Ver­sor­gungs­bei­spiel eines glen­oh­u­me­ra­len TMR-Pati­en­ten im Ver­gleich mit drei trans­hu­me­ra­len TMR-Patienten

R.-T. Münch
Im Anschluss an eine kurze Einführung zum aktuellen Stand der TMR-Operation wird das Versorgungsbeispiel eines glenohumeral amputierten Patienten vorgestellt, der mehrere Neuromknoten aufwies und deshalb nach der TMR-Methode operiert wurde. Im Fokus des Artikels steht die Suche nach der optimalen Elektrodenposition in mehreren Schritten. Dieses Vorgehen wird anschließend mit dem Vorgehen bei der TMR-Versorgung dreier transhumeral amputierter Patienten verglichen. Dabei ist tendenziell ein Zusammenhang zwischen der Zeitspanne „Amputation bis TMR-Operation“ und der Innervation der Zielmuskeln erkennbar.

Mög­lich­kei­ten und Gren­zen der aktu­el­len arm­pro­the­ti­schen Versorgung

Eine Ampu­ta­ti­on und der damit ein­her­ge­hen­de Ver­lust eines Kör­per­teils ist für den Betrof­fe­nen ein tief­grei­fen­der Ein­schnitt ins Leben. Die Rekon­struk­ti­on stellt sowohl den Chir­ur­gen als auch den ver­sor­gen­den Ortho­pä­die­tech­ni­ker vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen 1. Die Ver­sor­gung legt jedoch den Grund­stein für die Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens sowie für die sozia­le Teil­ha­be des Betrof­fe­nen. Der stän­di­ge tech­ni­sche Fort­schritt – sowohl in der Medi­zin- als auch in der Ortho­pä­die-Tech­nik – ist auch an der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung der obe­ren Extre­mi­tät nicht spur­los vor­über­ge­gan­gen. Die Ver­sor­gun­gen sind mitt­ler­wei­le deut­lich kom­ple­xer und tech­nisch anspruchs­vol­ler als noch vor 20 Jah­ren und bie­ten dem Anwen­der einen deut­li­chen Funktionszugewinn.

Ein wesent­li­cher Aspekt für die Ver­sor­gung ampu­tier­ter Men­schen im Bereich der obe­ren Extre­mi­tät ist das The­ma Akzep­tanz. Denn die Vor­stel­lun­gen des Pati­en­ten und die Mög­lich­kei­ten einer pro­the­ti­schen Ver­sor­gung lie­gen oft weit aus­ein­an­der. Ver­schie­de­ne Stu­di­en bele­gen, dass vie­le Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on im Bereich der obe­ren Extre­mi­tät ihre Ver­sor­gung sel­ten oder gar nicht nut­zen. Als Haupt­grün­de nennt die von Alex J. Drew und Kol­le­gen im Jahr 2017 ver­öf­fent­lich­te Arbeit „Trans­hu­me­ral loa­ding during advan­ced upper extre­mi­ty acti­vi­ties of dai­ly living“  2 fol­gen­de Aspekte:

  • schlech­te Passform
  • Schmer­zen
  • feh­len­der Komfort
  • hohes Gewicht
  • Ein­schrän­kun­gen in der Bewegung

Die­se Effek­te trä­ten auf, ohne dass sich ande­rer­seits ein deut­li­cher Funk­ti­ons­zu­ge­winn erge­be. Drew et al. schlie­ßen aus die­sem Befund, dass sich die Akzep­tanz einer Ver­sor­gung der obe­ren Extre­mi­tät durch Osseo­in­te­gra­ti­on in Kom­bi­na­ti­on mit myo­elek­tri­schen Pass­tei­len deut­lich stei­gern las­se. Wolf-Diet­rich Hein­tel gelangt in sei­ner bereits im Jahr 2006 erschie­ne­nen Dis­ser­ta­ti­on „Akzep­tanz von Arm­pro­the­sen. Eine retro­spek­ti­ve Stu­die an 454 Betrof­fe­nen: Pati­en­ten aus der TO Müns­ter, Ver­si­cher­te gesetz­li­cher Unfall- und Kran­ken­ver­si­che­run­gen und der Ver­sor­gungs­ver­wal­tung“ 3 zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen. Er stellt fest, dass die Akzep­tanz einer Ver­sor­gung bei einer Arm­am­pu­ta­ti­on umso höher und damit ver­bun­den die Nut­zung umso häu­fi­ger sei, je hoch­wer­ti­ger die Ver­sor­gung ist. Die­se Beob­ach­tung bestä­tigt sich auch bei dem nach­fol­gend vor­ge­stell­ten glen­oh­u­me­ra­len Pati­en­ten. Bei ihm bestand das Haupt­ziel der TMR-Ope­ra­ti­on in der Schmerz­be­hand­lung, also der Ent­fer­nung der immer wie­der­keh­ren­den Neu­ro­me und der dadurch her­vor­ge­ru­fe­nen Beschwer­den. Die pro­the­ti­sche Ver­sor­gung war anfangs nur zweit­ran­gig; im Lau­fe der Zeit ent­wi­ckel­te sie sich jedoch zu einem wei­te­ren Hauptziel.

