Die Zusatzbuchstaben O, R, P, H, E, US werden bei Bedarf hinzugefügt und beschreiben anatomische Pathologien der Stomaanlage: Ostomie-Stenose, Retraktion, Prolaps, Hernie, Edema (Ödem) sowie ungünstige Stoma-Position. Ein auf dem Ergebnis des LSD-Score basierender Handlungsalgorithmus empfiehlt in der Folge grundsätzlich richtungsweisende Strategien der Stomatherapie. Der LSD-Score ist für Stomatherapeuten und Ärzte gleichermaßen verständlich, nachvollziehbar, ganzheitlich und praktikabel. Er kann im Behandlungsteam sowohl zur einheitlichen Begriffserläuterung als auch zur Therapieplanung verwendet werden.
Einleitung
Für jeden Menschen mit einem Stoma ist die Integrität der peristomalen Haut eine unabdingbare Voraussetzung für die sichere Haftung und die Dichtigkeit der Hilfsmittel zur Stomaversorgung. Eine Veränderung der Integrität der Haut bedeutet grundsätzlich auch eine Gefährdung der sicheren Haftung der Stomaversorgungsprodukte. Eine Beeinträchtigung der sicheren Stomaversorgung durch peristomale Hautläsionen bewirkt im Ergebnis eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität des Stomaträgers. Häufiges und kostenträchtiges Wechseln der Versorgungssysteme, aufwendige Interventionen durch Stomatherapeuten, die Konsultation von Fachärzten aus Chirurgie und Dermatologie sowie stationäre Behandlungen inkl. operativer Revisionen sind die möglichen Folgen peristomaler Hautläsionen. Das Wissen über Ursachen und Folgen peristomaler Hautläsionen ist in der Versorgungsrealität bei Stomatherapeuten und Ärzten häufig unterschiedlich ausgeprägt. Eine Teilnehmerbefragung des 4. Schwarzwälder Stomakongresses in Donaueschingen im März 2012 erbrachte als entscheidende Ursache für diese Situation das Fehlen einer allgemein akzeptierten Nomenklatur der peristomalen Hautläsionen und einer darauf basierenden therapiegerichteten und versorgungsbezogenen Klassifikation.
Das Plenum des Stomakongresses übertrug einer zehnköpfigen intersektoral besetzten Expertengruppe (GESS: „German Expert Panel PeriStomal Skin Lesion“; „Deutsche Interdisziplinäre Expertengruppe Peristomale Hautläsion“), bestehend aus vier Viszeralchirurgen, einer Dermatologin, drei Stomatherapeuten und zwei Mitgliedern der Selbsthilfegruppe Deutsche ILCO e. V., das Mandat, ein Klassifikationssystem für die Praxis zu entwickeln. Dieses Klassifikationssystem sollte reliabel, verständlich, ursachenbasiert, therapieorientiert und anwenderfreundlich sein. In diesem Beitrag wird das Ergebnis mehrerer Klausurtagungen und intensiver Beratungen der Expertengruppe sowie mehrerer Validierungsrunden vorgestellt. Die Fachausdrücke des Score-Systems wurden so gewählt, dass sich die Akronyme einprägsam auch für die englische Übersetzung eignen. „LSD-Score“ enthält demnach mit LSD ein Akronym aus „lesion“ (Läsion), „status of ostomy“ (Stomastatus) und „disease“ (Systemerkrankung) 1.
Entwicklung des LSD-Score
In einer offenen Gesprächsrunde innerhalb einer Klausurtagung der Expertengruppe GESS wurde der Score entwickelt, wobei besonderer Wert darauf gelegt wurde, den Diagnosepfad vom Stomaträger über den Stomatherapeuten zum ärztlichen Spezialisten auch im Score selbst nachzuvollziehen. Der Score sollte als Entscheidungsunterstützung für einen Handlungsalgorithmus bei peristomalen Hautläsionen dienen. Hierzu erschien dem Expertenpanel eine Kombinationsformel ähnlich der TMN-Klassifikation der UICC für Krebserkrankungen bestens geeignet. In den Diskussionen der GESS wurde sehr schnell deutlich, dass die Sicht der unterschiedlichen Spezialisten aus Pflege, Chirurgie und Dermatologie und die der Betroffenen in ein integriertes, ganzheitlich geprägtes Klassifikationssystem Eingang finden sollte. Drei Bewertungskategorien (L‑S-D) wurden demnach identifiziert (Tabelle 1):
- L („lesion“): Die Klassifikation der Hautläsion selbst sollte einfach, verständlich, objektiv und graduiert sein. Eine medizinische Diagnose oder eine dermatologisch-fachärztliche Beschreibung sollte hier bewusst vermieden werden. Die Integrität der das Stoma umgebenden Haut wurde als bestimmender Messwert herangezogen: „intakt“ oder „zerstört“. Eine assoziierte Infektion der peristomalen Haut wurde als weiterer Parameter des Score-Systems identifiziert.
