Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten des Lymph­ödems nach Brustkrebs

C. Horrer, A. Arnold
Ziel dieses Artikels ist es, die Notwendigkeit einer verstärkten Sensibilisierung und besseren Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln innerhalb der Mammakarzinom-Therapie aufzuzeigen. Trotz der weltweiten Zunahme von Brustkrebsfällen bleibt das sekundäre Lymph­ödem nach Mammakarzinom eine oft vernachlässigte Folgeerkrankung in der öffentlichen Diskussion. Im Zuge der konservativen Therapie ist die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln ein wichtiger Grundpfeiler der Behandlung. Die Aufklärung über das Lymphödem inkl. entsprechender Therapiemöglichkeiten soll nicht nur das Bewusstsein schärfen, sondern auch die Grundlage für verbesserte Präventions-, Behandlungs- und Versorgungsstrategien schaffen.

Ein­lei­tung

Brust­krebs ist die häu­figs­te Krebs­art bei Frau­en, die Zahl der Betrof­fe­nen steigt wei­ter­hin. Im Jahr 2020 wur­de bei 2,3 Mil­lio­nen Frau­en welt­weit Brust­krebs dia­gnos­ti­ziert. Ende 2020 leb­ten 7,8 Mil­lio­nen Frau­en, wel­che inner­halb der ver­gan­ge­nen fünf Jah­re eine Brust­krebs­dia­gno­se erhielten.

Das Risi­ko zu erkran­ken, steigt mit zuneh­men­dem Alter, aller­dings kann eine Dia­gno­se schon in jun­gen Jah­ren gestellt wer­den. Blei­ben die der­zei­ti­gen Trends unge­bremst, stei­gen die Dia­gno­sen bis zum Jahr 2030 vor­aus­sicht­lich auf 2,74 Mil­lio­nen und bis 2040 auf 3,19 Mil­lio­nen Fäl­le. Trotz sin­ken­der Ster­be­ra­te in den west­li­chen Län­dern rech­net man auch hier mit einem Anstieg der Brust­krebs­zah­len bis 2040 um cir­ca 12,8 Pro­zent1.

Die Her­aus­for­de­run­gen nach einer Brust­krebs­ope­ra­ti­on sind viel­fäl­tig. Der Ver­lust oder die Ver­än­de­rung der Brust haben nicht nur einen star­ken phy­si­schen, son­dern auch psy­chi­schen Ein­fluss, wie zum Bei­spiel Ver­lust des Selbst­ver­trau­ens und ver­min­der­tes psy­cho­so­zia­les Wohl­be­fin­den2. Das Lymph­ödem als Fol­ge­er­kran­kung kann sich zusätz­lich nega­tiv auf die Pati­en­tin auswirken.

Lymph­ödem nach Brustkrebs

Das eigen­stän­di­ge chro­ni­sche Krank­heits­bild „Lymph­ödem“ ist eine ernst­zu­neh­men­de Fol­ge­er­kran­kung nach Mam­ma­kar­zi­nom. Sie kann auf­grund eines gestör­ten Lymph­ab­flus­ses infol­ge der Ope­ra­ti­on bezie­hungs­wei­se Behand­lung ent­ste­hen. Die Behand­lung von Brust­krebs rich­tet sich u. a. nach dem Zell­typ des Kreb­ses, der Tumor­grö­ße und wie weit er sich außer­halb der Brust auf Lymph­kno­ten (Sta­di­um II oder III) oder ande­re Tei­le des Kör­pers (Sta­di­um IV) aus­ge­brei­tet hat3. Dies wirkt sich auf die Ope­ra­ti­ons­tech­nik, Anzahl der ent­fern­ten Lymph­kno­ten, und ob Bestrah­lung und Che­mo­the­ra­pie durch­ge­führt wer­den, aus4. All die­se Fak­to­ren kön­nen zu einer Schä­di­gung des Lymph­ge­fäß­sys­tems (LGS) füh­ren. Auf­grund der dar­aus fol­gen­den mecha­ni­schen Insuf­fi­zi­enz des LGS und der damit ein­schränk­ten Trans­port­fä­hig­keit für die lym­ph­pflich­ti­gen Las­ten kann es zum ver­lang­sam­ten Rück­fluss der Lym­phe bzw. Gewebs­flüs­sig­keit kom­men. Die Fol­ge ist ein loka­les eiweiß­rei­ches Ödem an Arm, Brust oder Tho­rax­wand5.

