Chan­cen tech­ni­scher Assis­tenz beim Assess­ment von Sturz, Deku­bi­tus und Schlaf im höhe­ren Alter und bei Pfle­ge­be­dürf­tig­keit — Ein Praxisbericht

S. Distler, C. Weiß
Der Schlaf zählt zu den größten Kraftquellen menschlicher Energie, die gerade in späteren Lebensjahren mehr Augenmerk benötigt. In einem dreimonatigen Praxistest mit einem intelligenten Medizinprodukt konnten erstaunliche Informationen über die Nachtaktivität und Nachtruhe pflegebedürftiger Menschen in zwei Pflegeeinrichtungen ermittelt werden, die mit menschlicher Beobachtungsgabe nicht möglich gewesen wären. Zusammen mit dieser elektronischen Auswertung war es aufgrund veränderter Interventionen möglich, mehr Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner zu erreichen.

Guter Schlaf ist ein hohes Gut für das psy­chi­sche und phy­si­sche Wohl­be­fin­den. Je älter wir wer­den, des­to stör­an­fäl­li­ger wird unser cir­ca­dia­nes Sys­tem. Krank­hei­ten, Beschwer­den und Medi­ka­men­te brin­gen zusätz­li­che Ver­än­de­run­gen. Umso ver­wun­der­li­cher, dass die Schlaf­hy­gie­ne ein noch ver­nach­läs­sig­tes Pfle­ge­qua­li­täts­merk­mal ist. Gera­de in der ger­ia­tri­schen und geron­to­psych­ia­tri­schen Pfle­ge spielt die För­de­rung vor­han­de­ner Res­sour­cen eine salu­to­ge­ne­ti­sche Rolle.

Anzei­ge

Ein­lei­tung

2,6 Mio. Men­schen mit stei­gen­der Ten­denz sind in Deutsch­land pfle­ge­be­dürf­tig (Stand: 31.12.2013). Etwa 1,86 Mio. (71 %) davon leben in ihrer Häus­lich­keit, ca. 764.000 (29 %) in sta­tio­nä­ren Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Zwi­schen 2011 und 2013 erhöh­te sich die Zahl der pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen um 5 %, für die fol­gen­den Jah­re 1 ist mit einem noch höhe­ren Zuwachs zu rechnen.

Die Pfle­ge­qua­li­tät in Deutsch­land regeln die Richt­li­ni­en des GKV-Spit­zen­ver­ban­des zur Begut­ach­tung von Pfle­ge­be­dürf­tig­keit nach dem XI. Buch des Sozi­al­ge­setz­bu­ches und die Qua­li­täts­prü­fun­gen des Medi­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­kas­sen (MDK) für ambu­lan­te und sta­tio­nä­re Pfle­ge­an­bie­ter. Kri­te­ri­en zur sys­te­ma­ti­schen Erfas­sung der Nacht­ak­ti­vi­tä­ten und Schluss­fol­ge­run­gen bezüg­lich des Schlaf­ver­hal­tens sind in den Begut­ach­tungs­ele­men­ten bis­her nicht inte­griert 2 3. Die­ser Arti­kel möch­te auf ein ver­nach­läs­sig­tes Ana­ly­se­fens­ter in der Pfle­ge – die Nacht – auf­merk­sam machen und zei­gen, dass tech­ni­scher Fort­schritt in der Pfle­ge die mensch­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on der ganz­heit­li­chen Inter­pre­ta­ti­on von Beob­ach­tun­gen ergän­zen und ver­bes­sern kann.

Guter Schlaf gehört zu den wich­tigs­ten Lebens­eli­xie­ren, damit Kör­per und See­le sich erho­len kön­nen. Dazu ist jedoch eine aus­ge­wo­ge­ne Nacht­ru­he erfor­der­lich, die bei Men­schen im höhe­ren Lebens­al­ter auf­grund eines ver­än­der­ten Schlaf­be­dürf­nis­ses bzw. auf­grund kogni­ti­ver Ver­än­de­run­gen ver­lo­ren gehen kann. Daher ist eine Fremd­ein­schät­zung der Nacht­ru­he in Form tech­ni­scher Unter­stüt­zung ein sinn­vol­les Assessmentinstrument.

Im Fol­gen­den wer­den anhand von sechs Pra­xis­bei­spie­len aus zwei sta­tio­nä­ren Pfle­ge­ein­rich­tun­gen in Mit­tel­fran­ken Inter­ven­tio­nen eines tech­nisch erwei­ter­ten Risi­ko­ma­nage­ments hin­sicht­lich Sturz, Deku­bi­tus und Schlaf skiz­ziert. Erst­mals wer­den dabei die beson­de­ren Sicher­heits- und Schlaf­be­dürf­nis­se von Men­schen mit sehr hohem Unter­stüt­zungs- bzw. Pfle­ge­be­darf anhand objek­ti­ver Merk­ma­le dar­ge­stellt, was ent­spre­chen­de Schluss­fol­ge­run­gen hin­sicht­lich der För­de­rung eines bedürf­nis­ori­en­tier­ten Ver­sor­gungs­set­tings in der letz­ten Lebens­pha­se erlaubt.

Der Schlaf im höhe­ren Lebensalter

Schlaf wird als Zustand äuße­rer Ruhe bei Men­schen bezeich­net. Wäh­rend des Schlafs sind Vital­zei­chen wie zum Bei­spiel Atmung, Puls oder Blut­druck zeit­wei­se her­ab­ge­setzt und unter­schei­den sich somit von den Wer­ten im Wachzustand.