- S („status of ostomy“): Mit Blick auf die Folgen für die betroffenen Menschen sollte als zweite Kategorie zur Bewertung der Schwere der peristomalen Hautläsion die Komplexität der Stomaversorgung verwendet werden. Definiert und graduiert wurde hier der individuelle Aufwand, um eine aus Sicht des Patienten effektive und sichere Stomaversorgung zu erreichen. Die Bedürfnisse aus Sicht des Patienten wurden mit zutreffenden Parametern benannt. Die Kategorie Stomastatus umfasst neben der Komplexität der Stomaversorgung auch vorhandene anatomische Pathologien des Stomas selbst, da diese häufig ursächlich für den Schweregrad der Versorgungsprobleme sind.
- D („disease“): Schließlich wurde als dritte Kategorie des LSD-Score der allgemeine Zustand des Patienten betrachtet. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Stoma-Experten mit dem LSD-Score auch relevante Grund- oder Begleiterkrankungen sowie systemische Therapien mit möglichen Auswirkungen auf die Stomaversorgung diagnostisch und therapeutisch in Bezug zur peristomalen Hautläsion begutachten und in die jeweiligen Handlungsoptionen einfließen lassen.
Der LSD-Score sollte nach dem allgemeinen Verständnis der Expertengruppe einprägsam und im täglichen Gebrauch in der Versorgung von Menschen mit Stoma ohne weitere Hilfsmittel anwendbar sein. Er wurde in mehreren Runden innerhalb des Expertenpanels anhand von Fotos von Menschen mit Irritationen der Hautumgebung des Stoma getestet und jeweils ergebnisorientiert modifiziert. Die Reliabilität wurde zudem auf zwei Südwestdeutschen Stomakongressen mit jeweils annähernd 100 Teilnehmern (Ärzte, Stomatherapeuten, Mitglieder der Selbsthilfegruppe Deutsche ILCO e. V.) anhand standardisierter Fallvorstellungen mit Versorgungsbildern überprüft. Die Ergebnisse dieser breiten Testung des entwickelten LSD-Score wurden erneut im Expertenpanel analysiert, besprochen und resultierten schließlich im veröffentlichten LSD-Score. Im letzten Schritt wurde innerhalb des Panels ein Handlungsalgorithmus zum Vorgehen bei peristomalen Hautläsionen aus der Sicht des Stomatherapeuten besprochen und konsentiert.
Ergebnisse
Der LSD-Score ist in der komprimierten Fassung in Tabelle 1 dargestellt. Im Folgenden werden die einzelnen Kategorien erläutert:
L: Läsion der Haut
Die einfache und nachvollziehbare Klassifikation der Hautläsion ist das zentrale Element des neuen LSD-Score. Die Klassifikation ist deskriptiv und setzt ausdrücklich keine spezifisch dermatologischen Kenntnisse der Anwender voraus. Die Kategorie L setzt keine gesicherte medizinische Diagnose voraus, sondern soll innerhalb des GesamtScore zu gezielter Diagnose und Therapie führen.
- L0: Die Haut ist intakt und erscheint dem Betrachter beim Versorgungswechsel nicht verändert.