Bei chir­ur­gi­schen Ein­grif­fen wird ent­we­der nur das vom Krebs befal­le­ne Gewe­be (brust­er­hal­ten­de Ope­ra­ti­on) oder die gesam­te Brust (Mastektomie/Ablatio) ent­fernt. Aktu­ell zeigt sich ein Trend zu brust­er­hal­ten­den The­ra­pien (BET) 6. Die­se wer­den in der Regel durch sys­te­mi­sche The­ra­pien (z. B. Bestrah­lung, Che­mo­the­ra­pie oder Hor­mon­the­ra­pie) ergänzt, wel­che einen beacht­li­chen Ein­fluss auf das Lymph­ödem-Risi­ko darstellen.

Pati­en­tin­nen, die eine Che­mo­the­ra­pie erhiel­ten, haben Stu­di­en zufol­ge ein fast dop­pelt so hohes Risi­ko, ein Lymph­ödem zu ent­wi­ckeln, im Ver­gleich zu Pati­en­tin­nen ohne Che­mo­the­ra­pie. Die Anzahl der ent­nom­me­nen Lymph­kno­ten, Radia­tio (Bestrah­lung) der Lymph­ab­fluss­we­ge, ein hoher Body-Mass-Index sowie even­tu­el­le Wund­hei­lungs­stö­run­gen neh­men zudem Ein­fluss auf das Ent­ste­hungs­ri­si­ko eines Lymph­ödems7 8.

Die Prä­va­lenz des Lymph­ödems nach Brust­krebs vari­iert. Auf­grund feh­len­der stan­dar­di­sier­ter Metho­den zur Defi­ni­ti­on und Mes­sung von Brust­öde­men gibt die Lite­ra­tur Inzi­den­zen zwi­schen 0 und 90,4 Pro­zent an. Gezeigt wer­den konn­te jedoch ein­deu­tig, dass in Anbe­tracht ver­än­der­ter Ope­ra­ti­ons­me­tho­den vor allem Lymph­öde­me im Bereich der Brust- und Tho­rax­wand zuneh­men9. Aller­dings wer­den gera­de die­se in der Dia­gnos­tik häu­fig vernachlässigt.

Dia­gno­se und Behand­lungs­mög­lich­kei­ten von Lymphödemen

Die Dia­gno­se von Lymph­öde­men erfor­dert eine sorg­fäl­ti­ge und umfas­sen­de Her­an­ge­hens­wei­se. Mög­li­che Dia­gno­se­me­tho­den sind kli­ni­sche Unter­su­chun­gen, bild­ge­ben­de Ver­fah­ren und Lymph­szin­ti­gra­phien. Ärz­te erlan­gen durch gründ­li­che kör­per­li­che Unter­su­chung und Befra­gung der Pati­en­tin­nen ers­te Hin­wei­se auf das Vor­lie­gen eines Lymph­ödems10.

In der Pra­xis zeigt sich jedoch, dass Lymph­öde­me im Bereich der Brust und Tho­rax­wand, trotz deut­li­cher Sym­pto­ma­tik, über­se­hen bzw. bei der Unter­su­chung außer Acht gelas­sen wer­den. Nicht sel­ten wer­den Brust- und Tho­rax­wand-Öde­me von Phy­sio­the­ra­peu­ten oder dem mit Brust­pro­the­sen ver­sor­gen­dem Fach­han­del entdeckt.

Lymph­öde­me stel­len eine Her­aus­for­de­rung im Bereich der Gesund­heits­ver­sor­gung dar und erfor­dern dif­fe­ren­zier­te Behand­lungs­an­sät­ze. Spe­zia­li­sier­te Phy­sio­the­ra­peu­ten spie­len hin­sicht­lich kon­ser­va­ti­ver The­ra­pie­an­sät­ze eine ent­schei­den­de Rol­le. Sie füh­ren den ganz­heit­li­chen Ansatz der kom­ple­xen phy­si­ka­li­schen Ent­stau­ungs­the­ra­pie (KPE) durch11. Die­se The­ra­pie­form kom­bi­niert ver­schie­de­ne Maß­nah­men in zwei Pha­sen (Ent­stau­ungs- und Erhal­tungs­pha­se), um Lymph­öde­me effek­tiv zu behan­deln und die Lebens­qua­li­tät der Betrof­fe­nen zu steigern.

