Leidenschaftlich und durchdrungen von tiefem Wissen, klar in der Sache, dabei stets auf respektvoller Augenhöhe – diese persönlichen Merkmale und nicht zuletzt sein Esprit machten die Begegnungen mit Michael Leitmair zu Sternstunden. Sie waren gleicherweise sein natürliches Erfolgsrezept als langjähriger Sprecher unserer Arbeitsgruppe Prothetik, die er seit ihrer Gründung im Jahr 2005 maßgeblich prägte und in ihr als zentrales Bindeglied zwischen Industrie, Handwerk und Kostenträgern wirkte. Michael Leitmair war Antriebsfeder und verbindende Kraft zugleich, dem es gelang, uns Unternehmer auf das übergreifend Gemeinsame einzuschwören, wenn es darum ging, sich für die bestmöglichen Rahmenbedingungen einer der komplexesten orthopädietechnischen Herausforderungen stark zu machen: der Versorgung mit Prothesen. Jenen „Gesamtkunstwerken“ also, die erst im Zusammenspiel von medizintechnologischer Entwicklung und handwerklicher Fertigkeit aus der Möglichkeitsvielfalt der Komponenten Lösungen kreieren, um Menschen wieder „auf die Beine zu bringen“ – und zwar so, wie es ihren ganz individuellen Voraussetzungen entspricht. Gebrauchsvorteile und Funktionen, die in der Technologie stecken, und Ansprüche der Patienten, die sich daraus ableiten, transparent zu machen, waren Michael Leitmair ein Anliegen, das er öffentlichkeitswirksam in der Arbeitsgruppe Prothetik in verschiedene Ratgeber umsetzte.
Eine besondere Herausforderung, die Michael Leitmair für uns beherzt annahm und konsequent gestaltete, war es, ein Problembewusstsein dafür zu schaffen, dass die komplexe Prothesenversorgung schwerlich in einem einfach strukturierten Hilfsmittelverzeichnis kategorisierbar sei. Die Auseinandersetzung um die Produktgruppe 24 „Beinprothesen“ bot Stoff für kontroverse Diskussionsrunden mit Kostenträgern, in denen sich Michael Leitmair als wertvoller Stratege erwies. Seine Meinung und sein Verhandlungsgeschick zählten viel für uns, da sie wesentlich dazu beitrugen, die Mitglieder hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen. Deshalb war er ein vom Vorstand und von der Geschäftsführung geschätzter Ansprechpartner, wenn es um Grundsatzentscheidungen der Eurocom ging.
Dass man ihm genau – und gern – zuhörte, liegt wohl an dieser unverwechselbaren Mischung aus gewachsener Kompetenz und gelebter menschlicher Größe. Der Netzwerker, der das „Who is Who“ der Branche kannte, wusste genau, „wie der Laden läuft“. Geprägt war Michael Leitmair von einem echten Interesse an seinem Gegenüber, stets bereit, über den Tellerrand zu schauen, um die Sichtweise des anderen zu verstehen. Dabei zeigte er sich als großartiger Erklärer, der einfache Worte für komplizierte Sachverhalte fand. Das kam nicht von ungefähr. Der Manager und Orthopädietechniker lernte sein Fach von der Pike auf, als jugendlicher Azubi bei der Firma Streifeneder, deren Prothesen- und Orthesenentwicklung er später erfolgreich aufgebaut und geleitet hat. Weltweit war er auf allen Messen unterwegs für seine Wahlheimat, die Orthopädie-Technik. Michael Leitmair brannte für seine Aufgaben, mit denen er sich hundertprozentig identifizierte, ob im Unternehmen oder in der Eurocom.
Die Zusammentreffen mit Michael Leitmair waren spannend. Diese bemerkenswerte Persönlichkeit schöpfte aus jahrzehntelangem Insiderwissen einer Branche. Dass er gleichzeitig so unverkrampft und voller Charme auftrat, konnte selbst härteste Diskussionen entzerren. „Komm, wir gehen mal eine rauchen“ wurde auch für Nichtraucher zum geflügelten Wort für das Entstehen äußerst inspirierender Momente, die den Blick für das große Ganze öffneten und Raum für Narrative schufen. Es gibt viele Menschen, die Geschichten erzählen, aber nur wenige, die diese Geschichten auch selbst erlebt haben. Viele blicken träumend auf die „guten alten Zeiten“ zurück, wenige ziehen ihre Rückschlüsse aus dem Erlebten und richten sich neu aus, finden die Kraft, aus Rückschlägen neue Aufgaben und Herausforderungen anzunehmen, ohne zu vergessen.
Michael Leitmair bleibt. Seine Erlebnisse, seine Kompetenz und Menschlichkeit sind uns Auftrag für die Gestaltung unserer Zukunft.
Stefan Geiselbrechtinger
(Mitglied des Eurocom-Vorstands,
Geschäftsführer Oped GmbH)
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