- L1: Erkennbar sind in dieser Kategorie Veränderungen der peristomalen Haut wie Rötung, Reizung und Irritation. Die Oberfläche der Haut ist insgesamt unbeschädigt, und die Haftung der Hilfsmittel zur Stomaversorgung ist nicht beeinträchtigt. Solche Veränderungen in dieser Kategorie beinhalten Effloreszenzen und Erytheme durch Allergien, Pilzinfektionen, Materialunverträglichkeit, Ernährungsfehler oder Einflüsse aus Umwelt und Alltag. Hinzu kommt hier im Einzelfall auch die Granulation oder richtiger die Pseudopolypenbildung im Randgebiet der Haut am Übergang zur Schleimhaut des Darms.
- L2: Die vorhandene Hautläsion ist in dieser Kategorie tiefgreifend und hat die Oberfläche verändert. Damit ist die Haftfähigkeit der Stomaversorgungsprodukte beeinträchtigt. Solche peristomalen Hautläsionen können erhaben oder absenkend sein. Erhabene Hautläsionen beinhalten Maculae, Quaddeln, Knötchenbildungen, Knoten und Tumore. Absenkende Läsionen sind Defekte der Haut wie Mazerationen, Erosionen und Ulzerationen. Nekrosen sind fakultativ. Ursächlich kommen u. a. Kontaktekzem, Pyoderma gangraenosum, auch Dermatitis ulcerosa genannt, oder Versorgungsfehler mit Austritt von Stuhl oder Harn auf die das Stoma umgebende Haut in Frage.
- L3: Die peristomalen Hautveränderungen aufgrund lokaler Infektionen durch Erreger stellen die dringlichste Variation mit einer akuten Behandlungsbedürftigkeit dar. Hiermit ist nicht ein einfacher Candida-Belag in der das Stoma umgebenden Haut, sondern eine meist bakterielle Mischinfektion der tieferen Schichten gemeint. Bei einer solchen Infektion besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Phlegmone, einer Fistel, eines Abszesses oder einer Kombination derselben. Ursächlich können Retraktionen, Ausrisse der mukokutanen Naht, iatrogene Darmverletzungen, ein aktivierter Morbus Crohn oder Tumorlokalrezidive hierfür verantwortlich sein.
S: Stomastatus
In der Kategorie Stomastatus werden aus der Sicht der Betroffenen die zwei Bereiche „Versorgungsaufwand“ und „Versorgungssicherheit“ beurteilt. Dies geschieht, um einen weiteren bedeutsamen Parameter der Versorgungspraxis als Indikator für die Komplexität der peristomalen Hautläsion hinzuzufügen. Es werden in dieser Kategorie drei Schweregrade unterschieden:
- S0: Das Stoma ist aus Sicht des Stomaträgers in üblicher Weise ohne erhöhten Aufwand zu versorgen. Dabei spielt es für diese Kategorisierung keine Rolle, ob eine Selbstversorgung oder Fremdversorgung durch Angehörige oder Pflegepersonal stattfindet. Es besteht im Ergebnis eine sichere Stomaversorgung.
- S1: Das Stoma ist nur mit erhöhtem Aufwand für den Patienten sicher versorgbar. Eine sichere, stabile Versorgung ist definiert durch normale Wechselintervalle > 24 h (Zeitangabe ist abhängig vom verwendeten Versorgungssystem), kein spontanes Ablösen der Hilfsmittel zur Stomaversorgung bei uneingeschränkter Mobilität der Betroffenen. Der Aufwand ist dann erhöht, wenn zusätzlich Zubehörprodukte wie z. B. Hautschutzplatten, Ringe, Streifen, Puder, Paste, Wundversorgungsprodukte etc. zum Einsatz kommen, wenn das übliche Wechselintervall relevant verkürzt wird, wenn die Konsultation eines Stomatherapeuten oder sogar die Übernahme der Versorgung durch denselben notwendig wird.
- S2: Die Durchführung der Stomaversorgung bzw. die Sicherheit der Hilfsmittelversorgung einer Stuhl- oder Harnableitung kann auch mit erhöhtem Aufwand nicht mehr gewährleistet werden. Die Versorgungssituation insgesamt ist instabil, trotz intensivierter stomatherapeutischer Betreuung. Die Entwicklung von Folgeproblemen droht. Die Definition zur Zugehörigkeit in dieser Kategorie ist bei Vorliegen eines der folgenden Aspekte erfüllt: Dichtigkeitsprobleme der Stomaversorgung, Wechselintervalle der Stomaversorgungshilfsmittel < 24 h (Zeitangabe ist abhängig vom verwendeten Versorgungssystem), Schmerzen, Notwendigkeit der umgehenden Intervention (stomatherapeutisch, dermatologisch, operativ, medikamentös), stationäre Behandlung.
