Einleitung
Zur Unterstützung des Rehabilitationsprozesses nach Fußoperationen werden häufig spezielle orthopädische Schuhversorgungen zur Stabilisierung und Entlastung des Fußes eingesetzt 1. Verschiedene Schuharten werden in diesem Zusammenhang verordnet, beispielsweise bei der Wundversorgung oder zur Entlastung einzelner Fußbereiche. Therapieschuhe müssen in Deutschland bestimmte Anforderungen erfüllen, um eine Hilfsmittelnummer zu erhalten; daher ist eine Prüfung von Qualität und Funktion notwendig. Bei bestehender Wundversorgung ist beispielsweise antibakterielles Material erforderlich und Schuhe zur Vorfußentlastung müssen unter anderem fest am Fuß fixiert sein. Das Schuhwerk muss auch dann bequem sein, wenn der Fuß bandagiert ist. Sogenannte Fußteilentlastungsschuhe (FTES) werden verwendet, wenn der versorgte Bereich entlastet werden, der Patient aber mobil bleiben soll, z. B. nach einer Halluxvalgus-Operation.
Wie stark der betroffene Bereich entlastet wird, wird häufig durch die Messung des plantaren Drucks erfasst. Neben Druck wirken aber auch andere relevante Belastungsformen wie Biege- und Torsionsmomente auf den Fuß ein. Biegemomente, die durch Multiplikation der wirkenden Kraft mit dem jeweiligen Hebelarm berechnet werden, rufen Biegeverformungen im Schuh hervor – oder besser gesagt: am Fuß im Schuh. Wird beispielsweise der Vorfuß gegenüber dem Rückfuß nach dorsal extendiert, wirkt ein sogenanntes Dorsalextensionsmoment. Bei einer zyklischen Bewegung wie dem Gehen treten Wechselbelastungen auf, also sowohl Dorsalextension als auch Plantarflexion 2.
Erstmals wurden Ergebnisse über auf den Fuß einwirkende Biegebelastungen von Arndt et al. 3 im Jahr 2002 veröffentlicht. Die Autoren führten dazu eine In-vivo-Studie durch, bei der die Enden eines mit Dehnungsmessstreifen (DMS) instrumentierten Trägerstegs chirurgisch in den zweiten Mittelfußknochen (MFK) der Probanden implantiert wurden. Die DMS erfassten Zug und Stauchung des MFK II während des Gehens.
In der Vergangenheit waren invasive Verfahren wie dieses die einzige Möglichkeit, Biege- und Torsionsbelastungen am Fuß im Schuh zu messen. Inzwischen steht jedoch auch ein nicht-invasives Innensohlenmesssystem („vebitoSCIENCE“) zur Verfügung, das im Labor für Biomechanik der Fachhochschule Münster entwickelt wurde. Stief und Peikenkamp stellten 2015 die ersten Ergebnisse des neuen Messsystems vor. Aus den Kalibrierergebnissen schlossen sie, dass mit dem System Biege- und Torsionsmomente am Fuß zuverlässig erfasst werden können 4. Ihre Messergebnisse zeigten, dass bei jedem Gangzyklus eine Plantarflexionsbelastung gefolgt von einer Dorsalextensionsbelastung zu erkennen ist 5 6.
Die vorliegende Studie analysiert den Einfluss zwei verschiedener Fußteilentlastungsschuhe auf Biege- und Torsionsmomente am Vorfuß. Dabei handelt es sich um das Modell „Relief Dual®“ (Darco (Europe) GmbH, Raisting, Deutschland) und ein Mitbewerbermodell. Ziel der Studie ist es zu untersuchen, ob die mechanischen Eigenschaften beider Schuhe vergleichbare oder signifikant unterschiedliche Belastungen am Vorfuß hervorrufen. Zur Erfassung von Biege- und Torsionsbelastungen wird das Innensohlenmesssystem „vebitoSCIENCE“ (Vebitosolution GmbH, Steinfurt, Deutschland) eingesetzt. Das System bietet verschiedene Parameter zur Messung der Funktionseinschränkung und der Vorfußentlastung.
