Fehl­stel­lun­gen und Fehl­be­las­tun­gen des Fußes und deren Kor­rek­tur durch ortho­pä­di­sche Hilfsmittel

H. Böhm, C. U. Dussa
Anhand der Fußdeformitäten Knick-Senkfuß, Klumpfuß und Spitzfuß werden in diesem Artikel die Fehlstellungen und die damit verbundenen Belastungen und Funktionseinschränkungen beschrieben. Der Knick-Senkfuß bildet keinen stabilen Hebel beim Fußabdruck – zur Kompensation ist eine höhere Muskelaktivität notwendig, die zu einer höheren Muskelbelas­tung und somit zu Schmerzen führen kann. Bei einem rezidiven Klumpfuß hingegen ist die flexible Anpassung des Fußes an Unebenheiten eingeschränkt; dies erhöht die Gefahr umzuknicken. Der Spitzfuß schließlich führt zu einer geringeren Auflagefläche des Fußes und somit zu einem instabilen Gangbild und zu einer höheren Belastung des Mittelfußes. Der Artikel stellt orthopädische Hilfsmittel zur Behandlung von Knick-Senkfuß, Klumpfuß und Spitzfuß vor und erläutert deren Indikation und Wirkungsweise.

Ein­lei­tung

Fuß­de­for­mi­tä­ten sind eine hete­ro­ge­ne Grup­pe ange­bo­re­ner oder erwor­be­ner Erkran­kun­gen, die nach ihrem kli­ni­schen Erschei­nungs­bild klas­si­fi­ziert wer­den. Knick-Senk­fuß, idio­pa­thi­scher Klump­fuß und idio­pa­thi­scher Spitz­fuß mit Zehen­gang sind die bekann­tes­ten Defor­mi­tä­ten im Kin­des­al­ter. Davon stel­len Knick-Senk­fuß und Klump­fuß auf­grund des Kar­dan­me­cha­nis­mus im obe­ren und unte­ren Sprung­ge­lenk Abwei­chun­gen in genau ent­ge­gen­setz­te Rich­tun­gen dar 1. Somit ver­deut­li­chen bei­de Fuß­for­men reprä­sen­ta­tiv die unter­schied­li­che Bio­me­cha­nik von Fuß­fehl­stel­lun­gen und deren Aus­wir­kun­gen. Der Knick-Senk­fuß ist in den häu­figs­ten Fäl­len durch ein abge­flach­tes Längs­ge­wöl­be, einen Val­gus im Rück­fuß und einen abdu­zier­ten und supi­nier­ten Vor­fuß cha­rak­te­ri­siert (Abb. 1). Der Klump­fuß hin­ge­gen zeigt meis­tens ein hohes Fuß­ge­wöl­be, einen inver­tier­ten Rück­fuß und einen addu­zier­ten und pro­nier­ten Vor­fuß. Eine zusätz­li­che Teil­kom­po­nen­te der Knick- und Klump­fuß­fehl­stel­lung kann durch einen Spitz­fuß gekenn­zeich­net sein und hat in die­sem Fal­le für die Belas­tung des Fußes eine beson­de­re Bedeu­tung. In die­sem Arti­kel wer­den daher die Fehl­stel­lun­gen und die damit ver­bun­de­nen Fehl­be­las­tun­gen bei Knick-Senk­fuß, Klump­fuß und Spitz­fuß erläu­tert und ent­spre­chen­de ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel vor­ge­stellt, die hel­fen sol­len, die Defor­mi­tät zu ver­rin­gern, um somit die Fehl­be­las­tun­gen zu redu­zie­ren und die Funk­ti­on zu verbessern.