Die Zusatzkategorie des Stomastatus beschreibt anatomisch atypische bzw. pathologische Stomaanlagen unter Verwendung des Akronyms „ORPHEUS“. ORPHEUS ist eine Erinnerungshilfe und beschreibt die chirurgischen Aspekte des Stomas, seien sie mit der Hautläsion lediglich assoziiert oder gar kausal verbunden. Diese Kategorien erfordern eine kritische Überprüfung einer möglichen operativen Korrektur der Stomaanlage zur Abwendung dauerhafter Versorgungsprobleme. Die chirurgischen Aspekte der ORPHEUS-Bezeichnungen beinhalten das Vorliegen einer StomaStenose (O), einer Stoma-Retraktion ®, eines Stoma-Prolaps ℗, einer parastomalen Hernie (H), eines Stoma-Ödems oder einer Stoma-Nekrose (E) sowie eine grundsätzlich ungünstige Stoma-Positionierung (US).
D: Disease (Systemerkrankung bzw. systemische Therapien)
In der Kategorie D wird die gesamte körperliche Situation des Stomaträgers mit ihren möglichen Einflüssen auf die das Stoma umgebende Haut bewertet.
- D0: Eine aktuelle Grund- oder Begleiterkrankung mit Auswirkung auf die Stomaanlage ist nicht bekannt. Eine systemische Therapie mit Auswirkung auf die Stomaanlage findet nicht statt.
- D1: Eine Grund- oder Begleiterkrankung liegt vor, hat aber aktuell offensichtlich keine Relevanz für die Entstehung oder Behandlung der peristomalen Hautläsion. Eine systemische Therapie mit Auswirkung auf die Stomaanlage findet zwar statt, hat aber derzeit wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Entstehung oder Behandlung der peristomalen Hautläsionen.
- D2: Eine Grund- oder Begleiterkrankung oder eine systemische Therapie hat möglicherweise Einfluss auf die Prognose und Behandlung der peristomalen Hautläsion. Im Sinne dieser Kategorisierung können sich peristomal auch iatrogene Hautläsionen entwickeln, z. B. als Bestrahlungsschaden, infolge von Cortison- oder Chemotherapie-Nebenwirkungen. Die D‑Kategorie erfordert den Blick über das Stoma und sein Versorgungsgebiet hinaus. Der Stomatherapeut sollte bei Verdachtsfällen insbesondere auch nach Hauterkrankungen fragen, z. B. nach Psoriasis oder Ekzemen, und ggf. andere Hautregionen des Betroffenen inspizieren. Wichtige Informationen sind auch die Ausscheidungsbeobachtungen wie Stuhlqualität und Stoma-Output pro 24 h, weil insbesondere dünnflüssiger, galliger Stuhl bei Kontakt schnell hauttoxisch wirken, aber in der Regel diätetisch und medikamentös korrigiert werden kann. Hier gibt es Bereiche, die relativ einfach und direkt beeinflussbar sind; andere sind als nicht ohne Weiteres beeinflussbar oder gar als unbeeinflussbar anzusehen. Während die tumorbedingte oder medikamentös induzierte (z. B. Cortison, Azathioprin, Chemotherapie) Immunsuppression kurzfristig nicht reversibel ist, können Dehydratation oder Unterernährung durch geeignete Interventionen oft ausgeglichen werden. So manche Faltenbildung unter der Stomaversorgung ist auf eine starke Gewichtsabnahme oder ‑zunahme zurückzuführen. Veränderungen des Stomas können durch eine fortschreitende Tumorerkrankung oder als Medikamenten-Nebenwirkung in Betracht kommen (rasche Gewichtszunahme bei Cortisontherapie). Eine seltene, aber umso kritischere Herausforderung ist das Pyoderma gangraenosum, das sich peristomal bei M. Crohn, seltener bei Colitis ulcerosa manifestieren kann und neben der lokalen Behandlung immer auch einer intensivierten Systemtherapie bedarf. Kurzum, die Behandlung stomaassoziierter Hautläsionen verlangt immer auch den Gesamtcheck des Stomaträgers in seiner alltäglichen Lebenssituation 1.