Die KPE setzt sich aus fünf Bau­stei­nen zusam­men: manu­el­le Lymph­drai­na­ge, Kom­pres­si­ons- und Bewe­gungs­the­ra­pie, Haut­pfle­ge sowie Selbst­ma­nage­ment. Durch die Kom­bi­na­ti­on die­ser Ele­men­te wird nicht nur der Lymph­ab­fluss ver­bes­sert, son­dern auch die Ent­stau­ung nach­hal­tig unter­stützt12. Die Ver­wen­dung von medi­zi­ni­schen Hilfs­mit­teln wie Kom­pres­si­ons­ban­da­gen, ‑BHs oder ‑strümp­fen spielt dabei eine zen­tra­le Rol­le. Hier­zu kann sich die Pati­en­tin an einen auf Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung und Brust­pro­the­tik spe­zia­li­sier­ten Fach­händ­ler wenden.

Ver­sor­gung des Lymph­ödems mit inno­va­ti­ven Hilfsmitteln

Lymph­öde­me kön­nen mit unter­schied­li­chen Hilfs­mit­teln wie Kom­pres­si­ons­strümp­fen, ‑BHs und Pelot­ten ver­sorgt werden.

Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei Arm‑, Brust- und Thoraxlymphödem

Lymph­öde­me, ins­be­son­de­re an Armen, Brust und Tho­rax­wand, kön­nen erheb­li­che Ein­schrän­kun­gen im All­tag ver­ur­sa­chen und bedür­fen einer geziel­ten Kompressionstherapie.

Durch den geziel­ten Druck der Kom­pres­si­on auf das Gewe­be wer­den der Lymph­ab­fluss geför­dert und Schwel­lun­gen redu­ziert13. Dies trägt nicht nur zur Sym­ptom­lin­de­rung bei, son­dern hilft auch, das Fort­schrei­ten der Erkran­kung zu ver­lang­sa­men bzw. zu ver­hin­dern. Zudem kann die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie den Ent­wick­lungs­pro­zess von Nar­ben posi­tiv unter­stüt­zen14.

Ver­sor­gung mit medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­strümp­fen und Kompressions-BHs

Eine effek­ti­ve Kom­pres­si­ons­the­ra­pie kann bspw. durch Kom­pres­si­ons­ban­da­gen, ‑strümp­fe und ‑BHs erfol­gen. Die Aus­wahl hängt von der Loka­li­sa­ti­on des Lymph­ödems und den indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen der Pati­en­tin ab.

Ver­sor­gung mit Kompressionsstrümpfen

In der Ent­stau­ungs­pha­se der KPE soll die ange­stau­te Flüs­sig­keit abtrans­por­tiert und somit die Schwel­lung des ­Gewe­bes ver­rin­gert wer­den. In der Regel wird dabei zunächst mit kurz­zu­gi­gen Kom­pres­si­ons­bin­den gear­bei­tet15. Leit­li­ni­en­ge­recht wer­den Lymph­öde­me in der dar­auf­fol­gen­den Erhal­tungs­pha­se der KPE in der Regel mit flach­ge­strick­ten medi­zi­ni­schen Kom­pres­si­ons­strümp­fen ver­sorgt16. Ziel die­ser Pha­se ist es, ein erneu­tes Auf­tre­ten des Ödems zu ver­hin­dern. Je nach Schwe­re­grad des Lymph­ödems wer­den bei Kom­pres­si­ons­strümp­fen unter­schied­li­che Kom­pres­si­ons­klas­sen (Klas­se I bis IV) ein­ge­setzt. Flach­ge­strick­te Kom­pres­si­ons­strümp­fe wer­den nach Maß gefer­tigt, um eine opti­ma­le Pass­form und Unter­stüt­zung zu gewähr­leis­ten17. Das Aus­mes­sen der Ver­sor­gung erfolgt im spe­zia­li­sier­ten Fach­han­del (Sani­täts­haus).

