Der inter­mit­tie­ren­de Selbst­ka­the­te­ris­mus – eine uro­the­ra­peu­ti­sche Herausforderung

S. Hornung
Menschen mit Blasenentleerungsstörungen haben einen ganz unterschiedlichen Versorgungsbedarf an Hilfsmitteln. Der intermittierende Selbstkatheterismus gehört dabei zu den aufwendigeren Prozessen. Das wiederholte Einführen eines sterilen Katheters in die Blase erfordert nicht nur eine intensive Schulung des Patienten, sondern auch eine jahrelange Betreuung. Der Artikel stellt entsprechende Techniken und Instrumente vor und schildert die Erfahrungen des Autors als Urotherapeut in einer Klinik für Rückenmarkverletzte.

Ein­lei­tung

Pati­en­ten mit Mul­ti­pler Skle­ro­se, Spi­na bifi­da und Quer­schnitt­läh­mung lei­den neben vie­len wei­te­ren Ein­schrän­kun­gen beson­ders an einer neu­ro­ge­nen Bla­sen­funk­ti­ons­stö­rung. Durch eine Stö­rung im zen­tra­len oder peri­phe­ren Ner­ven­sys­tem kommt es zu einer Fehl­steue­rung des Harn­trak­tes. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Bla­se und Gehirn fin­det nur feh­ler­haft oder gar nicht mehr statt. Der Harn aus der Bla­se kann mit­tels Dau­er­ka­the­ter über die Harn­röh­re oder mit einem supra­pu­bi­schen Kathe­ter über die Bauch­de­cke dau­er­haft abge­lei­tet wer­den. Auf­grund des Risi­kos von Harn­wegs­in­fek­tio­nen, Stein­bil­dun­gen oder Harn­röh­ren­schä­den wird eine frü­hest­mög­li­che Umstel­lung auf den soge­nann­ten inter­mit­tie­ren­den Kathe­te­ris­mus ange­strebt. Dabei wird die Bla­se in bestimm­ten wie­der­keh­ren­den Abstän­den mit einem Ein­mal­ka­the­ter ent­leert. Die­ser Vor­gang kann vom Pati­en­ten selbst (ISK = Inter­mit­tie­ren­der Selbst­ka­the­te­ris­mus) oder vom Pfle­ge­per­so­nal bzw. von Ange­hö­ri­gen (IFK = Inter­mit­tie­ren­der Fremd­ka­the­te­ris­mus) durch­ge­führt wer­den. Dadurch wird eine gewis­se Kon­trol­le über die Bla­se wie­der­erlangt. Ein­mal­ka­the­ter kön­nen auch für dia­gnos­ti­sche Zwe­cke wie Labor­un­ter­su­chun­gen und the­ra­peu­ti­sche Zwe­cke wie Bla­sen­spü­lun­gen und Medi­ka­men­ten-Instil­la­ti­on genutzt wer­den 1.

Die Idee des Kathe­te­ris­mus ist nicht neu

His­to­ri­sche Auf­zeich­nun­gen aus der Anti­ke doku­men­tie­ren bereits das Ent­lee­ren der Bla­se durch das Ein­füh­ren von Schilf­rohr, Stroh­hal­men, zusam­men­ge­roll­ten Pal­men­blät­tern oder hoh­len Zwei­gen in die Harn­röh­re. Vie­le die­ser Pro­duk­te und Tech­ni­ken aus jener Zeit waren sicher­lich eine sehr trau­ma­ti­sche, also schmerz­haf­te und ver­let­zungs­rei­che Erfah­rung. Der ers­te atrau­ma­ti­sche Kathe­te­ris­mus wur­de in einem Buch um 1036 von dem isla­mi­schen Phi­lo­so­phen und Arzt Avicen­na beschrie­ben. Er beschich­te­te Kathe­ter aus Tier- und Fisch­haut mit wei­ßem Blei und Och­sen­blut, um sie sta­bi­ler zu machen. Anschlie­ßend führ­te er die mit Käse beschmier­ten Kathe­ter vor­sich­tig und ohne Gewalt in die Harn­röh­re ein. In den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren wur­den Expe­ri­men­te mit wei­te­ren Mate­ria­li­en wie Wal­kno­chen, Elfen­bein, Kau­tschuk und Sil­ber durch­ge­führt. Mit Beginn der Indus­tria­li­sie­rung nutz­te Augus­te Néla­ton das Vul­ka­ni­sa­ti­ons­ver­fah­ren erst­mals zur Her­stel­lung eines Gum­mi­ka­the­ters 2.