Beim Schlaf wer­den zwei über­ge­ord­ne­te Pha­sen unter­schie­den: der NonRapid-Eye-Movement-(NREM-)Schlaf, bei dem der Schla­fen­de kei­ne Bewe­gun­gen der Augen zeigt, und der Rapid-Eye-Movement-(REM-)Schlaf mit zum Teil leb­haf­ten Augen­be­we­gun­gen. Der NREM-Schlaf wird zudem in vier Sta­di­en eingeteilt:

  • Sta­di­um 1: leich­ter Schlaf kurz nach dem Ein­schla­fen. Die Mus­kel­span­nung wird redu­ziert, und das bewuss­te Wahr­neh­men der Umge­bung ent­schwin­det langsam.
  • Sta­di­um 2: leich­ter Schlaf; die­ses Schlaf­sta­di­um wird im Lau­fe des Schlafs zuneh­mend län­ger. Die Augen sind in die­sem Sta­di­um ruhig und die Augen­li­der geschlos­sen. Der Mus­kel­to­nus hat sich gegen­über dem Wach­sein deut­lich verringert.
  • Sta­di­um 3: Über­gang in den Tiefschlaf.
  • Sta­di­um 4: Tief­schlaf, die tiefs­te Schlaf­pha­se. Ent­spre­chend des­ori­en­tiert und ver­schla­fen wir­ken Schlä­fer, die jetzt geweckt wer­den. Die Schlaf­sta­di­en 3 und 4 wer­den auch zusam­men als Tief­schlaf bezeich­net. Die Augen sind ganz ruhig, der Mus­kel­to­nus signa­li­siert tie­fe Ent­span­nung, der Blut­druck fällt ab, Atmung und Herz­schlag wer­den langsamer.

In der Regel wird der NREM-Schlaf bei einem Schlaf­vor­gang mehr­mals von REM-Schlaf abge­löst. Der REM-Schlaf wird auch als Traum­schlaf bezeich­net. Wird ein Schla­fen­der aus die­sem Sta­di­um geweckt, berich­tet er in 80 % der Fäl­le, geträumt zu haben. Schlaf­wan­deln tritt dage­gen nicht wäh­rend des REM-Schla­fes, son­dern wäh­rend der Tief­schlaf­pha­sen auf.

Wäh­rend dem Tief­schlaf weit­ge­hend die Auf­ga­be der phy­si­schen Rege­ne­ra­ti­on zuge­schrie­ben wird, scheint es so, dass der REM-Schlaf für die psy­chi­sche Erho­lung not­wen­dig ist. Vie­le Ergeb­nis­se bestä­ti­gen Zusam­men­hän­ge zwi­schen REM-Schlaf, Gedächt­nis­fes­ti­gung und Stim­mung. Der erwach­se­ne Mensch ver­bringt unge­fähr 20 % sei­ner Schlaf­zeit in die­sem Stadium.

Schlaf­stö­run­gen

Die jewei­li­ge alters­be­dingt nor­ma­le Schla­f­ar­chi­tek­tur kann durch unter­schied­li­che Ursa­chen gestört sein. Dazu gehö­ren kör­per­li­che und psy­chi­sche Erkran­kun­gen, Umwelt­ein­flüs­se, Medi­ka­men­te, Dro­gen, Alko­hol, psy­chi­sche Belas­tun­gen und gene­tisch beding­te Ein­flüs­se. Typi­sche Erkran­kun­gen, die zu Schlaf­stö­run­gen füh­ren kön­nen, sind unter ande­rem Schild­drü­sen­krank­hei­ten, hor­mo­nel­le Stö­run­gen, Herz-Kreis­lauf-Stö­run­gen, Nie­ren­er­kran­kun­gen, Magen-Darm-Erkran­kun­gen, Rheu­ma, Krebs, Hirn­schä­den, Epi­lep­sie, Atem­wegs­er­kran­kun­gen und Schmer­zen unter­schied­li­cher Genese.

Etwa 70 bis 80 % der psych­ia­trisch erkrank­ten Pati­en­ten kla­gen über erheb­li­che Schlaf­stö­run­gen. Zu den psy­chi­schen Krank­heits­bil­dern, die häu­fig mit Schlaf­stö­run­gen auf­tre­ten, gehö­ren Depres­sio­nen, Schi­zo­phre­ni­en, Angst­stö­run­gen, Ess­stö­run­gen, Stress und Demen­zen. Umge­kehrt ent­wi­ckeln sich im Lau­fe einer kör­per­lich beding­ten Schlaf­stö­rung auch schwe­re depres­si­ve Ver­stim­mun­gen, sodass es schwer­fällt zu ent­schei­den, was Ursa­che und was Fol­ge einer Schlaf­stö­rung ist 4 5 6.

Behand­lung von Schlaf­stö­run­gen bei Demenzkranken

Schlaf­stö­run­gen bei Demenz­kran­ken las­sen sich nicht allei­ne mit Medi­ka­men­ten behan­deln. Medi­ka­men­tö­se schlaf­ver­bes­sern­de Maß­nah­men müs­sen mit einer The­ra­pie der Demenz, mit einer Behand­lung kör­per­li­cher oder psy­chi­scher Begleit­krank­hei­ten und mit nicht­me­di­ka­men­tö­sen Ver­fah­ren ver­bun­den wer­den. Fol­gen­de The­ra­pie­an­sät­ze haben sich dabei bewährt:

  • Die Pati­en­ten wer­den am Tage akti­viert; der Schlaf tags­über wird ver­min­dert. Höchs­tens eine hal­be Stun­de Mit­tag­schlaf ist erlaubt. Der Schlaf­druck am Abend nimmt auf die­se Wei­se zu, und der Nacht­schlaf wird verbessert.
  • Orga­ni­sche und psy­chi­sche Begleit­erkran­kun­gen wer­den kon­se­quent behan­delt, um Stö­run­gen des Schla­fes so weit wie mög­lich zu vermeiden.
  • Schlaf­ge­stör­te Pati­en­ten mit Demenz erhal­ten mit einem Licht-The­ra­pie-Gerät tags­über eine Bestrah­lung mit hel­lem, wei­ßem Licht. Die­se Licht­the­ra­pie wirkt als Zeit­ge­ber auf die inne­re Uhr und nor­ma­li­siert die Schlaf-Wach-Funk­ti­on. Eine ver­gleich­bar gute Wir­kung haben regel­mä­ßi­ge Spa­zier­gän­ge an der Son­ne, bevor­zugt nach­mit­tags oder am frü­hen Abend. Sie ver­min­dern früh­abend­li­che Ver­wirrt­heits­zu­stän­de und ein zu frü­hes Zubettgehen.
  • Zur Behand­lung von Schlaf­stö­run­gen bei älte­ren demen­ten Pati­en­ten sind von den klas­si­schen Schlaf­mit­teln vor allem Ben­zo­dia­ze­pin bzw. Rezep­to­r­ago­nis­ten geeig­net. Sie wir­ken kurz und ver­hin­dern so einen unnö­ti­gen Schlaf­an­stoß am Tage nach der abend­li­chen Ein­nah­me. Bei Schlaf­stö­run­gen, Unru­he und Erre­gungs­zu­stän­den Demenz­kran­ker haben auch nied­rig dosiert ver­ab­reich­te Neu­ro­lep­ti­ka einen hohen Stel­len­wert 7 8 9 10.

Eine beson­de­re Lebens­um­welt und Schlaf von Men­schen mit schwe­rer Demenz

Seit 2006 wird in Deutsch­land über eine segre­ga­tiv-spe­zia­li­sier­te Ver­sor­gungs­form dis­ku­tiert. In einer soge­nann­ten Pfle­ge­oa­se leben 4 bis 8 Men­schen mit schwe­rer Demenz und hohem Pfle­ge- und Unter­stüt­zungs­be­darf in einem Mehr­per­so­nen­raum zusam­men. Eine Beson­der­heit ist die stän­di­ge Anwe­sen­heit einer Pfle­ge­per­son inner­halb des Rau­mes und län­ge­re Lie­ge­zei­ten der Pfle­ge­oa­sen­be­woh­ner. Die Pfle­gen­den kön­nen durch die stän­di­ge Prä­senz auf Bedürf­nis­se nicht nur zeit­nah, son­dern auch per­so­nen­in­di­vi­du­ell reagie­ren. Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en und eine „Exper­ten­grup­pe Pfle­ge­oa­se“ haben sich mit einer best­mög­li­chen Lebens­qua­li­tät in der letz­ten Lebens­pha­se beschäf­tigt, die von hoher Vul­nerabi­li­tät, hohem Schutz- bzw. Sicher­heits­be­dürf­nis und voll­stän­di­ger Hilfs­be­dürf­tig­keit gekenn­zeich­net ist. Je wei­ter eine Demenz­er­kran­kung vor­an­schrei­tet, des­to wich­ti­ger wird der Ein­fluss einer an die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se, Res­sour­cen und Ein­schrän­kun­gen ange­pass­ten Umwelt für die Erhal­tung von Kom­pe­ten­zen und Lebens­qua­li­tät der Betrof­fe­nen 11 12 13 14.

Etwa 40 % der an einer Alz­hei­mer-Demenz erkrank­ten Men­schen haben laut Städt 15 eine Schlaf­stö­rung. Bei einer aus­ge­präg­ten Schlaf­stö­rung kann es zu schwe­ren Stö­run­gen des cir­ca­dia­nen Rhyth­mus mit Tag-Nacht-Umkehr kom­men. Kuhn und Ruten­krö­ger 16 kom­men in ihrer wis­sen­schaft­lich bedeut­sa­men ers­ten Beob­ach­tung des Schlaf­ver­hal­tens bei Men­schen mit schwers­ter Demenz zu dem Ergeb­nis, dass vie­le Schlaf­stö­run­gen und ins­ge­samt extrem lan­ge Ruhe- bzw. Schlaf­pha­sen auf­grund des „Ver­schwin­dens des Tag-Nacht-Rhyth­mus“ bis hin zu einer kom­plet­ten Frag­men­tie­rung des Schlafs mit zum Teil häu­fi­gen extrem kur­zen Schläf­chen und extrem kur­zen Wach­pha­sen für die­se Per­so­nen­grup­pe kenn­zeich­nend ist.

Eine soge­nann­te qua­li­täts­ge­lei­te­te Pfle­ge­oa­se gibt es auch in einer der bei­den unter­such­ten Pra­xis­ein­rich­tun­gen, sodass die Unter­su­chung des Schla­fes gera­de bei die­ser Per­so­nen­grup­pe mit höchs­tem Hil­fe­an­spruch und feh­len­der Kom­mu­ni­ka­ti­on inter­es­sant war.

Pfle­ge­un­ter­stüt­zen­de und tech­nik­ba­sier­te Assessmentmethode

Es wird immer ein­fa­cher, kör­per­li­che Akti­vi­tä­ten und Schlaf mit Hil­fe tech­ni­scher Gerä­te zu erfas­sen. Beim prä­ven­ti­ven Gesund­heits­ma­nage­ment und beim Sport wer­den die Ana­ly­se­mög­lich­kei­ten der „Weara­ble-Tech­no­lo­gien“ jün­ge­rer Gene­ra­tio­nen gern genutzt, um das indi­vi­du­el­le Trai­nings- und Fit­ness­pro­gramm zu über­wa­chen. Schlaf, Akti­vi­tät und Vital­wer­te sind die wich­tigs­ten Indi­ka­to­ren der täg­li­chen Ana­ly­se. Im Hin­blick auf Pfle­ge­ri­si­ken und die Ein­hal­tung des Medi­zin­pro­duk­te­ge­set­zes sind die­se Gerä­te jedoch unge­eig­net. Das tech­ni­sche Sys­tem, das im Pra­xis­test im Ein­satz war – der Mobi­li­ty Moni­tor des Her­stel­lers Com­pli­ant Con­cept – hat fol­gen­de Funktionen:

  • Eine Mobi­li­täts­ana­ly­se ermög­licht ein effi­zi­en­tes Assess­ment und eine geziel­te­re Pla­nung der Pfle­ge­maß­nah­men, z. B. eine Ver­bes­se­rung des Schlaf­ver­hal­tens (Mobi­li­täts­da­ten).
  • Hin­zu kommt eine Deku­bi­tus­pro­phy­la­xe mit Immo­bi­li­täts­war­nung bei Aus­blei­ben haut­ent­las­ten­der Eigen­be­we­gun­gen des Bewoh­ners bzw. des Pati­en­ten (Immo­bi­li­täts­war­nung).
  • Es erfolgt eine Sturz­pro­phy­la­xe bei 360 Grad Bett­aus­stiegs­war­nung (Bett­aus­stiegs­mo­dul).