Anzei­ge

Die nor­ma­le Fußfunktion

Da Fuß­funk­ti­on und Fuß­be­las­tung eng mit der Fuß­stel­lung ver­knüpft sind, wird im Fol­gen­den zunächst die nor­ma­le Fuß­funk­ti­on und die dazu­ge­hö­ri­ge Fuß­be­we­gung beim Gehen erläu­tert: Wäh­rend des Gehens hat der Fuß die Auf­ga­be, beim initia­len Boden­kon­takt den Auf­prall des Vor­fu­ßes zu dämp­fen und sich sodann in der Stand­pha­se an die Uneben­hei­ten des Bodens anzu­pas­sen, um eine siche­re Auf­la­ge­flä­che zu gewähr­leis­ten. Beim nach­fol­gen­den Abdruck soll­te der Fuß einen sta­bi­len Hebel bil­den, um die Kraft der Waden­mus­ku­la­tur effek­tiv zum Vor­trieb zu nut­zen 2. Die­se drei Funk­tio­nen sind in Abbil­dung 2 ver­an­schau­licht. Um die­se gegen­sätz­li­chen Funk­tio­nen einer fle­xi­blen Anpas­sung und einer sta­bi­len Kraft­über­tra­gung zu errei­chen, besteht der Fuß aus einem kom­ple­xen Sys­tem aus 28 Kno­chen, 33 Gelen­ken und 112 Bän­dern, die durch 34 Mus­keln kon­trol­liert wer­den [2]3.

Bei Stoß­dämp­fung und Last­auf­nah­me bewegt sich der Rück­fuß in eine sub­tala­re Ever­si­on (Val­gus), der Vor­fuß wird abdu­ziert und pro­niert, und die mal­leo­lä­re Ach­se ist nach innen gerich­tet. Die Ever­si­on im Rück­fuß führt zu einer paral­lelen Stel­lung der Talo­na­vi­ku­lar- und Kalka­neo­ku­bo­id-Ach­sen im Mit­tel­fuß und somit zu einer grö­ße­ren Mobi­li­tät, die in der Mit­te der Stand­pha­se eine Anpas­sung an unebe­ne Ober­flä­chen ermög­licht 4 5. Beim Fuß­ab­druck hin­ge­gen supi­niert der Fuß, der Rück­fuß bewegt sich in die sub­tala­re Inver­si­on (Varus), der Vor­fuß addu­ziert und supi­niert, und die mal­leo­lä­re Ach­se rotiert nach außen. Die Inver­si­on führt dazu, dass sich Talo­na­vi­ku­lar- und Kalka­neo­­ku­bo­id-Ach­sen im Mit­tel­fuß kreu­zen – dar­aus ent­steht ein sta­bi­ler Mit­tel­fuß für den Fuß­ab­druck6. Zusätz­lich wird durch die Exten­si­on der Zehen beim Fuß­ab­druck die Plant­ar­fas­zie ange­spannt und somit das Längs­ge­wöl­be stabilisiert.

Gestör­te Fuß­funk­ti­on bei Knick-Senk­fuß und Klump­fuß sowie deren Auswirkungen

Die zuvor beschrie­be­nen Funktionen­ sind bei dekom­pen­sier­ten Knick-Sen­k­­fü­ßen und rezi­di­ven Klump­fü­ßen ­gestört. Da es sich um kom­ple­xe Defor­mi­tä­ten in der Sagittal‑, Fron­tal- und Trans­ver­sal­ebe­ne han­delt, hilft die drei­dimensionale Fuß­ana­ly­se, die­se Fuß­deformitäten beim Gehen zu dia­gnostizieren 7. In Abbil­dung 3 wird die Bewe­gung des Rück­fu­ßes in der Fron­tal­ebe­ne von Knick-Senk­fü­ßen und Klump­fü­ßen ein­an­der gegen­über­ge­stellt. Der Knick-Senk­fuß zeigt eine exzes­si­ve Rück­fuß-Ever­si­on und erreicht bei dekom­pen­sier­ten Füßen nicht mehr die Inver­si­ons­stel­lung beim Fuß­ab­druck. Dies führt, wie oben beschrie­ben, nicht zum Ver­rie­geln der Ach­sen – somit bil­det der Knick-Senk­fuß kei­nen sta­bi­len Hebel beim Fuß­ab­druck. Ist die­se Funk­ti­on erheb­lich gestört, klagt der Pati­ent häu­fig über Symp­tome wie rasche Ermü­dung des Fußes, Schmer­zen und Ein­schrän­kun­gen bei der Sport­aus­übung. Auch wenn sol­che Füße im Kin­des­al­ter nicht immer schmerz­haft sind, kön­nen sich durch die chro­ni­sche Defor­mie­rung mit zuneh­men­dem Alter und Kör­per­ge­wicht fixier­te Defor­mi­tä­ten ent­wi­ckeln 8.

