Ent­wurf von elek­tro­me­cha­ni­schen Antrie­ben für den Ein­satz in aktiv ange­trie­be­nen Pro­the­sen und Orthesen

A. Ebrahimi, M. Fabian, B. Budaker
Der Artikel beschreibt die methodische Vorgehensweise beim Entwurf von Elektromotoren für den Einsatz in aktiv-angetriebenen Rehabilitationshilfen. Die zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen beim Entwurf von hochwertigen Antrieben für Orthesen und Prothesen werden diskutiert und die Anforderungen an geeignete elektrische Maschinen sowie an den Auswahlprozess der Antriebskomponenten besprochen. Anschließend wird eine aktivangetriebene Knie-Prothese als Beispiel vorgestellt. Ferner wird auf die Implementierung neuer Technologien und deren Möglichkeiten eingegangen.

Ein­lei­tung

Die Ent­wick­lung hoch­ef­fi­zi­en­ter aktiv-ange­trie­be­ner Pro­the­sen und Orthe­sen hat in den letz­ten Jah­ren stark zuge­nom­men. Dabei ist das Ziel der Ent­wurf und Auf­bau elek­tro­me­cha­ni­scher Appa­ra­tu­ren, wel­che in der Lage sind, eine natür­li­che Bewe­gung zu erzeu­gen. Berück­sich­tigt man wei­te­re Anwen­dun­gen wie bei­spiels­wei­se Exo­ske­let­te, wel­che grö­ße­re Märk­te erschlie­ßen könn­ten, gewinnt die Ent­wick­lung die­ser Sys­te­me signi­fi­kant an Bedeutung.

Anzei­ge

Der­zeit ist eine star­ke Zunah­me der Ent­wick­lung neu­er Pro­duk­te im Bereich aktiv ange­trie­be­ner ortho­pä­di­scher Hilfs­mit­tel zu ver­zeich­nen, um die Erhal­tung bezie­hungs­wei­se Wie­der­her­stel­lung der Lebens­qua­li­tät, wel­che nicht zuletzt auch von der Mobi­li­tät des Pati­en­ten abhängt, zu ermög­li­chen. Daher ist die Bedeu­tung des Ent­wurfs und der Fer­ti­gung von hoch­ef­fi­zi­en­ten Antriebs­sys­te­men ins­be­son­de­re ­ange­sichts des demo­gra­fi­schen Wan­dels der Gesell­schaft nicht zu unterschätzen.

Die­se Antrie­be und Regel­ein­hei­ten sol­len die Erzeu­gung einer mög­lichst natür­li­chen mensch­li­chen Bewe­gung ermög­li­chen. Dabei besteht das Gesamt­sys­tem im Wesent­li­chen aus EMG-Erfas­sungs­sys­te­men (Elek­tro­m­yo­gra­phie), wel­che auf der Haut ange­bracht wer­den und die Ner­ven­im­pul­se erfas­sen, der Iner­ti­al­sen­so­rik, der Intel­li­genz­ein­heit, wel­che die Bewe­gungs­si­gna­le erzeugt, sowie dem elek­tro­me­cha­ni­schen Antrieb und der Ener­gie­quel­le (Akku).

In der Regel müs­sen die­se Sys­te­me eine hoch­dy­na­mi­sche und kom­ple­xe Bewe­gung erzeu­gen, um für den Ein­satz in P&O‑Anwendungen opti­miert wer­den zu kön­nen. Hier­zu muss der Antrieb detail­liert beschrie­ben bezie­hungs­wei­se berech­net wer­den. Die ent­schei­den­den Eigen­schaf­ten des Sys­tems wer­den bestimmt und durch pas­sen­de Para­me­ter beschrie­ben. Die­se Para­me­ter wer­den anschlie­ßend so opti­miert, dass der Antrieb die gewünsch­te Funk­tio­na­li­tät bereit­stellt. Die kon­zi­pier­te Antriebs­ein­heit wird mit­hil­fe nume­ri­scher und ana­ly­ti­scher Soft­ware-Werk­zeu­ge simu­liert und bewer­tet. In die­sem Schritt wird auch die Rege­lungs­ein­heit getes­tet und das Ver­hal­ten des Motors mit einer den mensch­li­chen Gang nach­bil­den­den zykli­schen Bewe­gung – ent­spre­chend der fina­len Appli­ka­ti­on – über­prüft. Nach wei­te­ren Opti­mie­rungs­schrit­ten wird das gesam­te Sys­tem vom Akku bis zum Getrie­be simu­liert und veri­fi­ziert. Erst danach kann mit der Her­stel­lung eines Pro­to­typs begon­nen werden.

