Die Schienenbehandlung bei Handverletzungen hat eine viele Jahrhunderte zurückreichende Geschichte und hat insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten an Bedeutung zugenommen 1.
Die ergotherapeutische Schiene
Ergotherapeuten können individuell angepasste Schienen innerhalb einer ergotherapeutischen (motorisch-funktionellen oder sensomotorisch-perzeptiven) Behandlung applizieren. Oftmals sind Ergotherapeuten, die eine Schienenbehandlung anbieten, auf den Bereich der Handtherapie spezialisiert und tragen die Zusatzbezeichnung „Zertifizierter Handtherapeut der AFH“ (Akademie für Hand rehabilitation) oder „Handtherapeut der DAHTH“ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie). Die „ergotherapeutische temporäre Schiene“, wie es im Heilmittelkatalog heißt, stellt dabei immer eine therapieergänzende Maßnahme dar (§ 40 HeilM-RL) und muss somit einer im Heilmittelkatalog aufgeführten Indikationsgruppe entsprechen 2. Sie ist somit kein Hilfsmittel.
Rezept und Abrechnung
Soll die individuell angepasste Schiene über die gesetzliche Krankenversicherung abgerechnet werden, muss dem Ergotherapeuten eine entsprechende ärztliche Verordnung per Heilmittelverordnung Muster 18 vorliegen (Abb. 1). Ergotherapeutische Schienen besitzen keine Hilfsmittelnummern und sind nicht als Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Dennoch sind sie für den Patienten zuzahlungsfrei und belasten das Budget des verordnenden Arztes nicht (im Gegensatz zur Heilmittelbehandlung). Die Abrechnung erfolgt über eine von zwei Positionsnummern, entsprechend der Höhe der Kosten mit oder ohne Kostenvoranschlag (die Grenze liegt hier je nach Bundesland und Krankenkasse zwischen 100 und 150 Euro).
Materialien
Ergotherapeuten stehen verschiedene Materialien zur Anfertigung von Schienen zur Verfügung. Welches Material gewählt wird, richtet sich nach Indikation und Funktion der Schiene und wird vom Ergotherapeuten entschieden.
Die meisten Schienen werden aus niederthermoplastischem Material angefertigt, das ab ca. 70 °C weich und verformbar wird und im Gegensatz zu hoch thermoplastischem Material wiederholt erwärmt und neu angepasst werden kann. Dies ist insbesondere im postoperativen Bereich von Vorteil, da die Größe der Schiene nach Abschwellung oder Verbandsabnahme problemlos angepasst werden kann und die Schiene nicht neu gebaut werden muss. Da das Material in verschiedenen Stärken und mit unterschiedlichen Materialeigenschaften erhältlich ist, kann auf eine große Bandbreite von Indikationen eingegangen werden. Niederthermoplastisches Material kann für alle Arten von Schienen wie Lagerungs‑, Korrektur‑, Funktionsersatz‑, Quengelschienen usw. verwendet werden. Ausleger oder andere Aufbauten sind leicht zu befestigen, und Polster können nach der individuellen Anpassung eingearbeitet werden.
Weitere geeignete Materialien sind die Cast-Rolle, die im weichen Zustand quer, längs und diagonal dehnfähig ist und sich somit gut an Extremitäten und Körperformen anpasst, oder der bereits gepolsterte Cast-Splint, der sich für semizirkuläre Schienen eignet. Cast-Materialien bestehen aus Fiberglas und Harz. Letzteres ist eine chemische Mixtur, die beim Kontakt mit Wasser ein vernetztes Polymer bildet. Es verbindet die Gewebe und formt so den Stützverband aus. Dieser ist anschließend nicht mehr verformbar oder zu erweichen, sondern hart, und erreicht eine hohe Stabilität bei sehr geringem Gewicht. Er kann anschließend nur noch zurechtgeschnitten werden – eine erneute Verformung oder Anpassung ist nicht möglich. Neben Cast mit Fiberglasfaser gibt es auch solches mit Polyesterfaser, das sogenannte Soft-Cast, das jedoch nur unzureichend stabilisiert und eher mit einer Bandage vergleichbar ist.