Beim rezi­di­ven Klump­fuß hin­ge­gen erkennt man eine dau­er­haf­te Inver­sion über die Stand- und Schwung­pha­se. Es mag zwar ein sta­bi­ler Hebel zum Fuß­ab­druck vor­lie­gen, die Ever­si­on im Rück­fuß dage­gen – not­wen­dig für einen fle­xi­blen Fuß zur Anpas­sung an Uneben­hei­ten – ist ein­ge­schränkt. Pati­en­ten mit Klump­fü­ßen berich­ten daher über eine erhöh­te Gefahr des Umkni­ckens, ins­be­son­de­re beim Ren­nen. Pas­siert dies häu­fi­ger, kann es zu einer chro­ni­schen Außen­band­in­sta­bi­li­tät kom­men, die zwangs­läu­fig zum Knor­pel­scha­den und dar­auf­hin zur Arthro­se im Sprung­ge­lenk führt.

Neben den dar­ge­leg­ten Aus­wir­kun­gen der Fuß­fehl­stel­lun­gen in der Sagit­tal- und Fron­tal­ebe­ne führt die Kar­dan­me­cha­nik der Fuß­ge­len­ke bei belas­te­tem Fuß zu einer Rota­ti­on der mal­leo­lä­ren Ach­se in der Trans­ver­sal­ebe­ne. Beim Knick-Senk­fuß han­delt es sich um eine exzes­si­ve Innen­rotation, beim Klump­fuß um eine Außen­ro­ta­ti­on der mal­leo­lä­ren Ach­se. Die damit ver­bun­de­ne Innen­ro­ta­ti­on des Bei­nes bei Knick-Senk­fü­ßen wird mit late­ra­len retropa­tel­la­ren Schmer­zen und media­len Knor­pel­schä­den bei Erwach­se­nen in Zusam­men­hang gebracht 910. Bei Klump­fü­ßen hin­ge­gen führt sie zu einer Außen­ro­ta­ti­on des Bei­nes, wie in Abbil­dung 4 deut­lich zu erken­nen ist. Aller­dings wur­den die Zusam­men­hän­ge zwi­schen Klump­fü­ßen und Knie- und Hüftpro­blemen im Erwach­se­nen­al­ter nach Wis­sen der Ver­fas­ser in der Lite­ra­tur bis­lang nicht beschrieben.

Fehl­be­las­tun­gen beim Spitz­fuß und deren Auswirkungen

Der Spitz­fuß mit allei­ni­gem Zehen­kon­takt beim Gehen, wie in Abbil­dung 5 gezeigt, führt zu einer über­mä­ßi­gen Belas­tung des Mit­tel­fu­ßes 11. In der Fol­ge kann sich der Fuß an die Belas­tung anpas­sen, indem sich die Auf­la­ge­flä­che des Vor­fu­ßes ver­brei­tert, wie in Abbil­dung 5 anhand eines idio­pa­thi­schen Spitz­fußes gezeigt wird. In einem ungüns­ti­ge­ren Fall kann der Mit­tel­fuß in der Sagit­tal­ebe­ne nach­ge­ben, wie bei dem neuro­genen Spitz­fuß in Abbil­dung 5 ein­drucks­voll zu sehen ist. Es wird bei die­sen aus­ge­präg­ten neu­ro­ge­nen Spitz­fü­ßen auch von einem „Durch­bre­chen“ des Fußes gespro­chen 1213.

