Das mit großer Fensterfront umgebene Sanitätshaus empfängt die Besucher zunächst mit einem Mix aus Tradition und Moderne. In Vitrinen finden sich fast schon antike Schriftstücke und Zeitzeugen der Hilfsmittelversorgung ausgestellt, während aktuelle Produkte in ein minimalistisches Warenträgersystem eingebettet sind. Herr des Hauses ist Uwe Brockmann, seit 2012 als Geschäftsführer für CCD tätig. Unter seiner Ägide hat sich die Anzahl der Mitarbeiter von knapp unter 70 auf rund 200 vergrößert. Was sich einerseits unter der Prämisse „organisches Wachstum“ erfolgreich anhört, hat mit der Zeit schlichtweg zu räumlichen Engpässen für Firma und Belegschaft geführt.
Am 1. November 1918 als Orthopädische Kunstgliederwerkstatt Bergmannsheil mit fünf Sattlern und Bandagisten gegründet, agierte der Werkstattbetrieb am Standort Bochum von 1924 an bis in die Gegenwart am selben Standort. „Die Leute haben sich gestapelt, obwohl wir bereits Büros in Werkplätze umgewidmet hatten“, erinnert sich Brockmann an den Beginn seines Engagements. Zunächst zogen 2015 die Verwaltung sowie die Fachbereiche Homecare und das berufsgenossenschaftliche Versorgungsteam (BVT) Reha- und Medizintechnik nach Bochum-Weitmar. Drei Grundstücke weiter sollte perspektivisch eine alte Lagerhalle zum Schauplatz für Sanitätshaus, Prothetik, Orthetik und Orthopädie-Schuhtechnik umgebaut werden. Doch während der ersten Planungsphase eröffnete sich plötzlich die Chance, schräg gegenüber des Verwaltungskomplexes das Gelände einer alten Autolackiererei zu übernehmen und diese komplett abzureißen. „Wir wollten etwas Neues aus dem Boden stampfen und damit auch vor die Entwicklung kommen“, begründet Brockmann rückblickend die 2017 getroffene Entscheidung. Dass bis zum Einzug fast vier Jahre vergehen sollten, nicht zuletzt, weil die Stadt Bochum auf Sondierungsbohrungen nach Blindgängern aus dem 2. Weltkrieg bestand, war seinerzeit noch nicht absehbar. Was hingegen klar war, war der Entschluss, die Belegschaft von Anfang an in die Planungen miteinzubeziehen. „Durch die Möglichkeit der Mitsprache haben wir viel erreicht“, betont OTM Nils Ingwald, Stellvertretender Leiter der Prothetik-Abteilung bei CCD. Er legte mit seinen Kolleginnen und Kollegen einen besonderen Schwerpunkt auf die Entwicklung der Fertigungsstraße von den Silikon‑, Gips- und Gießharzräumen bis hin zum Ganganalyse-Bereich, um die Arbeitsprozesse im Betrieb zu vereinfachen.
Know-how von außen
Externe Unterstützung zur Realisierung des Neubaus über zwei Etagen und 2500 qm Nutzfläche holte sich das Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen. „Zum einen haben wir eine Innenarchitektin gesucht, die nicht nur schön kann, sondern auch funktional“, benennt Uwe Brockmann ein entscheidendes Kriterium. Die Wahl fiel schließlich auf Parkraum – Konzepte & Consulting aus Stuttgart. Inhaberin Dipl.-Ing. Elke Park verfügt über ein ausgeprägtes Branchenwissen und entsprechendes Renommee (s. Interview). Die Neugestaltung einer CCD-Filiale in Witten verbuchten beide Seiten als erfolgreiches Pilotprojekt, um sich anschließend dem Architekturkonzept des Neubaus zuzuwenden. „Wir mussten viele verschiedene Faktoren bei der Planung beachten. Vom Workflow der Mitarbeiter über die Größe der Showroom-Fläche bis hin zu Kabinengestaltung und Seminarräumen. Zwischendurch haben wir uns schon gefragt, ob überhaupt alles reinpasst“, erinnert sich Park an den mitunter komplizierten Entwicklungsprozess.
