Neu­er DBS-Gene­ral­se­kre­tär: Her­aus­for­de­rung und Freude

Mit dem 57-jährigen Kölner Torsten Burmester übernahm im September ein ausgesprochener Fachmann für Sport und Politik die Nachfolge von Thomas Urban als Generalsekretär des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Im Interview mit der OT sprach Burmester über seine Ziele und neuen Herausforderungen.

Bevor Bur­mes­ter zum DBS wech­sel­te, war er als Abtei­lungs­lei­ter Wirt­schafts­recht im Minis­te­ri­um für Wirt­schaft, Inno­va­ti­on, Digi­ta­li­sie­rung und Ener­gie des Lan­des Nord­rhein-West­fa­lens tätig. Wei­te­re berufliche Sta­tio­nen führ­ten ihn in das NRW-Schul- und Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um sowie als stell­ver­tre­ten­der Abtei­lungs­lei­ter Sport in das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern. Außer­dem war er von 2002 bis 2005 per­sön­li­cher Refe­rent des dama­li­gen Bun­des­kanz­lers Ger­hard Schrö­der. Wie sehen sei­ne Zie­le aus, wel­che Berüh­rungs­punk­te hat­te er zuvor mit dem Parasport und wel­che Rol­le dort Hilfs­mit­tel spie­len, beant­wor­tet Bur­mes­ter im Gespräch mit der OT.

OT: Herr Bur­mes­ter, wie ver­lief Ihr Start als DBS-Gene­ral­se­kre­tär unter den der­zei­ti­gen Bedingungen?

Tors­ten Bur­mes­ter: Der Start war gekenn­zeich­net von der Coro­na-Pan­de­mie. Nach abflachenden Infek­ti­ons­zah­len im Spät­som­mer ver­schärf­te sich bekannt­lich die Situa­ti­on im Herbst – mit den damit ver­bun­de­nen Kon­se­quen­zen auch für uns als Ver­band, vor allem mit Blick auf den Reha­bi­li­ta­ti­ons­sport. Unab­hän­gig davon bin ich froh, dass ich in so einem attrak­ti­ven Betä­ti­gungs­feld gelan­det bin. Der Sport war schon immer mei­ne Lei­den­schaft und mei­ne Auf­ga­ben im DBS brin­gen sowohl viel Freu­de als auch Her­aus­for­de­run­gen mit sich. Mei­ne Begeis­te­rung für den Behin­der­ten­sport über­trägt sich auch auf mei­ne Auf­ga­ben in der Funk­ti­on des Gene­ral­se­kre­tärs. Ich bin über­zeugt, dass es ein gutes und wert­vol­les Enga­ge­ment ist.

OT: Wel­chen Unter­schied kön­nen Sie zur Arbeit von Ver­band und Politik/Verwaltung bis­her feststellen?

Bur­mes­ter: Mei­ne Arbeit ist jetzt viel mehr geprägt von aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen und hand­fes­ten Fra­ge­stel­lun­gen. Zuvor war ich in hier­ar­chi­sche­ren Struk­tu­ren mit ver­bind­li­che­ren Abläu­fen unter­wegs, die Vor- und Nach­tei­le haben. Ein Sport­ver­band ist viel dyna­mi­scher und agi­ler, erfor­dert mehr Kom­mu­ni­ka­ti­on und mehr Empa­thie – auch mit Blick auf den Bereich des Ehren­amts. Gene­rell las­sen sich kon­kre­te Ergeb­nis­se des Han­delns deut­lich schnel­ler feststellen.

OT: Wel­che Berüh­rungs­punk­te hat­ten Sie zuvor mit dem Parasport?

Bur­mes­ter: Als Schü­ler hat­te ich zwei con­ter­gan­ge­schä­dig­te Mit­schü­ler in der Klas­se. Stu­diert habe ich an der Deut­schen Sport­hoch­schu­le in Köln, zudem war ich lei­den­schaft­li­cher Hand­bal­ler. Berüh­rungs­punk­te mit dem Parasport hat­te ich bei ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen, spe­zi­ell in Erin­ne­rung geblie­ben sind die Para­lym­pics 2008 und 2010, als ich vor Ort dabei war. Das waren schö­ne Spie­le mit prä­gen­den Erfahrungen.

OT: Wie bewer­ten Sie den Stel­len­wert von Parasport in der Öffent­lich­keit und für die Gesellschaft?