Ein­mal­ka­the­ter heute

Heu­te erhält­li­che Kathe­ter sind ste­ril ver­pack­te Ein­mal­pro­duk­te aus syn­the­tisch her­ge­stell­ten Kunst­stof­fen. Dabei han­delt es sich in der Regel um hoch­mo­le­ku­la­re orga­ni­sche Werk­stof­fe, die soge­nann­ten Poly­me­re. Poly­me­re errei­chen durch ver­schie­de­ne Her­stel­lungs­ver­fah­ren unter­schied­li­che Eigen­schaf­ten in Elas­ti­zi­tät, Tem­pe­ra­tur­ab­hän­gig­keit und Fes­tig­keit. Man unter­teilt die Poly­me­re in Ther­mo­plas­te, Duro­plas­te und Elas­to­me­re. Elas­to­me­re wie Latex, Sili­kon oder POBE/TPO wer­den für die Kathe­ter­her­stel­lung ver­wen­det, da sie sich durch ihre weich- oder har­te­las­ti­schen Merk­ma­le aus­zeich­nen. Es han­delt sich um ther­mo­plas­tisch ver­ar­beit­ba­re Elas­to­me­re (TPE). POBE (Poly­o­le­fin­ba­sier­tes Elas­to­mer) und TPO (Ther­mo­plas­ti­sches Elas­to­mer) auf Poly­o­le­fin­ba­sis haben die glei­che Zusam­men­set­zung. Kathe­ter aus die­sem Mate­ri­al behal­ten ihre Form, Sta­bi­li­tät und Fle­xi­bi­li­tät auch bei Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen 34.

Auf­bau

Ein Kunst­stoff­ka­the­ter ist rela­tiv weich und fle­xi­bel, ver­fügt aber den­noch über die not­wen­di­ge Fes­tig­keit, um ihn in die Harn­röh­re zu schie­ben. Er ist innen hohl wie ein Schlauch, hat am Ende einen Anschluss­trich­ter (Kon­nek­tor) und einen Kopf (Spit­ze) mit seit­lich ver­setz­ten Öff­nun­gen (Augen). Die Spit­ze gibt es in ver­schie­de­nen Aus­füh­run­gen. Mit der gera­den Nela­ton­spit­ze wird stan­dard­ge­mäß der pro­blem­lo­se Kathe­te­ris­mus durch­ge­führt. Die Tie­mann­spit­ze ist gebo­gen; sie wird bevor­zugt bei Pati­en­ten mit Engen in der Harn­röh­re, zum Bei­spiel bei Pro­sta­ta­ver­grö­ße­rung, benutzt. Die Ergot­han­spit­ze gehört zu den fle­xi­blen Kathe­ter­spit­zen und ver­jüngt sich bis zum Ende. Die Kugel­kopf­spit­ze ist eben­falls fle­xi­bel und hat eine klei­ne, wei­che Kugel am Anfang. Mit den fle­xi­blen Spit­zen wird das Ein­füh­ren und Vor­schie­ben des Kathe­ters in der Harn­röh­re und an engen Stel­len erleich­tert. Die Kathe­ter­au­gen die­nen zum Ablei­ten von Harn und sind ein wesent­li­ches Qua­li­täts­merk­mal. Denn sie dür­fen kei­ne Ver­let­zun­gen durch einen Grat oder schar­fe Kan­ten ver­ur­sa­chen, müs­sen also atrau­ma­tisch sein. Der Außen­durch­mes­ser der Kathe­ter wird in Char­riè­re ein­ge­teilt (1 Ch. ent­spricht 1/3 mm). Es gibt Grö­ßen von Ch. 6 bis 30. Die­se Grö­ßen sind mit einem Farb­code auf den Kathe­tern ange­ge­ben. Je nach Her­stel­ler sind die Farb­mar­kie­run­gen an den Kathe­ter­spit­zen oder an den Anschluss­trich­tern zu fin­den. Für einen Erwach­se­nen wird die Grö­ße Ch. 12 bis 14 bevor­zugt. Für Kin­der wer­den Kathe­ter dem Alter ent­spre­chend und je nach Ent­wick­lungs­stand indi­vi­du­ell aus­ge­wählt. Die Kathe­ter­län­gen begin­nen bei 6 cm und rei­chen bis 45 cm. Frau­en­ka­the­ter sind kür­zer und begin­nen bei 6 cm, Män­ner­ka­the­ter dage­gen bei 30 cm 5.

