PG 24: Qua­li­tät für 20 Mil­lio­nen Versicherte

Wirtschaftlich darstellbare Qualität auf dem aktuellen Stand der Versorgung – das ist das Ziel eines neuen Vertrags für die Produktgruppe (PG) 24 Beinprothesen, der am 1. Oktober 2021 startet und den der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) sowie die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) Barmer und Techniker Krankenkasse (TK) geschlossen haben.

Gemein­sam haben die bei­den Kran­ken­kas­sen eine poten­zi­el­le Reich­wei­te von rund 20 Mil­lio­nen GKV-Ver­si­cher­ten. Die Ver­ein­ba­rung basiert auf der neu­en Struk­tur des Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis­ses (HMV) des Spit­zen­ver­bands Bund der Kran­ken­kas­sen (GKV-Spit­zen­ver­band) und dem aktu­el­len Qua­li­täts­stan­dard der Deut­schen Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e. V. (DGIHV), fest­ge­hal­ten im Kom­pen­di­um der Orga­ni­sa­ti­on. Ver­sor­gungs­da­ten von 2.500 Meis­ter­be­trie­ben sind in das Ergeb­nis ein­ge­flos­sen, denn die Grund­la­ge für die Kal­ku­la­ti­on der Fer­ti­gungs­zei­ten sowie Leis­tungs­be­schrei­bun­gen bil­det das vom BIV-OT her­aus­ge­ge­be­ne Hand­buch zum Ver­sor­gungs­stan­dard in der PG 24. Was sich durch den Ver­trag für die Betrie­be ändert, erklärt Albin May­er, BIV-OT-Vize­prä­si­dent und Vor­sit­zen­der des Wirt­schafts­aus­schus­ses, der die Ver­hand­lun­gen sei­tens des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des führte.

Anzei­ge

OT: Herr May­er, Sie haben die Ver­hand­lun­gen zum neu­en PG-24-Ver­trag mit Bar­mer und Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se (TK) im Namen des BIV-OT geführt. Was bedeu­tet die­ser Ver­trag für die Branche?

Albin May­er: Die­ser Ver­trag mit Bar­mer und Tech­ni­ker ist ein Mei­len­stein für alle Betrie­be, die Men­schen mit einer Ampu­ta­ti­on ver­sor­gen und die dafür nöti­ge indi­vi­du­el­le Pro­the­se hand­werk­lich in der eige­nen Werk­statt fer­ti­gen. Die Leis­tun­gen unse­res Hand­werks wur­den aner­kannt, die ein­zel­nen Arbeits­schrit­te detail­liert in den Ver­hand­lun­gen erläu­tert und akzep­tiert. Letz­ten Endes bedeu­tet dies, dass jetzt end­lich eine ordent­li­che hand­werk­li­che Kal­ku­la­ti­on die Grund­la­ge für einen Ver­trags­preis ist.

Enor­mer Mehr­wert für pro­the­ti­sche Versorgung

OT: Die Ver­ein­ba­rung basiert auf der Struk­tur des neu­en Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis­ses (HMV) des GKV-Spit­zen­ver­bands. Was ver­bes­sert sich dadurch – für die Betrie­be und nicht zuletzt für die ca. 20 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten der bei­den gesetz­li­chen Krankenkassen?