Bur­mes­ter: Sowohl die Bericht­erstat­tung über den Parasport als auch der Umfang der öffent­li­chen För­de­rung sind enorm gewach­sen – das ist eine sehr erfreu­li­che, aber auch eine not­wen­di­ge Ent­wick­lung, die noch nicht been­det sein darf. Schließ­lich sind die Bar­rie­ren in vie­len Köp­fen unse­rer Gesell­schaft noch nicht über­wun­den. Gera­de nach dem Ver­ständ­nis eines plu­ra­lis­ti­schen Staats hat auch der Behin­der­ten­sport eine gro­ße Bedeu­tung. Jeder soll­te die Mög­lich­keit haben, sei­nen eige­nen Talen­ten und Fähig­kei­ten nach­ge­hen zu kön­nen – das gilt erst recht für Men­schen mit Behin­de­rung und den Sport. Dar­über hin­aus sind unse­re Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten des Team Deutsch­land Para­lym­pics Inspi­ra­ti­on für die Gesell­schaft. Mit ihren Geschich­ten sind sie Mut­ma­cher. Es ist wich­tig, sol­che Vor­bil­der zu haben für Kin­der und Jugend­li­che sowie auch für die Gesell­schaft insgesamt.

OT: Parasport­ler sind häufig auf spe­zia­li­sier­te Hilfs­mit­tel wie Sport-Pro­the­sen oder Sport-Roll­stüh­le ange­wie­sen. Wie kann man die Ein­stiegs­hür­den in den Brei­ten­sport sen­ken, sodass sich mehr Men­schen sport­lich betä­ti­gen können?

Bur­mes­ter: Men­schen mit Behin­de­rung haben das Recht auf Teil­ha­be. Daher ist es die Ver­ant­wor­tung unse­rer Gesell­schaft, die not­wen­di­gen Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen, damit die­se Teil­ha­be auch gelebt wer­den kann. Des­we­gen gilt es, Men­schen mit Behin­de­rung Zugang zum Sport zu ermög­li­chen – das schließt Sport-Pro­the­sen und Sport-Roll­stüh­le mit ein. Men­schen mit Behin­de­rung, die im Brei­ten­sport aktiv wer­den wol­len und zur Aus­übung auf Sport-Pro­the­sen und Sport-Roll­stüh­le ange­wie­sen sind, haben ein Anrecht dar­auf. Dabei han­delt es sich in mei­nen Augen um eine gesell­schaft­li­che Verpflichtung.

Sport­stät­ten häu­fig nicht barrierefrei

OT: Wel­che Maß­nah­men sind nötig, damit der Zugang zum Parasport ver­ein­facht wird?

Bur­mes­ter: Häufig liegt die Ursa­che für feh­len­de Sport­an­ge­bo­te für Men­schen mit Behin­de­rung neben der feh­len­den Ver­füg­bar­keit von Hilfs­mit­teln in nicht aus­rei­chen­der Bar­rie­re­frei­heit der Sport­stät­ten. Bei­des schränkt die Mög­lich­kei­ten und die Teil­ha­be am Sport ein. Grund­vor­aus­set­zung für den Zugang zum Sport sind dem­nach bar­rie­re­freie Sport­stät­ten und die Mög­lich­keit der bar­rie­re­frei­en Anrei­se eben­so wie der Wil­le, Ange­bo­te für Men­schen mit Behin­de­rung zu schaf­fen – mit Über­zeu­gung und ohne Berüh­rungs­ängs­te. Men­schen mit Behin­de­rung sind eine Berei­che­rung für Sport­grup­pen, es ist eine Win-win-Situa­ti­on. Um den Zugang zum Sport zu ver­ein­fa­chen, benö­ti­gen wir mehr Sport­ver­ei­ne, die sich für den Sport von und für Men­schen mit Behin­de­rung öff­nen sowie mehr Sport­stät­ten, die weni­ger Bar­rie­ren auf­wei­sen. Wenn die­se Ange­bo­te bekannt gemacht wer­den und es bei­spiels­wei­se ver­mehrt Koope­ra­tio­nen mit Schu­len gibt, bin ich über­zeugt, dass mehr Men­schen mit Behin­de­rung den Weg in den Sport finden.