Nach einem Mam­ma­kar­zi­nom kann es zum Auf­tre­ten von Arm­lymph­öde­men kom­men, hier­bei sind in der Regel auch die Hän­de betrof­fen. Aus die­sem Grun­de ist eine auf Maß ange­fer­tig­te Ver­sor­gung mit Kom­pres­si­ons­arm­strumpf und ‑hand­schuh ent­schei­dend (Abb. 1). Der Pati­en­tin wer­den ver­schie­dens­te Optio­nen mit prak­ti­schen Ergän­zun­gen ange­bo­ten, die auf den All­tag und indi­vi­du­el­le Bedürf­nis­se abge­stimmt sind.

Ver­sor­gung mit Kom­pres­si­on im Bereich der Brust und der Thoraxwand

Für Pati­en­ten mit Lymph­öde­men an Brust oder Tho­rax­wand sind spe­zi­el­le Kom­pres­si­ons-BHs erhält­lich. Sie kön­nen den lympha­ti­schen Fluss unter­stüt­zen, ohne den Tra­ge­kom­fort zu vernachlässigen.

Kom­pres­si­ons­tex­ti­li­en eig­nen sich für die Anwen­dung direkt nach einer Brust­krebs-Ope­ra­ti­on, um den Hei­lungs­pro­zess opti­mal zu unter­stüt­zen. Naht­lo­se Post-OP-Kom­pres­si­ons-BHs (Ban­da­gen) wur­den für Pati­en­tin­nen nach einer Brust­ope­ra­ti­on ent­wi­ckelt, um die ope­rier­te Brust zu sta­bi­li­sie­ren und zu fixie­ren, bei­spiels­wei­se auch bei plötz­li­chen Bewe­gun­gen wie Nie­sen und Hus­ten. Die Kom­pres­si­on unter­stützt die Hei­lung, schützt das sen­si­ble Nar­ben­ge­we­be, redu­ziert Rei­zun­gen und kann die damit ver­bun­de­nen Schmer­zen lin­dern18. Die­se Erst­ver­sor­gung erfolgt in der Regel direkt in der Kli­nik durch ein spe­zia­li­sier­tes Sanitätshaus.

Das sekun­dä­re Lymph­ödem nach Mam­ma­kar­zi­nom-The­ra­pie kann zu jedem Zeit­punkt auf­tre­ten, noch wäh­rend der The­ra­pie, aber auch erst Jah­re danach [münd­li­che Quel­le: War­sow, Dr. med. Inge­lo­re, All­ge­mein­me­di­zi­ne­rin mit Spe­zia­li­sie­rung Lymph­ödem]. Unter­schied­li­che Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten ste­hen nach der Dia­gno­se zur Verfügung.

Neben flach­ge­strick­ten Tho­rax­ban­da­gen für den Ober­kör­per- und Schul­ter­be­reich kön­nen spe­zi­el­le Lymph-Kom­pres­si­ons-BHs bei leich­ten lympha­ti­schen Erkran­kun­gen im Tho­rax- und Brust­be­reich ver­ord­net wer­den (Abb. 2). Der medi­zi­nisch wirk­sa­me Druck die­ser Spe­zi­al-BHs unter­stützt den Lymph­ab­fluss. Struk­tu­rier­te Stof­fe begüns­ti­gen zudem die ober­fläch­li­che Mikro­zir­ku­la­ti­on, was hilf­reich bei Öde­ma­ti­sie­rung an Tho­rax­wand und Brust ist. Für Pati­en­tin­nen, wel­che Brust­pro­the­sen tra­gen, bie­ten die­se BHs ein­ge­näh­te Taschen, um der Pro­the­se Halt zu geben19.

Neben Lymph-Kom­pres­si­ons-BHs sind Kom­fort-BHs erhält­lich. Die­se bie­ten inno­va­ti­ve Tech­no­lo­gien, z. B. Sen­sElast 3‑D® oder struk­tu­rier­te Mate­ria­li­en, um einen leich­ten zusätz­li­chen Mas­sa­ge­ef­fekt zu erzeu­gen. Des Wei­te­ren bie­ten sie opti­ma­le, beque­me Unter­stüt­zung, ohne einzuschneiden.

