Diesen Bedarf unterstreicht WvD schon vor der Talkrunde in seinem Dossier. „Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bringt innovative Strukturen und Lösungen mit sich, welche die Versorgung verbessern und vereinfachen können. Wir möchten der Politik dringend Vorschläge zur Umsetzung und Feinjustierung mitgeben, damit wir gegenüber Apotheken oder Krankenhäusern nicht den Anschluss verlieren”, so das Bündnis um den Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT), Egroh-Service GmbH, Reha-Service-Ring GmbH, Rehavital Gesundheitsservice GmbH und Sanitätshaus Aktuell AG.
Ein Dorn im Auge der Bündnispartner sind vor allem Einzelverträge zum Nachteil des Patienten. Dr. Axel Friehoff, verantwortlich für Vertragsmanagement und Kassenverträge bei der Egroh, sprach über das nachteilige Verhalten einzelner Krankenkassen und erklärte: „Mit einem einzelnen Betrieb werden unwirtschaftliche Verträge geschlossen, die dann anderen Betrieben als Vorlage aufgezwungen werden sollen, dagegen wehren wir uns mit diversen Schiedsverfahren.“
„Inakzeptables Verhalten”
Die Lösung des Problems sieht WvD in bundesweiten Leitverträgen. Diese Forderung unterstützen auch die beiden Politikerinnen und zeigten sich über diesen Missstand verärgert, so pflichtete Stamm-Fibich dem Bündnis bei: „Manche Kassen sind der Meinung, ihre gesetzlichen Pflichten zur Vertragsverhandlung nicht einhalten zu müssen. Dieses Verhalten ist für mich inakzeptabel. Leitverträge mit den Spitzenverbänden und Zusammenschlüssen der Leistungserbringer sind eine Option, die als Lösung in Betracht kommt.“
Kontrovers und intensiv diskutiert wurde auch das Thema persönliche Schutzausrüstung (PSA). Gerade im Hinblick auf die Kostenerstattung, die mit vielen Hindernissen verknüpft ist. So ist die Abrechnung beispielsweise für Ärzte und Physiotherapeuten klar geregelt, für die Hilfsmittelversorger gilt das jedoch nicht. Dazu Martina Stamm-Fibich: „Aktuell werden viele Verhandlungen geführt und es gibt Kassen, die Vereinbarungen getroffen haben und andere Kassen, die kurz davorstehen.“ Eine finale und vor allem flächendeckend zufriedenstellende Lösung ist allerdings noch nicht in Sicht.
Maria Klein-Schmeink forderte entsprechend eine Unterscheidung zwischen körpernahen Versorgungen und Versandartikeln und unterstützte die WvD-Forderung. „Sobald eine körpernahe Versorgung stattfindet, muss PSA kostendeckend zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten würde man den Anreiz schaffen, unhygienisch und nicht im Sinne des Infektionsschutzes zu versorgen. Sie arbeiten mit stark gefährdeten Personengruppen – das ist dann auch eine Frage des Patientenschutzes“, erklärte die Grünen-Politikerin. Viel körpernäher versorge kaum jemand außerhalb der Hilfsmittelversorgung. „Deshalb kann es in diesem Zusammenhang keine digitale Versorgungsmöglichkeiten geben“, sagte Alf Reuter, Präsident des BIV-OT.
Lese- und Schreibrecht für Leistungserbringer
Im Rahmen des Talks gab es auch eine Umfrage zum Thema Schreibrecht für Leistungserbringer bei der elektronischen Patientenakte (ePA). Und die Antwort des Plenums fiel deutlich aus. 75 Prozent der Zuschauer sprachen sich für dafür aus, dass Leistungserbringer Lese- und Schreibrechte haben sollten. „In der Hilfsmittelversorgung gibt es viele Dokumentationen, die wir hinterlegen und sammeln – zum Beispiel Beratungsdokumentationen. Alle an der Versorgung beteiligten Personen müssen sich interdisziplinär über die ePA einander mitteilen können. Wenn wir mit Medienbrüchen konfrontiert sind, erfüllt die ePA im Endeffekt nicht ihren Zweck einer schnellen und unbürokratischen Kommunikation“, so Anja Faber-Drygala, Prokuristin und Leiterin des Bereichs Recht und Gesundheitspolitik bei Sanitätshaus Aktuell.
Vor allem Maria Klein-Schmeink konnte an dieser Stelle punkten. Sie war sehr gut vorbereitet auf die Thematiken und erklärte: „Vor allem nicht-ärztliche Leistungserbringer werden oft vergessen. Die Entwicklung hat viel damit zu tun, dass Patient:innen nicht Ausgangspunkt für die Maßnahmen sind. Die ePA soll Leistungserbringer zusammenbringen, damit sie zusammen eine gute Leistung erbringen. Da müssen wir nachsteuern.“ Natürlich waren sich alle Parteien einig, dass die ePA Patientenrechte respektieren und datenschutzrechtliche Aspekte einhalten müsse.
Auch über das eRezept wurde diskutiert. Klein-Schmeink sieht darin „eine Chance“. Allerdings müsse für die entsprechende Infrastruktur noch einiges getan werden. Vor allem die freie Wahl des Versorgers betonte zudem Stamm-Fibich: „Wir brauchen einheitliche Verfahren, die bei allen Kassen gleichermaßen geschaffen werden.“
Vorteile der Digitalisierung nutzen
Zuletzt deckte das Bündnis WvD eine Wissenslücke bei seinen politischen Gästen auf: Allein für den Austausch von digitalen Daten wie dem elektronischen Kostenvoranschlag (eKV) müsse der Leistungserbringer Entgelte leisten. Hinzu käme, dass Krankenkassen kein einheitliches System verwenden würden. Das Resultat: Unterschiedliche Dienstleister verlangen unterschiedliche Entgelte und rufen so einen hohen bürokratischen Aufwand hervor. Das Bündnis WvD forderte dazu auf, die Neustrukturierung des Gesundheitswesens für die Vereinheitlichung von Prozessen und Kommunikationssystemen zu nutzen. Auf diese Erläuterungen reagierte Maria Klein-Schmeink, äußerst überrascht und gab zu, dass sie „davon noch nicht gehört“ habe. Sie stimmte dem Bündnis zu: „In Zeiten der Digitalisierung ist ein solches Vorgehen vollkommen irre. Wir müssen die Digitalisierung an diesen Stellen nutzen, um Standardisierungen einzuführen. Ansonsten nutzen wir nicht den Vorteil, den uns die Digitalisierung bringen sollte.“