Parallel dazu verfolgte Geschäftsführer Brockmann das Ziel, eine „Werkstatt aus einer Hand“ aufzubauen: „Der Anspruch war es, zukünftig einen Ansprechpartner für den gesamten Maschinenpark zu haben. Das können nur wenige Anbieter leisten.“ Letztlich bekam der Industrieprimus Ottobock den Zuschlag, die Arbeitsbereiche mit den neuesten Maschinen auszustatten und darüber hinaus entsprechend zu warten. Bei der Ortsbegehung in Bochum zusammen mit Uwe Brockmann, Nils Ingwald und Prokuristin Renata Grenda wird deutlich, dass die Firma zwar glücklich über moderne CAD/CAM-Technik und 3D-Drucker ist, auch auf die Höhenverstellbarkeit aller Arbeitsplätze wird hingewiesen, aber der besondere Stolz wird etwas überraschend der neuen zentralen Be- und Entlüftungsanlage zuteil. „Ein gesundes Arbeiten ist das A und O. Hier wollen wir Maßstäbe setzen, was die Branche angeht“, betont Geschäftsführer Brockmann und verweist konkret auf Filteranlagen und Temperaturregulierung.
Zentrum für Technische Orthopädie
Die neu gewonnenen Rahmenbedingungen in Bochum-Weitmar will er nutzen, um die Versorgungsleistungen für Patienten und Kunden breiter aufzustellen, zum Beispiel mit einem eigenen Physiotherapieangebot. Ein Seminarraum bietet die Möglichkeiten, ein erweitertes Fort- und Weiterbildungsangebot mit Industriepartnern anzubieten, von dem zum einen die eigene Belegschaft, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Häuser profitieren sollen. „Wir schließen niemanden aus“, bekräftigt Uwe Brockmann und sieht sich mit dem neuen Standort dem klassischen OT-Betrieb ein Stück weit entwachsen: „Wir sind jetzt ein Zentrum für Technische Orthopädie und nicht mehr nur orthopädietechnische Werkstatt.“
Michael Blatt
Elke Park, Inhaberin von Parkraum – Konzepte & Consulting, war als verantwortliche Innenarchitektin maßgeblich an der Konzeption der neuen Versorgungszentrale von Care Center Deutschland beteiligt. Im Interview schildert sie die besonderen Herausforderungen und hebt die Möglichkeiten der Digitalisierung im Beratungs- und Verkaufsumfeld hervor.
OT: Frau Park, was waren für Sie die besonderen Herausforderungen beim Neubau von Care Center Deutschland?
Elke Park: Ein Gesundheitshaus, das die Kompetenz der Orthopädie-Technik und Orthopädie-Schuhtechnik durch ein neues Gebäude darstellen möchte, ist hauptsächlich durch einen großen Anforderungskatalog für die Flächenplanung ein komplexes Projekt. Wir von Parkraum haben in der Vergangenheit bereits die Fähigkeit bewiesen, dass wir orthopädische Werkstätten, die Verwaltung sowie noch einige Logistik als allumfassendes Planungskonzept darstellen können. Zudem lebt eine Architektur noch von der strukturierten Hülle, der von uns konzipierten Fassade. Dies war eine große Herausforderung, der wir uns mit einem großen Vertrauen der Bauherren in unsere Leistung gerne gestellt haben.
OT: Mit welchen Mitteln lässt sich grundsätzlich die Distanz zwischen Versorgungsbereich und Verkaufsraum reduzieren?