Tar­ge­ted Mus­cle Reinnervation

Durch den Fort­schritt der Tech­nik und die erhöh­te Akzep­tanz myo­elek­tri­scher Pro­the­sen ist es heu­te mög­lich, dem Pati­en­ten einen sowohl tech­nisch als auch optisch hoch­wer­ti­gen Kör­per­tei­ler­satz zu bie­ten. Die her­kömm­li­chen myo­elek­tri­schen Arm­pro­the­sen, die mit zwei Elek­tro­den gesteu­ert wer­den, sind auf dem aktu­el­len Stand der Tech­nik und haben die Eigen­kraft­pro­the­sen abge­löst 4. Um bei her­kömm­li­chen myo­elek­tri­schen Pro­the­sen zwi­schen den Funk­tio­nen (Hand, Hand­ge­lenk und Ell­bo­gen­ge­lenk) hin und her zu schal­ten, bedarf es einer Umschalt­be­we­gung, z. B. einer Ko-Kon­trak­ti­on. Dies lässt die Pro­the­sen­be­we­gung sehr unphy­sio­lo­gisch wirken.

Für gewöhn­lich wer­den bei Pati­en­ten nach einer trans­hu­me­ra­len Ampu­ta­ti­on die Mm. biceps bra­chii und tri­ceps bra­chii für die Ansteue­rung der Pro­the­se ver­wen­det, bei Pati­en­ten mit einer glen­oh­u­me­ra­len Ampu­ta­ti­on die Mm. pec­to­ra­lis major sowie latis­si­mus dor­si 4 5. Durch einen selek­ti­ven Ner­ven­trans­fer ver­blie­be­ner Ner­ven­stümp­fe kann eine Erwei­te­rung der Steue­rungs­mög­lich­keit erreicht und somit das beschrie­be­ne Pro­blem der Umschalt­be­we­gung besei­tigt werden.

Über­blick

Die von Todd A. Kui­ken (Reha­bi­li­ta­ti­on Insti­tu­te of Chi­ca­go) und Gre­go­ry  A.  Duma­ni­an (Nor­thwes­tern Memo­ri­al Hos­pi­tal Chi­ca­go) ent­wi­ckel­te Ope­ra­ti­ons­tech­nik „Tar­ge­ted Mus­cle Rein­ner­va­ti­on“, kurz TMR 1, beschreibt einen sol­chen Ner­ven­trans­fer. Ziel die­ses Trans­fers ist es, die wesent­li­chen Arm­ner­ven (N. mus­cu­lo­cu­ta­neus, N. radia­lis, N. media­nus und N. ulnaris) aus dem pro­xi­ma­len Ner­ven­ge­flecht frei­zu­le­gen, um sie an ver­blie­be­ne Ner­ven­äs­te stamm­na­her Mus­keln anzu­schlie­ßen 1 5. Die­se Ope­ra­ti­ons­tech­nik wur­de von Oskar Aszmann (Medi­zi­ni­sche Uni­ver­si­tät Wien) modi­fi­ziert und in Euro­pa eta­bliert 1. In Deutsch­land wird die­ses addi­ti­ve ope­ra­ti­ve Ver­fah­ren in der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen und in der Berufs­ge­nos­sen­schaft­li­chen (BG) Kli­nik Duis­burg angeboten.

