GKV bekommt Coro­na zu spüren

Die Pandemie hinterlässt immer deutlichere Spuren bei den Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen, wie die Finanzentwicklung des GKV-Spitzenverbandes als zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland und auf europäischer sowie internationaler Ebene im ersten bis dritten Quartal 2020 zeigt, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Anfang Dezember mit vorläufigen Zahlen unterlegte.

Augen­schein­lich sind im ers­ten Drei­vier­tel­jahr 2020 vor allem ein Defi­zit von knapp 1,7 Mil­li­ar­den Euro, die Aus­ga­ben­zu­wäch­se der Kran­ken­kas­sen von 4,2 Pro­zent, das 5,1‑Milliarden Euro-Defi­zit des Gesund­heits­fonds, der nur mäßi­ge Zuwachs der Bei­trags­ei­nah­men, aber auch deut­li­che Ent­las­tungs­ef­fek­te wäh­rend der Coro­na-Wel­len. Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn ver­sprach indes, den gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­run­gen in die­sem und auch im nächs­ten Jahr durch einen zusätz­li­chen Bun­des­zu­schuss unter die Arme zu greifen.

Anzei­ge

Die Sche­re zwi­schen Ein­nah­men und Aus­ga­ben ist grö­ßer gewor­den. Die 105 gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen ver­zeich­ne­ten im 1. bis 3. Quar­tal ein Minus von knapp 1,7 Mil­li­ar­den Euro. Die Finanz­re­ser­ven lagen zum 30. Sep­tem­ber 2020 den­noch bei 17,8 Mil­li­ar­den Euro. Dies ent­spricht 0,81 Monats­aus­ga­ben und damit im Durch­schnitt etwa dem Vier­fa­chen der gesetz­lich vor­ge­se­he­nen Mindestreserve.

Ein­nah­men in Höhe von 194,7 Mil­li­ar­den Euro stan­den Aus­ga­ben von rund 196,3 Mil­li­ar­den Euro gegen­über. Die Ein­nah­men der Kran­ken­kas­sen, die sie in ers­ter Linie durch vor­ab fest­ge­leg­te Zuwei­sun­gen aus dem Gesund­heits­fonds erhal­ten, sind um 4,0 Pro­zent gestie­gen. Die Aus­ga­ben für Leis­tun­gen und Ver­wal­tungs­kos­ten ver­zeich­ne­ten bei einem Anstieg der Ver­si­cher­ten­zah­len von 0,3 Pro­zent einen Zuwachs von 4,2 Pro­zent. Dies ent­spricht dem Aus­ga­ben­zu­wachs, den der GKV-Schät­zer­kreis für das Gesamt­jahr 2020 (Pro­gno­se: 4,3 Pro­zent) erwar­tet hat. Der durch­schnitt­lich von den Kran­ken­kas­sen erho­be­ne Zusatz­bei­trags­satz liegt wei­ter­hin sta­bil bei 1,0 Prozent.

Ergeb­nis des Gesundheitsfonds

Der Gesund­heits­fonds, der zum Stich­tag 15. Janu­ar 2020 über eine Liqui­di­täts­re­ser­ve in einer Grö­ßen­ord­nung von rund 10,2 Mil­li­ar­den Euro ver­füg­te, ver­zeich­ne­te im 1. bis 3. Quar­tal ein Defi­zit von rund 5,1 Mil­li­ar­den Euro. Die­ses ist maß­geb­lich auf kon­junk­tur­be­ding­te Min­der­ein­nah­men sowie auf Aus­gleichs­zah­lun­gen an Leis­tungs­er­brin­ger zurück zu füh­ren. Für die Aus­gleichs­zah­lun­gen wur­den aus der Liqui­di­täts­re­ser­ve des Gesund­heits­fonds bis Ende Sep­tem­ber rund 10,5 Mil­li­ar­den Euro aus­ge­zahlt. Davon hat der Bund als Kom­pen­sa­ti­on für die Aus­gleichs­zah­lun­gen auf­grund von Bele­gungs­rück­gän­gen in Kran­ken­häu­sern für das 1. bis 3. Quar­tal rund 8,8 Mil­li­ar­den Euro an den Gesund­heits­fonds erstattet.

Der Zuwachs der Bei­trags­ei­nah­men blieb mit ledig­lich 2,1 Pro­zent erheb­lich hin­ter den Ver­än­de­rungs­ra­ten der Vor­jah­re mit durch­schnitt­lich deut­lich über vier Pro­zent zurück. „Des­halb war es für die GKV wich­tig, dass der Bund die Ein­nah­men des Gesund­heits­fonds durch einen ergän­zen­den Bun­des­zu­schuss in Höhe von 3,5 Mil­li­ar­den Euro in der zwei­ten Jah­res­hälf­te 2020 sta­bi­li­siert hat“, heißt es von­sei­ten des BMG.

Ent­wick­lun­gen bei den Ausgaben

Die Beschleu­ni­gung des Aus­ga­ben­an­stiegs im 3. Quar­tal nach einem Rück­gang im iso­lier­ten 2. Quar­tal spie­gelt vor allem eine wie­der erhöh­te Inan­spruch­nah­me von Leis­tun­gen in den Som­mer­mo­na­ten wider. Bedingt durch die zwei­te Coro­na-Wel­le muss erneut mit einer rück­läu­fi­gen Leis­tungs­in­an­spruch­nah­me außer­halb der Ver­sor­gung von Covid-19-Pati­en­ten gerech­net werden.