May­er: Wir alle haben uns sehr gefreut, dass der GKV-Spit­zen­ver­band die PG 24 – unte­re Extre­mi­tä­ten – neu erar­bei­tet hat. Die Beto­nung liegt hier bewusst auf „neu erar­bei­tet“. Denn damit sind alle aktu­el­len Her­stel­lungs­tech­ni­ken in der Schaft­ge­stal­tung sowie die ent­spre­chen­den Zusatz­aus­stat­tun­gen aus­führ­lich und klar beschrie­ben. Selbst für die Funk­ti­ons­tei­le zum Bei­spiel der Knie­ge­len­ke oder Füße wur­den ein­deu­ti­ge Struk­tu­ren geschaf­fen. Die Dienst­leis­tungs­be­stand­tei­le für elek­tro­nisch unter­stütz­te Funk­ti­ons­tei­le wer­den eben­falls dar­ge­stellt. Eine zeit­ge­mä­ße Beschrei­bung haben genau­so die Inte­rims­pro­the­sen erhal­ten. Ins­ge­samt wer­den Leis­tung und Aus­füh­rung einer pro­the­ti­schen Ver­sor­gung sehr deut­lich dar­ge­legt – inklu­si­ve der Arbeits­schrit­te, die ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Dazu gehört das Erpro­ben im häus­li­chen Umfeld. Für die Ver­si­cher­ten bedeu­tet die­se Neu­re­ge­lung einen enor­men Mehr­wert in der pro­the­ti­schen Ver­sor­gung. Denn den Leis­tungs­er­brin­gern ist es nun mög­lich, nach dem aktu­el­len Stand der Tech­nik zu ver­sor­gen und für die­se Dienst­leis­tung adäquat ver­gü­tet zu wer­den. Vor­her war das nicht der Fall.

OT: Wor­in liegt der deut­lichs­te Unterschied?

May­er: Vor­her lief alles über eine Misch­kal­ku­la­ti­on mit sehr unge­nau­er Beschrei­bung. Der eine oder ande­re Leis­tungs­er­brin­ger hat sehr exakt und genau gear­bei­tet. Ande­re haben nur das getan, was unbe­dingt sein muss­te. Das ist zwar nicht kor­rekt gewe­sen, doch so hat sich der Markt lei­der ent­wi­ckelt. Jetzt aber hat jeder Leis­tungs­er­brin­ger die Mög­lich­keit, mit einer hohen Qua­li­tät pro­the­tisch zu ver­sor­gen. Alle Ortho­pä­die­tech­ni­ker kön­nen nun ihr gan­zes Kön­nen ein­set­zen, ihr Fach­wis­sen unter Beweis stel­len und bekom­men dies auch ver­gü­tet – zum Woh­le der Men­schen mit Amputationen.

Wei­ter­bil­dung erforderlich

OT: Wel­che grund­le­gen­den Ände­run­gen bringt der neue Ver­trag den Betrie­ben im Alltag?

May­er: Das Ergeb­nis für den ein­zel­nen Betrieb ist posi­tiv, denn der Ver­trag ist aus der Sicht des Hand­werks wirt­schaft­lich. Die Dienst­leis­tung am Kun­den ist dar­in eben­so zu 100 Pro­zent berück­sich­tigt wie die Fer­ti­gung einer Pro­the­se. Ver­gli­chen mit sei­nen Vor­gän­gern blieb bei die­sem Ver­trag kein Stein auf dem ande­ren. Natür­lich ist das HMV in Bezug auf die PG 24 eine neue Her­aus­for­de­rung. Kal­ku­la­to­risch und bei der Leis­tungs­be­schrei­bung hat sich ein­fach alles ver­än­dert. Man kann das neue Hand­buch mit dem alten nicht ver­glei­chen. Die Betrie­be müs­sen sich jetzt wei­ter­bil­den und im Umgang mit dem Ver­trag inner­halb ihrer Struk­tu­ren schu­len. Die Kos­ten­trä­ger erwar­ten zu Recht eine sehr hohe Qua­li­tät und wir müs­sen unse­re Kun­den best­mög­lich ver­sor­gen, um Lebens­qua­li­tät zu erhalten.

OT: Was ändert sich bei der Kal­ku­la­ti­on der Fer­ti­gungs­zei­ten sowie den Leistungsbeschreibungen?