Dar­auf folgt die Veri­fi­zie­rung des Pro­to­typs. Um eine voll­stän­di­ge Test­rei­he zu ermög­li­chen, wird ein auto­ma­ti­sier­ter Prüf­stand benö­tigt. Der Prüf­stand soll die Eigen­schaf­ten der rea­len Anwen­dung nach­bil­den. Im Fall einer aktiv ange­trie­be­nen Knie-Pro­the­se soll es mög­lich sein, ver­schie­de­ne Zustän­de zu model­lie­ren. Dies bedeu­tet kon­kret, dass Gang­zu­stän­de, z. B. das Bege­hen von Ram­pen, das Trep­pen­stei­gen usw. mit­hil­fe des Prüf­stands model­liert und die Pro­the­se damit mög­lichst rea­li­täts­ge­treu getes­tet wer­den kann. So ist es mög­lich, das Ver­hal­ten der Pro­the­se und ihrer Para­me­ter, bei­spiels­wei­se der Rege­lung, des Wir­kungs­gra­des, der Akku­lauf­zeit, zu betrach­ten und zu optimieren.

Der Prüf­stand selbst ist daher in der Regel ein weit­aus kom­ple­xe­res Sys­tem als die Pro­the­se. Im Fall einer akti­v­an­ge­trie­be­nen Knie-Pro­the­se soll der auto­ma­ti­sier­te Prüf­stand nicht nur die pas­sen­den Bewe­gun­gen erzeu­gen, son­dern auch die Erfas­sung, Ana­ly­se und Bewer­tung ver­schie­de­ner Sys­tem­grö­ßen ermög­li­chen. In die­sem Arti­kel wird zunächst die Vor­ge­hens­wei­se für den Ent­wurf eines elek­tro­me­cha­ni­schen Sys­tems für den Ein­satz in einer aktiv ange­trie­be­nen Knie-Pro­the­se erläu­tert. In einem wei­te­ren Schritt wird die Spe­zi­fi­ka­ti­on des Sys­tems dis­ku­tiert sowie mög­li­che Lösun­gen vorgestellt.

Metho­dik

Die Aus­wahl eines geeig­ne­ten Motors für den Ein­satz in einer aktiv ange­trie­be­nen Knie-Pro­the­se wird hier nicht im Detail erläu­tert. Es wird viel­mehr davon aus­ge­gan­gen, dass eine per­ma­nent­ma­gne­tisch erreg­te Syn­chron­ma­schi­ne (PMSM) Ver­wen­dung fin­det. Dabei han­delt es sich um eine gewöhn­li­che Syn­chron­ma­schi­ne mit Per­ma­nent­ma­gne­ten auf dem Rotor. Die PMSM wird mit­hil­fe eines Posi­ti­ons­ge­bers geregelt.

Der ers­te Schritt beim Ent­wurf des elek­tro­me­cha­ni­schen Antriebs ist die Ana­ly­se der Dreh­mo­ment-Dreh­zahl-Kenn­li­nie des Knies. Die mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten des Knies sind in Abbil­dung 1 dar­ge­stellt. Die Dyna­mik des Sys­tems, die Durch­schnitts­wer­te der rele­van­ten Para­me­ter, deren Maxi­mal­wer­te etc. sind dem Dia­gramm zu ent­neh­men. Die Leis­tungs­klas­se des Motors wird anhand der Leis­tungs­kur­ve bestimmt. Es muss jedoch das Tem­pe­ra­tur­ver­hal­ten des Motors und der Pro­the­se sowie die maxi­mal auf­ge­nom­me­ne Leis­tung berück­sich­tigt wer­den. Basie­rend auf die­sen Kennt­nis­sen ist die Nenn­span­nung von Motor und Akku zu bestim­men. Die mecha­ni­schen und geo­me­tri­schen Anfor­de­run­gen wie bei­spiels­wei­se der maxi­mal zuläs­si­ge Außen­durch­mes­ser, Motor­län­ge und Maxi­mal­ge­wicht wer­den in der Design-Pha­se defi­niert. Zu Beginn muss das mecha­ni­sche Kon­zept bestimmt wer­den. Bei der Betrach­tung des Leis­tungs­dia­gramms wird unmit­tel­bar deut­lich, dass ein enor­mes Dreh­mo­ment erzeugt wer­den muss. Letz­te­res ist bei elek­tri­schen Maschi­nen pro­por­tio­nal zum Volu­men, wor­aus die Not­wen­dig­keit der Imple­men­tie­rung eines Getrie­bes folgt. Dadurch kann die Leis­tungs­dich­te des gesam­ten elek­tro­me­cha­ni­schen Auf­baus nicht ver­bes­sert, die Dreh­mo­ment­dich­te jedoch signi­fi­kant erhöht werden.