Die Wir­kung des Spitz­fu­ßes auf die pro­xi­ma­len Gelen­ke besteht bis zu einer Spitz­fuß­stel­lung von 10°  14in einer Streck­wir­kung des Knie­ge­len­kes, die als Plant­ar­fle­xi­ons-Knie­ex­ten­si­ons-Kopp­lung bezeich­net wird 15. Bei stark aus­ge­präg­tem Spitz­fuß von über 20° wird der Hebel des Fußes klei­ner, und die Streck­wir­kung auf das Knie geht ver­lo­ren. Die Pati­en­ten zei­gen dann eine ver­mehr­te Knie­beu­gung beim Gehen 16. Die über­mä­ßi­ge Knie­beu­gung sowie Knie­stre­ckung beim Gehen hat eine ungüns­ti­ge Belas­tung des Knie­ge­len­kes zur Fol­ge, die lang­fris­tig Knie­pro­ble­me ver­ur­sa­chen kann. Bei ver­mehr­ter Knie­beu­gung besteht eine patell­ofe­mo­ra­le Über­be­las­tung, bei Knie­über­stre­ckung vor allem eine erhöh­te Belas­tung der Menis­ken und der femo­ro­ti­bia­len Gelenkfläche.

Neben der erhöh­ten Belas­tung im Mit­tel­fuß ist beim Spitz­fuß die gesam­te Auf­la­ge­flä­che beim Gehen redu­ziert, wie in Abbil­dung 5 anhand der plantaren Druck­ver­tei­lung gut zu erken­nen ist. Das Bein wird in der Mit­te der Stand­pha­se nur auf einem Druck­punkt unter der Mit­te des Vor­fu­ßes anstel­le zwei­er Druck­punk­te unter Fer­se und Vor­fuß balan­ciert. Dies führt zu einer Insta­bi­li­tät beim Gehen und Stehen.

Orthe­ti­sche Ver­sor­gung beim Knick-Senkfuß

In der ISO-Norm 8549–3 wer­den 9 Auf­ga­ben von Orthe­sen formuliert:

  • Fehl­stel­lun­gen vorbeugen,
  • Fehl­stel­lun­gen reduzieren,
  • Fehl­stel­lun­gen halten,
  • Gelenk­be­weg­lich­keit begrenzen,
  • Gelenk­be­weg­lich­keit verbessern,
  • Län­gen­aus­gleich,
  • schlaf­fe Läh­mun­gen kompensieren,
  • spas­ti­sche Läh­mun­gen kon­trol­lie­ren sowie
  • Belas­tun­gen auf Gewe­be redu­zie­ren bzw. umverteilen.

Beim Knick-Senk­fuß ist es Auf­ga­be der Orthe­se, die Fehl­stel­lung zu ver­min­dern und im Fal­le von Schmer­zen die Fehl­be­las­tun­gen auf das schmerz­haf­te Gewe­be zu redu­zie­ren. Bei der orthe­ti­schen The­ra­pie des Knick-Senk­fu­ßes beschränkt sich die­ser Arti­kel auf Pati­en­ten mit fle­xi­blem Knick-Senk­fuß. Die­se stel­len die Mehr­heit der Pati­en­ten dar – bei nur etwa 5 % der Pati­en­ten besteht eine fixier­te Defor­mi­tät – z. B. durch eine tar­sa­le Koali­tio oder einen ver­ti­ka­len Talus – und somit eine kla­re Indi­ka­ti­on zu einer ope­ra­ti­ven Ver­sor­gung 1718. Zudem beschränkt sich die Betrach­tung auf Pati­en­ten, die älter als 6 Jah­re sind, da sich das Fuß­ge­wöl­be bis zu die­sem Alter in der natür­li­chen Ent­wick­lung auf­rich­tet [15]19. Es wur­de gezeigt, dass die Fehl­be­las­tung mit vor­ge­fer­tig­ten Ein­la­gen durch die Knick-Senk­fuß-Defor­mi­tät redu­ziert wer­den kann 20. Dies erklärt, wa­rum in vie­len Stu­di­en eine Reduk­ti­on der Schmer­zen durch Ein­la­gen nach­ge­wie­sen wer­den konn­te 21.