22 gesunde Probanden (35 ± 8 Jahre; 9 w, 13 m) nahmen an der Studie teil. Pro Probandin bzw. Proband wurden Belastungskurven von 30 Gangzyklen aufgenommen, aus denen ein gemittelter Schritt berechnet wurde. Die Biege- und Torsionsmomente wurden an fünf verschiedenen Messstellen erfasst und Parameter wie Maxima, Range und Wechselbelastung wurden statistisch analysiert.
Methoden
Probanden
Die Messungen wurden mit 22 Probanden (mittleres Alter: 35 ± 8 Jahre, 25–52 Jahre) durchgeführt, 9 waren weiblich, 13 männlich. Auswahlkriterien waren ein physiologisches Gangbild und eine gleichmäßig gemischte Altersverteilung innerhalb der Versuchsgruppe. Relevante Daten zur medizinischen Vorgeschichte wurden mit Hilfe eines Fragebogens erhoben. Ein Sichtbefund wurde durchgeführt, um unphysiologische Gangmuster oder Fehlstellungen der unteren Extremität auszuschließen. Zudem schieden Probanden mit Bewegungseinschränkungen der Füße aus. Die Probanden gaben ihre schriftliche Einwilligung zur freiwilligen Teilnahme an der Studie.
Schuhbedingungen
Im Rahmen dieser Studie wurden zwei verschiedene Schuhbedingungen am rechten Fuß analysiert. Am linken Fuß trugen die Probanden einen Neutralschuh (Modell „Samba“, Adidas AG, Herzogenaurach, Deutschland) mit einem zusätzlichen Höhenausgleich. Der Höhenausgleich wurde jeweils entsprechend der Schuhbedingung modifiziert.
Bei den zu untersuchenden FTES handelte es sich um das Modell „Relief Dual®“ (Darco (Europe) GmbH, Raisting, Deutschland) (Abb. 1) und einen postoperativen Schuh eines Mitbewerbers. Das Mitbewerbermodell besaß zum Studienzeitpunkt (2015) bereits eine Hilfsmittelnummer (Gruppe: 31.03.03.), das Modell „Relief Dual®“ war noch nicht zugelassen. Beide FTES unterscheiden sich in ihrem Aufbau: Beim Modell des Mitbewerbers handelt es sich um einen geschlossenen Schuh mit Innenpolsterung, der über einen starren Schuhboden mit Ballen- und Absatzrolle verfügt. Die Laufsohle ist im Fersenbereich ca. 75 mm breit und wird zum distalen Schuhende stetig breiter (ca. 110 mm). Der Scheitelpunkt der Absatzrolle liegt bei ca. 45 mm (von der Ferse ausgehend) und der der Ballenrolle bei ca. 100 mm (von der Schuhspitze ausgehend). Der Spitzenhub beträgt ca. 32 mm (alle Maße an Größe 39/40 gemessen).
Das Modell „Relief Dual®“ ist ein offener Schuh, der die Zehen durch seine verlängerte Außensohle schützt. Die Laufsohle ist im Fersenbereich ca. 75 mm breit und wird zum distalen Ende ebenfalls stetig breiter (ca. 115 mm). Der Schuh besitzt ebenfalls eine Absatzrolle (Scheitelpunkt bei ca. 25 mm von der Ferse ausgehend) sowie eine Ballenrolle (Scheitelpunkt bei ca. 100 mm von der Schuhspitze ausgehend) und hat einen Spitzenhub von ca. 18 mm (alle Maße an Größe MS (39–41) gemessen). Die Sohle besteht aus zwei verschiedenen Materialien mit einer durchgehenden Sohlenversteifung. Beide Schuhe werden mit Klettband am Fuß befestigt bzw. verschlossen. Tabelle 1 zeigt eine Gegenüberstellung der Eigenschaften beider Schuhbedingungen.
Insgesamt wurden sieben Schuhgrößen des Modells „Relief Dual®“ (Größe 34 „weiblich“ bis Größe 48 „männlich“) und fünf Größen des Mitbewerbers (Größe 37 bis 46) verglichen. Die Absatzhöhe des Modells „Relief Dual®“ reichte von 31 bis 39 mm und die des Mitbewerbers von 30 bis 32 mm.