Park: Alles beginnt damit, dass einem durchdachten Farb- und Materialkonzept bei der Raumplanung eine größere Rolle zugeteilt wird als bisher oft üblich. Dieses Farbkonzept zieht sich durch viele Bereiche in einem Betrieb – vom Verkaufsraum bis zur intimeren Beratungskabine. Farben beeinflussen bereits beim Eintreffen von Kunden und Patienten schon vor der Versorgung das persönliche Empfinden und schaffen eine emotionale Nähe. Materialien bestimmen z. B. die Raumakustik, die einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Wohlfühlen des Kunden hat. Wir stellen außerdem fest, dass im Prozess von der Beratung bis zum Verkauf an unterschiedlichen Standorten eines Betriebs wie etwa im Kundendatenmanagement vermehrt die Digitalisierung Einzug hält. Die Zeitersparnis lässt sich vor Ort in einer Kaffee- und Kommunikationszone zwischen Umkleidekabinen und Kassenbereich erleben – der Kunde erhält bereits vor der Versorgung Informationen und ist zur eigentlichen Behandlung viel aufgeklärter.
OT: Welchen Mehrwert bietet die Digitalisierung für Betrieb und Kunden?
Park: Smarte Wegführungen verringern die zurückzulegenden Strecken für Kunden auf der Verkaufsfläche und optimieren den Beratungsvorgang durch den Mitarbeiter. Die Präsentation von physischen Produkten kann durch die Hinzunahme von Tablets oder die Kommunikation über Monitore ergänzt werden. Video-Laufanalysen oder moderne Scan-Techniken sorgen für Ergebnisse in Echtzeit: Die digitale Aufnahme der Kundendaten ermöglicht einen Überblick für den Mitarbeiter über den Kunden und welcher Bedarf bei diesem noch notwendig werden kann. Die Abläufe, die ein Kunde im Sanitätshaus erlebt, sollten zu einer effizienteren Beratung mit Zeitersparnissen und/oder Zusatzkäufen führen. Am Ende steigert das Unternehmen seine Umsätze und der Kunde geht mit einem guten Gefühl nach Hause.
OT: Wo hält der technologische Fortschritt noch Einzug?
Park: Die sinnvolle Einbettung digitaler Schnittstellen in die Betriebsabläufe stellen für alle eine große Komplexität dar. Das bloße Bereitstellen von Monitoren ist nicht die Lösung. Als Sanitätshaus muss ich mir sorgfältig Gedanken über sinnvolle Inhalte machen, die den Kunden präsentiert werden. Denken wir einen Schritt weiter, reichen wir dem Besucher ein Tablet, auf dem er eine Übersicht über seine persönlichen Angaben, die erfolgten Besuche und gekauften Produkte erhält und Vorschläge, welche Hilfsmittel ihm womöglich einen Mehrwert für seine Gesundheit bieten können. Oder der Kunde kann nach eingehender Beratung das nicht vorrätige Produkt im Sanitätshaus direkt selbst bestellen. Vieles ist denkbar und möglich. Wenn der Besuch eines Sanitätshauses mit einem Erlebnisfaktor versehen wird, steigert sich die Kundenzufriedenheit und damit die Kundenbindung. Ich komme immer wieder auf die Tablets zurück, weil sich hier eine Vielzahl an Möglichkeiten ergeben, wie z. B. das Abspielen von Anwenderfilmen. Alternativ können direkt am Point-of-Experience an den Produkten angebrachte Codes den Kunden dazu animieren, per Smartphone-Scan weitere Informationen abzurufen. Hier sehe ich auch die Hersteller der nicht-individualisierten Produkte mit in der Verantwortung, diese digitalen Inhalte zur Verfügung zu stellen. Letztlich muss die sogenannte Shopper Journey für intelligente Abläufe sorgen. Beginnend bei der Beratung durch den Mitarbeiter, fortgesetzt durch ein schlüssiges Warenträgersystem bis hin zum flexiblen Kaufabschluss, der dank digitalisierter Prozesse nicht mehr nur an der Ladentheke, sondern ebenso in der Kabine oder direkt an der Produktplatzierung erfolgen kann.
OT: Lässt sich der Kundenbesuch vielleicht sogar digital in die Werkstatt verlängern?
Park: Die Tätigkeiten in der Werkstatt können direkt via Monitor in die Wartekabine eingespielt werden. Dieses Live-Erlebnis schafft eine emotionale Bindung zum eigenen Produkt, extremes Vertrauen in das Gesundheitshaus und verbessert damit die Compliance.
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