Beschich­tung

Ein­mal­ka­the­ter aus Kunst­stoff haben eine tro­cke­ne und dadurch mikro­sko­pisch klei­ne raue Ober­flä­che. Um sie ein­füh­ren zu kön­nen, müs­sen sie gleit­fä­hig gemacht wer­den. Es gibt eine Ein­tei­lung in zwei Gruppen:

  • Nicht­be­schich­te­te Ein­mal­ka­the­ter haben kei­ne gleit­fä­hi­ge Ober­flä­che. Sie sind tro­cken und rela­tiv stumpf. Des­halb müs­sen sie vor dem Ein­füh­ren in die Harn­röh­re mit Gleit­gel benetzt wer­den. Eine ande­re Mög­lich­keit ist die vor­he­ri­ge Instil­la­ti­on von Gleit­gel mit­tels Sprit­ze in die Harn­röh­re. Dadurch wird die gesam­te Harn­röh­re mit einem Gleit­film ver­se­hen, und der Kathe­ter kann rei­bungs­arm ein­ge­führt wer­den 6. Eini­ge Her­stel­ler von Kathe­tern haben das Gleit­gel so inte­griert, dass der Kathe­ter beim Her­aus­schie­ben aus der Ver­pa­ckung durch ein Gel­re­ser­voir läuft und somit gleit­fä­hig gemacht wird. Ande­re Fir­men haben in der ste­ri­len Ver­pa­ckung des Kathe­ters ein klei­nes Päck­chen mit Gel bei­gefügt, wel­ches vor Benut­zung zer­drückt wer­den muss.
  • Beschich­te­te Ein­mal­ka­the­ter sind mit Gel oder einer hydro­phi­len Ober­flä­che aus­ge­stat­tet. Das Gleit­gel befin­det sich gebrauchs­fer­tig als dün­ner Film auf dem Kathe­ter. Die­ser kann vom Anwen­der sofort nach dem Öff­nen der Ver­pa­ckung benutzt werden.

Hydro­phi­le Kathe­ter ver­fü­gen über eine akti­ve oder inak­ti­ve Beschich­tung mit Poly­vi­nyl­pyr­ro­li­don (PVP), Was­ser und Salz. Bei der inak­ti­ven Vari­an­te befin­det sich das PVP in Pul­ver­form dünn auf­ge­schich­tet auf dem Kathe­ter. Erst durch den Kon­takt mit Was­ser wird es auf­ge­löst, und ein Gleit­film ent­steht. Des­halb wird die Was­ser-Salz-Mischung meist als Koch­salz­lö­sung in klei­nen Päck­chen zu den Kathe­tern gelegt. Durch das Zer­drü­cken des Päck­chens kommt es zur Akti­vie­rung des PVP und somit zur Akti­vie­rung der hydro­phi­len Beschich­tung. Der Salz­ge­halt auf die­ser Beschich­tung ist beson­ders wich­tig, da die­se iso­to­nisch zum Salz­ge­halt des Urins und der Harn­röh­re sein muss. Die Kon­zen­tra­ti­on des Salz­ge­hal­tes (Osmo­la­li­tät) auf dem Kathe­ter soll­te der Kon­zen­tra­ti­on des Salz­ge­hal­tes im Urin ent­spre­chen. Dann ist eine opti­ma­le Gleit­fä­hig­keit des Kathe­ters gege­ben. Soll­te die Osmo­la­li­tät unter­schied­lich sein, könn­te die feuch­te Beschich­tung des Kathe­ters von der Harn­röh­re absor­biert wer­den, dadurch wür­de das Her­aus­zie­hen des Kathe­ters erschwert und Schmer­zen oder Ver­let­zun­gen in der Harn­röh­re könn­ten entstehen.