Messung der Biege- und Torsionsmomente
Für diese Studie wurde das Innensohlenmesssystem „vebitoSCIENCE“ zur Erfassung der Biege- und Torsionsbelastung verwendet. Die Messfrequenz betrug 125 Hz. Die fünf Messstellen des Systems befinden sich proximal der Metatarsophalangealgelenke I und V (MTP I und MTP V), proximal der distalen Interphalangealgelenke I und V (DIP I und DIP V) und distal des Processus calcanei (Ferse) (Abb. 2). Die Datenübertragung erfolgte drahtlos per Bluetooth auf einen Laptop.
Die Messreihenfolge der Schuhbedingungen wurde randomisiert, um Effekte auf die Ergebnisse aufgrund einer festen Schuhreihenfolge oder Ermüdung auszuschließen. Die Probanden trugen die Messsohlen an beiden Füßen. Das Messsystem wurde zu Beginn der Messungen im unbelasteten Zustand genullt. Die Messungen erfolgten auf einem Lamellen-Laufband (Sprintex Trainingsgeräte GmbH, Kleines Wiesental, Deutschland). Pro Schuhbedingung gab es eine Eingewöhnungszeit von fünf Minuten, in der die Probanden in selbstgewählter Geschwindigkeit (mindestens 2,5 km/h) auf dem Laufband gingen. Diese Geschwindigkeit wurde dann für alle Messdurchgänge beibehalten.
Datenverarbeitung und ‑auswertung
Das Messsystem „vebitoSCIENCE“ zeichnete Biege- und Torsionsmomente an fünf verschiedenen Messstellen auf. Es wurden pro Schuhbedingung 30 aufeinanderfolgende Gangzyklen aufgenommen, auf 100 % Gangzyklus normiert und hieraus ein gemittelter Schritt berechnet. Der von der Software automatisch ermittelte Fersenauftritt diente als Referenzpunkt für die Schritterkennung 7. Vor der Analyse wurden die Rohdaten durch einen Tiefpassfilter (Butterworth,10 Hz, zweiter Ordnung) gefiltert.
Die Analyse der Kurvenverläufe der Biege- und Torsionsmomente erfolgte für alle fünf Messstellen des versorgten rechten Fußes. Zusätzlich zu den Belastungskurven wurden fünf weitere Parameter statistisch analysiert:
- maximales Plantarflexions- moment in Nmm
- maximales Dorsalextensions- moment in Nmm
- Range der Biegemomente in Nmm
- Wechselbelastung der Biege- momente in %
- Impulsbetrag der Biegemomente in Nmm%
Abbildung 3 zeigt einen charakteristischen Biegemomentenverlauf einschließlich der analysierten Parameter. Der Parameter Range lässt einen Rückschluss auf das Bewegungsausmaß über einen gesamten Gangzyklus zu. Der Impulsbetrag berechnet sich aus der Summe der absoluten Flächen unterhalb der Kurve (Fläche Impuls plantar + Fläche Impuls dorsal). Der Impulsbetrag bezeichnet in dieser Studie den Betrag des Biegeimpulses; diese Bezeichnung ist an die physikalische Größe „Impuls“ angelehnt, aber nicht mit dieser gleichzusetzen. Mit dem hier verwendeten Impulsbetrag der Biegemomente kann eine Aussage über die Belastung während des gesamten Gangzyklus getroffen werden.
Die Wechselbelastung (WB) errechnet sich nach folgender Formel:
Die Wechselbelastung ist eine aus der Technischen Mechanik bekannte Größe und hier relevant, da Materialien sensibel auf Belastungen in wechselnder Richtung reagieren. Durch hohe Wechselbelastungen kommt es zu großer Materialbeanspruchung, und ein Materialversagen wird forciert. Sind die Momente in Richtung Plantarflexion und Dorsalextension gleich groß, liegt die Wechselbelastung bei 100 %. Tritt kein Plantarflexions- oder Dorsalextensionsmoment auf, so liegt auch keine Wechselbelastung vor.
Zur statistischen Analyse wurde ein zweiseitiger gepaarter t‑Test durchgeführt, um die Ergebnisse auf signifikante Unterschiede (p < 0,05) zu prüfen.
Ergebnisse
Im Folgenden wird zunächst auf die Kurvenverläufe der Messungen eingegangen. Im Anschluss werden die Ergebnisse der statistischen Analyse der fünf Parameter dargestellt.