Der Mobi­li­ty Monitor

Der Mobi­li­ty Moni­tor der Schwei­zer Medi­zin­tech­nik­fir­ma Com­pli­ant Con­cept ist ein elek­tro­ni­sches Ana­ly­se- und Infor­ma­ti­ons­sys­tem für das pfle­ge­risch­me­di­zi­ni­sche Manage­ment von deku­bi­tus- und/oder sturz­ge­fähr­de­ten Per­so­nen im Kran­ken­haus oder im Pfle­ge- bzw. Altenheim.

Es besteht aus einer Sen­sor­ein­heit und einem Bedien­mo­dul (Abb. 1). Die Sen­sor­ein­heit wird unter der Matrat­ze mit­tig auf dem Kran­ken­haus- oder Pfle­ge­bett plat­ziert und per Kabel mit dem Bedien­mo­dul ver­bun­den. Das Bedien­mo­dul wird über ein Netz­teil mit Strom ver­sorgt. Es kann an stan­dard­mä­ßi­ge Licht­ruf­an­la­gen ange­schlos­sen wer­den. Es kann Daten erfas­sen und spei­chern sowie auf einem USB-Stick abspei­chern oder – in der „Wireless“-Version – auch kabel­los an einen Com­pu­ter über­tra­gen. Das Sys­tem wird bei jedem Per­so­nen- oder Bet­ten­wech­sel neu kali­briert. Ein­mal pro Jahr muss das Sys­tem einer funk­ti­ons­tech­ni­schen Kon­trol­le durch den Her­stel­ler unter­zo­gen werden.

In der Sen­sor­ein­heit befin­den sich Sen­so­ren, die Bewe­gun­gen einer im Bett befind­li­chen Per­son und die damit ver­bun­de­nen Druck­ver­än­de­run­gen erfas­sen und in elek­tro­ni­sche Infor­ma­tio­nen umwan­deln kön­nen. Die­se Signa­le wer­den an das Bedien­mo­dul wei­ter­ge­lei­tet. Im Bedien­mo­dul befin­det sich eine elek­tro­ni­sche Ein­heit, deren spe­zi­el­ler Soft­ware-Algo­rith­mus Druck­ver­än­de­run­gen per­ma­nent klas­si­fi­ziert und die­se in digi­tal ver­wert­ba­re Daten umwan­delt und spei­chert. Dabei kann die Sen­si­ti­vi­tät der Erfas­sung für einen defi­nier­ten Zeit­raum (2‑, 4- oder 6‑stündlich) vor­ein­ge­stellt wer­den. Gleich­zei­tig kann das Sys­tem Druck­stei­ge­run­gen an den Bett­rän­dern erken­nen, die typisch für Per­so­nen sind, die das Bett ver­las­sen. Ist das Sys­tem an die Licht­ruf­an­la­ge ange­schlos­sen, erfolgt – je nach Alarm­ein­stel­lung – bei Vor­lie­gen von Bewe­gungs­man­gel oder beim Ver­las­sen des Bet­tes ein ent­spre­chen­der Alarm. Eine erfolg­te Alar­mie­rung kann vom Fach­per­so­nal am Bedien­mo­dul per Tas­ten­druck quit­tiert wer­den; dies wird im Sys­tem ent­spre­chend gespeichert.

Sind die vom Bedien­mo­dul erfass­ten Daten auf einen Com­pu­ter über­tra­gen wor­den, las­sen sich die­se mit einer spe­zi­el­len Soft­ware – dem Mobi­li­ty & Care Mana­ger – dar­stel­len, aus­dru­cken und spä­ter aus­wer­ten: die soge­nann­te Mobi­li­täts­ana­ly­se (Abb. 2). In ihr wird pro Per­son indi­vi­du­ell dar­ge­stellt, ob und wel­che Bewe­gun­gen eine Per­son pro Zeit­raum (z. B. im Lau­fe einer Nacht) aus­ge­führt hat. Dazu gehö­ren haut­ent­las­ten­de Lage­än­de­run­gen eben­so wie Mikro­ak­ti­vi­tät. Die Mobi­li­täts­ana­ly­se zeigt auch die vom Fach­per­so­nal quit­tier­ten Alar­me des Systems.

Ein­satz­mög­lich­kei­ten in der Pflege

Der Mobi­li­ty Moni­tor eig­net sich als geziel­tes peri­odi­sches und eva­lu­ie­ren­des Beob­ach­tungs­in­stru­ment, um die Lebens­qua­li­tät des Bewoh­ners bzw. des Pati­en­ten zu erhal­ten und des­sen Pfle­ge­qua­li­tät zu sichern (Abb. 3). Steue­rung, Koor­di­na­ti­on und Aus­wer­tung der tech­ni­schen Daten über­nahm im beschrie­be­nen Beob­ach­tungs­zeit­raum die Pfle­ge­dienst­lei­tung. Die­se Auf­ga­ben sind jedoch im regel­mä­ßi­gen Ein­satz vom Pfle­ge­team zu leisten.