Bei der akti­ven Vari­an­te von Ein­mal­ka­the­tern schwimmt der Kathe­ter schon ab Werk in der Koch­salz­lö­sung und hält die hydro­phi­le Beschich­tung aktiv. Der Anwen­der kann den Kathe­ter sofort benut­zen 7.

Was ist Urotherapie?

Neben medi­ka­men­tö­sen und ope­ra­ti­ven Behand­lun­gen von Pati­en­ten mit Harn­in­kon­ti­nenz gibt es eine gro­ße Zahl von The­ra­pien die zur Besei­ti­gung oder Bewäl­ti­gung einer Inkon­ti­nenz bei­tra­gen. In den 1980er Jah­ren begann in Skan­di­na­vi­en die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung die­ser Behand­lungs­me­tho­den. Die ganz­heit­li­che Behand­lung im inter­dis­zi­pli­nä­ren Team stand dabei im Vor­der­grund. Gemein­sa­me Kon­zep­te unter­schied­li­cher Berufs­grup­pen wur­den zunächst im Kin­der- und Jugend­li­chen­be­reich erfolg­reich umge­setzt. Eine zuneh­men­de Anwen­dung auf Erwach­se­ne folg­te in den nächs­ten Jah­ren. Die Aus­bil­dung von Uro­the­ra­peu­ten fin­det in Skan­di­na­vi­en schon seit über 20 Jah­ren statt, seit 10 Jah­ren gibt es eine Aus­bil­dung in Bre­men. Mit der ICCS (Inter­na­tio­nal Child­ren Con­ti­nence Socie­ty), der KgKS (Kon­sen­sus­grup­pe Kon­ti­nenz­schu­lung im Kin­desund Jugend­al­ter) und der erst im letz­ten Jahr gegrün­de­ten D‑A-CH Ver­ei­ni­gung für Uro­the­ra­pie e. V. fin­det eine wei­te­re Pro­fes­sio­na­li­sie­rung und Ver­net­zung auch in Deutsch­land statt 8.

Die Arbeit von Uro­the­ra­peu­ten und deren umfas­sen­den indi­vi­du­el­len Bera­tungs­mög­lich­kei­ten sind ein Gewinn für jede Kli­nik und ande­re medi­zi­ni­sche Ein­rich­tun­gen. Aus Kos­ten­grün­den wird dies jedoch noch nicht über­all anerkannt.

Der Beginn des inter­mit­tie­ren­den Katheterismus

Dem außer­ge­wöhn­li­chen Ein­satz von Lud­wig Gutt­mann ver­dan­ken vie­le Pati­en­ten mit einer Quer­schnitt­läh­mung ihr Leben. Gutt­mann ent­wi­ckel­te in Eng­land Richt­li­ni­en zur Behand­lung und Pfle­ge von Quer­schnitt­ge­lähm­ten und führ­te 1960 den ste­ri­len inter­mit­tie­ren­den Fremd­ka­the­te­ris­mus durch Pfle­ge­kräf­te ein. Gutt­mann erkann­te, dass die Bla­se eines Quer­schnitt­ge­lähm­ten min­des­tens alle sechs Stun­den ent­leert wer­den muss, um einen Harn­stau und im wei­te­ren Ver­lauf eine Infek­ti­on zu ver­mei­den. Bis dahin ver­star­ben 80 % der Pati­en­ten mit Quer­schnitt­läh­mung inner­halb der ers­ten drei Mona­te 9.

