OT: Herr Buhl-Wagner, bei den Vorbereitungen für die OTWorld im Jahr 2022 standen Sie vor vielen Fragezeichen und Herausforderungen. Trotz der Coronapandemie konnten Messe und Kongress aber wie geplant stattfinden. Hat sich die Messebranche mittlerweile komplett erholt? Oder spüren Sie noch die Folgen der Pandemie?
Martin Buhl-Wagner: Die Messewirtschaft hat sich mit und nach der Pandemie natürlich verändert – das haben selbstverständlich auch wir bei der Leipziger Messe gemerkt. In diesem Jahr können wir aber endlich auch für unseren Standort sagen: Die Pandemie ist überwunden und wir freuen uns, dass Aussteller und Besucher zurück sind, sich wieder hier treffen und austauschen. Die persönliche Begegnung hat eine neue Bedeutung gewonnen, die durch digitale Elemente nicht vollständig ersetzt werden kann. Trotz der vielen aktuellen Krisen zeigt sich auch: Messen sind und bleiben wichtige Marktplätze und Leitveranstaltungen für ihre Branchen. Veränderungen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen Einfluss auf unsere Geschäftsfelder nehmen, haben uns schon immer begleitet. Sie haben uns aber auch immer weiter vorangebracht, sie haben uns zum Neu- und Umdenken bewegt. Was wir während und nach der Pandemie beispielsweise festgestellt haben: Die Entscheidungen der Unternehmen, als Aussteller oder Besucher teilzunehmen, fallen dynamischer denn je aus. Die Kurzfristigkeit nimmt zu und das bringt Herausforderungen mit sich.
OT: Herr Reuter, Sie besuchen seit vielen Jahren den Kongress der OTWorld und haben hautnah miterlebt, welche Entwicklung dieser genommen hat. Können Sie uns erzählen, auf welche Neuerungen sich die Besucher 2024 freuen können?
Alf Reuter: Ich möchte es einmal so sagen: Wenn der Weltkongress ein Mensch wäre, sein Herz wäre das Handwerk. Und bekanntermaßen soll man ja auf sein Herz hören – und das haben wir 2024 gemacht. Es wurde in diesem Jahr darauf geachtet, dass beispielsweise das praxisorientierte Format der Workshops im Weltkongress deutlich ausgebaut wird. Praktiker zeigen für Praktiker an Patientenbeispielen vor Ort, wie Versorgung geht. Ob Geselle oder Meister – jeder, der in den vier Tagen in Leipzig Werkbank gegen Kongresssaal tauscht, wird anschließend im Versorgungsalltag davon direkt profitieren können. Neu im Kongressprogramm ist ebenfalls der Fortbildungsstrang für Sanitätshausfachangestellte. Diese Workshops vermitteln praxisnah Grundlagen für die Hilfsmittelversorgung, etwa bei Lymphödem oder Schlaganfall. Das komplette Workshop-Angebot der OTWorld wird zum ersten Mal unter dem Dach des Weltkongresses zusätzlich zu Keynotes, Symposien und freien Einreichungen gebündelt. Um die Orientierung im Kongressprogramm zu vereinfachen, gibt es kurze Take-Home-Messages zu den wichtigsten Inhalten. Dadurch wird der erwartete Nutzen jeder Veranstaltung für den individuellen Besucher deutlich, was die Auswahl des persönlichen Programms erleichtert.
OT: Unter den Keynotes sind diesmal auch Out-of-the-box-Themen dabei. Wie wichtig ist in der Branche der Blick über den Tellerrand?