Dyna­mi­sche Prozesse:

  • dif­fe­ren­tes nächt­li­ches Mobi­li­täts­mus­ter oder erhöh­tes Dekubitusrisiko
  • unkon­trol­lier­tes Bett­aus­stiegs- und Bettfluchtverhalten
  • Ver­än­de­rung der Medikation
  • Ver­än­de­rung des Allgemeinzustandes
  • ver­mehr­te Stürze

Qua­li­täts­ge­lei­te­te Prozesse:

  • peri­odi­sche Über­prü­fung und Ver­än­de­rung von Pflegemaßnahmen
  • fak­ten­ba­sier­te, quan­ti­fi­zier­te Pati­en­ten­da­ten zur inter­dis­zi­pli­nä­ren Therapieplanung
  • Eintritt/Umzug eines neu­en Bewohners/Patienten
  • Schlaf­ver­hal­ten bei immo­bi­len Bewohnern/Patienten
  • Schlaf­ver­hal­ten bei Men­schen mit schwe­rer Demenz/letzte Lebensphase

Pra­xis­be­ob­ach­tun­gen und Fallbeispiele

Fall 1: Hil­de­gard – Schmer­zen unkla­rer Genese

Gebo­ren 1949, Pfle­ge­stu­fe 1; Dia­gno­se: Schi­zo­phre­nie, nor­ma­le Alterserscheinungen

Beson­der­heit: Die Bewoh­ne­rin wohnt auf­grund ihrer chro­ni­schen psy­chi­schen Erkran­kung und feh­len­der Eigen­für­sor­ge schon lan­ge in einem Pfle­ge­heim. In ihrem per­sön­li­chen Wahn­sys­tem tre­ten in der Ana­mne­se immer wie­der Schü­be mit Schmerz­sym­pto­ma­tik unkla­rer Gene­se auf. Die Stim­mung ist meist melancholisch.

Auf­fäl­lig­keit: Seit eini­gen Wochen klagt die Bewoh­ne­rin über Schmer­zen in der Hand und im Arm, kann den Schmerz aber nicht rich­tig benen­nen. Sie selbst sagt aus, dass sie schlecht schla­fe, da die Schmer­zen nachts stär­ker sei­en. Die Nacht­schicht bestä­tigt eine ver­mehr­te nächt­li­che Unru­he. Der zustän­di­ge Haus­arzt und der hin­zu­ge­zo­ge­ne Neu­ro­lo­ge erken­nen kei­ne Behand­lungs­op­ti­on und ver­wei­sen auf psy­chi­sche Ursa­chen und die Anamnese.

Hypothese/fachliche Ein­schät­zung der Pfle­ge­dienst­lei­tung: Über­prü­fung der Nacht­ak­ti­vi­tät und Klä­rung des tat­säch­li­chen Schlaf­ver­hal­tens (1 Woche)

Ana­ly­se der Moni­tor­da­ten: Die Bewoh­ne­rin kommt nicht in aus­rei­chen­de Schlaf­pha­sen, sie zeigt eine hohe Mobi­li­tät (Dre­hen, Bewe­gen), es gibt kei­ne Ent­span­nungs­pha­sen, sie wan­dert nachts.

Inter­ven­ti­on: Bespre­chung mit dem Haus­arzt, Anset­zen eines Schmerz­mit­tels zur Nacht zur Probe

Dyna­mik: Nach einer Woche Test­ana­ly­se kommt es zu einer sicht­ba­ren Ver­bes­se­rung der Ent­span­nungs­pha­sen; die Bewoh­ne­rin berich­tet über Ent­las­tung und weni­ger Schmer­zen. Dar­auf auf­bau­end erfol­gen eine fach­ärzt­li­che Abklä­rung der Schmer­zen und eine Dia­gno­se­fest­stel­lung der Arthro­se. Eine medi­ka­men­tö­se und nicht­me­di­ka­men­tö­se The­ra­pie wird ein­ge­lei­tet. Durch die objek­ti­ve Beur­tei­lung der tech­ni­schen Daten wird die soma­ti­sche Ursa­che differenzierbar.

Fall 2: Pau­la – ver­mehr­te Stürze

Gebo­ren 1932, Pfle­ge­stu­fe 2; Dia­gno­se: Per­sön­lich­keits­stö­rung, Dia­be­tes mel­li­tus, Epilepsie

Beson­der­heit: Die Bewoh­ne­rin ist seit Jah­ren unauf­fäl­lig in ihrer psy­chi­schen Erkran­kung, ihre Kör­per­phy­si­o­no­mie hat sich ver­än­dert, sie hat ohne krank­heits­be­ding­tem Hin­ter­grund abgenommen.

Auf­fäl­lig­keit: Es kommt zu häu­fi­gen Stür­zen, beob­ach­tet meist zwi­schen 17 und 18 Uhr. Seit eini­gen Mona­ten besteht ein phy­si­scher Abbau­pro­zess, es kommt zu mehr­fa­chen Kran­ken­haus­auf­ent­hal­ten wegen Sturz und zur soma­ti­schen Ursa­chen­un­ter­su­chung ohne Befund, eine Vor­stel­lung beim Neu­ro­lo­gen ergibt kei­ne wei­te­ren Erkenntnisse.

Hypothese/fachliche Ein­schät­zung der Pfle­ge­dienst­lei­tung: Über­prü­fung der Mobi­li­täts­da­ten und des Schlaf­ver­hal­tens, Ver­än­de­rung der Medikation

Ana­ly­se der Moni­tor­da­ten: Das Schlaf- und Mobi­li­täts­ver­hal­ten zeigt gro­ße Unter­schie­de: Die Bewoh­ne­rin fällt am frü­hen Abend schnell in einen (zu) tie­fen Schlaf, erkenn­bar an zu wenig Eigen­be­we­gun­gen in der ers­ten Nacht­hälf­te (18.30–24 Uhr); erst nach einer Erho­lungs­pha­se von 3 bis 4 Stun­den sind Eigen­be­we­gun­gen wie­der nach­weis­lich sichtbar.