In die­sem Zusam­men­hang muss auf das Ver­hal­ten von elek­tri­schen Antrie­ben im Ver­gleich zu pneu­ma­ti­schen Lösun­gen hin­ge­wie­sen wer­den. In der Regel ist die Leis­tungs­dich­te elek­tri­scher Antrie­be gegen­über pneu­ma­ti­schen Antriebs­lö­sun­gen nied­ri­ger, aber die Dyna­mik sehr viel bes­ser. Da in P&O‑Anwendungen meist gro­ße Dreh­mo­men­te bei ver­gleichs­wei­se nied­ri­gen Dreh­zah­len benö­tigt wer­den, ist die Imple­men­tie­rung von mecha­ni­schen Getrie­ben erfor­der­lich. Da das Dreh­mo­ment einer elek­tri­schen Maschi­ne qua­dra­tisch pro­por­tio­nal zum Durch­mes­ser ist, kann man die Län­ge der Maschi­ne stark ver­kür­zen und bereits mit einem gering­fü­gig grö­ße­ren Durch­mes­ser eine signi­fi­kan­te Erhö­hung des Dreh­mo­ments errei­chen. Es ist jedoch zu berück­sich­ti­gen, dass Moto­ren mit grö­ße­rem Durch­mes­ser auch eine grö­ße­re Span­nungs­kon­stan­te haben. Dies hat für Anwen­dun­gen mit höhe­ren Dreh­zah­len ent­spre­chend höhe­re Akku-Span­nun­gen zur Folge.

Hier­bei muss zwi­schen sta­ti­schen und hoch­dy­na­mi­schen Anwen­dun­gen unter­schie­den wer­den. Bei sta­ti­schen Anwen­dun­gen mit gro­ßem Still­stands­mo­ment wird die­ses durch das Getrie­be bereit­ge­stellt. Die Leis­tung des Motors steigt jedoch nicht. Im Gegen­satz dazu wer­den bei dyna­mi­schen Anwen­dun­gen Moto­ren mit höhe­rer Leis­tung not­wen­dig. Die Leis­tungs­dich­te bezüg­lich des Volu­mens ist bei elek­tri­schen Moto­ren ver­gleichs­wei­se nied­rig, sodass das benö­tig­te Volu­men und Gewicht des Gesamt­sys­tems steigt. Eine mög­li­che Abhil­fe böte der Betrieb von Moto­ren bei Span­nun­gen jen­seits ihres Nenn­wer­tes. Auf­grund des grö­ße­ren Durch­mes­sers besteht die Mög­lich­keit, die E‑Maschine mehr­po­lig aus­zu­le­gen. Moto­ren mit axia­lem magne­ti­schem Fluss wie bei­spiels­wei­se Trans­ver­sal-Fluss-Maschi­nen sind bekann­te Ver­tre­ter hoch­po­li­ger Maschi­nen. Die­se wei­sen jedoch einen nied­ri­ge­ren Wir­kungs­grad auf, da deren Eisen­ver­lus­te bei höhe­ren Dreh­zah­len dominieren.

Nach der Aus­wahl des Getrie­bes und des Motor-Typs kann mit der Aus­le­gung des Motors und des­sen Opti­mie­rung begon­nen wer­den. Die Aus­le­gung des Motors kann mit nume­ri­schen oder ana­ly­ti­schen Ent­wurfs­me­tho­den vor­ge­nom­men wer­den. Hier­bei ist fest­zu­hal­ten, dass vie­le der Motor­pa­ra­me­ter basie­rend auf ana­ly­ti­scher Betrach­tung, mecha­ni­schen Ein­schrän­kun­gen oder Erfah­rungs­wer­ten bestimmt wer­den. Die übri­gen Para­me­ter sind so zu opti­mie­ren, dass ein bestimm­tes Motor­ver­hal­ten erreicht wird. Bei der ana­ly­ti­schen Metho­de wer­den zunächst Motor­ei­gen­schaf­ten wie zum Bei­spiel das Dreh­mo­ment oder die inne­re Span­nung mit­hil­fe kom­ple­xer mathe­ma­ti­scher Zusam­men­hän­ge beschrie­ben. Die­se sind mul­ti­va­ria­te Funk­tio­nen mit Abhän­gig­keit von Motor­pa­ra­me­tern. Mit­hil­fe intel­li­gen­ter Algo­rith­men ist es dann mög­lich, die jeweils opti­ma­len Para­me­ter-Kom­bi­na­tio­nen zu bestimmen.