Eine lang­fris­ti­ge Ver­bes­se­rung der Fuß­stel­lung nach 2 Jah­ren Tra­ge­dau­er wur­de mit einer indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten Scha­len­ein­la­ge in Bla­ke-Tech­nik erreicht 22. Die­se Scha­len­ein­la­ge wird so auf­ge­baut, dass sie den Rück­fuß im Sub­tal­ar­ge­lenk inver­tiert und den Vor­fuß ent­lang der Längs­ach­se des Mid­tar­sal­ge­lenks pro­niert 23. Die Fuß­stel­lung wur­de mit­tels gän­gi­ger Rönt­gen­win­kel vor und nach der Behand­lung über­prüft. In einem Über­sichts­ar­ti­kel wur­de in meh­re­ren Stu­di­en bestä­tigt, dass die indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten Ver­sor­gun­gen – ana­log zur zuvor beschrie­be­nen Stu­die – bes­se­re Ergeb­nis­se zei­gen als vor­kon­fek­tio­nier­te Ein­la­gen 24.

Es gibt aber auch eine ran­do­mi­sier­te kon­trol­lier­te Stu­die, die nach einem Jahr kei­ne signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung zwi­schen indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten oder vor­kon­fek­tio­nier­ten Ein­la­gen und einer gesun­den Kon­troll­grup­pe von ins­ge­samt 160 Kin­dern zwi­schen 7 und 11 Jah­ren nach­wei­sen konn­te 25. Dabei wur­de im Ver­gleich zur vor­her beschrie­be­nen Stu­die aller­dings ein ande­rer Orthe­sen­auf­bau mit ande­ren Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten ver­wen­det und kei­ne Rönt­gen­ana­ly­se durch­ge­führt, son­dern der Knick-Senk­fuß nur kli­nisch ver­mes­sen. Zudem war die Tra­ge­dau­er auch nur halb so lan­ge, sodass sich ins­ge­samt meh­re­re Para­me­ter unter­schei­den und sich die Ergeb­nis­se nicht mit der zuvor zitier­ten Stu­die ver­glei­chen lassen.

Zu die­ser Schluss­fol­ge­rung kommt auch eine aktu­ell erschie­ne­ne Lite­ra­tur­über­sicht zum Nach­weis der Wirk­sam­keit von Orthe­sen bei Knick-Senk­fü­ßen 26. Die Autoren bemän­geln, dass es in der Lite­ra­tur kein ein­deu­ti­ges Kri­te­ri­um für das Aus­maß der Knick-Senk­fuß-Defor­mi­tät gebe und dass zudem „Aber­tau­sen­de“ ver­schie­de­ne Ein­la­gen und Fuß­or­the­sen ein­ge­setzt wür­den – mit mini­ma­ler Recht­fer­ti­gung der Aus­wahl und unzu­rei­chen­der Beschrei­bung der Dimen­sio­nen und Materialeigenschaften.

In den zitier­ten Stu­di­en 27wur­de eine Viel­zahl dia­gnos­ti­scher Indi­ka­to­ren ange­wen­det, um den Effekt von Hilfs­mit­teln nach­zu­wei­sen. Kli­nisch kön­nen dies Jack-Test, Zehen­stand, Waden­ver­kür­zung oder Höhe des Längs­ge­wöl­bes sein 28. Im Rönt­gen­bild hat sich der TMT-Index eta­bliert 29; in der Dyna­mik beim Gehen wird der soge­nann­te Arch-Index der Druck­ver­tei­lung oder die drei­di­men­sio­na­le Fuß­kinematik ange­wen­det 30. Bei­spie­le für Ver­sor­gun­gen sind die Viel­zahl der Inserts und Ein­la­gen, ein­schließ­lich sen­so­mo­to­ri­scher Ein­la­gen, die vor­kon­fek­tio­niert oder indi­vi­du­ell ange­fer­tigt sein können.