Kurvenverläufe
In Abbildung 4 sind die Mittelwertkurven mit einer durchgehenden Linie dargestellt; die gepunkteten Kurven verdeutlichen die jeweilige Standardabweichung (SD). Die blauen Kurven zeigen die Belastung im Schuh „Relief Dual®“ über den Gangzyklus (GZ), die roten Kurven die im Mitbewerbermodell. Für jede Kurve ist die Anzahl der Probanden (N) angegeben, die zur Berechnung des Mittelwertes verwendet wurde. Lagen Messfehler bei einzelnen Probanden vor, ist N < 22.
Biegemomentenverläufe
Bei beiden Schuhbedingungen weist das mittlere Biegemoment an der Ferse einen ähnlichen Kurvenverlauf mit einer geringen SD auf. Es zeigt sich zunächst ein Dorsalextensionsmoment mit einem lokalen Maximum bei ca. 10 bis 20 % GZ, darauf folgt eine langsame Abnahme der Werte; bei ca. 60 bis 70 % GZ wird null erreicht. Der Verlauf des Darco-Schuhs zeigt ein etwas höheres Dorsalextensionsmoment und ein zusätzliches Plantarflexionsmoment (Abb. 4).
An Messstelle MTP I weisen die Biegemomente ab ca. 40 % GZ einen sehr ähnlichen Verlauf mit geringer SD auf; allerdings liegen die Dorsalextensionsmomente des Mitbewerbers deutlich höher. Nach dem Fersenaufsatz bis ca. 45 % GZ ist beim Darco-Schuh ein leichtes Plantarflexionsmoment zu beobachten, im Gegensatz dazu beim Mitbewerber ein Dorsalextensionsmoment.
An MTP V unterscheiden sich die Biegemomente wenig und weisen kleine SDs auf. Nach dem Fersenaufsatz tritt ein lokales Maximum bei ca. 10 bis 20 % GZ auf; bei 30 bis 40 % GZ folgt ein lokales Minimum. Bei ca. 60 % GZ zeigt sich ein hohes lokales Maximum, danach fallen die Werte steil ab. Auch an dieser Messstelle sind die Dorsalextensionsmomente beim Modell „Relief Dual®“ im Vergleich zum Mitbewerber deutlich geringer. An MTP V zeigen beide Schuhbedingungen kein Plantarflexionsmoment.
An der Messstelle DIP I verlaufen beide mittleren Biegemomentkurven nahezu identisch. Ein lokales Maximum tritt bei ca. 60 bis 70 % GZ auf. Die erste Phase des Gangzyklus (bis ca. 50 %) weist eine relativ hohe SD auf. Nach Erreichen des lokalen Maximums zeigen beide Kurven einen steilen Abfall. An DIP I zeigen beide Schuhe ein dominantes Dorsalextensionsmoment.
An DIP V weisen beide Bedingungen einen ähnlichen Biegemomentenverlauf auf. Die hohen SDs, die sich hier zeigen, sind auf relativ große Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden zurückzuführen. Der Übergang von einem Plantarflexions- zu einem Dorsalextensionsmoment tritt für das Mitbewerbermodell früher (bei ca. 55 % GZ) auf als beim Darco-Modell. Zudem sind die Dorsalextensionsmomente des Mitbewerbers im Vergleich etwas geringer.
Torsionsmomentenverläufe
An der Ferse zeigt das mittlere Torsionsmoment für beide Schuhbedingungen einen stark variierenden Verlauf mit großer SD. Der Darco-Schuh weist ein höheres Eversionsmoment im Vergleich zum Mitbewerber auf; dort überwiegt ein Inversionsmoment. Hohe SDs verdeutlichen starke Variationen der Belastung bei den einzelnen Probanden (Abb. 4).
An MTP I zeigen die Torsionsmomente beider Bedingungen einen ähnlichen Verlauf; die SDs sind hier jedoch deutlich höher als bei den Biegemomenten an dieser Messstelle. Zudem weist der Mitbewerber höhere Eversions- und Inversionsmomente auf als der Darco-Schuh.
