Stu­di­en­ge­mein­schaft OST: Kri­ti­sche Töne erwünscht

Die Jahrestagung der Studiengemeinschaft Orthopädieschuhtechnik e. V. fand 2023 bereits zum 13. Mal unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Martin Engelhardt und in Kooperation mit dem Klinikum Osnabrück statt.

Aus­tra­gungs­ort des inter­dis­zi­pli­nä­ren Fuß­sym­po­si­ums mit ange­schlos­se­ner Aus­stel­lung war am 3. und 4. Febru­ar das Remar­que Hotel in Osna­brück. Im Inter­view mit der OT-Redak­ti­on bli­cken OSM Tino Spre­kel­mey­er, 1. Vor­sit­zen­der der Stu­di­en­ge­mein­schaft, und des­sen Stell­ver­tre­ter OSM Micha­el Vol­kery gemein­sam auf den Ver­lauf der Ver­an­stal­tung zurück. Im Vor­der­grund stan­den der fach­li­che Aus­tausch zwi­schen den Dis­zi­pli­nen und ein Blick auf die Zukunft des Hand­werks, beglei­tet von Spe­zi­al­the­men wie etwa der Feh­ler­kul­tur in der Gesund­heits­ver­sor­gung oder dem Ver­sor­gungs­stan­dard in der Einlagenversorgung.

OT: Wie hat sich die enge Zusam­men­ar­beit der Stu­di­en­ge­mein­schaft mit dem Kli­ni­kum Osna­brück in der Ver­gan­gen­heit ent­wi­ckelt und in wel­chem Maße pro­fi­tie­ren Medi­zin und Hand­werk glei­cher­ma­ßen von der Veranstaltung?

Tino Spre­kel­mey­er: Sei­ner­zeit sind wir mit einem Sport­sym­po­si­um in Osna­brück gestar­tet und es hat sich seit­her eine Zusam­men­ar­beit auf Augen­hö­he ent­wi­ckelt. Jedes Jahr set­zen wir uns vom Vor­stand der Stu­di­en­ge­mein­schaft mit Prof. Dr. Engel­hardt und eini­gen sei­ner Kol­le­gen zusam­men und ent­wi­ckeln ein gemein­sa­mes Pro­gramm, in dem der inter­dis­zi­pli­nä­re Ver­sor­gungs­an­spruch im Vor­der­grund steht. Bei­den Part­nern ist es wich­tig, dass die kon­ser­va­ti­ve Ver­sor­gung auch post­ope­ra­tiv ein wich­ti­ger Bau­stein ist. Daher ver­su­chen wir zu den ver­schie­de­nen The­men rund um den Fuß und die unte­re Extre­mi­tät neben den medi­zi­ni­schen The­men auch immer hand­werk­li­che Bei­trä­ge zu plat­zie­ren. Es ist uns allen wich­tig, sowohl die Ortho­pä­die­tech­ni­ker und Ortho­pä­die­schuh­ma­cher als auch die Phy­sio­the­ra­peu­ten und die Medi­zi­ner mit unse­ren The­men zu errei­chen, um alle Betei­lig­ten zusammenzubringen.

OT: Nach wel­chen Kri­te­ri­en haben Sie im Vor­feld die Aus­wahl der Schwer­punkt­the­men von der Sport­ver­sor­gung bis zum ger­ia­tri­schen Pati­en­ten getroffen?

Micha­el Vol­kery: Die Aus­wahl der The­men für unser Fach­pro­gramm ori­en­tiert sich natür­lich pri­mär am Bedarf unse­rer Mit­glie­der. Wir ver­su­chen The­men­fel­der aus­zu­wäh­len, wel­che sich durch neu­es Fach­wis­sen, Trends oder Inno­va­tio­nen im Wan­del befin­den. Hier ent­schei­det der Vor­stand der Stu­di­en­ge­mein­schaft in Zusam­men­ar­beit mit Prof. Dr. Engel­hardt und sei­nem Team jedes Jahr aktu­ell. Ins­be­son­de­re die Impul­se aus der Ärz­te­schaft beein­flus­sen die Aus­wahl stark, da sie häu­fig neue Ver­sor­gungs­op­tio­nen auf­zei­gen, bevor die­se am Markt eta­bliert sind.

OT: Die regen Dis­kus­sio­nen im Anschluss an die ein­zel­nen Vor­trä­ge zeu­gen von einem gro­ßen Bedarf am inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tausch. War­um kommt die­ser im Tages­ge­schäft oft zu kurz und wie kann hier Bes­se­rung erzielt werden?