Nach einem Aus­ga­ben­rück­gang im 2. Quar­tal ist es im 3. Quar­tal im Zuge einer Nor­ma­li­sie­rung des Leis­tungs­ge­sche­hens – teil­wei­se ver­bun­den mit erwart­ba­ren „Nach­hol­ef­fek­ten“ – wie­der zu stei­gen­den Aus­ga­ben gekom­men. Das gilt ins­be­son­de­re für den Bereich der ärzt­li­chen Behand­lung, deren Zuwachs nach einem Anstieg von 4,5 Pro­zent im 1. Halb­jahr auf 7,4 Pro­zent für das 1. bis 3. Quar­tal gestie­gen ist. Da für das 2. und 3. Quar­tal noch kei­ner­lei Abrech­nungs­da­ten der Ärz­te vor­lie­gen, sind die­se Ver­än­de­rungs­ra­ten noch in hohem Maße von Ein­schät­zun­gen der Kran­ken­kas­sen geprägt.

Auch bei den Kran­ken­haus­aus­ga­ben, die im 1. Halb­jahr noch um 2,4 Pro­zent zurück­gin­gen, ver­buch­ten die Kran­ken­kas­sen im 1. bis 3. Quar­tal wie­der einen Anstieg von 1,6 Pro­zent gegen­über dem Vor­jah­res­zeit­raum. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass die Kran­ken­häu­ser bis Ende Sep­tem­ber rund 8,8 Mil­li­ar­den Euro aus Steu­er­mit­teln für frei­ge­hal­te­ne Bet­ten erhielten.

Die Aus­ga­ben für Arz­nei­mit­tel stie­gen im 1. bis 3. Quar­tal um 6,1 Pro­zent. Hier haben sich die Aus­ga­ben­zu­wäch­se im Jah­res­ver­lauf abge­flacht. Dabei führt auch die Absen­kung der Mehr­wert­steu­er in der zwei­ten Jah­res­hälf­te zu Entlastungen.

Zwei­stel­li­ge Zuwachs­ra­ten gab es hin­ge­gen wei­ter­hin bei den Kran­ken­geld­aus­ga­ben, die einen Anstieg von 12 Pro­zent ver­zeich­ne­ten. Im Ver­gleich zum Halb­jahr mit einem Plus von mehr als 14 Pro­zent ist hier jedoch ein rück­läu­fi­ger Trend zu beobachten.

Stei­gen­de Aus­ga­ben bei Hilfsmitteln

In den ers­ten neun Mona­ten des Jah­res 2020 sind die Aus­ga­ben im Hilfs­mit­tel­be­reich zudem um 195 Mil­lio­nen Euro im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum auf 7,2 Mil­li­ar­den Euro gestie­gen. Damit ent­fal­len vier Pro­zent aller GKV-Aus­ga­ben auf den Hilfsmittelbereich.

Aus­ga­ben­rück­gän­ge gab es im 1. bis 3. Quar­tal im Ver­gleich zum ent­spre­chen­den Vor­jah­res­zeit­raum bei zahn­ärzt­li­cher Behand­lung (-0,4 Pro­zent), bei Zahn­ersatz (-7,2 Pro­zent), Vor­sor­ge- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­men (-15,2 Pro­zent) sowie Früh­erken­nungs­maß­nah­men (-2,2 Prozent).

Die Aus­ga­ben sind in vie­len Leis­tungs­be­rei­chen von Schätz­ver­pflich­tun­gen geprägt, da Abrech­nungs­da­ten häu­fig noch nicht oder nur teil­wei­se vor­lie­gen. Die vor­läu­fi­gen Finanz­ergeb­nis­se der Kran­ken­kas­sen für das Gesamt­jahr 2020 wer­den erst Anfang März 2021 vor­lie­gen. Vor dem Hin­ter­grund der Erfah­run­gen aus dem Früh­jahr 2020 ist aber davon aus­zu­ge­hen, dass es in der lau­fen­den zwei­ten Coro­na-Wel­le wie­der zu deut­li­chen Ent­las­tungs­ef­fek­ten auf der Aus­ga­ben­sei­te der Kran­ken­kas­sen kom­men wird, die auch im ers­ten Quar­tal 2021 anhal­ten könn­ten, heißt es in der Pres­se­mit­tei­lung des BMG. Daher erhofft man sich eine güns­ti­ge­re Aus­ga­ben­ent­wick­lung im Ver­gleich zur Pro­gno­se sowohl für das lau­fen­de als auch für das kom­men­de Jahr. Mit einer sta­bi­len Finan­zie­rungs­grund­la­ge der GKV rech­net man für 2021 auch dank des Maß­nah­men­pa­kets der Bun­des­re­gie­rung. Die dro­hen­de Finan­zie­rungs­lü­cke für 2021 wer­de durch einen ergän­zen­den Bun­des­zu­schuss von 5 Mil­li­ar­den Euro, eine leis­tungs­ge­rech­te Abfüh­rung aus den Finanz­re­ser­ven der Kran­ken­kas­sen in Höhe von 8 Mil­li­ar­den Euro sowie die Anhe­bung des durch­schnitt­li­chen Zusatz­bei­trags­sat­zes um 0,2 Bei­trags­satz­punk­te geschlos­sen. Damit kön­ne die vom Bun­des­ka­bi­nett im Juni 2020 beschlos­se­ne Sozi­al­ga­ran­tie zur Begren­zung des Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trags auf unter 40 Pro­zent auch 2021 ein­ge­hal­ten werden.

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