Ope­ra­ti­ves Vorgehen

Ziel der Ope­ra­ti­on ist es, die ver­blie­ben­den Ner­ven­stümp­fe in maxi­mal mög­li­cher Län­ge zu erhal­ten und sie mit den ursprüng­li­chen Ner­ven der stumpf­na­hen Mus­keln in direk­ter Nerv-Nerv-Naht zu ver­bin­den. Durch die­se Ope­ra­ti­ons­form kön­nen die Pro­the­sen­trä­ger ihre Pro­the­se intui­tiv und simul­tan im Bereich Hand (Öffnen/Schließen – Pronation/Supination) und Ell­bo­gen (Extension/ Fle­xi­on) steu­ern 6. Um die best­mög­li­che Ansteue­rung zu gewähr­leis­ten, kommt es dar­auf an, die Mus­keln mög­lichst von­ein­an­der zu tren­nen und die Haut über den Ziel­mus­keln zu ent­fet­ten. Auf die­se Wei­se kann spä­ter ein sau­ber getrenn­tes und star­kes Signal gewon­nen wer­den 4.

Die Ope­ra­ti­on beginnt mit der Iden­ti­fi­zie­rung der ein­zel­nen Ner­ven­stümp­fe. Anschlie­ßend wer­den die Ner­ven­äs­te der Ziel­mus­ku­la­tur dar­ge­stellt. Die­se Dar­stel­lung kor­re­liert stark mit dem Ampu­ta­ti­ons­ni­veau, da bei einer Ampu­ta­ti­on im Trans­hu­me­ral­be­reich meis­tens das Caput bre­ve des M. biceps bra­chii, der M. bra­chia­lis und das Caput late­ra­le des M. tri­ceps bra­chii ver­wen­det wer­den. Bei einer glen­oh­u­me­ra­len Ampu­ta­ti­on sind die­se Mus­keln nicht mehr vor­han­den, und es wer­den die drei Antei­le des M. pec­to­ra­lis major – der M. pec­to­ra­lis minor, der M. latis­si­mus dor­si sowie der M. infra­spi­na­tus – als Ziel­mus­keln genutzt 4 5. In Tabel­le 1 ist dar­ge­stellt, wel­che Ner­ven auf wel­chen Mus­kel trans­fe­riert wer­den, und zwar sowohl bei einer TMR-Ope­ra­ti­on für trans­hu­me­ra­le als auch für glen­oh­u­me­ra­le Stümpfe.

Post­ope­ra­ti­ves Vorgehen

Die durch die TMR-Ope­ra­ti­on neu ent­stan­de­ne neu­ro­mus­ku­lä­re Ein­heit benö­tigt eini­ge Wochen, damit eine neue moto­ri­sche Ein­heit ent­steht (das Ner­ven­wachs­tum beträgt etwa 1 mm pro Tag) 7. Durch die Dener­va­ti­on sind die Ziel­mus­keln zunächst nicht ansteu­er­bar. Nach etwa drei Mona­ten zei­gen sich die ers­ten Mus­kel­kon­trak­tio­nen als Zei­chen der Rein­ner­va­ti­on 4 5. Der Bereich, von dem im spä­te­ren Ver­lauf die myo­elek­tri­schen Signa­le abge­nom­men wer­den kön­nen, wird mit der Zeit immer grö­ßer. Die geeig­ne­ten Stel­len, die soge­nann­ten Hot­spots, ver­schie­ben sich anfäng­lich noch, da der Nerv einen zuneh­men­den Mus­kel­an­teil inner­viert. Ist das Ein­wach­sen des Nervs abge­schlos­sen, kon­tra­hie­ren die Ziel­mus­keln unter Akti­vi­tät des Spen­der­nervs 4. Der Anwen­der „denkt“ jetzt an eine Bewe­gung der ampu­tier­ten Extre­mi­tät, die die Pro­the­se dann aus­führt. Dazu gilt es eine opti­ma­le Elek­tro­den­po­si­tio­nie­rung zu errei­chen, um das best­mög­li­che Signal ver­wen­den zu kön­nen. Die­se Ope­ra­ti­ons­tech­nik ermög­licht dem Pro­the­sen­trä­ger eine deut­lich leich­te­re und nahe­zu intui­ti­ve Steue­rung sei­ner Pro­the­se, die ihm ein hohes Maß an Selbst­stän­dig­keit bie­tet. In Tabel­le 2 wird auf­ge­führt, wel­cher Nerv wel­che Auf­ga­be in der Pro­the­sen­steue­rung über­neh­men soll.

