Offen­si­ve Wachs­tums­stra­te­gie verordnet

Etwas mehr als drei Jahre ist es her, dass Philipp Schulte-Noelle von der Interims- zur Dauerlösung auf dem Posten des CEO bei Ottobock wurde. Nun gehen der Diplom-Wirtschaftsjurist und das Duderstädter Unternehmen wieder getrennte Wege. Was diese und die weiteren Personalentscheidungen im Mai 2022 für Ottobock, die zukünftige Strategie und den angestrebten Börsengang bedeuten, hat die OT-Redaktion im Gespräch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter und Eigentümer von Ottobock, Professor Hans Georg Näder, erörtert.

OT: Auf der OTWorld 2022 stand Phil­ipp Schul­te-Noel­le als CEO noch im Zen­trum des Otto­bock-Teams. Weni­ge Tage spä­ter wird die Tren­nung von­ein­an­der bekannt­ge­ge­ben. Was war der Aus­lö­ser für die­se Dynamik?

Prof. Hans Georg Näder: Phil­ipp Schul­te-Noel­le ist mit der Ambi­ti­on zu Otto­bock gekom­men, das Unter­neh­men an die Bör­se zu brin­gen. Als die Eigen­tü­mer ent­schie­den haben, dass auf­grund der aktu­el­len geo­po­li­ti­schen Lage und des davon beein­fluss­ten Kapi­tal­markt­um­fel­des ein Bör­sen­gang bis auf Wei­te­res nicht erstre­bens­wert ist, haben sich Mar­cus Brenn­ecke und ich mit Herrn Schul­te-Noel­le über die Zukunft aus­ge­tauscht und im gegen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men ent­schie­den, dass Phil­ipp Schul­te-Noel­le das Unter­neh­men ver­lässt. Die OTWorld war für uns sehr erfolg­reich und sehr gut für die F&E (For­schung und Entwicklung,
Anm. d. Red.).

OT: Phil­ipp Schul­te-Noel­le ist einst von der Inte­rims- zur Dau­er­lö­sung gewor­den. Könn­te Oli­ver Jako­bi den glei­chen Weg gehen oder wird expli­zit nach einer alter­na­ti­ven exter­nen Per­so­nal­lö­sung gesucht?

Näder: Unter Füh­rung von Herrn Schul­te-Noel­le hat Otto­bock, wie ange­strebt, ent­schei­den­de Schrit­te vom Hid­den Cham­pi­on hin zum kapi­tal­markt­fä­hi­gen Unter­neh­men erfolg­reich umge­setzt. Oli­ver Jako­bi über­nimmt als lang­jäh­ri­ge sehr erfolg­rei­che Füh­rungs­kraft die Rol­le des CEO und damit bis auf Wei­te­res die Ver­ant­wor­tung für die Wachs­tums­stra­te­gie. Dabei wird er vom Ver­wal­tungs­rat aktiv unterstützt.

OT: Was sind die spe­zi­fi­schen Anfor­de­run­gen an den neu­en Ottobock-CEO?

Näder: Wir fokus­sie­ren uns jetzt kon­se­quent auf das ope­ra­ti­ve Geschäft, die star­ke Kun­den­nach­fra­ge und die nach­hal­ti­ge Stei­ge­rung unse­res erfolg­rei­chen Wachs­tums. Dafür haben wir die Geschäfts­füh­rung ent­spre­chend umge­baut, im Sin­ne des Unter­neh­mens und unse­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter. Mit Fokus auf die Bedürf­nis­se der Anwen­de­rin­nen und Anwen­der und unse­rer Kun­din­nen und Kunden.

OT: Neben der Per­so­na­lie Schul­te-Noel­le wur­de prak­tisch zeit­gleich das Aus­schei­den von Kath­rin Dahn­ke und Andre­as Gop­pelt publik. Was ist der Grund für die­sen unge­wöhn­lich gro­ßen Aus­tausch des Führungspersonals?