Die ver­schie­de­nen Eigen­schaf­ten des Motors wer­den in zwei Kate­go­rien unter­teilt. Die ers­te umfasst die­je­ni­gen Eigen­schaf­ten, die die Funk­ti­ons­wei­se des Motors beschrei­ben, wie Dreh­mo­ment oder indu­zier­te Span­nung. Der durch die Opti­mie­rung gewon­ne­ne Para­me­ter­satz wird mit­hil­fe die­ser Funk­tio­nen eva­lu­iert. Muss bei­spiels­wei­se die Dreh­mo­ment­wel­lig­keit des Motors beschränkt wer­den, wird die­se nach jeder Opti­mie­rung­s­i­te­ra­ti­on berech­net und gespei­chert, sofern die Bedin­gun­gen erfüllt sind. Die zwei­te Kate­go­rie von Motor­ei­gen­schaf­ten sind die zu opti­mie­ren­den Grö­ßen wie Wir­kungs­grad oder Motor­ge­wicht. Die­se bil­den Funk­tio­nen, deren Maxi­ma oder Mini­ma gesucht werden.

Die Opti­mie­rungs­pa­ra­me­ter sind dann die­je­ni­gen Para­me­ter des Motors, wel­che frei gewählt wer­den kön­nen. Sol­len zum Bei­spiel Durch­mes­ser und Motor­län­ge opti­miert wer­den, wer­den alle Funk­tio­nen bei­der Kate­go­rien zuerst mathe­ma­tisch beschrie­ben. Danach wer­den die zuläs­si­gen Wer­te­be­rei­che der Opti­mie­rungs­pa­ra­me­ter und ent­spre­chen­de Rand­be­din­gun­gen fest­ge­legt. Die Auf­ga­be des Opti­mie­rungs­al­go­rith­mus ist es, die bes­te Kom­bi­na­ti­on von Motor­durch­mes­ser und ‑län­ge zu fin­den, sodass zum einen alle Bedin­gun­gen erfüllt sind und zum ande­ren die Maxi­ma oder Mini­ma einer oder meh­re­rer Motor­ei­gen­schaf­ten erreicht wer­den. Der so kon­zi­pier­te Motor wird im fol­gen­den Schritt mit­hil­fe von Fini­te-Ele­men­te-Metho­den (FEM) simu­liert. Nach erfolg­rei­cher Durch­füh­rung die­ser grund­le­gen­den Schrit­te kann mit dem Auf­bau des Pro­to­typs begon­nen werden.

Veri­fi­ka­ti­on

Die ein­zel­nen Pro­the­sen-Kom­po­nen­ten müs­sen sepa­rat als Modu­le und im Ver­bund als Sys­tem veri­fi­ziert wer­den. Für die Veri­fi­ka­ti­on der elek­tri­schen Maschine(n) wer­den Prüf­stän­de benö­tigt. Die­se bestehen in der Regel aus zwei Moto­ren (DUT, „Device under test”, und Last­ma­schi­ne), Dreh­mo­ment-Mess­wel­le sowie Dreh­zahl- und/oder Win­kel-Geber (Inkrementalgeber/Absolutgeber) (Abb. 2). Wich­tig ist hier­bei die syn­chro­ne Rege­lung der Moto­ren. Dabei wird der Motor, wel­cher den Gang­zy­klus simu­liert, dreh­mo­ment­ge­re­gelt, so dass das ent­spre­chen­de zykli­sche Dreh­mo­ment rea­li­siert wird. Der Motor für den Pro­the­sen­an­trieb wird dreh­zahl- oder posi­ti­ons­ge­re­gelt. Als Regel­ein­heit wird ein leis­tungs­fä­hi­ger Mikro­con­trol­ler auf Basis eines ARM-Cor­tex M4 ein­ge­setzt. Die­ser bie­tet hohe Per­for­mance und sehr gute Mög­lich­kei­ten zur Anbin­dung von Sen­so­rik und Kom­mu­ni­ka­ti­on auf­grund hin­rei­chen­der Aus­stat­tung mit ent­spre­chen­den Schnitt­stel­len. Zur Syn­chro­ni­sa­ti­on, Daten­samm­lung und ‑ana­ly­se soll ein Embedded Com­pu­ter in Form des Bea­gle­Bo­ne Black zum Ein­satz kommen.