Ver­sor­gungs­bei­spiel eines glen­oh­u­me­ral ampu­tier­ten Patienten

Der hier vor­ge­stell­te Pati­ent wur­de im Jahr 2001 ampu­tiert und 2016 in der BG Kli­nik Duis­burg von Dr.  med.  Mar­tin Räder TMR-ope­riert. Der Haupt­grund für die TMR-Ope­ra­ti­on bei die­sem Pati­en­ten waren sehr star­ke Neurom­be­schwer­den (Abb. 1). Die anschlie­ßen­de pro­the­ti­sche Ver­sor­gung wur­de zunächst nur als Bonus erachtet.

Vor der TMR-Ope­ra­ti­on war der Pati­ent mit einer Zwei-Kanal-Steue­rung mit Wipp­schal­ter ver­sorgt; er trug sei­ne Pro­the­se jedoch nur sehr sel­ten, da für ihn ein Mehr­nut­zen nicht erkenn­bar war. Drei Mona­te post-OP waren die ers­ten bei­den Signa­le gut abnehm­bar, und es wur­de über einen gro­ßen Dia­gno­se­schaft bereits mit dem Signal­trai­ning begon­nen. Nach wei­te­ren sie­ben Mona­ten war das 3. Signal sta­bil abnehm­bar, und es wur­de eine Inte­rims­pro­the­se her­ge­stellt, mit der der Pati­ent sei­ne bis­he­ri­ge Ver­sor­gung steu­ern konn­te. Der Pati­ent such­te zu die­sem Zeit­punkt zwei­mal pro Woche den Ortho­pä­die­tech­ni­ker auf. Zu Trai­nings­zwe­cken wur­den jeweils zwi­schen den Zeit­punk­ten die Elek­tro­den gewech­selt, sodass im Wech­sel immer zwei unter­schied­li­che Elek­tro­den genutzt wurden.

Ein Jahr nach der TMR-Ope­ra­ti­on waren vier Signa­le kon­stant abnehm­bar, und es wur­de eine Ober­arm­pro­the­se „Dyna­mi­cArm Plus“ (Otto­bock) an den Inte­rims­schaft ange­baut. Der Pati­ent konn­te jetzt die Pro­the­se im All­tag steu­ern, die Hand öff­nen und schlie­ßen sowie den Ell­bo­gen stre­cken und beu­gen. Der anfäng­lich erwähn­te gro­ße Dia­gno­se­schaft konn­te um die neu gewon­ne­nen bzw. leicht ver­scho­be­nen Hot­spots erwei­tert wer­den. Der Pati­ent erschien wei­ter­hin zwei­mal wöchent­lich zum Trai­ning. Dabei wur­den immer wie­der Fein­ein­stel­lun­gen vor­ge­nom­men und wei­te­re Elek­tro­den­po­si­tio­nen getes­tet. Durch den mini­ma­len Rest­hu­me­rus, den er bewe­gen kann, kam es dabei teil­wei­se zu Elek­tro­den­po­si­tio­nen, bei denen Hot­spots ver­mu­tet wur­den; jedoch wur­de die Elek­tro­de durch die Haut­ver­schie­bung mani­pu­liert, und es wur­den Elek­tro­den­po­si­tio­nen ver­mu­tet, wo eigent­lich kei­ne waren.

14 Mona­te post-OP konn­te das 5. Signal, die Supi­na­ti­on, sicher ver­wen­det wer­den, und es wur­de der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung eine Rota­ti­ons­ein­heit hin­zu­ge­fügt. Das 6. Signal war bald dar­auf als Mus­kel­zu­cken aus­zu­ma­chen, konn­te jedoch erst nach wei­te­ren sie­ben Mona­ten kon­stant ange­steu­ert wer­den. In die­ser Zeit wur­den fünf Test­schäf­te ange­fer­tigt, und es wur­den 16 TMR-Modi­fi­ka­tio­nen vor­ge­nom­men. Als defi­ni­ti­ve Schaft­ge­stal­tung wur­de ein Ring­schaft als Innen­schaft gewählt. Der Außen­schaft wur­de als eine Art Kap­pe mit einer Distanz zum beweg­li­chen Hume­rus­rest auf die­sem Innen­schaft ange­bracht. So kann der Pati­ent sei­nen Hume­rus bewe­gen, ohne dass es dabei zu Fehl­steue­run­gen durch even­tu­el­le Haut­ver­schie­bun­gen kommt.

