Als eines der bundesweiten Zentren für Querschnittgelähmte versorgt die Einrichtung derzeit sowohl Geflüchtete mit kriegsbedingter als auch solche mit chronischer Querschnittlähmung. Erstere gelangen meist durch die Bundeswehr hierher, Letztere u. a. über die gemeinsame Initiative der European Spinal Cord Injury Federation (ESCIF), der Schweizer Paraplegiker Stiftung (SPS) und der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e. V. (FGQ). Für Menschen mit Behinderungen – insbesondere mit Querschnittlähmung – sowie deren Angehörige organisieren sie Evakuierungsfahrten und betreiben nahe der polnisch-ukrainischen Grenze in Cyców ein Schutzhaus. In der behindertengerechten Unterkunft haben die Geflüchteten die Möglichkeit, sich einige Tage auszuruhen und erhalten eine medizinische Grundversorgung, ehe sie später auf andere Unterkünfte verteilt werden. Ist weiterer Behandlungsbedarf notwendig, werden die Zentren für Querschnittgelähmte aktiv, berichtet Abel, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender der FGQ. „Die medizinische Versorgung ist kein Problem. Das ist für uns Routine.“ Eine Herausforderung sei jedoch die Klärung der Kostenübernahme. Erst wenn die Patient:innen als Flüchtlinge anerkannt sind, werde das Sozialamt aktiv und genehmige den Erstattungsantrag. Die Bearbeitungszeit sei lang, der Aufwand hoch, so Abel. „Wir müssen erst einmal ohne feste Kostenzusage behandeln.“ Das handhabe seiner Erfahrung nach nicht jede Einrichtung so. In Bayreuth aber habe man Vertrauen – und das zahlt sich bisher aus. „Wir haben alle Kosten erstattet bekommen. Aber es bleibt immer ein Restrisiko.“ Noch problematischer gestalte sich das Verfahren bei militärangehörigen Patient:innen. Kein Flüchtlingsstatus, keine Zuständigkeit des Sozialamts, keine Erstattung. Noch sind das offene Fragen.
Was dem Klinikdirektor ebenfalls deutlich zu schaffen macht: akuter coronabedingter Personalmangel und multiresistente Keime, die nahezu alle Patient:innen aus der Ukraine mitbrächten. Um sich miteinander verständigen zu können, greifen Personal und Patient:innen auf Apps zurück, die das Gesprochene direkt übersetzen. Professionelle Dolmetscher:innen stehen im Alltag nicht zur Verfügung, sie werden nur hinzugezogen, wenn es darum geht kritische Operationen zu erklären oder Einwilligungen dafür einzuholen.
Schutzhaus als erste Anlaufstelle
Blasenfunktionsstörungen, Entzündungen oder Druckgeschwüre: „Durch die Flucht haben sich einige Beschwerden verschärft“, berichtet Abels Vereinskollege Kevin Schultes, Vorsitzender des Vorstandes der FGQ, von der körperlichen Verfassung der Flüchtlinge, die im Schutzhaus ankommen. Rund 15 Personen wurden bislang zur weiteren Behandlung bundesweit auf die Querschnittzentren verteilt. Insgesamt sind durch das Hilfsprojekt bisher rund einhundert Menschen mit Behinderungen sowie deren Angehörige nach Deutschland und in weitere europäische Länder transportiert worden. Zwei Fahrzeuge, zur Verfügung gestellt vom Fahrzeugumrüster Automobile Sodermanns, pendeln dafür rund ein Mal pro Woche zwischen Cyców und Frankfurt. Die Malteser stellen Fahrer:innen zur Verfügung, die die Personen in die europäischen Länder bringen. Ende September läuft das Projekt aus, auch weil die Nachfrage abnimmt, u. a. weil ein Großteil der Fluchtwilligen und Fluchtfähigen das Land bereits verlassen hat oder in den Westen der Ukraine gezogen ist. Geplant ist eine Nachfolgeregelung, ein Projekt, das bereits vor Jahren anlief. „Schon vor dem Krieg gab es erhebliche Defizite in der Versorgung“, so Schultes. „Es gibt in der Ukraine bislang keine auf Querschnittlähmung spezialisierten Zentren. Medizinische Versorgung findet zwar statt, aber es gibt keine Rehabilitationsstrukturen.“ Der Krieg habe die Situation nochmals verschärft und gezeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Ursprünglich ins Leben gerufen von der World Health Organization (WHO) und weitergeführt von der International Spinal Cord Society (ISCOS) soll in der Nähe der Stadt Luzk ein bestehendes Rehazentrum erweitert werden und Menschen mit Querschnittlähmung als Anlaufstelle dienen. Ein Transport nach Deutschland oder in andere europäische Länder würde damit entfallen. Das Projekt steht allerdings noch auf wackeligen Beinen. Ob der Betrieb noch in diesem Jahr aufgenommen werden kann, sieht Schultes kritisch.
Pia Engelbrecht
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