Schu­lung zum ISK – ein Erfahrungsbericht

Der Ver­fas­ser arbei­tet seit 16 Jah­ren im BG Kli­ni­kum Berg­manns­trost Hal­le im Zen­trum für Rücken­mark­ver­letz­te und berät seit 2007 Pati­en­ten zum The­ma Inkon­ti­nenz. Die Haupt­auf­ga­be besteht dabei in der Anlei­tung und Schu­lung zum ISK. Eine indi­vi­du­el­le Ein­stel­lung auf den selbst­stän­di­gen Kathe­te­ris­mus benö­tigt einen Zeit­auf­wand von 2 bis 4 Stun­den, eine geschütz­te Atmo­sphä­re und auch ein gewis­ses Ein­füh­lungs­ver­mö­gen dem Pati­en­ten gegen­über. Für die meis­ten Pati­en­ten beginnt nach einem Unfall oder einer Erkran­kung nun mit einer Quer­schnitt­läh­mung ein völ­lig ande­res Leben.

Nach ärzt­li­cher Dia­gnos­tik und neu­rou­ro­lo­gi­scher Klas­si­fi­ka­ti­on kom­men die Pati­en­ten zur Bera­tung, um den inter­mit­tie­ren­den Selbst­ka­the­te­ris­mus zu erler­nen. Die Schu­lung fin­det in einem sepa­ra­ten Raum statt. Meist sind die Pati­en­ten schon vom Sta­ti­ons­all­tag her bekannt. Wenn es mög­lich ist, wer­den auch die Ange­hö­ri­gen mit ein­be­zo­gen, wenn der Pati­ent ein­ver­stan­den ist. In einem Ana­mne­se­ge­spräch wer­den die Dia­gno­sen des Pati­en­ten, die bis­he­ri­ge Harn­ab­lei­tung, Unver­träg­lich­kei­ten und All­er­gien, das Trink­ver­hal­ten und die kör­per­li­chen Funk­tio­nen erfasst. Pati­en­ten mit einer Quer­schnitt­läh­mung haben unter­schied­li­che kör­per­li­che Ein­schrän­kun­gen bei Sen­si­bi­li­tät und Mobi­li­tät. Man­geln­de Kraft und ein­ge­schränk­te Hand­funk­tio­nen erschwe­ren den betrof­fe­nen Pati­en­ten das Öff­nen ihrer Klei­dung und von Ver­pa­ckun­gen, das Grei­fen von Hilfs­mit­teln und die Durch­füh­rung des Kathe­te­ris­mus. In sol­chen Fäl­len wer­den mit ergo­the­ra­peu­ti­scher Unter­stüt­zung zusätz­li­che Übun­gen absolviert.

In einem theo­re­ti­schen Teil wird die Ana­to­mie und Phy­sio­lo­gie der zur Harn­aus­schei­dung gehö­ren­den Funk­tio­nen und Orga­ne erklärt und auf die jet­zi­ge gestör­te Bla­sen­si­tua­ti­on ein­ge­gan­gen. Mit Übungs­mo­del­len wird anschlie­ßend der kom­plet­te Ablauf zum Kathe­te­ris­mus erläu­tert und vor­ge­führt. Die unter­schied­li­chen Kathe­ter wer­den vor­ge­stellt, der Pati­ent bekommt die Mög­lich­keit, die Pro­duk­te selbst zu tes­ten, und favo­ri­siert dabei meist ein bestimm­tes Pro­dukt. Anschlie­ßend wird der Ablauf der Des­in­fek­ti­on für den asep­ti­schen Kathe­te­ris­mus erläu­tert. Im Anschluss führt der Pati­ent die ISK selbst durch. Beglei­tend steht der The­ra­peut dem Pati­en­ten zur Sei­te; anschlie­ßend wird die Durch­füh­rung gemein­sam aus­ge­wer­tet. Meist sind die Pati­en­ten nach der ers­ten Durch­füh­rung posi­tiv über­rascht, wie gut es ihnen gelun­gen ist, sich selbst einen Kathe­ter ein­zu­füh­ren. Bei Bedarf wird der Ablauf ange­passt, ein ande­rer Kathe­ter gewählt oder ein zusätz­li­ches Hilfs­mit­tel emp­foh­len. Wenn der Pati­ent die Bera­tung ver­lässt, kann er den ISK selbst durch­füh­ren. In den ers­ten Tagen wird die Durch­füh­rung noch vom pfle­gen­den Per­so­nal auf der Sta­ti­on beglei­tet, bis eine siche­re Durch­füh­rung gege­ben ist. Jeder­zeit ist eine wei­te­re Kon­takt­auf­nah­me in der Sprech­stun­de möglich.