Die Phan­tom­schmer­zen, die den Pati­en­ten seit sei­ner Ampu­ta­ti­on beglei­ten, konn­ten durch das regel­mä­ßi­ge Tra­gen der Pro­the­se stark redu­ziert wer­den; auch die Posi­ti­on sei­ner Phan­tom­hand hat sich ver­än­dert und schmerz­sym­pto­ma­tisch ver­bes­sert. Der Pati­ent steu­ert mitt­ler­wei­le sei­ne Pro­the­se mit sechs Elek­tro­den im All­tag (Abb. 2). Aus dem Neben­ziel einer pro­the­ti­schen Ver­sor­gung ist mitt­ler­wei­le ein wei­te­res Haupt­ziel geworden.

Ver­gleich glen­oh­u­me­ra­ler TMR-Pati­ent mit drei trans­hu­me­ra­len TMR-Patienten

Über den vor­ge­stell­ten Fall hin­aus wer­den im Unter­neh­men des Autors drei wei­te­re Pati­en­ten ver­sorgt, die ihre Pro­the­se mit min­des­tens 4 Elek­tro­den steu­ern. Dabei han­delt es sich aller­dings um trans­hu­me­ra­le Amputationen.

  • TH 1 Der ers­te TH-Pati­ent (Ampu­ta­ti­on 03/2001, TMR-Ope­ra­ti­on 09/2010 in Wien = 114 Mona­te Zeit­ab­stand; in Abb. 3 hell­blau gekenn­zeich­net) steu­ert sei­ne Pro­the­se seit 2012 mit 6 Elek­tro­den im All­tag bei einer Tra­ge­dau­er von rund 14 bis 16 Stun­den. Er nutzt die Pro­the­se sowohl bei der Arbeit als auch in der Frei­zeit beim Angeln.
  • TH 2 Eine TH-Pati­en­tin (Ampu­ta­ti­on 04/2012, TMR-Ope­ra­ti­on 03/2014 in Wien = 23 Mona­te Zeit­ab­stand; in Abb. 3 rot gekenn­zeich­net) trug vier Jah­re lang ihre Ver­sor­gung eben­falls mit 4 Elek­tro­den (die Signa­le 5 und 6 waren zwar abnehm­bar, jedoch war es für die Pati­en­tin schwer umsetz­bar, alle 6 Signa­le fein zu tren­nen). Vor eini­ger Zeit wur­den bei ihr die bei­den Signa­le für Pro­na­ti­on und Supi­na­ti­on erneut aus­ge­tes­tet, und die Pati­en­tin kann die­se nun auch gezielt steu­ern. Sie nutzt jetzt ihre Pro­the­se also eben­falls mit 6 Elektroden.
  • TH 3 Ein wei­te­rer TH-Pati­ent (Ampu­ta­ti­on 03/2014, TMR-Ope­ra­ti­on 05/2014 in Duis­burg = 2 Mona­te Zeit­ab­stand; in Abb. 3 grün gekenn­zeich­net) ist mit 4 Elek­tro­den in sei­ner Ver­sor­gung aus­ge­stat­tet. Es wäre auch ein 5. Signal mög­lich, jedoch lie­gen die Hot­spots für Rota­ti­on und Hand­öff­nen so dicht bei­ein­an­der, dass es dabei zu einem soge­nann­ten Cross­talk kommt und eine exak­te Tren­nung der Funk­tio­nen nicht mög­lich ist.

