Reu­ter: „Ver­sor­gung light“ gibt es mit uns nicht!

Es ist das berufspolitische Thema dieser Tage: Der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) haben sich nach eigener Aussage darauf geeinigt, was „apothekenübliche“ Hilfsmittel sind und künftig ohne Präqualifizierungsnachweis abgegeben werden dürfen.

Auf was sich die bei­den Sei­ten geei­nigt haben, das war bis­her nicht bekannt. Jetzt hat das Por­tal „Apo­the­ke Adhoc“ aller­dings eine Lis­te mit 17 Pro­dukt­grup­pen ver­öf­fent­licht, die vor­ab den Apotheker:innen zuge­spielt wor­den ist. Eine Umset­zung ist vor­be­halt­lich der Zustim­mung der ent­spre­chen­den Gre­mi­en und tech­ni­scher Anpas­sun­gen zum 1. April geplant. Det­lef Möl­ler, Geschäfts­füh­rer der Sani­täts­haus Stol­le GmbH, hat­te bereits im Dezem­ber ange­kün­digt, Ver­fas­sungs­be­schwer­de beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ru­he ein­zu­le­gen. Im exklu­si­ven OT-Inter­view erklärt er, wel­che Aus­sich­ten auf Erfolg er sieht und war­um sich die Ein­rei­chung der Beschwer­de ver­zö­gert. Die OT-Redak­ti­on hol­te auf­grund der jüngs­ten Ent­wick­lun­gen von Alf Reu­ter, Prä­si­dent des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT), die ers­te Reak­ti­on aus der Bran­che ein.

OT: 17 Pro­dukt­grup­pen sol­len – teil­wei­se– apo­the­ken­üb­lich wer­den. Wie bewer­ten Sie die­se Aus­wahl von GKV-Spit­zen­ver­band und Apotheken?

Alf Reu­ter: Den Mel­dun­gen kann ich vor allem eines ent­neh­men: Die Ver­hand­lun­gen schei­nen deut­lich schwie­ri­ger zu sein, als von den Apo­the­ken anfäng­lich gedacht. Hat­ten sie zuletzt schon eine Ver­öf­fent­li­chung der final abge­stimm­ten Pro­dukt­grup­pen für den Febru­ar ange­kün­digt, so müs­sen sie nun ver­lau­ten, dass die Gre­mi­en offen­sicht­lich noch immer nicht zuge­stimmt haben und eine Umset­zung erst im April zu erwar­ten ist. Das Gesetz sieht als Stich­tag für eine Eini­gung den 27. Janu­ar 2024 vor. Wir stel­len hier­zu fest: Eine Eini­gung mit frist­über­schrei­ten­dem Gre­mi­en­vor­be­halt ent­spricht nicht den ein­deu­ti­gen gesetz­ge­be­ri­schen Vor­ga­ben. Das Ver­fah­ren müss­te man­gels frist­ge­rech­ter Ver­ein­ba­rung eigent­lich direkt in ein Schieds­ver­fah­ren über­führt wer­den. Die gesetz­ge­be­ri­schen Beschleu­ni­gungs­ele­men­te einer Frist und eines zwin­gen­den Schieds­ver­fah­rens die­nen letzt­lich der schnel­len Rechts­klar­heit. Die­se ist not­wen­dig, um die ver­än­der­te Markt­si­tua­ti­on und auch die Aus­wir­kun­gen auf die Ver­sor­gungs­qua­li­tät bewer­ten zu können.

OT: Ganz kon­kret: Zu den auf­ge­zähl­ten Pro­dukt­grup­pen gehört auch die PG 17 – medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­wa­re sowie PG 05 – Ban­da­gen. Sehen Sie Apotheker:innen ohne PQ fach­lich in der Lage, hier Patient:innen adäquat zu versorgen?