Spre­kel­mey­er: Es zeigt, wie wich­tig sol­che Ver­an­stal­tun­gen sind. Dies ist im Grun­de der Schlüs­sel, da es im All­tag bei allen Dis­zi­pli­nen zeit­lich eng zugeht. Daher brau­chen wir sol­che For­ma­te des gemein­sa­men Aus­tau­sches. Die Stu­di­en­ge­mein­schaft hat in der Ver­gan­gen­heit auch neben der Jah­res­ta­gung jähr­li­che klei­ne­re Qua­li­täts­zir­kel ver­an­stal­tet, was aber durch die Coro­na­zeit lei­der etwas ein­ge­schla­fen ist. Dies könn­te eine wei­te­re Mög­lich­keit der Ver­net­zung zwi­schen den Dis­zi­pli­nen sein. Eines steht fest: In Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels in der Pati­en­ten­ver­sor­gung wird die inter­dis­zi­pli­nä­re Ver­net­zung immer wich­ti­ger, um auch in Zukunft effi­zi­ent und straff ver­sor­gen zu kön­nen. Den Kli­ni­kern ist es eben­falls ein Her­zens­wunsch, die Tech­ni­sche Ortho­pä­die wei­ter­hin zu pfle­gen, da sie einen wich­ti­gen Bau­stein dar­stellt und einen sehr hohen Stel­len­wert in der Ver­sor­gung der Men­schen hat. Dies wird immer sehr deut­lich von allen Refe­ren­ten betont.

OT: PD Dr. Renée Andrea Fuhr­mann hat im Rah­men des Fuß­sym­po­si­ums eine ein­dring­li­che wie unter­halt­sa­me Ehren­gastlec­tu­re zum Kom­pli­ka­ti­ons­ma­nage­ment in der Fuß­chir­ur­gie gehal­ten. Wie aus­ge­prägt ist eine offe­ne bzw. trans­pa­ren­te Feh­ler­kul­tur im Versorgungsalltag?

Vol­kery: Auf Sei­ten der Tech­ni­schen Ortho­pä­die sehen wir in den letz­ten Jah­ren eine deut­li­che Kehrt­wen­de. Durch den Wunsch der Ver­sor­gungs­op­ti­mie­rung wer­den Ver­sor­gun­gen deut­lich bes­ser hin­ter­fragt und Stan­dards imple­men­tiert. Ein gutes Bei­spiel hier­für ist das Kom­pen­di­um „Qua­li­täts­stan­dard im Bereich Fuß und Schuh“ der Deut­schen Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung. Ins­be­son­de­re die Mit­glie­der der Stu­di­en­ge­mein­schaft haben sich dem Ziel ver­schrie­ben, „aus ihren Feh­lern zu ler­nen“ und eine trans­pa­ren­te Feh­ler­kul­tur zu leben. Seit 2020 erhebt die Gemein­schaft im Rah­men ihres Qua­li­täts­ma­nage­ment­sys­tems ran­do­mi­sier­te Daten zu Ver­sor­gun­gen im Bereich der PG 31 – Schu­he. Die­se Regis­ter­da­ten las­sen sich mit allen Pool­teil­neh­mern ver­glei­chen. So kann die Qua­li­tät der eige­nen Ver­sor­gung im Bezug zur durch­schnitt­li­chen Ver­sor­gung ver­gli­chen wer­den. Dar­aus resul­tie­rend las­sen sich poten­zi­el­le Feh­ler­quel­len im eige­nen Ver­sor­gung­ab­lauf fin­den und kon­ti­nu­ier­lich überwachen.

OT: Sie bei­de sind in den Sym­po­si­en nicht nur als Refe­ren­ten in Erschei­nung getre­ten, son­dern auch als Chair der Ses­si­ons. Wel­che Bei­trä­ge sind Ihnen beson­ders in Erin­ne­rung geblieben?

Spre­kel­mey­er: Ich den­ke, es ist die Mischung inner­halb der ver­schie­de­nen The­men­blö­cke, die es aus­macht, dass alle Bei­trä­ge ein­dring­lich und inter­es­sant sind. In die­sem Jahr hat­ten wir in vie­len Ses­si­ons auf­ein­an­der auf­bau­en­de Bei­trä­ge und dies sind dann die Bei­trä­ge, die man in Erin­ne­rung behält, um beob­ach­ten zu kön­nen, wie die Dis­zi­pli­nen aus den Berei­chen Kli­nik, Tech­ni­sche Ortho­pä­die und Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik zusam­men­ar­bei­ten und auf­ein­an­der auf­bau­en. Es zeigt, wie wich­tig es ist, die Ver­sor­gungs­pro­zes­se abzu­stim­men, damit es zu einer erfolg­rei­chen Pati­en­ten­ver­sor­gung kommt. Auch kri­ti­sche Töne sind wich­tig, um von fehl­ge­schla­ge­nen Pati­en­ten­ver­sor­gun­gen eben­falls zu ler­nen. Hier wird deut­lich, dass die The­men auf Augen­hö­he behan­delt und auf welch hohem Niveau die Bei­trä­ge dis­ku­tiert und bespro­chen werden.