Weiches Neopren und Stoffe haben keinen stabilisierenden, sondern einen unterstützenden Charakter und eignen sich daher für Indikationen, für die eine komplette Immobilisation kontraindiziert ist. Ist mehr Stabilität erforderlich, können sie mit thermoplastischem Material kombiniert werden. Aufgrund seiner spezifischen Materialeigenschaften wie Isolation und Elastizität lässt sich Neopren insbesondere zur Schienenversorgung von Patienten mit Krankheitsbildern aus dem rheumatischen Formenkreis gut verwenden. Es isoliert und schützt den geschienten Bereich vor Kälte und Nässe, reduziert durch flächige Kompression Ödeme und kann auch über Knochenvorsprüngen appliziert werden – ohne die Gefahr, Druckstellen zu provozieren (Abb. 2).
Vorgehen des Ergotherapeuten beim Schienenbau
Da die Anfertigung der Schiene umfassende Kenntnisse über die Möglichkeiten und Einschränkungen des Patienten voraussetzt, erfolgt zunächst eine Funktionsanalyse, die im Rahmen der entsprechenden Heilmittelbehandlung abgerechnet werden kann. Darin wird der Patient auch über das Procedere des Schienenbaus aufgeklärt; es werden Sinn und Zweck der Schiene erläutert und die Materialwahl besprochen. Dann erfolgt die Schienenanpassung, entweder bei einem zweiten oder ggf. auch am selben Termin. Der Patient ist während des Fertigungsprozesses zugegen und bekommt die Schiene anschließend ausgehändigt. Oftmals wird vor der eigentlichen Schienenanpassung ein Schnittmuster angefertigt, um eine hohe Passgenauigkeit der Schiene im Anschluss zu gewährleisten (Abb. 3). Dieses wird dann auf das thermoplastische Material übertragen, das Material erwärmt, zurechtgeschnitten und an die Hand des Patienten angepasst. Nach ggf. notwendigen Korrekturen kann eine Auspolsterung der Schiene mittels verschiedener Materialien (z. B. Frottee, Stoff, Silikon) erfolgen.
Abschließend erfolgt die Kontrolle (Druckstellen, Sitz, Funktionalität etc.) der Schiene, und der Patient wird instruiert, ob, und wenn ja, wie er die Schiene an- und ablegen soll, wann und wie lange er sie zu tragen hat und was er im Falle eines Defektes tun muss. Diese Informationen bekommt er in Form eines „Schienenpasses“ zudem schriftlich ausgehändigt. Handelt es sich bei der angefertigten Schiene um eine Übungsschiene, wird der Patient ins entsprechende Übungsprogramm eingewiesen (z. B. Nachbehandlung von Sehnenverletzungen nach Kleinert). Bei schwankenden Weichteilverhältnissen oder Übungsschienen, die im Verlauf der Nachbehandlung andere Gradeinstellungen erhalten müssen, passt der Ergotherapeut die Schiene zu gegebener Zeit an (Abb. 4). Auch wird innerhalb der sich anschließenden Behandlung die Schiene auf korrekten Sitz und ggf. Defekte regelmäßig überprüft.
Beispiele ergotherapeutischer Schienen
Eine temporäre Schienenversorgung durch den Ergotherapeuten kann aus verschiedenen Gründen indiziert sein. Sie umfasst die Versorgung nach Traumata und die Sicherung von OP-Ergebnissen und deren Nachsorge. Hinzu kommt die individuelle Schienenversorgung in der Rheumatologie mit gezielter Stabilisation und Entlastung. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Überbrückung von Funktionsausfällen nach peripheren Nervenläsionen. Im Folgenden werden einige Beispiele ergotherapeutischer Schienen aus diesen Bereichen vorgestellt:
- Nach erfolgter Operation einer Du puytren’schen Kontraktur werden am zweiten postoperativen Tag mittelhandumgreifende Lagerungsschienen in 0°-Stellung der betroffenen Finger (MCP, PIP, DIP) angepasst, die einer erneuten Kontraktur durch zu starke Narbenzüge vorbeugen sollen (Abb. 5).
- Nach einer Beugesehnenverletzung kann dynamisch nach Kleinert nachbehandelt werden. Dazu bekommt der Patient eine Übungsschiene, die zwar eine aktive Streckung in Limitierung zulässt, die Beugung der Finger hingegen nur passiv durch Gummizügel erlaubt (Abb. 6). Das dazugehörige Übungsprogramm umfasst in der Regel sechs Wochen in der Schiene und weitere sechs Wochen außerhalb und wird durch den Ergotherapeuten angeleitet und überprüft.
