Somit blei­ben eini­ge Mole­kü­len­den nur ein­sei­tig ange­bun­den, und eini­ge weni­ge Mole­kül­ket­ten wer­den gar nicht ins Netz­werk ein­po­ly­me­ri­siert. Sie blei­ben frei beweg­lich. Das ist einer­seits güns­tig, da beson­ders wei­che Kunst­stof­fe grund­sätz­lich nur durch sol­che frei beweg­li­chen Ket­ten oder ande­re Flüs­sig­kei­ten rea­li­sier­bar sind. Bei­spie­le dafür sind die Weich­ma­cher im PVC oder das Was­ser in Gum­mi­bär­chen. Ver­duns­tet etwas Was­ser aus den Gum­mi­bär­chen, wer­den sie spür­bar här­ter. Ande­rer­seits brin­gen die­se nicht voll ins Netz­werk ein­ge­bun­de­nen Öle auch Nach­tei­le mit sich, da ihre nicht abre­agier­ten Kopp­lungs­stel­len die Liner-Ober­flä­che kleb­rig machen.

Es gibt jedoch eine Mög­lich­keit, die so zustan­de kom­men­de Kleb­rig­keit wie­der zu redu­zie­ren: die Bei­mi­schung von Sili­kon­ölen, die auch an den Enden mit den nicht kleb­ri­gen Methyl­grup­pen abge­sät­tigt sind. Aber wel­che Ket­ten­län­gen funk­tio­nie­ren am bes­ten? Und wie viel davon gibt man in die Rezeptur?

Um die­se Fra­gen beant­wor­ten zu kön­nen, müs­sen zunächst Aus­öl­ver­hal­ten und Kleb­rig­keits­le­vel mess­bar gemacht machen. Die ana­ly­ti­schen Fra­ge­stel­lun­gen sind hier­bei so spe­zi­fisch, dass man oft kei­ne pas­sen­de nor­mier­te Test­me­tho­dik mit den dazu pas­sen­den Gerä­ten fin­det. Somit gilt es indi­vi­du­el­le Lösun­gen zu ent­wi­ckeln, wie die fol­gen­den Bei­spie­le zeigen.

Die Abbil­dun­gen 8 und 9 zei­gen den ers­ten Pro­to­typ einer Appa­ra­tur, mit der bei dem Unter­neh­men Medi im Rah­men der Sili­kon­ent­wick­lung erst­ma­lig die repro­du­zier­ba­re Bestim­mung des Ölab­ga­be­ver­hal­tens von Sili­kon­mus­tern gelang.

Die fol­gen­de Mess­me­tho­dik liegt zugrun­de: Sili­kon­schei­be und Stahl­um­ran­dung haben die glei­che Höhe (12 mm). Auf der Sili­kon­schei­be wer­den 4 run­de, im Norm­kli­ma vor­kon­di­tio­nier­te Papier­blätt­chen plat­ziert, auf die wie­der­um klei­ne Stahl­schei­ben (14 × 4 mm) gelegt wer­den. Dann wird ein trans­pa­ren­ter Deckel auf­ge­schraubt. Er liegt plan auf der Stahl­um­ran­dung und der Sili­kon­schei­be auf, drückt die Schei­be jedoch nicht zusam­men. Die Stahl­scheib­chen wer­den hin­ge­gen um 4 mm in die Sili­kon­schei­be hin­ein­ge­drückt (s. Abb. 9).

Da die Ölab­ga­be von Sili­kon­mus­tern mit der Ver­for­mung des mole­ku­la­ren Netz­wer­kes zunimmt, wird das Öl hier gleich­sam aus der Pro­be her­aus­ge­presst und von den Papier­blätt­chen auf­ge­so­gen. Abschlie­ßend wird die Gewichts­zu­nah­me der Papier­blätt­chen wäh­rend des Tests und somit die Men­ge des aus­ge­tre­te­nen Öls bestimmt.

Die­ser Ver­such erklärt auch, war­um Liner mit Gleit­be­schich­tung an Stel­len mit zu hohem Druck im Schaft ihre Rut­sch­ei­gen­schaf­ten ver­lie­ren kön­nen: Kleb­ri­ges Öl wird aus dem Sili­kon gedrückt, durch­dringt die Rutsch­be­schich­tung durch Poren oder Mikro­ris­se und legt sich als Film auf die Außen­sei­te des Liners.

Zur Bestim­mung der Kleb­rig­keit kommt wie­der die Zug­prüf­ma­schi­ne zum Ein­satz. Zunächst wird über einen defi­nier­ten Zeit­raum hin­weg ein Gewicht (Abb. 10) auf der Sili­ko­n­ober­flä­che abge­setzt. Es weist an der Unter­sei­te ein Kunst­stoff­plätt­chen (Abb. 11) mit ähn­li­chen Anhaf­tungs­ei­gen­schaf­ten wie die mensch­li­che Haut auf. Dann wird es mit vor­ge­ge­be­ner Geschwin­dig­keit abge­ho­ben – unter Mes­sung der zum Ablö­sen not­wen­di­gen Kraft.