Zusam­men­fas­send kann nach der Aus­wer­tung ein­schlä­gi­ger Stu­di­en fest­ge­stellt wer­den, dass es Nach­wei­se dafür gibt, dass Scha­len­ein­la­gen die Fehl­be­las­tun­gen bei Knick-Senk­fü­ßen ver­rin­gern kön­nen, um Belas­tun­gen des Gewe­bes und somit Schmer­zen zu redu­zie­ren. Hin­sicht­lich des lang­fris­ti­gen Kor­rek­tur­ef­fekts der Fuß­de­for­mi­tät gibt es wider­sprüch­li­che Ergeb­nis­se, die sich aber durch einen unter­schied­li­chen Orthe­sen­auf­bau oder unter­schied­li­che Mess­grö­ßen zur Bestim­mung des The­ra­pie­er­fol­ges erklä­ren lassen.

Orthe­ti­sche Ver­sor­gung beim Klumpfuß

Die Behand­lung des kon­ge­ni­talen Klump­fu­ßes erfolgt übli­cher­wei­se inner­halb der ers­ten Lebens­wo­chen im Säug­lings­al­ter mit der Pon­seti-­Me­tho­de 3132; die Füße wer­den beim Neu­ge­bo­re­nen dabei etap­pen­wei­se mit Gips­ver­bän­den redres­siert. Nach vier bis fünf Behand­lun­gen sind die Füße bis auf den Spitz­fuß aus­kor­ri­giert – die­se letz­te Kom­po­nen­te lässt sich in den meis­ten Fäl­len nur durch eine per­ku­ta­ne Teno­to­mie der Achil­les­seh­ne kor­ri­gie­ren. Zur Vor­beu­gung eines Rück­falls (Rezi­divs) muss nach der Gips­be­hand­lung in den ers­ten drei Mona­ten Tag und Nacht und danach bis zum vier­ten Lebens­jahr nur nachts eine spe­zi­el­le Abduk­ti­ons­schie­ne ange­legt wer­den. Es konn­te hier­bei gezeigt wer­den, dass die Com­pli­ance mit der Fuß­ab­duk­ti­ons­or­the­se den größ­ten Ein­fluss auf die Rezi­div­ra­te hat 33.

Bei die­ser Nacht­la­ge­rung im Klein­kind­al­ter ist der Ver­sor­gungs­stan­dard eine Denis-Brow­ne-Schie­ne, bei der bei­de Füße in Außen­ro­ta­ti­on mit einem Stab ver­bun­den wer­den. Aller­dings ist Com­pli­ance bei Klein­kin­dern durch die fes­te Ver­bin­dung bei­der Füße oft nicht gege­ben. Sie könn­te gestei­gert wer­den, wenn durch zwei Unter­schen­kel­or­the­sen, die nicht mit­einander ver­bun­den sind, der Fuß über Nacht in Außen­ro­ta­ti­on gehal­ten wür­de 3435. Ein wei­te­rer Vor­teil bestün­de dar­in, dass die­se Ver­sor­gung auch am Tag getra­gen wer­den könnte.

Bei ein­sei­ti­gem Klump­fuß besteht zudem das Risi­ko einer Knick-Senk­fuß-­Stel­lung im kon­tra­la­te­ra­len Fuß nach Tra­gen einer Denis-Brow­ne-Schie­ne 36. Bei neu­ro­lo­gi­schen Pati­en­ten mit aus­ge­präg­ter Adduk­ti­ons­stel­lung des Vor­fu­ßes wäre bei einer nicht durch einen Stab ver­bun­de­nen Ver­sor­gung ein Gegen­la­ger mit­tels in 30° Knie­beu­gung ein­ge­stell­ter Ober­schen­kel­hül­se not­wen­dig, um ent­spre­chen­de Tor­si­ons­kräf­te zu erzeu­gen. Die­se Ver­sor­gung kann dann natür­lich nur als Nacht­la­ge­rung ver­wen­det wer­den. Ent­spre­chen­de Orthe­sen zur Ver­sor­gung bei Klein­kin­dern nach der Gips­be­hand­lung sind in Abbil­dung 6 dar­ge­stellt. Besteht nach dem 4. Lebens­jahr ein Rezi­div bei Kin­dern und Jugend­li­chen, wird in den meis­ten Fäl­len eine Ope­ra­ti­on not­wen­dig 37.