Inter­ven­ti­on: Bespre­chung der Schlaf und Mobi­li­täts­ana­ly­se mit dem Neu­ro­lo­gen mit Reduzierung/Adaption an ver­än­der­tes Kör­per­ge­wicht der Bedarfs­me­di­ka­ti­on (Sero­quel) am Abend, Ange­bot des Mit­tags­schla­fes für eine Erho­lungs­pha­se am Tag (Ver­bes­se­rung der Schlafhygiene)

Dyna­mik: Nach 5 Wochen und wie­der­hol­tem Ein­satz der tech­ni­schen Über­wa­chung sind die Schlaf­pha­sen und das Mobi­li­täts­mus­ter der Bewoh­ne­rin aus­ge­wo­ge­ner gewor­den. Auf­grund des kör­per­li­chen Abbaus war eine Medi­ka­ti­ons­an­pas­sung am Abend not­wen­dig, und auch der Mit­tags­schlaf wirkt sich för­der­lich auf die All­ge­mein­kon­sti­tu­ti­on aus. Die Bewoh­ne­rin ver­teilt ihre Res­sour­cen gleich­mä­ßi­ger, die unkon­zen­trier­te und sturz­ge­fähr­de­te Pha­se am Abend wur­de abgewendet.

Fall 3: Anne­lie­se – Medi­ka­men­te, Sturz

Gebo­ren 1929, Pfle­ge­stu­fe 3; Dia­gno­se: fort­ge­schrit­te­ne Alz­hei­mer­er­kran­kung, Hypertonie

Beson­der­heit: Die Bewoh­ne­rin ist neu in der Ein­rich­tung, sie hat vor­her zwei­mal die Pfle­ge­ein­rich­tung gewech­selt, weil eine fort­lau­fen­de Unru­he und her­aus­for­dern­des Ver­hal­ten schnell zu Pro­ble­men führ­ten. Sie ist sehr mobil, läuft viel hin und her, sucht die Nähe zu Mit­be­woh­nern ohne natür­li­ches Distanz­ver­hal­ten. Sie ist in einem per­ma­nen­ten Erre­gungs­zu­stand mit wenig Entspannungsmomenten.

Auf­fäl­lig­keit: Die hoch­do­sier­te Medi­ka­ti­on (bis 8 mg Tavor, zusätz­lich Quen­tiax) und eine zusätz­li­che Bedarfs­me­di­ka­ti­on zei­gen kei­ne unmit­tel­ba­re Wir­kung, d. h., je mehr Mit­tel gege­ben wur­den, des­to unru­hi­ger war die Bewoh­ne­rin. Es kommt zu Stür­zen durch feh­len­de Kon­zen­tra­ti­on und Unruhe.

Hypothese/fachliche Ein­schät­zung der Pfle­ge­dienst­lei­tung: Mobi­li­täts­da­ten und Schlaf­ver­hal­ten wer­den über­prüft. Der Vor­schlag der Pfle­ge­dienst­lei­tung, die Medi­ka­ti­on zur Beob­ach­tung zu redu­zie­ren, wird vom Pfle­ge­per­so­nal und vom Arzt abgelehnt.

Ana­ly­se der Moni­tor­da­ten: Anhand der tech­ni­schen Aus­wer­tung zeigt sich, dass die Bewoh­ne­rin extrem schlecht schläft, häu­fig wach und unru­hig ist und das Bett kurz­zei­tig und oft ver­lässt. Die Ein­schlaf­pha­se nach der Abend­me­di­ka­ti­on ist sehr schwie­rig; die Bewoh­ne­rin gelangt in kei­ne Durch­schlaf­pha­se; damit fehlt dem Kör­per Erho­lung bzw. eine Muskelrelaxation.

Inter­ven­ti­on: Schlaf- und Mobi­li­täts­ana­ly­se wer­den mit dem Neu­ro­lo­gen und dem Pfle­ge­team bespro­chen. Es erfolgt eine gemein­sa­me Ent­schei­dung für eine lang­sa­me Medi­ka­men­ten­re­duk­ti­on (von 8 mg Tavor auf 3 mg, Sen­kung von Quen­tiax), eine Sen­kung der Bedarfs­me­di­ka­ti­on, die Pla­nung einer res­sour­cen­ori­en­tier­ten Tages­struk­tur durch das sozi­al­the­ra­peu­ti­sche Team (nicht­me­di­ka­men­tö­se Inter­ven­ti­on) sowie die Ein­be­zie­hung in per­sön­li­che Ein­zel­an­ge­bo­te durch Betreu­ungs­as­sis­tenz, um die Schlaf­hy­gie­ne zu ver­bes­sern und den cir­ca­dia­nen Rhyth­mus zu stärken.

Dyna­mik: Es kommt zu einem län­ge­ren Ein­satz des Mobi­li­ty Moni­tor. Anfangs gibt es nur wenig Ver­bes­se­rung; das Pfle­ge­team befürch­tet eine Ver­schlim­me­rung und benö­tigt immer wie­der Moti­va­ti­on zur Geduld für die Medi­ka­men­ten­re­duk­ti­on. Das fes­te Tages­an­ge­bot zeigt nach 3 Wochen Wir­kung, die Bewoh­ne­rin reagiert bes­ser, wacher und kon­zen­trier­ter auf Anspra­che bzw. Ein­bin­dung. Zugleich ver­än­dert sich auch das Schlaf­ver­hal­ten: Die Bewoh­ne­rin steht nachts fast nicht mehr auf (ver­rin­ger­te Nacht­ak­ti­vi­tät, ver­rin­ger­te Sturz­ge­fahr). Die Ein­schlaf­pha­se wird gleich­mä­ßig und die Durch­schlaf­pha­se län­ger. Der All­ge­mein­zu­stand ver­bes­ser­te sich spür­bar. Die Ange­bo­te (Mor­gen- und Abend­an­ge­bo­te) für den cir­ca­dia­nen Schlaf-Wach-Rhyth­mus zeig­ten Wir­kung für eine bes­se­re Schlafhygiene.

