Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät kommt zu kurz

„Gonarthrosetherapie interdisziplinär“ – so lautete der Name eines Symposiums auf der OTWorld 2022, das in Kooperation mit der Interdisziplinären Gesellschaft für orthopädische/unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie e. V. (IGOST) ausgerichtet wurde. Vizepräsident Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch fasst für die OT die wichtigsten Aussagen zusammen.

OT: Arthro­se ist ins­ge­samt die häu­figs­te Gelenk­er­kran­kung welt­weit. Auf der OTWorld wur­de der Fokus auf die „Gonar­thro­se“ gelegt. Sehen Sie auch auf Grund der Häu­fig­keit des Krank­heits­bil­des eine gerecht­fer­tig­te Spe­zia­li­sie­rung auf die­sen Teil­be­reich der Arthro­se oder ist der Bedarf zum Aus­tausch in die­sem Ver­sor­gungs­spek­trum beson­ders groß?

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch: Bei­des. Das Knie ist das am häu­figs­ten von Arthro­se betrof­fe­ne Gelenk. Und der Aus­tausch ist wich­tig, weil im Moment zu sehr ein­di­men­sio­nal the­ra­piert wird. Das heißt, es fehlt der inter­dis­zi­pli­nä­re Ansatz, die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den ver­schie­de­nen Disziplinen.

OT: Was bedeu­tet das konkret?

Jerosch: Bei typi­schen Gonarthrose-Patient:innen bedarf es nicht nur einer kli­ni­schen Ein­schät­zung. Auch die Hausärzt:innen müs­sen mit­ein­be­zo­gen wer­den, sowohl bezüg­lich ernäh­rungs­me­di­zi­ni­scher Aspek­te als auch zur Abstim­mung der Medi­ka­men­te. Denn vie­le Patient:innen bekom­men nicht nur nicht­ste­ro­ida­le Anti­rheu­ma­ti­ka (NSAR) gegen den Arthro­se­schmerz, son­dern auch gleich­zei­tig Medi­ka­men­te bei Herz­er­kran­kun­gen und neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen, wel­che häu­fig kon­tra­in­di­ziert bei der gleich­zei­ti­gen Gabe von NSAR sind. Zudem stellt sich die Fra­ge, wel­che Hilfs­mit­tel zum Ein­satz kom­men kön­nen. Auch das Poten­ti­al der Ortho­pä­die-Tech­nik wird der­zeit nicht aus­rei­chend aus­ge­schöpft. Eine ent­schei­den­de Rol­le bei der Arth­ro­se­the­ra­pie spielt außer­dem das Bewe­gungs­trai­ning, das im Aus­tausch mit Physiotherapeut:innen ver­folgt wer­den sollte.

OT: Ein Vor­trag stand unter dem Mot­to „Leit­li­ni­en­ge­rech­tes Arthro­se-Manage­ment“. Was waren zen­tra­le Aussagen?

Jerosch: Seit Janu­ar 2018 liegt eine Leit­li­nie der „Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­sen­schaft­li­chen Medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten“ (AWMF) für die Behand­lung der Gonar­thro­se vor, wel­che den Wis­sens­stand in der Behand­lung der Arthro­se gut wider­spie­gelt. Die­se unter­streicht die Not­wen­dig­keit eines mul­ti­mo­da­len The­ra­pie­an­sat­zes. An ers­ter Stel­le ste­hen dabei die Bera­tung und Schu­lung der Patient:innen. Zudem spielt deren Lebens­wan­del – wie Gewichts­re­duk­ti­on und Mus­kel­kräf­ti­gung – eine gro­ße Rol­le. Und wie bereits erwähnt Medi­ka­men­te. Sind NSAR nicht aus­rei­chend wirk­sam oder kon­tra­in­di­ziert, wird nach der aktu­el­len Gonar­thro­se­leit­li­nie die Ver­wen­dung von Hyalu­ron­säu­re oder Cor­ti­son emp­foh­len. Nicht gänz­lich aus­zu­schlie­ßen ist zudem die The­ra­pie mit Opioiden.

OT: Ist die Leit­li­nie im beruf­li­chen All­tag hilfreich?

Jerosch: Ja, das ist sie. Wir haben zum Bei­spiel lan­ge Zeit die Gefahr der NSAR unter­schätzt. Das Stu­fen­sche­ma kann Therapeut:innen bei der Bewer­tung und bei der Vor­ge­hens­wei­se helfen.

OT: Stich­wort Selbst­ma­nage­ment: Wel­che Bedeu­tung kommt dem The­ma für den The­ra­pie­er­folg zu?

Jerosch: Das Selbst­ma­nage­ment ist die ers­te Stu­fe und ein zen­tra­ler Aspekt der The­ra­pie. Es ist wich­tig, dass die Therapeut:innen dar­auf hin­wei­sen und Anlei­tun­gen geben. Aus mei­ner Erfah­rung her­aus wird das aller­dings zu wenig gemacht.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

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