Für beide Schuhe wird an MTP V ein reines Inversionsmoment beobachtet; die Kurvenverläufe sind ähnlich und die SDs gering. Anstieg und Amplitude des Inversionsmoments fallen jedoch für das Mitbewerbermodell deutlich höher aus.
Im Gegensatz zu den Biegemomenten finden sich an DIP I größere Unterschiede in den Verläufen der Torsionsmomente. In der ersten Phase des GZ weist der Darco-Schuh einen stärkeren Anstieg auf; ebenso zeigt er ein höheres Maximum. Für beide Bedingungen sind fast ausschließlich Eversionsmomente zu beobachten. Die SDs sind relativ hoch, insbesondere für das Modell „Relief Dual®“.
An DIP V zeigen die Torsionsmomentenverläufe der beiden Bedingungen sehr gegenläufige Tendenzen: Beim Darco-Schuh ist ein Eversionsmoment dominant, während der Mitbewerber überwiegend ein Inversionsmoment aufweist. Dieses fällt im Vergleich zum Maximum des Darco-Schuhs durch eine deutlich höhere Amplitude auf.
Statistische Analyse ausgewählter Messparameter
Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der ausgewählten Messparameter. Um einen direkten Vergleich der Schuhbedingungen zu ermöglichen, werden die Mittelwerte der Parameter dargestellt. Signifikante Unterschiede (p < 0,05) zwischen den beiden Schuhbedingungen sind in der Tabelle grau hinterlegt.
Ein im Vergleich zum Mitbewerber signifikant höheres maximales Plantarflexionsmoment kann an Ferse und MTP I für das Darco-Modell beobachtet werden. An den anderen Messstellen treten keine signifikanten Unterschiede in den Plantarflexionsmomenten auf.
An MTP I und MTP V liegen signifikant höhere maximale Dorsalextensionsmomente im Mitbewerbermodell vor. An den anderen Messstellen zeigen sich hier keine signifikanten Unterschiede.
Für den Parameter „Range“ liegt nur an MTP V ein signifikanter Unterschied vor. Hier ist der Wert des Mitbewerbers signifikant höher als beim Darco-Modell. An den anderen Messstellen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.
Die Wechselbelastung ist beim Modell „Relief Dual®“ an den Messstellen Ferse, MTP I und DIP I signifikant höher als beim Mitbewerber. Da kein Plantarflexionsmoment vorliegt, kann an MTP V keine Wechselbelastung ermittelt werden. An DIP V liegt kein signifikanter Unterschied vor.
Der Impulsbetrag zeigt an MTP I und MTP V für den Mitbewerber signifikant höhere Werte im Vergleich zum Darco-Schuh. An den anderen Messstellen treten keine signifikanten Unterschiede auf.
Diskussion
Ziel der Studie war die Untersuchung der beim Gehen auf den Fuß einwirkenden Belastungen in zwei verschiedenen FTES. Der Darco-Schuh „Relief Dual®“ wurde dazu mit einem zugelassenen Mitbewerbermodell verglichen. Die Analyse konzentrierte sich auf die Funktionseinschränkung und die Vorfußentlastung. Biege- und Torsionsbelastungen wurden mit dem Messsystem „vebitoSCIENCE“ erfasst.
Die Verläufe der Biegemomente an den fünf Messstellen sind aussagekräftig und werden im Folgenden diskutiert. Die Ergebnisse zeigen, dass zwar in beiden Schuhbedingungen ähnliche funktionelle Belastungen auftreten; der Darco-Schuh bietet jedoch den Vorteil eines reduzierten Dorsalextensionsmoments an MTP I und MTP V. Die Unterschiede zwischen den beiden Schuhbedingungen treten insbesondere hier und an der Ferse auf. An DIP I und DIP V sind die Verläufe beider Schuhe ähnlich. Für den Darco-Schuh kann zusätzlich ein leichtes Plantarflexionsmoment an der Ferse beobachtet werden; zudem ist das Dorsalextensionsmoment an dieser Messstelle leicht erhöht. Die erhöhte Biegebelastung an der Ferse ist hinsichtlich der Funktionseinschränkung und Vorfußentlastung jedoch von untergeordneter Bedeutung. Das an MTP I und MTP V deutlich geringere Dorsalextensionsmoment des Darco-Modells impliziert eine stärkere Funktionseinschränkung und eine größere Vorfußentlastung. Das stärkere Auftreten eines Plantarflexionsmomentes an MTP I ist im Vergleich zum reduzierten Dorsalextensionsmoment von geringerer Bedeutung, da die höchsten Belastungen am Vorfuß während des terminalen Standes auftreten, die durch das Dorsalextensionsmoment in geeigneter Weise beschrieben werden. An der Messstelle MTP V kann nur ein reduziertes Dorsalextensionsmoment beobachtet werden. Dadurch, dass kein zusätzliches Plantarflexionsmoment auftritt, entsteht auch keine Wechselbelastung. Dies deutet darauf hin, dass das Darco-Modell eine bessere Entlastung des Vorfußes ermöglicht.