Fall 4: Frie­da – Deku­bi­tus­ge­fähr­dung und Mobilität

Gebo­ren 1921, Pfle­ge­stu­fe 2; Dia­gno­se: KHK, Arthro­se, Pres­by­a­kus­is, Demenz, Herz­schritt­ma­cher, Hypothyrose

Beson­der­heit: Die Bewoh­ne­rin sitzt auf­grund einer Arthro­se im Rollstuhl.

Auf­fäl­lig­keit: Die Bra­den-Ska­la zeigt 17 von 19 Punk­ten, dem­nach besteht für die Bewoh­ne­rin nur eine gerin­ge Deku­bi­tus­ge­fähr­dung. Tat­säch­lich neigt sie jedoch zu Druck­stel­len. Es ent­steht eine Fach­kraft­dis­kus­si­on über das ein­ge­setz­te Assess­ment und die dar­aus abzu­lei­ten­den Maßnahmen.

Hypothese/fachliche Ein­schät­zung der Pfle­ge­dienst­lei­tung: Es wird der Ein­satz einer tech­ni­schen Über­wa­chung beschlos­sen, um mehr Infor­ma­tio­nen über das Mobi­li­täts- und Akti­vi­täts­ver­hal­ten (Mikro­be­we­gun­gen) der Bewoh­ne­rin im Bett zu erhalten.

Ana­ly­se der Moni­tor­da­ten: Trotz vor­han­de­ner Bewe­gungs­res­sour­cen fin­den kei­ne druck­ent­las­ten­den Lage­run­gen über Mikro­ak­ti­vi­tä­ten statt. Es fehlt die not­wen­di­ge Eigen­be­we­gung und damit auch eine von außen durch­ge­führ­te Lage­rung, um das dif­fe­ren­te nächt­li­che Deku­bi­tus­ri­si­ko zu ver­mei­den (Abb. 4).

Inter­ven­ti­on: Auf­nah­me von Lage­rungs­in­ter­val­len (4 Stun­den) durch Pfle­gen­de in die Pfle­ge­pla­nung und Über­prü­fung durch den Mobi­li­ty Monitor.

Dyna­mik: Laut Bra­den-Ska­la war die Bewoh­ne­rin nicht deku­bi­tus­ge­fähr­det; durch die tech­ni­sche Akti­vi­täts­ana­ly­se wur­de jedoch schnell deut­lich, dass die Bra­den-Ska­la kein genau­es Mess­mit­tel ist. Die feh­len­den Eigen­be­we­gun­gen waren für das Deku­bi­tus­ri­si­ko ver­ant­wort­lich. Nach bereits einer Woche konn­te dank tech­ni­scher Über­wa­chung und ver­än­der­ter Inter­ven­ti­ons­maß­nah­me die Pfle­ge­qua­li­tät ver­bes­sert wer­den. Eine sol­che Über­prü­fung wäre mit mensch­li­cher Beob­ach­tung nicht mög­lich gewesen.

Fall 5:

a) Ger­hard – Nacht­ak­ti­vi­tät, Deku­bi­tus und Schlaf

Gebo­ren 1927, Pfle­ge­stu­fe 3; Dia­gno­se: Demenz, Hyper­to­nie, mas­si­ve Adi­po­si­tas, Hirn­in­farkt – letz­te Pha­se der Demenz

b) Horst – Nacht­ak­ti­vi­tät, Deku­bi­tus und Schlaf

Gebo­ren 1952, Pfle­ge­stu­fe 3; Dia­gno­se: Alz­hei­mer mit frü­hem Beginn, letz­te Pha­se der Demenz

Beson­der­heit: Bei­de Bewoh­ner leben in einer segre­ga­tiv-spe­zia­li­sier­ten Wohn­form, der „Pfle­ge­oa­se“, in einem Mehr­per­so­nen­raum, zusam­men mit ins­ge­samt 6 Bewoh­nern mit homo­ge­nen Kri­te­ri­en. Es besteht Dau­er­prä­senz min­des­tens einer Pfle­ge­per­son im Raum zwi­schen 7 und 20 Uhr, ab 20 Uhr erfolgt die Betreu­ung durch die haus­über­grei­fen­de Nacht­schicht. In der Pfle­ge­oa­se wer­den kei­ne Bedarfs­me­di­ka­men­te zur Nacht gegeben.

Auf­fäl­lig­keit: Bei­de Bewoh­ner sind zu 100 % hil­fe­be­dürf­tig; auf­grund der fort­ge­schrit­te­nen Demenz­er­kran­kung ver­brin­gen sie vie­le Stun­den im Bett, dabei besteht eine Stör­an­fäl­lig­keit des Tag-Nacht-Rhyth­mus. Sie sind schwer mobi­li­sier­bar, es ist kei­ne eige­ne Aus­sa­ge zur Befind­lich­keit möglich.

Hypothese/fachliche Ein­schät­zung der Pfle­ge­dienst­lei­tung: Die Nacht­schicht wur­de in Bezug auf die Ein­hal­tung der Pfle­ge­qua­li­tät, die Lage­rungs­in­ter­val­le und die Rund­gän­ge über­prüft. Die Nacht ist eine soge­nann­te Black Box bei die­ser beson­ders vul­ner­ablen Per­so­nen­grup­pe. Die Mög­lich­keit der Infor­ma­ti­on durch tech­ni­sche Über­wa­chung ver­mit­telt Ein­blick in Nacht­ru­he­pha­sen und Eigenbewegungen.