Die Zahl der Stu­di­en zur Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung bei idio­pa­thi­schen ado­les­zen­ten rezi­di­ven Klump­fü­ßen ist nach der Recher­che durch die Ver­fas­ser gering. Des­halb wer­den im Fol­gen­den Ver­sor­gun­gen exem­pla­risch vor­ge­stellt, die bei Klump­fuß-Rezi­di­ven nach einer The­ra­pie im Klein­kind­al­ter hel­fen kön­nen, die Fuß­stel­lung beim Gehen zu ver­bes­sern. Wie bereits zuvor beschrie­ben, bestehen durch die Rück­fuß-Inver­si­on eine redu­zier­te Sta­bi­li­tät in der Stand­pha­se und ein erhöh­ter Druck am Fuß­au­ßen­rand. Zudem führt die Adduk­ti­on des Vor­fu­ßes zu einem Ein­wärts­gang, der eine erhöh­te Stol­per- und Sturz­nei­gung zur Fol­ge hat. Im Fall eines gering aus­ge­präg­ten Klump­fu­ßes mit Adduk­ti­on des Vor­fu­ßes kann durch eine Ein­la­ge mit inte­grier­tem Lap­pen medi­al des Hal­lux bis zur Meta­tar­sa­le-1-Basis die Adduk­ti­ons­stel­lung des Vor­fu­ßes kor­ri­giert wer­den. Als Gegen­la­ger dient eine Abstüt­zung an der late­ra­len Fer­se, wie in Abbil­dung 7 gezeigt wird. Besteht eine aus­ge­präg­te Inver­si­on des Rück­fu­ßes, die sich manu­ell gut redres­sie­ren lässt, kann mit einer ring­för­mi­gen Kalka­neus-Repo­si­ti­ons­or­the­se wie in Abbil­dung 8 der Rück­fuß und mit einem medi­al aus­ge­zo­ge­nen Lap­pen bis zum Vor­fuß die Vor­fuß­ad­duk­ti­on redu­ziert wer­den. Die phy­sio­lo­gi­sche Val­gusstel­lung wird dabei durch eine Kalka­neus-Rota­ti­on beim Anzieh­vor­gang eingestellt.

Die Zie­le der Ver­sor­gung bei einem rezi­di­ven Klump­fuß lauten:

  • die patho­lo­gi­sche Belas­tung des Fußes zu verringern,
  • die Kon­takt­flä­che des Fußes zu ver­grö­ßern und
  • ein Umkni­cken des Fußes zu verhindern.

Da es nur weni­ge ein­schlä­gi­ge Stu­di­en gibt, kann zur lang­fris­ti­gen Ver­bes­se­rung der Fuß­de­for­mi­tät durch Orthe­sen bei ado­les­zen­ten idio­pa­thi­schen Klump­fü­ßen kei­ne Anga­be gemacht werden.

Bezüg­lich aller auf­ge­zeig­ten orthe­ti­schen Ver­sor­gun­gen ist anzu­mer­ken, dass die Abbil­dun­gen zwar zum bes­se­ren Ver­ständ­nis den Auf­bau ohne Schu­he zei­gen, dass sie aber nur mit einem Schuh ihre vol­le Wir­kung ent­fal­ten. Wich­tig sind bei kon­fek­tio­nier­ten Schu­hen die Brand­soh­le, eine fes­te Fer­sen­kap­pe und die Schnü­rung. Die Schu­he müs­sen nicht unbe­dingt grö­ßer sein – es ist oft aus­rei­chend, die kon­fek­tio­nier­te Ein­la­ge aus dem Schuh her­aus­zu­neh­men, um den not­wen­di­gen Platz für die Orthe­se zu schaffen.