Näder: Wir sind Frau Dahn­ke sehr dank­bar, dass sie im ver­gan­ge­nen Jahr kurz­fris­tig den Pos­ten der CFO über­nom­men hat­te, nach­dem Jörg Wahl­ers krank­heits­be­dingt aus­ge­fal­len war. Beim Antritt von Kath­rin Dahn­ke als CFO lie­fen die Vor­be­rei­tun­gen, das Unter­neh­men kapi­tal­markt­fä­hig zu machen. Im Fal­le eines zeit­na­hen Bör­sen­gangs hät­te sie Otto­bock sicher auch in der ers­ten Pha­se am Kapi­tal­markt beglei­tet. Danach war ein Wech­sel vor­ge­se­hen. Mit der Ent­schei­dung, dass der Bör­sen­gang bis auf Wei­te­res nicht erstre­bens­wert ist, sind ande­re Zie­le in den Fokus gerückt. Des­halb war jetzt der rich­ti­ge Zeit­punkt, das Vor­stands­team umzu­bau­en und den Fokus markt­zen­triert zu schärfen.

OT: In der Pres­se­mit­tei­lung zur Tren­nung von Herrn Schu­le-Noel­le äußern Sie sich über die Plä­ne zum Bör­sen­gang des Unter­neh­mens. Die aktu­el­le geo­po­li­ti­sche Lage sei der Grund für ein Aus­set­zen der Plä­ne auf unbe­stimm­te Zeit. Wie müss­ten sich die Rah­men­be­din­gun­gen ändern, damit Otto­bock wie­der das Ziel Bör­sen­gang anvisiert?

Näder: Die wesent­li­chen Mei­len­stei­ne der Vor­be­rei­tung auf einen mög­li­chen Bör­sen­gang – allen vor­an die Umstel­lung auf die IFRS-Bericht­erstat­tung – sind erfolg­reich abge­schlos­sen. Wir sind nun kapi­tal­markt­fä­hig. Otto­bock ist ein lang­fris­tig ori­en­tier­tes Unter­neh­men und pro­fi­tiert von einer ver­läss­li­chen Eigen­tü­mer­struk­tur und sehr enga­gier­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern: Seit der Grün­dung vor 103 Jah­ren ist mei­ne Fami­lie Haupt­ei­gen­tü­me­rin von Otto­bock. Wir haben kei­ner­lei Druck, an die Bör­se zu gehen.

OT: HNA und Han­dels­blatt titeln zu den Per­so­nal­ent­schei­dun­gen „Cha­os­ta­ge bei Otto­bock“. Was kön­nen Sie die­ser Aus­sa­ge entgegnen?

Näder: Sol­che Unter­stel­lun­gen ent­spre­chen wie auch ande­re media­le Stü­cke nicht der Rea­li­tät. Alle, die mich ken­nen und das Unter­neh­men lan­ge beglei­ten, wis­sen das sehr genau.

OT: Wenn der Bör­sen­gang aktu­ell kein The­ma ist, bedeu­tet dies dann einen Stra­te­gie­wech­sel bei Otto­bock? Und dar­an anschlie­ßend: Was bedeu­tet das für die Investoren?

Näder: Wir haben im Ver­wal­tungs­rat ein­ver­nehm­lich ent­schie­den, dass wir uns jetzt noch kon­se­quen­ter auf das ope­ra­ti­ve Geschäft, die star­ke Kun­den­nach­fra­ge und die nach­hal­ti­ge Stei­ge­rung unse­res erfolg­rei­chen Wachs­tums fokus­sie­ren. Wir ver­fol­gen eine offen­si­ve Wachs­tums­stra­te­gie. Wir wol­len sowohl orga­nisch als auch durch geziel­te Akqui­si­tio­nen wei­ter­wach­sen. Außer­dem wer­den wir unse­re Mis­si­on fort­set­zen, die Wert­schöp­fungs­ket­te in der Ortho­pä­die-Tech­nik zu digi­ta­li­sie­ren, um unser Fach noch attrak­ti­ver für Nach­wuchs­kräf­te zu machen. Ein Bör­sen­gang ist eine von meh­re­ren Optio­nen, um zusätz­li­che finan­zi­el­le Mit­tel für noch dyna­mi­sche­res Wachs­tum zu generieren.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

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