Somit ist die Model­lie­rung des gesam­ten Gang­zy­klus mög­lich, und die Per­for­mance der Maschi­ne kann in Abhän­gig­keit des Zyklus­ver­lau­fes unter­sucht wer­den. Das Tem­pe­ra­tur-Ver­hal­ten der Maschi­ne, ihr Wir­kungs­grad und ande­re Para­me­ter wer­den erfasst und ana­ly­siert. Hin­sicht­lich des Wir­kungs­gra­des soll dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass die­ser für alle Arbeits­punk­te berech­net wer­den muss. Der Durch­schnitts­wert des Wir­kungs­gra­des bezüg­lich des Gang­zy­klus ist eben­falls in geeig­ne­ter Form zu bestim­men. Die Autoren ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass es ziel­füh­rend ist, anstatt des Wir­kungs­gra­des die gesam­te Ener­gie­auf­nah­me des Sys­tems zu betrach­ten, wel­che ein geeig­ne­te­res Kri­te­ri­um für des­sen Beur­tei­lung darstellt.

Nach Veri­fi­ka­ti­on des Motors ist das Gesamt­sys­tem im Ver­bund zu unter­su­chen. Hier­zu ist ein Pro­the­sen­prüf­stand not­wen­dig (Abb. 3). Auf die­sem wird die Pro­the­se mit einer Arbeits­ma­schi­ne gekop­pelt, so dass der Gang­zy­klus simu­liert und die Eigen­schaf­ten der mecha­ni­schen Kom­po­nen­ten sowie die Geräusch­ent­wick­lung der Pro­the­se bestimmt wer­den kön­nen. Die bei­den Antrie­be wer­den mit­tels CAN-Schnitt­stel­le mit einer intel­li­gen­ten Ein­heit ver­bun­den, wel­che die ent­spre­chen­den Soll­wer­te für die jewei­li­ge Rege­lung der Antrie­be zur Ver­fü­gung stellt. Auf die­se Wei­se besteht die Mög­lich­keit, unter­schied­li­che Rand­be­din­gun­gen vor­zu­ge­ben, indem die aus ent­spre­chen­den Gang­ana­ly­sen (Gehen auf gera­der oder schie­fer Ebe­ne, Trep­pen­stei­gen, Lau­fen) her­vor­ge­hen­den Soll­wer­te an Pro­the­sen­an­trieb und Arbeits­ma­schi­ne über­nom­men werden.

Ergeb­nis­se

Als Bei­spiel für ein P&O‑System wur­de der Antrieb einer akti­ven Knie­pro­the­se bestehend aus per­ma­nent­ma­gne­tisch erreg­ter Syn­chron­ma­schi­ne in Kom­bi­na­ti­on mit einem Kegel­stirn­rad­ge­trie­be ent­wor­fen. Die Defi­ni­ti­on der Rand­be­din­gun­gen basiert auf der Daten­ana­ly­se von Dreh­mo­ment-Dreh­zahl-Kenn­li­ni­en des Knies. Die Geo­me­trie­pa­ra­me­ter des Motors sind so gewählt, dass die­ser bei Mini­mie­rung von Gewicht und Rast­mo­ment das gewünsch­te Ver­hal­ten des Knies nach­bil­det. Das Ergeb­nis ist in Abbil­dung 4 dargestellt.

Es wur­de eine vier­po­li­ge per­ma­nent­ma­gne­tisch erreg­te Syn­chron­ma­schi­ne mit Innen­läu­fer ent­wor­fen. Der Sta­tor ist dabei mit ver­teil­ten Wick­lun­gen aus­ge­legt. Als Beschrän­kungs­pa­ra­me­ter dien­ten die Län­ge und der Durch­mes­ser des Motors, d. h., deren maxi­mal zuläs­si­ge Wer­te durf­ten wäh­rend der Para­me­ter­op­ti­mie­rung nicht über­schrit­ten wer­den. Dabei wur­de die Maschi­ne auf maxi­mal mög­li­chen Wir­kungs­grad bei mög­lichst hohem Dreh- und mini­ma­lem Rast­mo­ment optimiert.