OT: Unter dem Titel „Klar­text“ nahm sich Tho­mas Stief am Ende des ers­ten Ver­an­stal­tungs­ta­ges des The­mas „Ein­la­ge“ an. Was waren die zen­tra­len Aus­sa­gen sei­nes Impulses?

Vol­kery: Ein­la­gen gehö­ren zu den am häu­figs­ten ver­schrie­be­nen Hilfs­mit­teln in Deutsch­land. Lei­der erfül­len nicht alle Ver­sor­gun­gen im Bereich der PG 08 den gewünsch­ten Qua­li­täts­stan­dard. Häu­fig wer­den Ein­la­gen im „Schnell­ver­fah­ren“ gefer­tigt, von nicht aus­ge­bil­de­tem Per­so­nal ange­mes­sen und abge­ge­ben. So ent­steht eine Aus­höh­lung der Ver­sor­gungs­qua­li­tät, die das Pro­dukt Ein­la­ge auf Kos­ten­trä­ger­sei­te angreif­bar macht. Die zen­tra­le Aus­sa­ge im „Klar­text“ von Tho­mas Stief war, dass eine hoch­wer­ti­ge Ein­la­gen­ver­sor­gung trans­pa­rent, nach­voll­zieh­bar und sys­te­ma­tisch erfol­gen muss – unter Berück­sich­ti­gung eines klar struk­tu­rier­ten Ver­sor­gungs­al­go­rith­mus, der vom Assess­ment über die Ziel­de­fi­nie­rung bis zur Nach­sor­ge greift und kon­se­quent umge­setzt wird.

OT: Das Fuß­sym­po­si­um warf zum Abschluss unter der Über­schrift „OST 2030“ unter Ein­be­zie­hung der Teilnehmer:innen einen Blick in die Zukunft. Wel­che The­men beschäf­tigt die Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik aktu­ell und abseh­bar im Besonderen?

Spre­kel­mey­er: Zu dem The­ma „Wie sieht die Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik 2030 aus?“ haben wir in Osna­brück einen soge­nann­ten Open Space abge­hal­ten. Dabei sam­mel­ten rund 50 Kolleg:innen Ideen und Aspek­te, die sie für wich­tig und nach­ver­folg­bar erach­ten. Im Anschluss wur­den die gesam­mel­ten Stich­wor­te mit Punk­ten gewich­tet, um ein grund­sätz­li­ches Stim­mungs­bild aus der Grup­pe zu erhal­ten. Die sich dadurch erge­be­nen Auf­ga­ben­fel­der waren: ers­tens: Leh­re und Ausbildung/Fachkräftemangel, zwei­tens: For­schung und Innovation/Registerforschung, drit­tens: OST in den Medien/Digitalisierung sowie vier­tens die Fra­ge: Gibt es 2030 noch ein OST-Hand­werk? In ein­zel­nen Klein­grup­pen wur­de im Fol­gen­den der jewei­li­ge Sta­tus quo skiz­ziert, die zu erwar­ten­de und gewünsch­te Ent­wick­lung dis­ku­tiert, deren beein­flus­sen­de Fak­to­ren und Rah­men­be­din­gun­gen her­aus­ge­ar­bei­tet, unser per­sön­li­ches Enga­ge­ment doku­men­tiert und das Ergeb­nis des­sen den ande­ren Grup­pen prä­sen­tiert. Fest steht, dass der Wil­le zur Ver­än­de­rung und Wei­ter­ent­wick­lung für jeden Ein­zel­nen, aber auch für die gesam­te Bran­che besteht. Dass sich bei unse­rer Ver­an­stal­tung mehr oder weni­ger spon­tan 50 Orthopädieschuhmacher:innen zusam­men­ge­fun­den und in einem offe­nen Rah­men mit­ein­an­der über die Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft dis­ku­tiert haben, kann einen als Fazit nur posi­tiv stimmen.

Die Fra­gen stell­te Micha­el Blatt.

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