Ver­sor­gung mit Brust­pro­the­sen nach ope­ra­ti­ver Tumorentfernung

Aktu­ell wird in west­li­chen Län­dern bei ca. 70 Pro­zent der Brust­krebs­ope­ra­tio­nen eine BET durch­ge­führt, eine Mas­tek­to­mie bei rund 30 Pro­zent20.

Im Anschluss an die Brust­krebs-ope­ra­ti­on hat die Ver­sor­gung mit einer Brust­pro­the­se einen posi­ti­ven Ein­fluss auf die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­tin­nen21. Die Ver­sor­gung mit Voll­pro­the­sen erfolgt nach Mas­tek­to­mie, teil­pro­the­ti­sche Ver­sor­gung nach BET oder Wie­der­auf­bau. Pro­the­sen bie­ten Betrof­fe­nen die Wie­der­her­stel­lung der natür­li­chen Sil­hou­et­te und sind wich­ti­ge Fak­to­ren in der Rück­ge­win­nung des Selbst­ver­trau­ens und Wohl­erge­hens. Befra­gun­gen zei­gen, dass Pro­the­sen betrof­fe­nen Frau­en hel­fen, den Ein­griff zu ver­ges­sen und sich wie­der weib­lich zu füh­len. Dar­über hin­aus kommt der Pro­the­se eine gro­ße Bedeu­tung bezüg­lich Balan­ce und Kör­per­hal­tung zu. Gewichts­un­ter­schie­de nach Mas­tek­to­mie oder Asym­me­trien nach BET bzw. Brust­auf­bau soll­ten unbe­dingt kor­ri­giert wer­den, da die Betrof­fe­nen unbe­wusst fal­sche Kör­per­hal­tun­gen ein­neh­men. Die­se kön­nen zu Ver­span­nun­gen und Schmer­zen im Nacken‑, Rücken- und Schul­ter­be­reich, Hal­tungs­schä­den sowie mus­ku­lä­ren Dys­ba­lan­cen füh­ren. Pro­the­sen als Aus­gleich des feh­len­den Brust­ge­we­bes hel­fen dies zu ver­mei­den22.

Spe­zi­ell bei Pati­en­tin­nen mit Lymph­ödem kann sich das Volu­men der Tho­rax­wand oder Brust regel­mä­ßig ver­än­dern. Aus die­sem Grun­de kann die Ver­sor­gung mit einer nicht adap­tier­ba­ren Pro­the­se her­aus­for­dernd sein. Dies gilt auch für Pati­en­tin­nen, die in Fol­ge der Brust­krebs­ope­ra­ti­on eine sehr unebe­ne Brust­wand haben.

Inno­va­ti­ve Brust­pro­the­sen mit Luft­kam­mer-Tech­no­lo­gie kön­nen an die sich ver­än­dern­de Brust(-Wand) ange­passt wer­den und erleich­tern den All­tag der Pati­en­tin­nen enorm. Die­se Pro­the­sen sind in Seri­en­fer­ti­gung als Voll- und Teil­pro­the­se sowie in Maß­fer­ti­gung erhält­lich. Maß­pro­the­sen mit inte­grier­ter „Adapt Air“-Luftkammer-Technologie pas­sen sich vor allem bei her­aus­for­dern­den Ope­ra­ti­ons­er­geb­nis­sen noch bes­ser an die indi­vi­du­el­len Gege­ben­hei­ten der Brust(-Wand) an, da sie auch in ihrer Grund­form und Sil­hou­et­te indi­vi­dua­li­sier­bar sind (Abb. 3) 23.

Neben den Vor­tei­len der adap­tier­ba­ren Pro­the­sen bestä­ti­gen sowohl Lymph­the­ra­peu­ten als auch Fach­ärz­te eben­falls die posi­ti­ve Wir­kung von Brust­pro­the­sen mit selbst­haf­ten­der Rück­wand auf das Lymph­ödem. Zum einen ent­steht durch die Haf­tung ein drei­di­men­sio­na­ler Zug wäh­rend der Bewe­gung auf die Brust­wand, zum ande­ren wird ein Teil des Gewich­tes der Pro­the­se wie­der auf die Brust­wand über­tra­gen und ent­las­tet damit den Schul­ter­be­reich [münd­li­che Quel­le: Schul­ze, Hen­ry A., Lymph- und Ödemtherapeut].