Handlungsalgorithmus
Nach dem Wunsch der GESS-Expertengruppe soll der LSD-Score die Versorgungssituation und die Behandlung peristomaler Hautläsionen klassifizieren und lenken (siehe Tab. 2). Der Anspruch hierbei ist, die Richtung einer kompetenten und notwendigen Behandlung vorzuschlagen, ohne weitere Details der erforderlichen Maßnahmen zwingend vorzuschreiben. Dadurch erhält der Stomatherapeut als Erstversorger nicht nur Einfluss auf die pflegerische Betreuung, sondern darüber hinaus auch auf die einzuleitende medizinische Behandlung. Das bedeutet, bei einer alleinigen Hautläsion der Schwere L1 oder L2 ohne weitere Kategorien des Score ist zunächst die Stomaversorgung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Es kann auch notwendig sein, die Edukation des Stomaträgers zu optimieren. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Inhalte von Beratungen, Schulungen und Anleitungen aus der Zeit der Stoma-Neuanlage mit zunehmender Selbstversorgung durch die Betroffenen in den Hintergrund gedrängt werden. Umso wichtiger sind dann korrigierende Hinweise durch den Stomatherapeuten zur Sicherung der Qualität in der Durchführung der Stomaversorgung. Bleibt diese Maßnahme ohne Erfolg, so ist im zweiten Schritt die Vorstellung bei einem Dermatologen mit speziellen Kenntnissen in der Stoma-Medizin notwendig. Eine vorliegende Hautläsion aus der S2-Kategorie verlangt die umgehende Vorstellung bei einem stomakundigen Viszeralchirurgen. Er entscheidet nach Diagnosestellung über Ausmaß und Dringlichkeit der meist notwendigen Intervention. Die Stomatherapie muss gleichzeitig und zusätzlich intensiviert werden, um versorgungsbezogene Aspekte einzuschließen.
Liegt eine L1- oder L2- und S0-Situation vor, so ist die Beratung durch einen Stomatherapeuten empfehlenswert. Ist der Aufwand in der Kategorie S1 erhöht, muss dieser die Versorgung vorübergehend sogar übernehmen. Kann selbst damit die Sicherheit der Stomaversorgung in der Kategorie S2 nicht gewährleistet werden, ist die Intensivierung der Versorgung nur noch durch die ständige Bereitschaft eines Stomatherapeuten unter stationären Bedingungen möglich. Dies gilt im Besonderen, wenn die Kategorien der Stoma-Pathologie ORPHEUS zutreffen. Wird der Läsion die Kategorie D2 zugeschrieben, muss der behandelnde Arzt kontaktiert werden mit der Frage, ob eine Änderung der Medikation etc. zur Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung möglich und effektiv ist. Eine respektvolle Kommunikation zwischen Stomatherapeut und Arzt ist für die erfolgreiche Kooperation in der Beratung, Betreuung und Versorgung von Menschen mit Hautirritationen in der das Stoma umgebenden Haut eine wichtige Grundvoraussetzung.
Diskussion
Peristomale Hautläsionen sind mit 18 bis 60 % die häufigsten stomaassoziierten Komplikationen 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 und bedeuten für die Patienten regelhaft einen erheblichen Leidensdruck sowie eine bedeutsame Einschränkung der Lebensqualität. Zudem stellen sie für Enterostomatherapeuten und Ärzte oftmals besondere therapeutische Herausforderungen dar. Die erforderlichen Maßnahmen zur Therapie der Hautläsionen und der oft erforderlichen Anpassungen der Hilfsmittel zur Stomaversorgung können zeit- und ressourcenintensiv sein und werden in der Praxis meist nicht adäquat vergütet. Die bislang in der Praxis verfügbaren Klassifikationssysteme sind oft nur für ausgesprochene Experten eine Orientierungshilfe, hingegen für die tägliche Praxis wenig hilfreich.