Reuter: Natürlich ist es wichtig, sich in erster Linie in das eigene Fach zu vertiefen, aber dabei sollten wir keinen Tunnelblick entwickeln. Als vor 20 Jahren Experten zur OTWorld 3D-Scans und danach 3D-Druck vorstellten, war das für uns „Out-of-the-box“ gedacht. Heute steht in jedem Betrieb mindestens ein 3D-Scanner und vielerorts auch ein 3D-Drucker. Eine Entwicklung, die außerhalb unseres Fachs passiert, kann also ganz schnell ein Teil der Orthopädie-Technik werden. Schon vor diesem Hintergrund freue ich mich jedes Mal wieder auf die brillanten Keynote-Speaker. Im Mai hören wir Keynotes zu Künstlicher Intelligenz und assistiver Robotik sowie Green Carbon – algenbasierten Carbonfasern. Beides dürften zukunftsträchtige Technologien für unser Fach sein. Glück in der Arbeit ist angesichts unseres großen (Fach-)kräftemangels ebenfalls ein wichtiges Thema für uns. Ich habe mein Glück in der Orthopädie-Technik gefunden. Gilt das aber auch für meine Mitarbeiter oder Kollegen? Was macht eigentlich glücklich bei der Arbeit? Dieser spannenden Frage geht die dritte diesmalige Keynote nach.
OT: Wie sieht es auf Messeseite aus, Herr Buhl-Wagner? Auf welche Neuerungen im Konzept können sich die Besucher:innen freuen?
Buhl-Wagner: In diesem Jahr stehen zwei Bereiche besonders im Fokus: Orthopädie-Schuhtechnik und 3D-Druck. In den Ausstellungsbereichen „OTWorld.3d“ und „OTWorld.shoe-technology“ werden die jeweils neuesten Entwicklungen und Innovationen präsentiert. Und auch das Networking kommt nicht zu kurz: Der Treffpunkt Orthopädieschuhtechnik informiert über das Thema sensomotorische Einlagen, und im 3D-Café können sich die Besucherinnen und Besucher mit den Ausstellern aus diesem Bereich austauschen. Darüber hinaus wird es eine Sonderschau zur Versorgung neurologischer Erkrankungen geben. Unter der Schirmherrschaft des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik richten die Rehavital Gesundheitsservice GmbH gemeinsam mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe erstmals diese Sonderschau aus. Messebesucher erfahren hier mehr über die Angebote der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe aus den Bereichen Selbsthilfe und Sport. Schlaganfall-Lotsen werden aus ihrer Praxis berichten. Wie immer gehen wir auch auf die besonderen Herausforderungen unserer Zielgruppe ein. So informieren die Mitglieder des Pilotprojektes E‑Verordnung für orthopädische Hilfsmittel in Deutschland mit dem Tag des E‑Rezeptes am 16. Mai zu diesem Thema. Ganz wichtig und ein besonderer Mehrwert für die Besucherinnen und Besucher ist die Neuerung, dass die Messebesucher mit ihrem OTWorld Messe-Ticket nicht nur wie in den vergangenen Jahren die Aussteller-Workshops, sondern auch die Fachworkshops des Kongresses besuchen können. So viel Kompetenz aus einer Hand gibt es sonst nirgendwo!
Wissensvorsprung sichern
OT: Herr Reuter, wie wichtig ist der Besuch der OTWorld für Inhaber, Meister, Gesellen und Fachangestellte?
Reuter: Da muss ich einmal eine Gegenfrage stellen: Was passiert, wenn meine Leute und ich nicht kommen? Richtig, wir werden abgehängt! Es ist für alle elementar, die OTWorld zu besuchen. Jeder nimmt hier – ob in Keynotes, Symposien, freien Einreichungen und Workshops im Weltkongress oder den Ausstellerangeboten in der internationalen Fachmesse – einen Wissensvorsprung mit, der zu einer besseren Versorgung der Patienten oder Kunden im eigenen Betrieb führt. Insbesondere wenn wir an den uns alle beschäftigenden Fachkräftemangel denken, ist der Besuch der OTWorld über alle Berufszweige und Mitarbeiterebenen wichtig. Nirgendwo kann ich meine Mitarbeitenden besser fortbilden lassen als in Leipzig. Für mich steht fest: Für BIV-OT-Mitgliedsbetriebe ist die Teilnahme an der OTWorld ein Muss.