May­er: Ände­run­gen in der Kal­ku­la­ti­on wur­den durch neue Arbeits­schrit­te oder ande­re tech­ni­sche Her­stel­lungs­pro­zes­se erfor­der­lich und ent­spre­chend ein­ge­setzt. Die Fer­ti­gungs­zei­ten haben sich in den meis­ten Fäl­len nach oben ent­wi­ckelt, in weni­gen nach unten. Das liegt in der Bewer­tung der aktu­el­len Fer­ti­gungs­tech­nik begrün­det sowie an den beson­de­ren Anfor­de­run­gen, die heu­te gestellt wer­den. Die letz­ten Kal­ku­la­tio­nen wur­den vor gut 15 Jah­ren erbracht, in Nach­fol­ge der Bun­des­pro­the­sen­lis­te (BPL). Hier sei bei­spiel­haft die Vor­fuß­pro­the­se erwähnt. Damals, zu Zei­ten der BPL, wur­den der aktu­el­le Stand und der tat­säch­li­che Auf­wand für eine Vor­fuß­pro­the­se nicht berück­sich­tigt. Vor 15 Jah­ren hat man das etwas kor­ri­giert, doch aus Grün­den des Zeit­man­gels nicht grund­sätz­lich neu gestal­tet. Wir haben die­se Kal­ku­la­tio­nen kom­plett neu auf­ge­baut, ana­log der Ver­sor­gungs­art und Tech­nik von heu­te. Auch die Euro­päi­sche Medi­zin­pro­duk­te-Ver­ord­nung (Medi­cal Device Regu­la­ti­on, MDR) hat Aus­wir­kun­gen auf die Kal­ku­la­ti­on. Da ist völ­lig klar, dass ein höhe­rer Auf­wand den Preis nach oben kor­ri­giert. Bei Inte­rims­pro­the­sen stel­len die Her­stel­ler jetzt MDR kon­for­me Inte­rims­pa­ke­te für Struk­tur und Funk­ti­ons­tei­le zur Ver­fü­gung. Mit den Her­stel­lern wur­de das Erpro­ben ver­schie­de­ner Funk­ti­ons­tei­le inner­halb der sechs­mo­na­ti­gen Inte­rims­zeit ver­ein­bart. Die Leis­tungs­be­schrei­bung der Inte­rims­pro­the­se beschreibt deut­lich, dass min­des­tens zwei Funk­ti­ons­tei­le erprobt wer­den müs­sen. Das wird doku­men­tiert und bei der Bean­tra­gung der Defi­ni­tiv­ver­sor­gung vor­ge­legt. Somit wird der Prü­fungs- und Geneh­mi­gungs­pro­zess beschleunigt.

OT: Wel­che Punk­te sind ins­be­son­de­re für klei­ne­re Betrie­be interessant?

May­er: Alles ist wich­tig, jeder ein­zel­ne Punkt, der ver­han­delt wur­de. Es gilt, die neu­en Ver­ein­ba­run­gen eins zu eins umzu­set­zen, die beschrie­be­ne Leis­tung zu erbrin­gen und auf eine hohe Qua­li­tät des Pro­dukts zu ach­ten. Der Ver­trag ist sowohl für klei­ne­re Unter­neh­men ein Erfolg als auch für grö­ße­re. Er ermög­licht, wie­der neue Impul­se in der Werk­statt zu set­zen – durch Inves­ti­tio­nen in neue Tech­ni­ken, Fort­bil­dun­gen etc. Das war bis­her auf­grund der kar­gen finan­zi­el­len Lage im Hand­werk gera­de für klei­ne­re Betrie­be ein Hindernis.

Kom­ple­xe Verhandlungen

OT: Wie lan­ge haben die Ver­hand­lun­gen gedau­ert, wie kon­struk­tiv waren die Verhandlungsrunden?

