Augenscheinlich sind im ersten Dreivierteljahr 2020 vor allem ein Defizit von knapp 1,7 Milliarden Euro, die Ausgabenzuwächse der Krankenkassen von 4,2 Prozent, das 5,1‑Milliarden Euro-Defizit des Gesundheitsfonds, der nur mäßige Zuwachs der Beitragseinahmen, aber auch deutliche Entlastungseffekte während der Corona-Wellen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versprach indes, den gesetzlichen Krankenversicherungen in diesem und auch im nächsten Jahr durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss unter die Arme zu greifen.
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben ist größer geworden. Die 105 gesetzlichen Krankenkassen verzeichneten im 1. bis 3. Quartal ein Minus von knapp 1,7 Milliarden Euro. Die Finanzreserven lagen zum 30. September 2020 dennoch bei 17,8 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,81 Monatsausgaben und damit im Durchschnitt etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve.
Einnahmen in Höhe von 194,7 Milliarden Euro standen Ausgaben von rund 196,3 Milliarden Euro gegenüber. Die Einnahmen der Krankenkassen, die sie in erster Linie durch vorab festgelegte Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, sind um 4,0 Prozent gestiegen. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 4,2 Prozent. Dies entspricht dem Ausgabenzuwachs, den der GKV-Schätzerkreis für das Gesamtjahr 2020 (Prognose: 4,3 Prozent) erwartet hat. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz liegt weiterhin stabil bei 1,0 Prozent.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2020 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 10,2 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. bis 3. Quartal ein Defizit von rund 5,1 Milliarden Euro. Dieses ist maßgeblich auf konjunkturbedingte Mindereinnahmen sowie auf Ausgleichszahlungen an Leistungserbringer zurück zu führen. Für die Ausgleichszahlungen wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bis Ende September rund 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Davon hat der Bund als Kompensation für die Ausgleichszahlungen aufgrund von Belegungsrückgängen in Krankenhäusern für das 1. bis 3. Quartal rund 8,8 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds erstattet.
Der Zuwachs der Beitragseinahmen blieb mit lediglich 2,1 Prozent erheblich hinter den Veränderungsraten der Vorjahre mit durchschnittlich deutlich über vier Prozent zurück. „Deshalb war es für die GKV wichtig, dass der Bund die Einnahmen des Gesundheitsfonds durch einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in der zweiten Jahreshälfte 2020 stabilisiert hat“, heißt es vonseiten des BMG.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Beschleunigung des Ausgabenanstiegs im 3. Quartal nach einem Rückgang im isolierten 2. Quartal spiegelt vor allem eine wieder erhöhte Inanspruchnahme von Leistungen in den Sommermonaten wider. Bedingt durch die zweite Corona-Welle muss erneut mit einer rückläufigen Leistungsinanspruchnahme außerhalb der Versorgung von Covid-19-Patienten gerechnet werden.
Nach einem Ausgabenrückgang im 2. Quartal ist es im 3. Quartal im Zuge einer Normalisierung des Leistungsgeschehens – teilweise verbunden mit erwartbaren „Nachholeffekten“ – wieder zu steigenden Ausgaben gekommen. Das gilt insbesondere für den Bereich der ärztlichen Behandlung, deren Zuwachs nach einem Anstieg von 4,5 Prozent im 1. Halbjahr auf 7,4 Prozent für das 1. bis 3. Quartal gestiegen ist. Da für das 2. und 3. Quartal noch keinerlei Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten noch in hohem Maße von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt.
Auch bei den Krankenhausausgaben, die im 1. Halbjahr noch um 2,4 Prozent zurückgingen, verbuchten die Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal wieder einen Anstieg von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende September rund 8,8 Milliarden Euro aus Steuermitteln für freigehaltene Betten erhielten.
Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen im 1. bis 3. Quartal um 6,1 Prozent. Hier haben sich die Ausgabenzuwächse im Jahresverlauf abgeflacht. Dabei führt auch die Absenkung der Mehrwertsteuer in der zweiten Jahreshälfte zu Entlastungen.
Zweistellige Zuwachsraten gab es hingegen weiterhin bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 12 Prozent verzeichneten. Im Vergleich zum Halbjahr mit einem Plus von mehr als 14 Prozent ist hier jedoch ein rückläufiger Trend zu beobachten.
Steigende Ausgaben bei Hilfsmitteln
In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 sind die Ausgaben im Hilfsmittelbereich zudem um 195 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 7,2 Milliarden Euro gestiegen. Damit entfallen vier Prozent aller GKV-Ausgaben auf den Hilfsmittelbereich.
Ausgabenrückgänge gab es im 1. bis 3. Quartal im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum bei zahnärztlicher Behandlung (-0,4 Prozent), bei Zahnersatz (-7,2 Prozent), Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (-15,2 Prozent) sowie Früherkennungsmaßnahmen (-2,2 Prozent).
Die Ausgaben sind in vielen Leistungsbereichen von Schätzverpflichtungen geprägt, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2020 werden erst Anfang März 2021 vorliegen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 ist aber davon auszugehen, dass es in der laufenden zweiten Corona-Welle wieder zu deutlichen Entlastungseffekten auf der Ausgabenseite der Krankenkassen kommen wird, die auch im ersten Quartal 2021 anhalten könnten, heißt es in der Pressemitteilung des BMG. Daher erhofft man sich eine günstigere Ausgabenentwicklung im Vergleich zur Prognose sowohl für das laufende als auch für das kommende Jahr. Mit einer stabilen Finanzierungsgrundlage der GKV rechnet man für 2021 auch dank des Maßnahmenpakets der Bundesregierung. Die drohende Finanzierungslücke für 2021 werde durch einen ergänzenden Bundeszuschuss von 5 Milliarden Euro, eine leistungsgerechte Abführung aus den Finanzreserven der Krankenkassen in Höhe von 8 Milliarden Euro sowie die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,2 Beitragssatzpunkte geschlossen. Damit könne die vom Bundeskabinett im Juni 2020 beschlossene Sozialgarantie zur Begrenzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auf unter 40 Prozent auch 2021 eingehalten werden.
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