Gleit­be­schich­tung von Silikonen

Am Markt gibt es zwei unter­schied­li­che Tech­no­lo­gien zum Appli­zie­ren von Gleit­schich­ten auf Sili­kon. Nor­ma­ler­wei­se wird Sili­kon mit einer Sub­stanz namens Poly­par­a­xy­lol (Han­dels­na­me „Pary­l­e­ne”) beschich­tet. Zu die­sem Zweck wird eine hoch­re­ak­ti­ve Ver­bin­dung in einer Vaku­um­kam­mer auf der Ober­flä­che des Liners abge­schie­den. Sie besteht aus zwei Xylo­lein­hei­ten. Die­ser Pro­zess bringt meh­re­re Her­aus­for­de­run­gen mit sich 4:

  1. Durch sei­ne wei­ter oben beschrie­be­ne Dif­fu­si­ons­of­fen­heit nimmt das Sili­kon ger­ne Gase und leicht­flüch­ti­ge Stof­fe auf. Im Vaku­um wer­den die­se Stof­fe aber wie­der frei­ge­setzt – und zwar umso schnel­ler, je höher die Tem­pe­ra­tur steigt. Bevor also der Abschei­de­pro­zess beginnt, müs­sen die Vaku­um­pum­pen nicht nur die Luft aus der Kam­mer zie­hen, son­dern auch die flüch­ti­gen Stof­fe aus dem Liner.
  2. Das Pary­l­e­ne selbst ist nicht aus­rei­chend elas­tisch 4. Somit muss die Schicht mit defi­niert ver­fal­te­ter Mikro­struk­tur (Abb. 12) auf­ge­bracht wer­den, um das zusätz­li­che Maß an Deh­nung zu generieren.

Bei Medi wird ein ande­rer Weg beschrit­ten: Ein auf Sili­kon-Copo­ly­me­ren basie­ren­der Lack wird auf die Liner-Ober­flä­che auf­ge­bracht. Beim Aus­här­ten ent­steht eine Struk­tur (Abb. 13), die ver­hin­dert, dass sich die Sili­ko­n­ober­flä­chen gegen­sei­tig anzie­hen bezie­hungs­wei­se auf­ein­an­der haf­ten können.

Das Mate­ri­al ist für die Anwen­dung eben­falls nicht elas­tisch genug. Um die not­wen­di­ge Dehn­bar­keit zu erzie­len, wur­de hier ein ande­rer Lösungs­an­satz gewählt. Die aus­ge­här­te­te Lack­schicht weist punk­tu­el­le Mikro-Soll­bruch­stel­len auf. Bei Ver­deh­nun­gen, die die Elas­ti­zi­tät des Grund­ma­te­ri­als über­stei­gen, gehen Poren auf. Sobald die Ver­deh­nung nach­lässt, schlie­ßen sie sich wie­der. Des­halb ver­liert die­se Beschich­tung ab einer gewis­sen Deh­nung ihre Trans­pa­renz, wird aber wie­der trans­pa­rent, sobald die Deh­nung zurück­geht. Stark ver­dehn­te Liner mit die­ser Beschich­tung und Schnee haben somit zumin­dest eine Gemein­sam­keit: Licht­bre­chungs­ef­fek­te las­sen das eigent­lich trans­pa­ren­te Mate­ri­al weiß erscheinen.

Fazit

Damit Liner den viel­fäl­ti­gen Bedürf­nis­sen von Anwen­dern gerecht wer­den kön­nen, müs­sen die Eigen­schaf­ten des Grund­ma­te­ri­als mög­lichst genau an deren spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen ange­passt wer­den. Die indus­tri­el­len Anbie­ter von Sili­ko­nen kön­nen dar­auf nur bedingt ein­ge­hen, da die in der Ortho­pä­die übli­chen Ton­na­gen Son­der­ent­wick­lun­gen wenig lukra­tiv machen.

Eine Mög­lich­keit, die­ser Her­aus­for­de­rung als Liner-Her­stel­ler zu begeg­nen, ist der Auf­bau der erfor­der­li­chen Fer­ti­gungs­tie­fe – auch bei Syn­the­se und For­mu­lie­rung der ein­ge­setz­ten Materialien.

Der Autor:
Dipl.-Ing. Chris­tof Kurth
Pro­jekt­lei­ter Liner-Entwicklung
Medi GmbH & Co. KG
Medi­cus­stra­ße 1
95448 Bay­reuth
c.kurth@medi.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Kurth C. Liner-Sili­kon – ein unge­wöhn­li­ches Mate­ri­al wird an sei­nen Ein­satz­zweck ange­passt. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (2): 34–38
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