Die im deutschen Sprachraum existierenden Klassifikationssysteme wurden im Vorfeld auf dem Schwarzwälder Stomakongress 2012 vorgestellt und in Gruppen sowie im Plenum intensiv besprochen. Es handelt sich um:
- den Stoma-Beobachtungsindex aus dem Jahre 2005 des International Ostomy Forum (unterstützt durch die Firma Dansac) 9,
- den DET-Score aus dem Jahre 2008 des Global Advisory Board mit Unterstützung der Firma Coloplast, bestehend aus Stomatherapeuten und Dermatologen mit Validierung der Reliabilität 10, sowie
- die SACS-Klassifikation aus dem Jahre 2007 der italienischen Gruppe Studio sulle Alterazioni Cutanee Peristomali, unterstützt von der Firma Convatec, bestehend aus Enterotherapeuten und Chirurgen mit Validierung der Reliabilität 11.
Diese Systeme wurden vom Autor dieses Beitrags vergleichend abgehandelt 12. Weder fließen die Ursachen der Hautläsionen in die Klassifikationssysteme ein, noch können im DET- und SACS-Score direkte therapeutische Implikationen abgeleitet werden. Die Mehrzahl der Teilnehmer (Stomatherapeuten, ILCO-Mitglieder und Ärzte) des Südwestdeutschen Stomakongresses (15.3.2012, Öschberghof, Donaueschingen) zum Thema „Peristomale Hautläsionen“ beurteilte o. g. Scores als zu wenig praktisch und wenig praxisrelevant und forderte deshalb ein grundsätzlich neues Scoring-System.
Fazit
Der vom Experten-Panel GESS entwickelte LSD-Score ist aufgrund des inkludierten Handlungsalgorithmus anwenderfreundlich, reliabel, verständlich, ursachenbasiert und vor allem therapieorientiert. Die ermittelte LSD-Score-Formel führt nicht automatisch zu konkreten Behandlungsanweisungen, sondern lenkt vielmehr das Behandlungs- und Versorgungsmanagement früh in eine fachkompetente Richtung und kann so Zeit sparen, Sekundärfolgen verhindern und möglicherweise Gesamtkosten im Gesundheitssystem einsparen. Im Mittelpunkt der Betreuung steht der Stomatherapeut, dem damit die praktische Schlüsselrolle zuerkannt wird. Es ist der Stomatherapeut, der im Praxisalltag bei der Entdeckung peristomaler Hautläsionen während des Versorgungswechsels selbst entscheiden muss, welche Läsionen im Rahmen des Versorgungsmanagements selbstständig betreut werden können und welche einer Bewertung und Behandlung durch Viszeralchirurgen oder Dermatologen bedürfen.
Mit diesem intersektoral diskutierten und konsentierten Score wurde ein praktikables Klassifikationssystem entwickelt, das als Grundlage für standardisierte Therapie-Planungen dienen kann. Die Validierung dieser Klassifikation wurde in mehreren Runden in der Praxis durchgeführt und sollte in zukünftigen Forschungsvorhaben weiter fortgeführt werden, um diesem Score eine breite Akzeptanz in der Stomatherapie zu sichern.
Der Autor:
Werner Droste
Seminare & Beratung
Nikolaus-Groß-Weg 6
59379 Selm
werner.droste@fgskw.org
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Droste D. Validierte Einschätzung der individuellen Stomaversorgung anhand des LSD-Score. Orthopädie Technik, 2016; 67 (11): 46–50
- Kinder mit Trisomie 21: Einsatz der Ganganalyse zur adäquaten Schuh- und Orthesenversorgung — 5. November 2024
- Rehabilitation aus orthopädietechnischer und physiotherapeutischer Sicht – Osseointegration und Schaftprothesen der unteren Extremität im Vergleich — 5. November 2024
- Belastungsprofile von knochenverankerten Oberschenkelimplantaten verbunden mit modernen Prothesenpassteilen — 5. November 2024
- Runkel N, Droste W, Reith B, Jehle EC, Benz S, Birk M, Staib G, Romankiewicz J, Hartkopf F, Jooß M. LSD-Score. Der Chirurg, 2016; 87 (2): 144–150
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