Ver­gleicht man im Dia­gramm in Abbil­dung 3 die Dau­er der Inner­va­tio­nen bei den trans­hu­me­ra­len Pati­en­ten, ist zu erken­nen, dass das Signal 5 umso schnel­ler zu loka­li­sie­ren ist, je kür­zer die Dau­er zwi­schen Ampu­ta­ti­on und TMR-Ope­ra­ti­on ist. Zieht man einen Ver­gleich zwi­schen den trans­hu­me­ral ver­sorg­ten Pati­en­ten und dem oben vor­ge­stell­ten glen­oh­u­me­ra­len Pati­en­ten (Dau­er zwi­schen OP und TMR 180 Mona­te; in Abb. 3 mit einer dun­kel­blau­en Linie gekenn­zeich­net), ist Abbil­dung 3 zu ent­neh­men, dass bei ihm das 5. Signal schnel­ler (um 20 Mona­te) loka­li­sier­bar war als bei dem trans­hu­me­ral lang­zeit­am­pu­tier­ten Pati­en­ten (Pati­ent TH 1, OP bis TMR: 114 Mona­te). Es lässt sich ver­mu­ten, dass dies auf die kür­ze­re Inner­va­ti­ons­di­stanz des genutz­ten Nervs zum Ziel­mus­kel zurück­zu­füh­ren ist.

Fazit

Ver­sor­gun­gen nach TMR-Ope­ra­tio­nen sind mitt­ler­wei­le Stand der Tech­nik. Nach Ansicht des Autors ist zumin­dest eine Ten­denz erkenn­bar, dass bei Pati­en­ten mit TH-Ampu­ta­ti­on die Signal­er­schlie­ßung von der Dau­er zwi­schen Ampu­ta­ti­on und TMR-Ope­ra­ti­on abhängt. Auf­grund der gerin­gen Anzahl an Pati­en­ten ist dies jedoch ledig­lich eine nahe­lie­gen­de Ver­mu­tung, die es in wei­te­ren Stu­di­en zu eva­lu­ie­ren gilt. Zudem gibt es bei dem vor­ge­stell­ten glen­oh­u­me­ra­len Pati­en­ten eine etwas grö­ße­re Zeit­span­ne bis zur Ver­wen­dung des 5. Signals im Ver­gleich zu den trans­hu­me­ral ampu­tier­ten Pati­en­ten, bei denen (mit Aus­nah­me von Pati­ent TH 1) die Zeit­span­ne zwi­schen Ampu­ta­ti­on und Ope­ra­ti­on wesent­lich gerin­ger war.

Alle vier Pati­en­ten hat­ten deut­li­che Vor­tei­le bei der Steue­rung der Pro­the­se im All­tag. Die Ansteue­rung einer Pro­the­se nach TMR-Ope­ra­ti­on wirkt deut­lich phy­sio­lo­gi­scher als eine Zwei-Elek­tro­den-Steue­rung. Um ein best­mög­li­ches Ver­sor­gungs­er­geb­nis zu erhal­ten, so die Erfah­rung des Autors, ist eine enge Zusam­men­ar­beit im inter­dis­zi­pli­nä­ren Team unabdingbar.

Der Autor:
Ralf-Tho­mas Münch M. Sc., OTM
Münch + Hahn GmbH & Co. KG
August-Bebel-Platz 18
47169 Duis­burg
rtm@muench-ot.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Münch R T. Ver­sor­gungs­bei­spiel eines glen­oh­u­me­ra­len TMR-Pati­en­ten im Ver­gleich mit drei trans­hu­me­ra­len TMR-Pati­en­ten. Ortho­pä­die Tech­nik. 2020; 71 (3): 58–62

 

glen­oh­u­me­ralPars cla­vicu­la­ris M. pectoralisPars ster­no­cos­ta­lis M. pec­to­ra­lis majorisPars abdo­mi­na­lis M. pec­to­ra­lis majorisM. pec­to­ra­lis minorM. latis­si­mus DorsiM. infraspinatus/ supraspinatus
N. mus­cu­lo­cu­ta­neusX
N. media­nus (Medi­a­l­strang)XX
N. media­nus (Late­ral­strang)XX
N. ulnarisX
N. radia­lisX
R. pro­fun­dus
N. radialis
X

 

trans­hu­me­ralM. bra­chia­lisCaput bre­ve M. bicipitisCaput late­ra­le M. tricipitis
N. media­nusX
N. ulnarisX
R. prof. N. radialisX
Tab. 1 Matrix eines Stan­dard-TMR-Ner­ven­trans­fers, glen­oh­u­me­ral und trans­hu­me­ral. Quel­le: Sal­min­ger S, May­er JA, Stur­ma A, Aszmann OC. Pro­the­ti­scher Ersatz an der obe­ren Extre­mi­tät bei Ampu­ta­ti­on oder Funk­ti­ons­ver­lust. Manu­el­le Medi­zin, 2019; 57: 16–20. doi: 10.1007/s00337-018‑0490‑6. https://www.springermedizin.de/prothetischer-ersatz-an-der-oberen-extremitaet-bei-amputation-od/16399138?fulltextView=true (Zugriff am 31.01.2020).