May­er: Das war schon eine unend­li­che Geschich­te, zumin­dest haben wir das gemein­sam im Lauf der Ver­hand­lun­gen so wahr­ge­nom­men. Vor vier Jah­ren war bekannt, dass es eine neue Struk­tur der PG 24 im HMV geben wird. Des­halb woll­te nie­mand einen neu­en Ver­trag auf Basis des alten HMV abschlie­ßen – weder die Bar­mer und die TK noch der BIV-OT. Die Ver­hand­lun­gen waren zunächst für zwölf Mona­te ange­setzt, für die­se Zeit ver­ein­bar­ten wir eine Über­gangs­lö­sung auf Basis des Alt­ver­trags mit einer pro­zen­tua­len Stei­ge­rung und füg­ten noch die Ent­gel­te für eini­ge Ein­zel­tä­tig­kei­ten der Ver­sor­gung hin­zu. Aber auf­grund der sehr hohen kom­ple­xen Anfor­de­rung inner­halb der PG 24 reich­te die Zeit nicht aus, wir haben um wei­te­re zwölf Mona­te ver­län­gert. Es waren sehr schwe­re und har­te Ver­hand­lun­gen, aber sie waren nicht unfair! Wer den neu­en Ver­trag genau liest, der erkennt die Mam­mut­auf­ga­be. Die Beschrei­bun­gen der Leis­tun­gen ist eine umfang­rei­che Arbeit, genau­so wie ande­rer­seits das Preis­ni­veau. Für die bei­den Kos­ten­trä­ger eine Her­aus­for­de­rung. Gera­de die Eini­gung um die Höhe der Prei­se wur­de von allen Sei­ten hart erkämpft. Doch TK und Bar­mer haben von Beginn an erkannt, dass auch wirt­schaft­lich etwas gesche­hen muss, wenn man sei­nen Ver­si­cher­ten eine Ver­sor­gung nach Stand der Tech­nik anbie­ten will. Natür­lich müs­sen Kas­sen auf Bei­trags­sta­bi­li­tät und Kos­ten ach­ten. Der Wil­le zum Ver­han­deln, zur lösungs­ori­en­tier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on war daher immer gege­ben. Im Ergeb­nis haben wir den Spa­gat zwi­schen Bei­trags­sta­bi­li­tät und Ver­sor­gungs­qua­li­tät sehr gut gemeistert.

OT: Die meis­ten haben sol­che Ver­hand­lun­gen noch nicht erlebt. Wie muss man sich das Pro­ze­de­re vorstellen?

May­er: Das ist schwer zu beschrei­ben. Man sitzt in einer Kon­fe­renz mit zehn bis 20 Teil­neh­mern. Es gibt zwei Sei­ten bzw. Par­tei­en, die unter­schied­li­che Sicht­wei­sen haben – vor allem beim Geld. Da Kos­ten aber nur im Ver­hält­nis zu den Leis­tun­gen zu sehen sind, wird auch um die Leis­tun­gen gerun­gen. Was ist nötig und was nicht? Daher sind neben den Exper­ten in Sachen Pro­zes­se, betriebs­wirt­schaft­li­che Kal­ku­la­tio­nen etc. natür­lich auch Exper­ten aus dem Fach am Tisch. Es fol­gen vie­le Dis­kus­sio­nen in fach­li­cher Sicht und dann im Hin­blick auf die Ver­gü­tung. Weil ein Ein­zel­ner das Gan­ze kaum über­bli­cken kann und auch die ent­spre­chen­den Markt­da­ten nicht zur Ver­fü­gung hat, gibt es ja uns als Ver­bän­de. Wir grei­fen hier auf bun­des­wei­te und vali­de Daten zurück, kön­nen auf aner­kann­te Exper­ti­se in jeder Pro­dukt­grup­pe zurück­grei­fen, denn für Kran­ken­kas­sen muss jede For­de­rung natür­lich trans­pa­rent und vali­de hin­ter­legt sein. Bei der Ver­hand­lung über die Ver­sor­gung von gut 20 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten bedeu­tet wohn­ort­na­he Ver­sor­gung, dass man bun­des­wei­te Daten benö­tigt – hier reicht eine Kal­ku­la­ti­on von Ein­zel­häu­sern nicht aus.

OT: Wie hat sich die Pan­de­mie auf die Ver­hand­lun­gen ausgewirkt?

May­er: Beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen und Schwie­rig­kei­ten ent­stan­den durch die Video­kon­fe­ren­zen, direk­tes Ver­han­deln war ja auf wei­ten Stre­cken nicht mög­lich. Dadurch kom­men Miss­ver­ständ­nis­se auf. Zeit­wei­se bestand sogar die Gefahr des Schei­terns der Ver­hand­lun­gen. Des­halb haben wir auf der Sei­te der Leis­tungs­er­brin­ger inner­halb der Ver­hand­lungs­run­de eine Arbeits­grup­pe gebil­det, um zunächst die ver­trag­li­che Struk­tur und die Leis­tungs­be­schrei­bun­gen zu erar­bei­ten. Das Wirt­schaft­li­che blieb erst ein­mal außen vor. Das war eine gute Ent­schei­dung, auch wenn infol­ge­des­sen wei­te­re Mona­te ins Land gin­gen. Doch die spe­zi­el­le Situa­ti­on der Pan­de­mie trägt einen gro­ßen Anteil am Zeit­ver­lust. Alles in allem waren es sehr kon­struk­ti­ve Ver­hand­lun­gen und mein auf­rich­ti­ger Dank geht an das gan­ze Team von Bar­mer und TK sowie an mei­ne Mit­strei­ter aus dem BIV-OT, vor allem an die enorm flei­ßi­gen Ehrenamtsträger.