OT: Herr Buhl-Wagner, Frankreich ist in diesem Jahr Partnerland. Mit welchem Programm und welchen Gästen ist Frankreich denn präsent?
Buhl-Wagner: Das Partnerland Frankreich wird sich mit einem großen Gemeinschaftsstand und Kongressbeiträgen auf der OTWorld präsentieren. Mit dabei sein werden die führenden Hilfsmittelspezialisten aus Frankreich. Hierzu zählen bedeutende Key-Player wie Thuasne, die Eqwal-Gruppe oder Proteor sowie Start-ups und mittelständische Unternehmen, aber auch Fachverbände wie der „Syndicat National de l’Orthopédie Française“ (SNOF) nehmen teil. Insgesamt präsentieren sich 22 Aussteller auf dem Branchentreff, darunter auch elf Aussteller vom französischen Länderpavillon. Im Weltkongress geben französische Experten Einblicke in neue Versorgungskonzepte. Spezielle Ausstellerworkshops und Vorträge bieten Raum für Austausch und neue Perspektiven auf den Versorgungsalltag im Betrieb. Die Paralympischen und Olympischen Spiele, die im Sommer 2024 in Paris stattfinden werden, werfen auf der OTWorld 2024 ihre Schatten voraus. Französische Sportler, die sich für die Paralympics qualifizieren wollen, werden anwesend sein. Ein besonderer Höhepunkt wird die Verabschiedung der Orthopädietechniker sein, die die Spitzensportler bei den Paralympics in den Pariser Werkstätten versorgen werden. Wer bei dem Pensum eine Verschnaufpause braucht, kann im „Café de Paris“ Kaffeespezialitäten genießen und Kraft für den Messetag tanken. Auf der „Fête de l’OTWorld“, der traditionellen OTWorld-Party, lassen wir den ersten Messetag unter anderem auch mit französischen Gerichten, Wein und Musik ausklingen.
„Faktensnacks“ mit heißen Themen aus der Branche
OT: Herr Reuter, was erwartet die Besucher am BIV-OT-Stand?
Reuter: Wir geben unseren Besuchern am BIV-OT-Stand einen Raum zum Austausch und das alles in einer gemütlichen Café-Atmosphäre. Damit auch jeder genügend Gesprächsstoff bei einer guten Tasse Kaffee hat, bieten wir unser neues Format „Faktensnacks“ an. In jeweils 15 Minuten berichten Ehren- und Hauptamt des BIV-OT, aber auch das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ gemeinsam mit Experten über die heißen Themen der Branche wie Hilfsmittelreform, Online-Versorgung, Digitalisierung, Telematik, Pilotprojekt E‑Verordnung für orthopädische Hilfsmittel oder die kommende Kalkulationsdatenbank der BIV-OT-Plattform „Mein Sanitätshaus“. Im Anschluss können die Informationen in Einzelgesprächen vertieft werden.
OT: Mit „Grill den Präsidenten“ gibt es bei der OTWorld 2024 ein neues Format – mit Ihnen in der Hauptrolle. Was möchten Sie mit dem Format erreichen?
Reuter: Mit dem Titel „Präsident“ verbinden Menschen schnell eine abgehobene Position. Das passt aber gar nicht zu mir. Ich will genauso wie meine Vorstandskollegen immer im Gespräch mit den Kollegen bleiben – und zwar auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt –, auch wenn wir mal anderer Meinung sein sollten. In diesem „Grill-den-Präsidenten-Format“ entsteht eine besonders lockere Atmosphäre. Hier können sich die Kollegen einbringen und einmischen, ohne Hürden wie als Delegierter zu Versammlungen gewählt zu werden. Und wir wollen ja, dass sich die Kollegen – vor allem die jüngeren unter ihnen – stärker engagieren. Ohne ihr aktives Einmischen wird es schwierig, die Zukunft unseres Fachs zu gestalten.
OT: Als internationale Messe bleibt die OTWorld von aktuellen Kriegen nicht unberührt. Inwiefern greifen Messe und Kongress das Thema auf?