Wei­te­re Hilfs­mit­tel zur Ver­sor­gung von Lymph­öde­men nach Mammakarzinom-Therapie

Die Kom­pres­si­on des Lymph­ödems kann mit­hil­fe von Pelot­ten aus Schaum­stoff oder neu­er­dings aus Sili­kon unter­stützt wer­den (Abb. 4). Sie wer­den auf die vom Lymph­ödem betrof­fe­nen Berei­che in den BH, die Tho­rax­ban­da­ge oder Kom­pres­si­ons­be­klei­dung ein­ge­legt. Die struk­tu­rier­te Ober­flä­che der Pelot­te unter­stützt mit einer lockern­den Mikro­mas­sa­ge im Bereich des Lymph­ödems24.

Durch die an die Brust ange­pass­te Form­ge­bung und das dün­ne­re Mate­ri­al bie­ten Sili­kon­pe­lot­ten bzw. ‑brust­scha­len einen erhöh­ten Tra­ge­kom­fort im All­tag. Sili­kon­pe­lot­ten kön­nen jedoch auch für nicht brust­be­zo­ge­ne Lymph­öde­me ver­wen­det wer­den. All­ge­mein gilt, dass sol­che Hilfs­mit­tel aus Sili­kon leich­ter zu rei­ni­gen, hygie­ni­scher und über einen län­ge­ren Zeit­raum nutz­bar sind.

Fall­bei­spiel – Miri­am Vogt

Das Fall­bei­spiel der Pati­en­tin Miri­am Vogt (Abb. 5), gebo­ren 1988, soll die Wich­tig­keit der rich­ti­gen und ganz­heit­li­chen Ver­sor­gung bei Lymph­ödem nach Mam­ma­kar­zi­nom auf­zei­gen. Miri­am erhielt die Dia­gno­se inva­si­ves Mam­ma­kar­zi­nom im Novem­ber 2020 und wur­de im Dezem­ber 2020 an der lin­ken Sei­te brust­er­hal­tend ope­riert. Ca. 75 Pro­zent der Brust blie­ben erhal­ten. Auf­grund von Lymph­me­ta­sta­sen wur­den 13 axil­lä­re Lymph­kno­ten ent­fernt. Dar­über hin­aus erhielt die Pati­en­tin 20 Bestrah­lun­gen der lin­ken Brust und eine Anti-Hor­mon­the­ra­pie bis Ende 2023. Che­mo­the­ra­pie wur­de auf Wunsch der Pati­en­tin nicht durchgeführt.

Nach der aku­ten Brust­krebs­be­hand­lung wur­de die Dia­gno­se Lymph­ödem am lin­ken Arm (2021) sowie Brust- und Tho­rax­wand-Lymph­ödem (2022) gestellt.

Die The­ra­pie der Pati­en­tin beinhal­tet inzwi­schen zwei­mal wöchent­lich Lymph­drai­na­ge und gutes Selbst­ma­nage­ment (z. B. Atem­übun­gen und Sport). Dar­über hin­aus ist sie mit einem flach­ge­strick­ten Arm­strumpf inkl. Hand­schuh links, einer flach­ge­strick­ten Tho­rax-Kom­pres­si­on (in der Regel als Nacht­ver­sor­gung getra­gen) und einem Lymph-Kom­pres­si­ons-BH als Tag­ver­sor­gung aus­ge­stat­tet. Um das feh­len­de Gewe­be der lin­ken Brust aus­zu­glei­chen, trägt sie eine Teil­pro­the­se mit Luft­kam­mer-Tech­no­lo­gie, um die ste­ti­gen Volu­men­än­de­run­gen des Lymph­ödems auszugleichen.