OT: Was soll­ten die Betrie­be jetzt tun, wenn sie den Ver­trag ab 1. Okto­ber 2021 umset­zen wollen?

May­er: Zuerst dem Ver­trag bei­tre­ten. Der BIV-OT bie­tet unter „Mein Sani­täts­haus“ das ent­spre­chen­de Tool. Vor­aus­set­zung ist die Prä­qua­li­fi­zie­rung (PQ). Unbe­dingt erfor­der­lich ist, den gesam­ten Ver­trag zu lesen – nicht nur den Preis­teil. Hilf­reich ist sicher eine Ver­trags­schu­lung. Und das wäre schon alles, um teilzunehmen.

OT: Inwie­weit kann die­ser Ver­trag als Vor­bild für ande­re Ver­trags­wer­ke dienen?

May­er: Es han­delt sich bereits um den sieb­ten Ver­trag in der PG 24 nach dem neu struk­tu­rier­ten HMV, den der BIV-OT geschlos­sen hat. Aber natür­lich ist die­ser Ver­trag mit der Bar­mer und TK ein Vor­bild für ande­re Kos­ten­trä­ger. Schon allein die Reich­wei­te von mehr als 20 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten bun­des­weit ver­stärkt die Aus­strah­lung. Die­se bei­den Kran­ken­kas­sen sind die größ­ten Kostenträger.

OT: Wel­ches Echo kam bis­lang aus der Bran­che und von Krankenkassen?

May­er: Von der Bran­che haben wir beim BIV-OT noch kein sehr gro­ßes Echo gehört. Die Ober­meis­ter und Dele­gier­ten haben den Ver­trag sehr begrüßt und dem BIV-OT gedankt. Sie haben dem BIV-OT ja den Ver­hand­lungs­auf­trag gege­ben. Das Echo sei­tens der Kos­ten­trä­ger war bis­her posi­tiv. Auch wenn der Ver­trag mit Kos­ten­stei­ge­run­gen ver­bun­den ist, so gehen sie einen deut­li­chen Schritt in Rich­tung Ver­sor­gungs­qua­li­tät für ihre Ver­si­cher­ten. Doch es gibt natür­lich auch Stim­men, die sagen, das alles sei zu teu­er. Aller­dings hal­ten sich die Stei­ge­run­gen im Rah­men und wur­den sehr trans­pa­rent auf den Tisch gelegt. Daher darf man das nicht über­be­wer­ten. Qua­li­tät und Ver­sor­gungs­zeit wur­den bei den Kos­ten­trä­gern bis­her als sehr posi­tiv gewer­tet. Das eigent­li­che Lob muss von den Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen kom­men – dann haben wir gemein­sam alles rich­tig gemacht.

Fach­kräf­te ordent­lich vergüten

OT: Der Ver­band der Ersatz­kas­sen e. V. (VDEK) for­dert in sei­nen aktu­el­len gesund­heits­po­li­ti­schen Posi­tio­nen zur Bun­des­tags­wahl 2021 die Rück­kehr von Hilfs­mit­tel-Aus­schrei­bun­gen, moniert lan­ge Ver­hand­lun­gen und spricht von „unrea­lis­ti­schen Preis­for­de­run­gen“, die „mit­un­ter 100 bis 200 Pro­zent“ über den vor­he­ri­gen Prei­sen lägen. Wie ord­nen Sie die­se For­de­run­gen ein?