- Eine weitere Schienenart, die Ergotherapeuten anfertigen, sind Funktionsersatzschienen, beispielsweise nach Nervenausfällen. In Abbildung 7 wird das Beispiel einer Radialisersatzschiene gezeigt, die bei bestehender Fallhand das Handgelenk in Extension stabilisiert und die Finger sowie den Daumen in einer funktionellen Ausgangsstellung für die Greiffunktion hält.
Zusammenarbeit zwischen Orthopädie-Techniker und Ergotherapeut
Wie eingangs bereits erwähnt ist der Schienenbau die Schnittstelle zwischen Orthopädie-Technik und Ergotherapie. Das gemeinsame Arbeitsfeld bezieht sich dabei hauptsächlich auf Pathologien der Hand, wie traumatische Schädigungen, postoperative Zustände oder degenerative Erkrankungen.
Beide Verfahren sind unterschiedlich und bringen ihre jeweiligen Vorteile mit sich. So sind hochthermoplastische Schienen, wie sie vom Orthopädie-Techniker angefertigt werden, langlebiger und stabiler als die – wie der Name schon sagt – temporären Schienen des Ergotherapeuten. Durch die bessere Stabilität sind sie auch weniger bruchgefährdet, was vor allem bei hohem Krafteinsatz in der Schiene (z. B. bei Nutzung während der Arbeit) bzw. bei hoher Gegenspannung (z. B. bei vorliegender Spastik) vorteilhaft ist. Die Materialeigenschaften lassen zudem häufig eine bessere und gründlichere Reinigung zu, und die Orthesen haben ein ansprechendes Design, was sich positiv auf die Compliance des Patienten auswirken kann. Insbesondere bei dynamischer Korrektur (z. B. bei Spastik) stehen dem Orthopädie-Mechaniker zudem mehr Optionen (z. B. eine sich der Gegenspannung anpassende Korrekturstärke) zur Verfügung als dem Ergotherapeuten.
Der Ergotherapeut hingegen hat den Vorteil, den Patienten innerhalb der ergotherapeutischen Behandlung betreuen zu können, und hat damit auch bessere Verlaufskontrollmöglichkeiten. Auf eine abnehmende Handschwellung und eine damit nicht mehr passende Schiene oder zu ändernde Gelenkstellungen kann dadurch unverzüglich reagiert werden. Ein ausgebildeter Handtherapeut besitzt außerdem spezifische Kenntnisse über Handanatomie, Pathologien und Heilungsprozesse, OP-Methoden und die entsprechenden Nachbehandlungsschemata. Die Fertigungszeit bei der ergotherapeutischen Schiene ist kürzer, was insbesondere im postoperativen Bereich eine wesentliche Rolle für den Rehabilitationsprozess spielt.
Diese Gegenüberstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich aufzeigen, dass auf beiden Seiten individuelle Stärken vorhanden sind. Durch eine bilaterale Kooperation können diese im Sinne des Patienten bestmöglich genutzt und eine gegenseitige Beratung bzw. Besprechung zum Vorteil beider Seiten in Anspruch genommen werden. Somit ist eine gute Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen wünschenswert und lohnenswert.
Liste zertifizierter Handtherapeuten im Internet
Da nicht alle Ergotherapeuten Schienenbau anbieten und eine Behandlung von Handpatienten durch zusätzlich qualifizierte bzw. zertifizierte Therapeuten sinnvoll erscheint, ist es für Betroffene gut zu wissen, an wen sie sich wenden können. Zertifizierte Hand-Ergo- oder auch Physiotherapeuten sind im Internet unter folgender Adresse aufgelistet.
Die Autorin:
Cornelia Paries
Akademie für Handrehabilitation
Schlossplatz 1
31812 Bad Pyrmont
c.paries@fortbildung-afh.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Paries C. Ergotherapeutische Schienenversorgung. Orthopädie Technik, 2017; 68 (2): 32–34
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024
- Boli E. Schienenbehandlung in der Handtherapie. Bern: Huber Verlag, 2012
- GKV-Spitzenverband, Deutscher Verband der Ergotherapeuten e. V. (DVE). Rahmenempfehlung über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln gemäß § 125 Abs. 1 SGB V für den Bereich Ergotherapie in der Fassung vom 15.04.2016. https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_leistungen/heilmittel/heilmittel_rahmenempfehlungen/heilmittel_ergotherapie/20160314_Rahmenempfehlung_Ergotherapie_Unterschriftsfassung.pdf (Zugriff am 21.12.2016)