Buhl-Wagner: Die Hilfsmittelversorgung in Krisengebieten ist auf der weltweit führenden Veranstaltung schon immer ein wichtiges Thema. Daher haben Besucher aus den betroffenen Krisengebieten einen besonderen Bedarf an Informationen. Sie kümmern sich unter schwierigsten Bedingungen um die Versorgung vor Ort. Oft fehlen ausreichend ausgebildete Fachkräfte, Fachwissen und die passenden Hilfsmittel. Hier leistet die OTWorld durch Wissenstransfer und Vernetzung einen wichtigen Beitrag, um die betroffenen Gruppen bestmöglich zu unterstützen. So bieten sich die Hersteller, darunter alle weltweit führenden Anbieter von Hilfsmitteln, auf der Messe als Ansprechpartner für die Krisenregionen an. Sie sind mit ihrem Angebot darauf eingestellt. Internationale Verbände wie die ISPO International, die Netzwerke vor Ort stärken und Wissenstransfer ermöglichen, sind ebenfalls dabei.
Im Kongress greifen wir das Thema im Rahmen des Symposiums „Hilfsmittelversorgung im Krisengebiet – was sind die Herausforderungen?“ auf. Die Hilfsmittelversorgung in Krisen- und Kriegsgebieten wie aktuell in der Ukraine stellt eine enorme Herausforderung dar, sowohl in Bezug auf die Ressourcenversorgung als auch auf die Ausbildung und Wissensvermittlung. Hier geben ukrainische Referenten Einblicke.
Verlag OT feiert Geburtstag
OT: Der Verlag OT, das Leitmedium der Branche, wird in diesem Jahr 75 Jahre alt und bringt aus diesem Anlass zur OTWorld eine Neuheit mit. Welchen Stellenwert hat das Fachmagazin seit seiner Gründung 1949 für die Branche?
Reuter: „Die Stimme unseres Fachs“ haben wir der Weitsicht meiner Vorgänger zu verdanken. Die ORTHOPÄDIE TECHNIK begleitet uns seit 75 Jahren mit ihren Fachbeiträgen zu Versorgungen sowie der Berichterstattung zu berufspolitischen, berufsbildenden und branchenrelevanten Themen. Kompakt und kompetent fasst die Redaktion Monat für 1 Monat das Wissen unserer Branche zusammen und erleichtert uns allen die Arbeit, immer auf dem neuesten Stand zu sein. Über das eigene Fachportal 360-ot.de bietet das Redaktionsteam einen aktuellen Rundumblick unserer Branche – in gewohnter Qualität. Pünktlich zum Jubiläum stellt der Verlag Orthopädie-Technik erstmals zur OTWorld sein E‑Paper vor. Die Lektüre, ob im Printformat oder digital, ist Pflicht für alle, die in unserem Fach arbeiten.
OT: Als Geschäftsführer der Leipziger Messe stehen Sie zahlreichen Veranstaltungen vor. Zur Gesundheitsbranche haben Sie auch eine besondere Beziehung. Sie haben damals an einer Technischen Universität studiert, waren Verwaltungsleiter in der MEDICA-Klinik für ambulante Rehabilitation und Sportmedizin Leipzig. Was bedeutet Ihnen die OTWorld vor diesem Hintergrund?
Buhl-Wagner: Die ersten Berührungspunkte mit der Gesundheitsbranche hatte ich tatsächlich schon früh in meiner beruflichen Laufbahn. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass die Leipziger Messe Gastgeber für die OTWorld und andere medizinische Messen und Kongresse sein darf. Für mich persönlich hat das einen ganz praktischen Nebeneffekt: Ich lerne regelmäßig die neuesten Entwicklungen kennen und bin der Branche auf diese Weise verbunden.
OT: Nachhaltigkeit wird – nicht zuletzt auch in der OT-Branche – immer wichtiger. Wie setzt die Leipziger Messe das Thema um?