Fazit

Kathe­ter zum Ent­lee­ren der Harn­bla­se gibt es schon seit 5.000 Jah­ren. Mit den Mate­ria­li­en der heu­ti­gen Ein­mal­ka­the­ter wur­de der Kathe­te­ris­mus für die Pati­en­ten immer siche­rer und auch leich­ter. Auch in der Zukunft ist es trotz des schnel­len tech­no­lo­gi­schen Fort­schritts eher unwahr­schein­lich, dass die Ver­wen­dung von Ein­mal­ka­the­tern über­flüs­sig wird. Es ist viel­mehr davon aus­zu­ge­hen, dass die Anfor­de­run­gen an die Ver­ar­bei­tung und die Mate­ria­li­en der Kathe­ter wei­ter stei­gen wer­den. Zudem wird der Kos­ten­druck der Kran­ken­kas­sen bei der wei­te­ren Ent­wick­lung eben­falls eine wesent­li­che Rol­le spielen.

Eine spe­zi­el­le Bera­tung von Pati­en­ten mit Harn- und Stuhl­in­kon­ti­nenz ist auch heu­te noch nicht die Regel. In vie­len Kran­ken­häu­sern gibt es so etwas nicht; auch in der Bevöl­ke­rung ist Inkon­ti­nenz immer noch ein Tabu­the­ma. Die Uro­the­ra­pie und die ent­spre­chen­de qua­li­fi­zier­te Aus­bil­dung in Bre­men sind ein Schritt zur Ver­bes­se­rung die­ser Situation.

Die Anfor­de­run­gen an Uro­the­ra­peu­ten sind hoch: Sie benö­tig­ten ent­spre­chen­des Fach­wis­sen, kom­mu­ni­ka­ti­ve Fähig­kei­ten und auch ein gewis­ses Fin­ger­spit­zen­ge­fühl. Doch der wich­tigs­te Fak­tor bei der Bera­tung, Anlei­tung und Schu­lung von Pati­en­ten ist die wach­sen­de Erfah­rung bei jedem Pati­en­ten­kon­takt. Das macht die Uro­the­ra­pie so wert­voll. Der The­ra­peut bringt nicht nur den Pati­en­ten etwas bei, son­dern lernt viel von ihnen. Und die­se Erfah­rung im Umgang mit Hilfs­mit­teln und Ein­mal­ka­the­tern kann bei der nächs­ten Schu­lung wie­der ange­wen­det werden.

Um indi­vi­du­ell auf die Pati­en­ten ein­ge­hen zu kön­nen, benö­ti­gen die Kli­ni­ken und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen nicht nur aus­rei­chend Fach­per­so­nal, son­dern auch genü­gend Zeit. Die­se Zeit soll­te für die Pati­en­ten und ihre Uro­the­ra­peu­ten immer vor­han­den sein und zukünf­tig auch ent­spre­chend hono­riert werden.

Der Autor:
Sven Hor­nung
Uro­the­ra­pie Halle
Damaschke­stra­ße 98
06110 Halle/Saale
s.hornung@urotherapie-halle.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Hor­nung S. Der inter­mit­tie­ren­de Selbst­ka­the­te­ris­mus – eine uro­the­ra­peu­ti­sche Her­aus­for­de­rung. Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (11): 42–45
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