 

Trans­fe­rier­ter NervErwar­te­te Prothesenfunktion
Ramus pro­fun­dus N. radialisHand öff­nen / Supination
N. radia­lis
Ellen­bo­gen­stre­ckung
N. ulnaris
Hand schlie­ßen
N. media­nus (Medi­al– / Lateralstrang)
Hand schlie­ßen / Pronation
N. mus­cu­lo­cu­ta­ne­os
Ellen­bo­gen­beu­gung
Tab. 2 Matrix der jeweils erwar­te­ten Pro­the­sen­funk­ti­on der ein­zel­nen Ner­ven. Quel­le: Sal­min­ger S, May­er JA, Stur­ma A, Aszmann OC. Pro­the­ti­scher Ersatz an der obe­ren Extre­mi­tät bei Ampu­ta­ti­on oder Funk­ti­ons­ver­lust. Manu­el­le Medi­zin, 2019; 57: 16–20. doi: 10.1007/s00337-018‑0490‑6. https://www.springermedizin.de/prothetischer-ersatz-an-der-oberen-extremitaet-bei-amputation-od/16399138?fulltextView=true (Zugriff am 31.01.2020).

 

  1. Bra­atz F, Ernst J, And­res E, Fel­me­rer G. Was gibt es Neu­es in der (myo­elek­tri­schen) Pro­the­tik? In: Jäh­ne J, Königs­rai­ner A, Schrö­der W, Süd­kamp NP. Was gibt es Neu­es in der Chir­ur­gie? Jah­res­band 2015: Berich­te zur chir­ur­gi­schen Wei­ter- und Fort­bil­dung. Hei­del­berg : eco­med Ver­lags­ge­sell­schaft, 2015: 285–290
  2. Drew AJ, Izy­kow­ski MT, Bachus KN, Hen­nin­ger HB, Fore­man KB. Trans­hu­me­ral loa­ding during advan­ced upper extre­mi­ty acti­vi­ties of dai­ly living. PLoS One, 2017;12 (12): e0189418. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5736202/ (Zugriff am 28.01.2020)
  3. Hein­tel W‑D. Akzep­tanz von Arm­pro­the­sen. Eine retro­spek­ti­ve Stu­die an 454 Betrof­fe­nen: Pati­en­ten aus der TO Müns­ter, Ver­si­cher­te gesetz­li­cher Unfall- und Kran­ken­ver­si­che­run­gen und der Ver­sor­gungs­ver­wal­tung. Dis­ser­ta­ti­on, Uni­ver­si­tät Müns­ter, 2006
  4. Grei­temann B, Brück­ner L, Schä­fer M, Baum­gart­ner R. Ampu­ta­ti­on und Pro­the­sen­ver­sor­gung. Indi­ka­ti­ons­stel­lung – ope­ra­ti­ve Tech­nik – Nach­be­hand­lung – Funk­ti­ons­trai­ning. 4., voll­stän­dig über­ar­bei­te­te Auf­la­ge. Stutt­gart, New York: Thie­me Ver­lag, 2016: 496–500
  5. Stur­ma A et al. Pro­xi­ma­le Ampu­ta­tio­nen des Armes: Tech­ni­sche, chir­ur­gi­sche und hand­the­ra­peu­ti­sche Mög­lich­kei­ten. Zeit­schrift für Hand­the­ra­pie, 2018; 21 (1): 18–25
  6. Kui­ken T et al. Tar­ge­ted Mus­cle Rein­ner­va­ti­on for Real-Time Myoelec­tric Con­trol of Mul­ti­func­tion Arti­fi­ci­al Arms. JAMA, 2009; 301 (6): 619–628. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3036162/ [author’s manu­script] (Zugriff am 28.01.2020)
  7. Aszmann OC, Hru­by LA. Bio­ni­sche Rekon­struk­ti­on. Wie­der­her­stel­lung an der Gren­ze zwi­schen Mensch und Maschi­ne. Wien: Manz, 2018: 69
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