OT: Wel­che Rol­le kön­nen Poli­tik und Ver­wal­tung in so einem Pro­zess einnehmen?

Bur­mes­ter: Kern­auf­ga­be der Poli­tik ist es, die Rah­men­be­din­gun­gen für die Men­schen zu ver­bes­sern und Din­ge mög­lich zu machen. Als Deut­scher Behin­der­ten­sport­ver­band müs­sen wir die Poli­tik ein Stück weit antrei­ben, Vor­schlä­ge machen, die Umset­zung ein­for­dern und den Fin­ger in die Wun­den legen. Wir sind der Motor für Gedan­ken mit Blick auf den Sport von und für Men­schen mit Behinderung.

OT: Die Para­lym­pi­schen Spie­le in Tokio wur­den auf das Jahr 2021 ver­scho­ben. Wie sehen Sie die Aus­tra­gung im kom­men­den Jahr?

Bur­mes­ter: Wir haben die Hoff­nung, dass die Spie­le statt­fin­den wer­den. Klar ist aber auch, dass es ande­re Spie­le wer­den mit ande­ren Vor­aus­set­zun­gen als bis­her. Wir müs­sen daher unbe­dingt auf­pas­sen, dass dies nicht zu weni­ger Auf­merk­sam­keit und weni­ger media­ler Bericht­erstat­tung führt. Schon die Ver­schie­bung der Spie­le bedroht die Lebens­träu­me von Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten. Sie berei­ten sich jah­re­lang auf die­ses High­light vor und haben es ver­dient, dass sie ihre beein­dru­cken­den Leis­tun­gen abru­fen und auf der Büh­ne der Para­lym­pics prä­sen­tie­ren dür­fen. Ich wür­de es nicht ver­ste­hen, wenn durch die ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen die Medi­en­be­richt­erstat­tung redu­ziert wür­de. Die Sport­le­rin­nen und Sport­ler dür­fen nicht noch mehr unter der Ver­schie­bung lei­den als ohne­hin schon. Wir müs­sen den Wert der Para­lym­pics als groß­ar­ti­ges Sport­event für Men­schen mit Behin­de­rung erhalten.

OT: Coro­na beschäf­tigt die Men­schen wei­ter­hin welt­weit. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat das Virus auf den natio­na­len wie inter­na­tio­na­len Parasport?

Bur­mes­ter: Es hat kon­kre­te Aus­wir­kun­gen auf Wett­kämp­fe, von denen in die­sem Jahr zahl­rei­che abge­sagt wer­den muss­ten. Im Leis­tungs­sport gab und gibt es teil­wei­se Ein­schrän­kun­gen. Beson­ders pro­ble­ma­tisch ist es mit Blick auf den Brei­ten- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­sport, der zeit­lich befris­tet nicht durch­führ­bar war bzw. ist. Das bedroht bei län­ge­rer Dau­er nicht nur ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment und die Anzahl an Mit­glie­dern, son­dern gefähr­det auch ein Stück weit die gesell­schaft­li­che Funk­ti­on des Sports. Gegen die­se nega­ti­ve Ent­wick­lung müs­sen wir ankämpfen.

OT: Wel­che Zie­le haben Sie sich für Ihren neu­en Job gesetzt?

Bur­mes­ter: Gene­rell möch­te ich den Ver­band erfolg­reich durch die nächs­ten Jah­re füh­ren und dazu bei­tra­gen, dass wir unse­re Zie­le gemein­sam errei­chen und nach­hal­tig die Mög­lich­kei­ten im Sport für Men­schen mit Behin­de­rung ver­bes­sern. Eine der Haupt­auf­ga­ben: Der Behin­der­ten­sport hat ein Nach­wuchs­pro­blem. Daher wol­len wir unbe­dingt Kin­der und Jugend­li­che, gene­rell mehr Men­schen mit Behin­de­rung, zum Sport bewe­gen. Dafür braucht es auch Bar­rie­re­frei­heit in den Sport­stät­ten und auf dem Weg dort­hin. Die­ses The­ma wol­len wir offen­siv ange­hen und ein­for­dern. Über­grei­fen­des Ziel ist es, den DBS zu einem jün­ge­ren, digi­ta­len, sozi­al-ver­ant­wor­tungs­vol­len und  nan­zi­ell gesun­den Ver­band zu entwickeln.

Die Fra­gen stell­te Hei­ko Cordes.

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