Ana­ly­se der Daten des Mobi­li­ty Moni­tor: Es zeigt sich über vie­le Tage hin­ter­ein­an­der, dass bei­de Män­ner genü­gend Eigen­be­we­gun­gen und Mikro­ak­ti­vi­tä­ten nachts auf­brin­gen. Die Lage­rungs­in­ter­val­le durch das Pfle­ge­per­so­nal und damit die zusätz­li­che Stö­rung des Schlafs sind des­halb nicht not­wen­dig. Auf­fäl­lig bei bei­den Män­nern sind unru­hi­ge Zei­ten zwi­schen 20 und 1 Uhr und zwi­schen 4 und 7 Uhr mit viel Eigen­be­we­gung, leich­ten Schlaf­pha­sen und wenig Durch­schlaf­pha­sen. Län­ge­re Tief­schlaf­pha­sen fin­den sich ver­mehrt am Tage.

Inter­ven­ti­on: Die Lage­rungs­in­ter­val­le kön­nen über den Mobi­li­ty Moni­tor akti­viert wer­den, d. h., das Immo­bi­li­täts­mo­dul zeigt aktu­ell die Not­wen­dig­keit einer Lage­rung von außen an. Bei aus­rei­chen­den Eigen­be­we­gun­gen muss der Bewoh­ner nicht mehr im Schlaf gestört werden.

Dyna­mik: Gera­de bei die­ser beson­de­ren Per­so­nen­grup­pe ist mehr Wis­sen über den Schlaf und die Eigen­be­we­gun­gen sinn­voll, um wirk­sa­me Pfle­ge­maß­nah­men am Tage ein­zu­lei­ten und ggf. adäquat auf den Nacht­ver­lauf zu reagieren.

Inter­es­sant ist bei der Beob­ach­tung der beschrie­be­nen Pfle­ge­oa­sen­be­woh­ner die tech­ni­sche Auf­zeich­nung unru­hi­ger Pha­sen bei Abwe­sen­heit der Pfle­ge­per­son. Es ist zu ver­mu­ten, dass die Dau­er­prä­senz der Pfle­ge­per­son für Ent­span­nung und Sicher­heit bei die­ser Per­so­nen­grup­pe sorgt und des­halb zu tie­fe­ren Schlaf­pha­sen führt. Aus die­ser Beob­ach­tung eine wei­ter­füh­ren­de Unter­su­chung mit Hil­fe tech­ni­scher Assis­tenz zu Schlaf und Eigen­be­we­gung von Men­schen mit schwe­rer Demenz in unter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­set­tings anzu­stre­ben, wür­de die Arbeit von Ber­ner, Kuhn und Ruten­krö­ger aus dem Jahr (2011) 17 ergän­zen. Kann eine bedürf­nis­ori­en­tier­te Lebens­um­welt mit Gemein­schaft, Nähe und Sicher­heit zu ver­bes­ser­ten Schlaf­er­geb­nis­sen bei Men­schen mit Demenz und in ihrer letz­ten Lebens­pha­se führen?

Fazit

„Ich habe die gan­ze Nacht kein Auge zuge­tan“ muss kei­ne geläu­fi­ge Flos­kel für Men­schen im höhe­ren Lebens­al­ter sein. Viel­mehr kann tech­ni­sche Unter­stüt­zung zur Fremd­ein­schät­zung der Nacht­ru­he und Nacht­ak­ti­vi­tät in sinn­vol­ler Wei­se die Pfle­ge­qua­li­tät ergän­zen. Die Beob­ach­tun­gen tra­gen zu einer ver­bes­ser­ten und ganz­heit­li­chen Ana­ly­se bei. Die bis­her feh­len­den Infor­ma­tio­nen erlau­ben neue Inter­ven­tio­nen und Pfle­ge­maß­nah­men und sind – wie in den dar­ge­stell­ten Fäl­len – immer geprägt von mehr Qua­li­tät für den Bewoh­ner (weni­ger Medi­ka­ti­on, weni­ger Stö­run­gen, Ver­mei­dung von Risi­ken, geziel­te Therapieplanung).

Nicht­me­di­ka­men­tö­se Inter­ven­tio­nen sind zu favo­ri­sie­ren; gera­de die Black Box „Nacht“ kann durch Schlaf­ent­zug, Schlaf­stö­run­gen, unge­sun­de Schlaf­pha­sen und den dadurch ver­än­der­ten kör­per­li­chen und geis­ti­gen Gesamt­zu­stand zu einer fal­schen Inter­pre­ta­ti­on des Gesund­heits­zu­stands füh­ren. The­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men zur Stär­kung des Tag-Nacht-Rhyth­mus und der Aktiv-/Pas­siv-Tages­struk­tur, inter­dis­zi­pli­nä­re Gesprä­che über Krank­hei­ten, Medi­ka­ti­on und Wech­sel­wir­kun­gen kön­nen viel zu einer ver­bes­ser­ten Schlaf­hy­gie­ne und zur Erhö­hung der Pfle­ge­qua­li­tät bei­tra­gen. Öko­no­mi­scher Vor­teil tech­ni­scher Unter­stüt­zung ist die Ver­mei­dung einer Über- bzw. Unter­ver­sor­gung; durch den Ein­satz tech­ni­scher Assis­tenz kön­nen Fol­ge­kos­ten von Kom­pli­ka­tio­nen redu­ziert wer­den. Unse­re mensch­li­chen Res­sour­cen sind für die Über­wa­chung des Schlafs nicht geeig­net, sodass hier Tech­no­lo­gien sinn­voll unter­stüt­zen und somit die Lebens­qua­li­tät stei­gern können.

Für die Autorinnen:
Sabi­ne L. Distler
Dipl.-Psychogerontologin, Dipl.-Sozialpädagogin (FH)
Cura­to­ri­um Altern gestal­ten e. V.,
ALWO Unter­neh­mens­grup­pe
Müh­len­weg 5, 91235 Rupprechtstegen
Sabine.Distler@alterngestalten.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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