Die Interpretation der Torsionsmomente lässt vor allem Schlüsse über das Gangbild des jeweiligen Probanden zu; die Aussagekraft bezüglich der beiden Schuhbedingungen ist dagegen relativ gering. Dies wird durch die hohen SDs deutlich, die eine vergleichende Interpretation erschweren.
Aufgrund ihrer mangelnden Relevanz für die Vorfußentlastung erfolgt keine Diskussion der Messparameter an der Ferse. An MTP I und MTP V unterscheiden sich sieben der neun ausgewählten Belastungsparameter signifikant. Die Werte des maximalen Dorsalextensionsmoments an MTP I und MTP V, des Range an MTP V und des Impulsbetrags an MTP I und MTP V sind beim Darco-Schuh im Vergleich zum Mitbewerber signifikant geringer, hier zeigt er eine größere Vorfußentlastung.
Der Mitbewerber weist ein kleineres maximales Plantarflexionsmoment und eine geringere Wechselbelastung an MTP I auf. Hier erreicht der Mitbewerber die geringeren Belastungen am Vorfuß.
An den Messstellen DIP I und DIP V zeigt der Mitbewerber bei einem von zehn Werten eine größere Vorfußentlastung (Wechselbelastung an DIP I); bei allen anderen Parametern liegt dagegen kein signifikanter Unterschied vor. Daher wird von einer ähnlichen Entlastung des Fußes in diesen Bereichen ausgegangen.
Durch die zusätzlichen Plantarflexionsmomente des Modells „Relief Dual®“ und die geringeren Wechselbelastungen des Mitbewerbers erreicht dieser teilweise geringere Belastungen im Vorfußbereich. Da jedoch die Werte des maximalen Dorsalextensionsmoments und des Impulsbetrags des Darco-Modells signifikant geringer sind, kann angenommen werden, dass es die gleiche, in einigen Fällen sogar eine größere Vorfußentlastung erreicht.
Die Unterschiede in der Biegebelastung zwischen den beiden Schuhbedingungen lassen sich mitunter durch die verschiedenen Sohlenkonstruktionen begründen. Aber auch die Befestigungsart und die Bettungseigenschaften der Innensohle können ursächlich sein. Das signifikant größere Plantarflexionsmoment beim Darco-Schuh an MTP I kann beispielsweise durch die weniger steife Sohle und/oder durch eine weichere Bettung hervorgerufen werden. Die Scheitelpunkte der Ballenrollen weisen bei beiden Schuhen annähernd einen identischen Abstand zur Schuhspitze auf; auch die Standflächen der Schuhe sind nach dem Aufsetzen des Fußes vergleichbar, sodass ein vergleichbarer Hebelarm wirkt. Beide Aspekte können Unterschiede in den auftretenden Biegemomenten nicht begründen. Unterschiede in der Sohlensteifigkeit, die bei unterschiedlichen Schuhgrößen auftreten können, haben ebenso keinen Einfluss auf die Datenanalyse wie die unterschiedlichen Ganggeschwindigkeiten. Schuhgrößen und Geschwindigkeiten unterschieden sich von Proband zu Proband, nicht aber zwischen den Testbedingungen.