May­er: Es ist ja bekannt, dass Ver­si­cher­te sich mas­siv über Hilfs­mit­tel inner­halb der Aus­schrei­bung beschwert haben. Nicht akzep­ta­ble Lie­fer­zei­ten, kein Ser­vice, Repa­ra­tu­ren mit War­te­zei­ten bis zu vier Mona­ten, kei­ne wohn­ort­na­he Ver­sor­gung – und vor allem schlech­te Qua­li­tät. Die meis­ten Ver­si­cher­ten muss­ten extra noch eine wirt­schaft­li­che Eigen­leis­tung zur Finan­zie­rung leis­ten. Alles bekannt, alles gemel­det von Bür­ger­initia­ti­ven und Pati­en­ten­ver­bän­den. Eigent­lich muss man nur die Begrün­dung des Gesetz­ge­bers lesen, die zum Ver­bot der Aus­schrei­bun­gen geführt hat: „Zu dem erhoff­ten Qua­li­täts­wett­be­werb im Rah­men von Aus­schrei­bun­gen ist es nicht gekom­men. Ange­sichts der nach wie vor bestehen­den Risi­ken durch Aus­schrei­bun­gen für die Ver­sor­gungs­qua­li­tät wird die Aus­schrei­bungs­op­ti­on in § 127 Absatz 1 auf­ge­ho­ben.“ Wer heu­te das Gegen­teil behaup­tet, befin­det sich auf der völ­lig fal­schen Stra­ße. Aus­schrei­bun­gen stel­len die Ver­si­cher­ten an den Rand der Gesell­schaft, vor allem die Men­schen mit Behin­de­run­gen. Ich per­sön­lich emp­fin­de so eine Aus­sa­ge als beschämend.

OT: Was sagen Sie zu den „unrea­lis­ti­schen Preis­for­de­run­gen“ bzw. Preis­stei­ge­run­gen?

May­er: Preis­stei­ge­run­gen von 200 Pro­zent? In die­se Dis­kus­si­on wür­de ich ger­ne in aller Öffent­lich­keit gehen! Ein Bei­spiel: Vor 14 Jah­ren hat ein Bade­wan­nen­lif­ter 495 Euro gekos­tet. Inner­halb der Aus­schrei­bung lag der Preis bei 110–165 Euro. In den neu­es­ten Ver­trä­gen von 2021 liegt der Lif­ter zwi­schen 165–225 Euro. Die Lauf­zei­ten der Fall­pau­scha­len lagen vor 14 Jah­ren in der über­wie­gen­den Mehr­heit bei 1–2 Jah­ren, neu­er­dings erstre­cken sich die Lauf­zei­ten bis zu vier Jah­re, was de fac­to auch einer Preis­sen­kung gleich­zu­stel­len ist.

Also weit unter den Prei­sen, die vor der Aus­schrei­bung gal­ten – und kei­ne 200-pro­zen­ti­ge Stei­ge­rung! Hier wer­den nur Schlag­zei­len erzeugt, ohne Hin­ter­grün­de und Wahr­hei­ten zu benen­nen. Zu den Ver­hand­lun­gen: Die dau­ern nur dann zu lan­ge, wenn die Eini­gungs­be­reit­schaft fehlt. Wir haben kom­ple­xe OT-Ver­trä­ge mit allen Pro­dukt­grup­pen in einem Ver­trag inner­halb von drei Mona­ten ver­han­delt. Das geht. An die­ser Aus­sa­ge des VDEK ist klar und deut­lich zu erken­nen, wie man über die Leis­tungs­er­brin­ger denkt. Wir ver­sor­gen Men­schen mit Erkran­kun­gen und Behin­de­run­gen haut­nah, lin­dern Schmer­zen, kor­ri­gie­ren Fehl­stel­lun­gen. Wir schaf­fen Mobi­li­tät, Zuver­sicht und brin­gen Men­schen zurück ins Leben. All die­se kom­ple­xen Auf­ga­ben wer­den von Fach­kräf­ten erle­digt. Die haben ein Anrecht auf eine ordent­li­che Ver­gü­tung. Mit Dum­ping­prei­sen stel­len wir die Fach­kräf­te und die Qua­li­tät infrage.

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

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