Fazit

Beim Ent­wurf elek­tri­scher Antrie­be für den Ein­satz in Pro­the­sen und Orthe­sen muss auf eine Viel­zahl unter­schied­li­cher Anfor­de­run­gen geach­tet wer­den. Wie in vie­len ande­ren Anwen­dun­gen ist eine kom­pak­te, leich­te und effi­zi­en­te Lösung gewünscht. Dabei muss die Opti­mie­rung unter Berück­sich­ti­gung aller Para­me­ter des Sys­tems durch­ge­führt wer­den. Die Kopp­lung einer opti­ma­len elek­tri­schen Maschi­ne und eines Getrie­bes mit einem Wir­kungs­grad von bei­spiels­wei­se 50 % ist nicht zwangs­läu­fig eine gute Lösung. Die Pro­ble­ma­tik liegt dar­in, dass alle zu durch­lau­fen­den Arbeits­punk­te des Sys­tems berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Moto­ren und Getrie­be wer­den in der Regel für einen bestimm­ten Arbeits­punkt opti­miert. Bei Anwen­dun­gen mit sich zyklisch wie­der­ho­len­den Vor­gän­gen wie bei aktiv ange­trie­be­nen Knie-Pro­the­sen wer­den Motor und Getrie­be wäh­rend der Gang­zy­klen in allen Punk­ten ihrer Dreh­mo­ment-Dreh­zahl-Kenn­li­ni­en betrieben.

Moto­ren mit ver­gra­be­nen Per­ma­nent­ma­gne­ten kön­nen z. B. in grö­ße­ren Berei­chen der Dreh­mo­ment-Dreh­zahl-Kenn­li­nie ihre opti­ma­le Funk­ti­on ent­fal­ten. Dage­gen wei­sen Moto­ren mit hoher Dreh­mo­ment­dich­te einen gerin­ge­ren Wir­kungs­grad auf. Anders for­mu­liert: Der Wir­kungs­grad bei Moto­ren mit hohem Dreh­mo­ment ist sehr stark von deren Küh­lung abhän­gig. Da in Pro­the­sen ein effek­ti­ves Kühl­sys­tem nicht ein­fach zu rea­li­sie­ren ist, muss unter­sucht wer­den, inwie­weit die Dreh­mo­ment­dich­te des Motors zu erhö­hen ist und ab wel­chem Punkt der Ein­satz eines Getrie­bes unum­gäng­lich wird.

Des Wei­te­ren ist zu erwäh­nen, dass die Geräusch­ent­wick­lung der Antrie­be bei Pro­the­sen und Orthe­sen eine sehr gro­ße Rol­le spielt. Prio­ri­tä­ten sind hier Tra­ge­kom­fort und Pati­en­ten­ak­zep­tanz. Der Effekt der Imple­men­tie­rung einer magne­ti­schen Kupp­lung darf daher nicht ver­nach­läs­sigt wer­den. Der Typ des Motors spielt im Gegen­satz zur Para­me­ter­op­ti­mie­rung für die jewei­li­ge Anwen­dung eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Das Ent­wick­lungs­ziel von P&O‑Systemen ist letzt­end­lich die Erzeu­gung von Bewe­gun­gen bei nied­ri­ger Leis­tungs­dich­te und ver­gleichs­wei­se hoher Drehmomentdichte.

Für die Autoren:
Amir Ebra­hi­mi
Fraun­ho­fer IPA/Institut für Pro­duk­ti­ons­tech­nik und Automatisierung
Bewe­gungs­kon­troll­sys­te­me
Nobel­stra­ße 12, 70569 Stuttgart
amir.ebrahimi@ipa.fraunhofer.de

Begut­ach­te­ter Artikel/reviewed paper

Zita­ti­on
Ebra­hi­mi A, Fabi­an M, Buda­ker B. Ent­wurf von elek­tro­me­cha­ni­schen Antrie­ben für den Ein­satz in aktiv ange­trie­be­nen Pro­the­sen und Orthe­sen. Ortho­pä­die Tech­nik, 2014; 65 (2): 24–28
Tei­len Sie die­sen Inhalt
Anzeige