Buhl-Wagner: Unter dem Motto „Wachsen in Balance“ setzt die Leipziger Messe konsequent auf nachhaltige Maßnahmen, um einen umweltfreundlichen Betrieb zu gewährleisten. Für unsere Leistungen in den Bereichen Umweltschutz, soziale Verantwortung und wirtschaftliche Nachhaltigkeit wurden wir 2009 als erste Messegesellschaft mit dem Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel „Green Globe“ ausgezeichnet. Mit der Re-Zertifizierung in 2023 haben wir sogar den Platin-Status verliehen bekommen. So bezieht das gesamte Gelände der Leipziger Messe seit dem 1. Januar 2023 zu 100 Prozent Ökostrom. Wir setzen auch auf energiesparende Beleuchtung und stellen schrittweise auf LED um. Durch die gute Anbindung des Geländes an den öffentlichen Personennahverkehr genauso wie mit Ladesäulen für E‑Fahrzeuge und einer Ladestation für E‑Bike-Akkus auf dem Gelände unterstützen wir nachhaltige Mobilität. Auch in der Gastronomie spielt Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. Unser Cateringunternehmen Fairgourmet ergreift kontinuierlich neue Maßnahmen, um die Versorgung von vielen Tausenden Messe- und Kongressbesuchern nachhaltiger zu gestalten.
„Aus dem Fach für das Fach“
OT: Herr Reuter, der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik ist der ideelle Träger der OTWorld. Was verbirgt sich hinter diesem sperrigen Begriff?
Reuter: Im Messe- und Kongressgeschäft ist ideeller Träger ein gängiger Begriff, um die Rolle von Fachverbänden für die Veranstaltungen zu beschreiben. Wörtlich übersetzt heißt ideell gedanklich. Insbesondere für Events mit Fachpublikum ist es wichtig zu wissen, was diese besondere Zielgruppe aktuell beschäftigt, welche Gedanken sie umtreibt und was sie benötigt, um sich für die Zukunft aufzustellen. Veranstalter ohne die jeweils spezifischen Fachkenntnisse können leicht an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbei arbeiten. Daher übernehmen wir als Spitzenverband des Handwerks seit fast zwei Jahrzehnten die Rolle des ideellen Trägers für die OTWorld. Wir gestalten mit unserem geballten Wissens- und Erfahrungsschatz in Ehren- und Hauptamt rund um die Orthopädie-Technik maßgeblich die jeweilige Ausrichtung und Weiterentwicklung der OTWorld. Im Programm- und Workshop-Komitee des Weltkongresses engagieren sich zahlreiche Vertreter des BIV-OT, sie sitzen darüber hinaus Sessions oder Workshops vor und beteiligen sich aktiv am Vortragsprogramm. Zudem veranstaltet unsere Tochtergesellschaft Confairmed GmbH den Weltkongress. Seit mehr als 20 Jahren ist die Leipziger Messe an unserer Seite und veranstaltet die internationale Fachmesse in Leipzig. Gemeinsam besprechen wir Neuheiten in Kongress und Messe und setzen sie um.
OT: Warum engagiert sich der Verband so stark für das weltweite Klassentreffen in Deutschland?
Reuter: Ganz einfach: Es ist unser Klassentreffen. Die Welt der Orthopädie-Technik ist zu Gast in Deutschland, weil unsere Vorgänger im Amt nach dem Zweiten Weltkrieg erkannt hatten, wie wichtig der Fachaustausch untereinander ist. Bereits 1949 haben wir ganz nach dem Motto „aus dem Fach für das Fach“ den ersten Jahreskongress durchgeführt. Der jährliche Kongress entwickelte sich schnell weiter, die „Table-Top“-Ausstellung wurde immer größer. Ab 1976 wurde dann aufgrund der Strahlkraft der deutschen Orthopädie-Technik der Kongress international ausgerichtet. Heute haben wir den größten Weltkongress der technischen Orthopädie. Experten aus aller Welt trafen sich zunächst alle drei und seit 2002 alle zwei Jahre, um voneinander zu lernen und die Versorgung mit Hilfsmitteln weltweit ein Stück besser zu machen. Denn die Orthopädie-Technik in Deutschland galt und gilt aufgrund ihrer Verankerung als Gesundheitshandwerk als Vorbild. Hier haben die führenden industriellen Hersteller der Hilfsmittel ihre Wurzeln und sind noch immer weltweit die „Hidden Champions“ der Medizintechnik. Was die Ärzteschaft betrifft, kommen die großen Namen auch aus dem deutschsprachigen Raum. Mit unserem Engagement für die OTWorld gehen wir unserer Verantwortung für unseren Berufsstand und unser Fach nach.