Reu­ter: Die Kri­te­ri­en für die fach­li­che Eig­nung und die säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen sind in der PQ gere­gelt. Schon heu­te bie­ten Apo­the­ken ein sehr beschränk­tes Sor­ti­ment an Hilfs­mit­teln an, oft­mals sind dies Sani­täts­häu­ser, die auch eine Apo­the­ke füh­ren. Wir unter­stüt­zen aus­drück­lich die For­de­rung der Apo­the­ken, Dop­pel- und Drei­fach­prü­fun­gen künf­tig zu ver­mei­den und die PQ sowie den Ver­trags­dschun­gel deut­lich zu ver­schlan­ken, aber Kom­pro­mis­se in der Ver­sor­gungs­qua­li­tät und damit eine „Ver­sor­gung light“ wird es mit uns nicht geben. Hier wer­den wir die tat­säch­li­chen Ergeb­nis­se die ja nun erst für den April ange­kün­digt sind sehr genau prüfen.

OT: Wel­che Aus­wir­kun­gen auf die Sani­täts­häu­ser wird die­se Lis­te haben – muss mit einer Pati­en­ten­ab­wan­de­rung Rich­tung Apo­the­ken gerech­net wer­den, kann es zu ande­ren Markt­ver­schie­bun­gen kommen?

Reu­ter: Wir sehen ins­ge­samt die exklu­si­ve Ent­las­tung der Apo­the­ken von der PQ kri­tisch. Ver­si­cher­te der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung haben einen Anspruch auf qua­li­täts­ge­si­cher­te Ver­sor­gung. Die muss über­all den­sel­ben Kri­te­ri­en fol­gen. Wir unter­stüt­zen daher gene­rell die Über­prü­fung durch das Ver­fas­sungs­ge­richt, ob ein sol­ches „Lex Apo­the­ke“ über­haupt dem Gleich­heits­prin­zip und dem Prin­zip der Berufs­frei­heit entspricht.

 

Die betrof­fe­nen Pro­dukt­grup­pen, die ganz oder teil­wei­se unter „apo­the­ken­üb­lich“ fal­len sollen:

PG 01 Milchpumpen

PG 02 Anzieh­hil­fen, Ess- und Trink­hil­fen u. a.

PG 03 Sprit­zen, Pens, Zube­hör, Spül­sys­te­me, Trans­na­sa­le Ernäh­rungs­son­den, Über­leit­sys­te­me, Nasen­son­den, Fil­ter u. a., Trink- und Sondennahrung

PG 05 Ban­da­gen (Fer­tig­pro­duk­te bis Knie und obe­re Extre­mi­tä­ten einschl. Schul­ter­ge­lenk), Rip­pen­bruch­ban­da­gen, Schwangerschaftsleibbinden

PG 08 Stoß­ab­sor­ber, Verkürzungsausgleiche

PG 10 Hand-/Geh­stö­cke, Unter­arm­geh- und Achselstützen

PG 14 Inha­la­ti­ons­the­ra­pie­ge­rä­te (PEP-Mund- und Maskensysteme)

PG 15 Pro­duk­te und Zube­hör für auf­sau­gen­de und ablei­ten­de Inkontinenz

PG 17 medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­wa­re (rund- und Flachstrick, für Bein und Arm, Tho­rax, Kopf) sowie Zubehör

PG 20 Sitzringe

PG 21 Mess­ge­rä­te (Lun­gen­funk­ti­on, Blut­druck, Blut­ge­rin­nung, Gewicht)

PG 23 aus­ge­wähl­te, kon­fek­tio­nier­te Orthesen

PG.25 Hilfs­mit­tel bei Augen­er­kran­kun­gen, u. a. Okklusionspflaster

PG 30 Hilfs­mit­tel für Insu­lin­the­ra­pie (u. a. Sprit­zen, Pens, Mess­ge­rä­te, CGM-Sys­te­me und Zubehör)

PG 51 Pflegehilfsmittel

PG 54 Pflegehilfsmittel

PG 99 sons­ti­ge Pro­duk­te (u. a. Läu­se- und Nissenkämme)

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