Befin­det sich die Pati­en­tin nicht in regel­mä­ßi­ger lymph­the­ra­peu­ti­scher Behand­lung, tre­ten bei­spiels­wei­se Schwel­lun­gen unter­halb der Ach­sel und im gesam­ten Ober­kör­per, Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen und (Druck-)Schmerzen auf. Die­se füh­ren unbe­han­delt zu Unwohl­sein mit Enge­ge­fühl bis hin zu Luft­not und gekrümm­ter Hal­tung. Auf­grund der durch­ge­führ­ten Maß­nah­men in Kom­bi­na­ti­on mit inno­va­ti­ven Hilfs­mit­teln ver­bes­sert sich die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­tin deutlich.

Fazit

Für Pati­en­tin­nen mit Lymph­ödem nach Mam­ma­kar­zi­nom-The­ra­pie spie­len indi­vi­du­el­le Nach­sor­ge­emp­feh­lun­gen sowie eine ganz­heit­li­che Ver­sor­gung mit inno­va­ti­ven Hilfs­mit­teln eine ent­schei­den­de Rol­le. Kon­ti­nu­ier­li­che ärzt­li­che Betreu­ung, phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Unter­stüt­zung, ein ver­sor­gen­der spe­zia­li­sier­ter Fach­händ­ler und Selbst­ma­nage­ment sind uner­läss­lich. Die­ser ganz­heit­li­che Ansatz kann dazu bei­tra­gen, die Sym­pto­me des Lymph­ödems nach Mam­ma­kar­zi­nom-The­ra­pie zu redu­zie­ren und vor allem die Lebens­qua­li­tät und das Wohl­be­fin­den der betrof­fe­nen Pati­en­tin­nen nach­hal­tig zu verbessern.


Die Autorinnen
Clau­dia Horrer
Alex­an­dra Arnold
Amoe­na Medi­zin-Ortho­pä­die-Tech­nik GmbH
Kapel­len­weg 36
83064 Raub­ling
Claudia.Horrer@amoena.com

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Hor­rer C, Arnold A. Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten des Lymph­ödems nach Brust­krebs. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (6): 36–40

 

 

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  13. Gül­tig O, Mil­ler A, Zölt­zer H. Leit­fa­den Lym­pho­lo­gie. Mün­chen: Else­vier, 2021 
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  17. Ofa Bam­berg. Kom­ple­xe Phy­si­ka­li­sche Ent­stau­ungs­the­ra­pie (KPE). https://www.ofa.de/de-de/therapie/entstauungstherapie/ (Zugriff am 21.03.2024)
  18. Amoe­na. Cura Sup­port Kom­pres­si­on – Naht­lo­se Post-OP BHs. https://www.amoena.com/de/produkt-welten/recovery-care/post-op-bhs/ (Zugriff am 21.03.2024)
  19. Amoe­na. Lym­ph­ver­sor­gung. https://www.amoena.com/de/produkt-welten/lymph-care/lymph-versorgungskonzept/ (Zugriff am 21.03.2024)
  20. Bar­tig D. Brust­pro­the­ti­sche Ver­sor­gung nach Mas­tek­to­mie. Raub­ling: Amoe­na Medi­zin-Ortho­pä­die-Tech­nik GmbH, 2021 
  21. Wie­demann R. Brust­pro­the­ti­sche Ver­sor­gung von Frau­en nach Mas­tek­to­mie in Deutsch­land. Eine empi­ri­sche Unter­su­chung zur Bewäl­ti­gung beschä­dig­ter Iden­ti­tät nach Brust­ver­lust. Lever­ku­sen: Bud­rich Uni­Press, 2018 
  22. Wie­demann R. Brust­pro­the­ti­sche Ver­sor­gung von Frau­en nach Mas­tek­to­mie in Deutsch­land. Eine empi­ri­sche Unter­su­chung zur Bewäl­ti­gung beschä­dig­ter Iden­ti­tät nach Brust­ver­lust. Lever­ku­sen: Bud­rich Uni­Press, 2018 
  23. Amoe­na. Adapt Air – Neue anpass­ba­re Brust­pro­the­se. https://www.amoena.com/de/unternehmen/adapt-air-neue-anpassbare-brustprothese/ (Zugriff am 21.03.2024)
  24. Gül­tig O, Mil­ler A, Zölt­zer H. Leit­fa­den Lym­pho­lo­gie. Mün­chen: Else­vier, 2021 
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