OT: Die OTWorld macht sich alle zwei Jahre für Vielfalt und Inklusion stark – in Zeiten wie diesen ein wichtiges Zeichen. In den vergangenen Monaten gingen bundesweit Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straßen. Hält auch die Leipziger Messe ihre Fahnen hoch, Herr Buhl-Wagner?
Buhl-Wagner: Messen leben davon, dass sich Menschen unterschiedlicher Kulturen treffen, sich austauschen und vernetzen. Unsere Veranstaltungen basieren auf gegenseitiger Akzeptanz, denn ohne sie wäre der internationale Austausch – nicht nur von Waren, sondern auch von Wissen, Erfahrungen und Meinungen – nicht möglich. Weltoffenheit, Toleranz und Dialog sind deshalb grundlegend für die Leipziger Messe, für die Besucher, Aussteller und Partner. Zu unserem demokratischen Werteverständnis gehört es auch, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Als Leipziger Messe ist uns ein vernünftiger und zielführender Diskurs wichtig, den auch eine Demokratie zulassen und dem sie sich stellen muss. Dass wir uns ganz klar gegen jede Form von Rassismus und Hetze, gegen die Ausgrenzung von Minderheiten und gegen Gewalt stellen, ist für uns selbstverständlich. Deshalb nehmen wir an öffentlichen Aktionen teil und äußern uns auch aktiv im Rahmen unserer Veranstaltungen.
OT: Herr Reuter, 2026 feiert die OTWorld – nicht unter dem Namen, aber als Format – ihren 50. Geburtstag. Was wünschen Sie Weltkongress und Leitmesse für die nächsten 50 Jahre?
Reuter: 50 weitere Jahre, in denen die Welt zu Gast sein kann – das ist mein großer Wunsch. Ich hoffe auf 50 Jahre, die die Gemeinschaft der Orthopädie-Technik nicht zu stark durch Kriege herausfordern und teils spalten wird.
OT: Herr Buhl-Wagner, wagen Sie einen Blick voraus: Inwiefern werden sich die internationale Fachmesse und der Weltkongress in den kommenden Jahren verändern?
Buhl-Wagner: Wie eingangs schon erwähnt, sind Messen stets im Wandel. Messen sind und bleiben ein Spiegel ihrer Branche. Diese Veränderungen werden sich auch auf der OTWorld widerspiegeln. Durch die beständige Weiterentwicklung der OTWorld wird diese auch in Zukunft die wichtigste Veranstaltung der Hilfsmittelbranche bleiben. In Zeiten multipler Krisen sind der weltweite Wissenstransfer und die Vernetzung wichtiger denn je. Der übergreifende Austausch ist maßgeblich für den Zugang zu einer optimalen Hilfsmittelversorgung weltweit, und die OTWorld leistet dazu einen bedeutenden Beitrag. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft mit unseren nationalen und internationalen Partnern eng austauschen, um aktuelle Themen, die die Branche bewegen, auf die OTWorld zu bringen.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
BIV-OT-Präsident Alf Reuter stellt sich am Mittwoch, 15. April 2024, von 13 bis 13:45 Uhr im Kongress der OTWorld den Fragen der Mitgliedsunternehmen und geht in die Diskussion. Fragen können vorab per E‑Mail an info@biv-ot.org eingereicht werden.
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