Orthe­ti­sche Ver­sor­gung beim Spitzfuß

Ein­la­gen mit Fer­sen­er­hö­hung sind vor­teil­haft, um bei einem Zehen­spit­zen­gang eine grö­ße­re Auf­la­ge­flä­che zu schaf­fen, um den Druck auf dem Vor­fuß und die Bie­ge­be­las­tun­gen auf den Mit­tel­fuß zu redu­zie­ren. Dies ist indi­ziert, wenn eine knö­cher­ne Fehl­stel­lung oder ein Zehen­spit­zen­gang ohne Ver­kür­zung der Waden­mus­ku­la­tur vor­liegt. Bei­spie­le für knö­cher­ne Fehl­stel­lun­gen sind ein abge­flach­ter Talus­kopf, der bei Klump­fü­ßen häu­fig auf­tritt 38, sowie ein Vor­fuß­spitz­fuß. Ein Zehen­spit­zen­gang kann auch bei regu­lä­rer Dor­sal­fle­xi­on im Sprung­gelenk durch eine ver­mehr­te Beu­ge­hal­tung der Knie und Hüf­te beim Gehen ver­ur­sacht werden.

Bei Pati­en­ten mit einer Ver­kür­zung der Waden­mus­ku­la­tur hin­ge­gen kann die Spitz­fuß­stel­lung durch Unter­schen­kel­or­the­sen ver­bes­sert wer­den. Beim Gehen mit Unter­schen­kel­or­the­sen zeig­te eine Ana­ly­se über meh­re­re Stu­di­en, dass bei Pati­en­ten mit Zere­bralparese der Zehen­gang im Mit­tel um 1,6° in der Stand­pha­se redu­ziert wur­de 39. Wich­ti­ger ist aber, dass auch eine lang­fris­ti­ge Kor­rek­tur des Bar­fuß­gan­ges ohne Orthe­sen durch pro­gres­si­ves Deh­nen mit Unter­schen­kel­or­the­sen von mehr als 6 von 24 Stun­den am Tag erreicht wer­den kann 4041. Nach einer Tra­ge­dau­er von 3 Mona­ten hat sich z. B. der Soh­len­win­kel bei initia­lem Boden­kon­takt von einem Zehen­erst­kon­takt hin zu einem nor­ma­len Fer­sen­kon­takt ver­bes­sert. Posi­ti­ve Effek­te wur­den hier sowohl bei Kin­dern mit idio­pa­thi­schem Zehen­gang 42 als auch bei Kin­dern mit Zere­bral­pa­re­se nach­ge­wie­sen [34]43.

Schluss­fol­ge­rung

Der Knick-Senk­fuß führt zu einem insta­bi­len Hebel beim Fuß­ab­druck; dies kann zu Ein­schrän­kun­gen der Funk­ti­on und zu Schmer­zen füh­ren. Die Schmer­zen kön­nen mit Ein­la­gen gelin­dert wer­den. Bei Klump­fü­ßen hin­ge­gen besteht eine redu­zier­te Anpas­sungs­fä­hig­keit des Fußes an unebe­ne Unter­grün­de und dadurch eine erhöh­te Gefahr des Umkni­ckens beim Gehen und Ren­nen. Zudem führt die Adduk­ti­on des Vor­fu­ßes zu einer erhöh­ten Stol­per­ge­fahr. Scha­len­ein­la­gen kön­nen zur Ein­bet­tung und Gewichts­ver­la­ge­rung die­nen und die Adduk­ti­on des Vor­fu­ßes etwas kor­ri­gie­ren. Besteht zusätz­lich oder auch iso­liert ein Spitz­fuß, wir­ken hohe Kräf­te auf den Mit­tel­fuß beim Gehen. Bei knö­cher­ner Ursa­che der Spitz­fuß­stel­lung kann eine Fer­sen­er­hö­hung hel­fen; bei mus­ku­lä­ren Ursa­chen kann der Spitz­fuß mit einer Unter­schen­kel­or­the­se behan­delt werden.

Für die Autoren:
Dr. habil. Harald Böhm 
Lei­ter des Ganglabors
Ortho­pä­di­sche Kin­der­kli­nik Aschau
Behand­lungs­zen­trum Aschau GmbH
Ber­nau­er Str. 18
83229 Aschau im Chiemgau
h.boehm@bz-aschau.de

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Zita­ti­on
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