Um weitere Aussagen zu den Entlastungseffekten der beiden verschiedenen Schuhkonstruktionen zu erhalten, sollte ergänzend auch der plantare Druck und der Einfluss der FTES auf das natürliche Gangbild untersucht werden. Dies könnte im Versuchsdesign durch die Ergänzung einer Kontrollbedingung – z. B. der Eingangsschuh des Probanden – erfolgen. Klinische Studien über den Einfluss von Biege- und Torsionsbelastungen auf den Fuß von operierten Patienten, die mit FTES versorgt wurden, wurden bisher nicht publiziert.
Schlussfolgerungen
Obwohl die beiden untersuchten Schuhbedingungen Unterschiede in der Konstruktion aufwiesen, wurden nur geringe Unterschiede hinsichtlich der am Fuß wirkenden Biege- und Torsionsbelastungen festgestellt. Gleichwohl waren die nachweisbaren Unterschiede der mehrdimensionalen Parameter auf Unterschiede in der Biege- und Torsionsbeanspruchung in den beiden Schuhbedingungen zurückzuführen. Die für MTP I und MTP V festgestellten signifikanten Unterschiede legten nahe, dass der Darco-Schuh „Relief Dual®“ einen etwas stärker entlastenden Effekt auf den Vorfuß ausübt. Nach Abschluss dieser Studie erhielt der Schuh eine Hilfsmittelnummer als Fußteilentlastungsschuh.
Interessenkonflikt
Diese Studie wurde vom Unternehmen Darco (Europe) GmbH (Raisting, Deutschland) beauftragt. Die Finanzierung hatte keinen Einfluss auf Studiendesign, Datenanalyse und Schlussfolgerungen.
Hinweis
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine ergänzte deutsche Übersetzung des folgenden Artikels:
Dawin N, Dirksen N, Buss P, Peikenkamp K. Analysis of Bending and Torsional Stress on the Foot in Different Offloading Shoes. Foot & Shoe, 1/2016: 30–35
Für die Autoren:
Nicole Dirksen, M. Sc.
Doktorandin
Fachhochschule Münster
Labor für Biomechanik
Bürgerkamp 3
48565 Steinfurt
nicole.dirksen@fh-muenster.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Dirksen N, Grabowski N, Altenhöfer M, Buß Ph, Peikenkamp K. Untersuchung der Biege- und Torsionsbelastung am Fuß in verschiedenen Fußteilentlastungsschuhen. Orthopädie Technik, 2020; 71 (10): 52–59
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024
- Caravaggi P, Giangrande A, Berti L, Lullini G, Leardini A. Pedobarographic and kinematic analysis in the functional evaluation of two post-operative forefoot offloading shoes. J Foot Ankle Res, 2015; 8: 59. doi: 10.1186/s13047-0150116–3
- Stief T, Peikenkamp K. A new insole measurement system to detect bending and torsional moments at the human foot during footwear condition: a technical report. J Foot Ankle Res, 2015; 8: 49 doi: 10.1186/s13047-015‑0105‑6
- Arndt A, Ekenman I, Westblad P, Lundberg A. Effects of fatigue and load variation on metatarsal deformation measured in vivo during barefoot walking. Journal of Biomechanics, 2002; 35 (5): 621–628. doi: 10.1016/S00219290(01)00241‑X
- Stief T, Peikenkamp K. A new insole measurement system to detect bending and torsional moments at the human foot during footwear condition: a technical report. J Foot Ankle Res, 2015; 8: 49 doi: 10.1186/s13047-015‑0105‑6
- Stief T, Peikenkamp K. A new insole measurement system to detect bending and torsional moments at the human foot during footwear condition: a technical report. J Foot Ankle Res, 2015; 8: 49 doi: 10.1186/s13047-015‑0105‑6
- Dawin N, Stief T, Peikenkamp K. Innensohlenmesssystem zur Bestimmung von Biege- und Torsionsmomenten im Schuh. Orthopädieschuhtechnik, 7/8/2013: 34–36
- Dawin N, Kerkhoff A, Peikenkamp K. Bending and Torsional Moments – A new measuring system for gait analysis. Kongressbeitrag TAR 2015: Technically Assisted Rehabilitation Conference, Berlin, 12. /13. März 2015. http://www. ige.tu-berlin.de/fileadmin/fg176/IGE_Printreihe/TAR_2015/Session_order/Session_5_Event_1_paper_Dawin_Nora_.pdf (Zugriff am 29.07.2020)