Pfle­ge­hilfs­mit­tel: Irgend­wie, irgendwann

Kaum waren die Versprechen verklungen, war die erste Leistungskürzung schon da: Der monatliche Ausgleich für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel wie Desinfektion und Einmalhandschuhe ist 2022 wieder auf 40 Euro gesunken. Damit wird am Schutz von Pflegebedürftigen unter anderem vor Coronainfektionen gespart.

Es geht ja „nur“ um 20 Euro. Von 60 auf 40 Euro wur­de ab 1. Janu­ar 2022 der Höchst­be­trag redu­ziert, der den im häus­li­chen Umfeld ver­sorg­ten Pfle­ge­be­dürf­ti­gen pro Monat zusteht, um für sich und pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge unter ande­rem Ein­weg­schür­zen, Mund­schutz, Flä­chen- und Hand­des­in­fek­ti­ons­mit­tel sowie Ein­mal­hand­schu­he zu beschaf­fen. Abge­rech­net wird über die Pfle­ge­kas­se, bei Anbie­tern sol­cher Hygie­ne­pro­duk­te nennt sich das Paket bei­spiels­wei­se „Pfle­ge­box“. Im Zuge der Covid-19-Pan­de­mie hat­te sich der 20-Euro-Auf­schlag auf­grund des erhöh­ten Bedarfs und der stark gestie­ge­nen Prei­se schon seit 2020 bewährt. Er war aller­dings immer wie­der befris­tet wor­den – obwohl Sozi­al- und Leis­tungs­er­brin­ger­ver­bän­de wie der Sozi­al­ver­band Deutsch­land (SoVD) oder das Bünd­nis „Wir ver­sor­gen Deutsch­land“ (WvD), dem unter ande­rem der Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT) ange­hört, schon län­ger eine dau­er­haf­te Anhe­bung die­ser Höchst­gren­ze gefor­dert hat­ten, wie die OT berich­te­te. Zuletzt reich­te die Befris­tung bis 31. Dezem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res. Im Fahr­was­ser des „Geset­zes zur Ände­rung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes und wei­te­rer Geset­ze anläss­lich der Auf­he­bung der Fest­stel­lung der epi­de­mi­schen Lage von natio­na­ler Trag­wei­te“, das am 24. Novem­ber 2021 in Kraft trat, hat die Bun­des­re­gie­rung die­se Erhö­hung zurück­ge­zo­gen. In der Rea­li­tät bedeu­tet dies ein Zurück­dre­hen auf das vor­pan­de­mi­sche Niveau. Und das ist der aktu­el­len Situa­ti­on mit Omi­kron-Vari­an­te und Gefähr­dung gera­de der vul­ner­ablen Grup­pen, die man doch eigent­lich schüt­zen will, nicht angemessen.

Fort­dau­ernd erhöh­ter Bedarf

Der Sozi­al­ver­band VdK Deutsch­land e. V. mahn­te bereits im Novem­ber letz­ten Jah­res „drin­gend die Ver­län­ge­rung der erhöh­ten Pfle­ge­hilfs­mit­tel­pau­scha­le“ an. „Der VdK weist ein­dring­lich dar­auf hin, dass in der häus­li­chen Pfle­ge wei­ter­hin ein erhöh­ter Bedarf an zum Ver­brauch bestimm­ten Pfle­ge­hilfs­mit­teln besteht, damit der Schutz der pfle­ge­be­dürf­ti­gen Per­so­nen der Hoch­ri­si­ko­grup­pe gewähr­leis­tet wer­den kann. Nach­weis­lich sind die Kos­ten von zum Ver­brauch bestimm­ten Hilfs­mit­teln … nicht auf das Niveau der Vor-Pan­de­mie gesun­ken“, so der Ver­band in einer Stel­lung­nah­me. Er for­der­te eine wei­te­re Frist­ver­län­ge­rung bis Ende Juni die­ses Jah­res und ver­wies zugleich dar­auf, dass der Betrag von 40 Euro „seit Inkraft­tre­ten des ers­ten Pfle­ge­stär­kungs­ge­set­zes im Jahr 2015 nicht erhöht wur­de“. Kri­tik kam eben­falls von Johan­nes Haas, Geschäfts­füh­rer beim Ver­bund Pfle­ge­hil­fe: „Für einen Poli­ti­ker mögen 20 Euro nicht die Welt sein, für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge ist es das Züng­lein an der Waa­ge zu aus­rei­chen­der Versorgung.“

Erneu­te Anhe­bung in Sicht?

„Der GKV-Spit­zen­ver­band hat­te auf­grund der stei­gen­den Coro­na-Inzi­denz­zah­len vor­ge­schla­gen, die Anhe­bung des in Rede ste­hen­den Höchst­be­trags auf 60 Euro auch über den 31. Dezem­ber 2021 hin­aus auf­recht­zu­er­hal­ten“, ant­wor­te­te Jens Ofie­ra, Pres­se­re­fe­rent, Stabs­be­reich Kom­mu­ni­ka­ti­on Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen, Anfang Janu­ar auf eine Anfra­ge der OT. „Da der Gesetz­ge­ber die pan­de­mie­be­ding­te Son­der­re­ge­lung … nicht ver­län­gert hat, ende­te die­se zum 31. Dezem­ber 2021. Uns lie­gen zum jet­zi­gen Zeit­punkt kei­ne Infor­ma­tio­nen vor, dass der nun­mehr gel­ten­de Höchst­be­trag wie­der ange­ho­ben wer­den soll.“ Aus dem Büro von Hei­ke Baeh­rens, gesund­heits­po­li­ti­sche Spre­che­rin der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on, war zu ver­neh­men, das The­ma ste­he auf der Agen­da. Auf der Tages­ord­nung der Sit­zung des Aus­schus­ses für Gesund­heit im Deut­schen Bun­des­tag am 12. Janu­ar stand es jeden­falls nicht, und am 19. Janu­ar eben­so wenig. Einer Anfra­ge der OT konn­te die SPD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te nicht nach­kom­men – der Ter­min­ka­len­der habe das nicht zugelassen.

Nach wie vor prägt die Coro­na-Pan­de­mie den poli­ti­schen All­tag in Ber­lin wesent­lich, doch eine wich­ti­ge Rege­lung ist unter den Tisch gefal­len. Auch wenn die gro­ßen Debat­ten um Impf­licht & Co. alles zu über­la­gern schei­nen: Oft schei­tert man an den klei­nen Din­gen. Und ja, da geht es auch um 20 Euro. Infek­ti­ons­schutz ver­zeiht kei­ne Kos­ten-Kom­pro­mis­se und selbst klei­ne finan­zi­el­le Ent­las­tun­gen spie­len für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge sowie deren Ange­hö­ri­ge eine Rol­le. Da soll­te schnel­ler gehan­delt wer­den als irgend­wie und irgend­wann. Schließ­lich hat Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lau­ter­bach erst letz­ten Dezem­ber ver­spro­chen: „Mit uns wird es kei­ne Leis­tungs­kür­zun­gen im Gesund­heits­we­sen geben.“ Für pan­de­mie­be­ding­te Hygie­ne­kos­ten gilt das nicht?

Ein Kom­men­tar zur aktu­el­len gesundheitspolitischen 
Lage im Bund von Cath­rin Günzel

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