Bei der 90-minütigen Pilotveranstaltung diskutierten Dr. Roy Kühne, Bundestagsabgeordneter (MdB), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und zuständiger Berichterstatter für Hilfsmittel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sowie BIV-OT-Präsident Alf Reuter unter dem Titel „Hilfsmittelversorgung (nicht nur) in der Krise sichern!“.
130 Teilnehmer diskutierten mit
Zugeschaltet waren rund 130 Vertreter von Sanitätshäusern und orthopädie-technischen Betrieben aus ganz Deutschland. Sie beteiligten sich rege an der Debatte. Etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Möglichkeit, im Chat oder per Wortmeldung live ihre Fragen zu stellen. Fünf Themenbereiche standen dabei im Mittelpunkt: der Mangel an bzw. Preisanstieg für persönliche Schutzausrüstung (PSA) und bisher fehlende Kostenübernahmen, Bürokratieabbau und Qualitätssicherung durch Verbandsverträge, Forderungen zu einem Hilfsprogramm sowie der Blick nach vorn, auf den Neustart nach der Krise.
Erhalt der Versorgung vor Ort
Die flächendeckenden Strukturen in der Hilfsmittelversorgung lägen ihm besonders am Herzen, unterstrich Dr. Kühne. Dies bedeute auch, die Sanitätshäuser im ländlichen Raum zu erhalten. „Diese Vor-Ort-Versorgung, die wir in Deutschland haben, ist sehr wertvoll“, betonte der Politiker und verwies auf seinen kürzlich vorgelegten 5‑Punkte-Plan „Herausforderungen der Hilfsmittelbranche in Zeiten der Corona-Krise“. In diesem wird unter anderem die Einrichtung eines Schutzschirms für Hilfsmittelerbringer gefordert, um Liquiditätsengpässe aufzufangen, sowie die explizite Benennung der Hilfsmittelleistungserbringer sowie Hersteller als systemrelevante Versorger und wichtige Säulen für ein funktionierendes Gesundheitswesen. „Mit dem 5‑Punkte-Programm wollen wir der Hilfsmittelbranche zeigen, dass wir sie nicht allein lassen. Denn wir können es uns nicht leisten, dass diese Strukturen verschwinden“. Dies betreffe ebenso die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen, die gehalten werden müssten – unter anderem durch Instrumente wie Kurzarbeit.
Schwierige Bedingungen
Die Versorgung finde derzeit unter schwierigen Bedingungen statt, konstatierte Alf Reuter. Die Sanitätshäuser müssten Schutzausrüstungen mit enormen Preisaufschlägen erwerben, um das Personal und damit ebenso die Patientinnen und Patienten zu schützen: „Drei bis sechs Euro sind inzwischen für eine Einmal-FFP2-Maske zu zahlen. Da kommen enorme Summen zustande.“ Zudem verlagere sich der Ausrüstungsmangel derzeit auf Schutzkittel – diese seien gegenwärtig am Markt nur schwer zu bekommen. Zurzeit sei der BIV-OT dabei, das genaue Ausmaß der erhöhten Kosten für PSA zu ermitteln. Mit diesem Überblick wolle man an die Kostenträger herantreten. Dr. Kühne sagte hierbei politische Unterstützung zu. Wichtig sei, dass sich die entstandenen Kosten beziffern lassen. Neben den verstärkten Ausgaben betreffe dies ebenfalls die Einnahmeverluste.
Auf Versorgung konzentrieren!
„Was ich aus Corona gelernt habe: Wir binden viel mehr Ressourcen in der Verwaltung als in der Versorgung“, hob Alf Reuter hervor. „Stattdessen müssen wir unsere Ressourcen auf die Versorgung konzentrieren!“ Offene Punkte seien hier zum Beispiel ein genereller Rezeptverzicht bei allen Folgeversorgungen mit Hilfsmitteln (nicht nur bei den zum Verbrauch bestimmten) sowie eine vorübergehende Erhöhung der Genehmigungsfreigrenzen auf einheitlich 1.500 Euro. Schlussendlich fange eine qualitätsgesicherte Versorgung bei den Verträgen an – hier gelte es, unter anderem durch Verbandsverträge mit übergreifenden Qualitätsstandards Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Leben bei der nächsten Krise vereinfachten. „Am wichtigsten ist aber, dass wir als systemrelevante Branche anerkannt werden“, so Reuter. Damit verbunden seien nicht zuletzt die zentrale Versorgung mit PSA, eine gesicherte Kindernotbetreuung, der garantierte Zugang zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie ein Beschlagnahmeverbot. Dr. Kühne erklärte, die schnellere, unbürokratischere Hilfsmittelversorgung „demnächst“ im Bundestag zum Thema zu machen.
Schutzschirm in Sicht?
Auch bei Schutzschirmen dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, mahnte Alf Reuter an: „90 Prozent unserer Umsätze entstehen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ähnlich wie bei Kliniken, Ärzten, Heilmittelerbringern. Wir verzeichnen massive Umsatzeinbrüche. Bisher bekommen wir aber keinen Schutzschirm wie beispielsweise die Heilmittelbranche.“ Zwei, drei Monate könnten die Häuser durchhalten – doch wenn die Krise wie prognostiziert weiter anhalte, drohe ein Ausbluten. Kurzarbeit helfe den Betrieben nur über einen begrenzten Zeitraum. Dr. Kühne sicherte weitere Unterstützung zu: „Wir haben das 5‑Punkte-Programm eingebracht und werden sehen, wie sich dies durchsetzen lässt.“ Man habe ein „gutes Papier erarbeitet“, das dem Bundesgesundheitsministerium vorliege, so Dr. Kühne: „Das Ding ist nicht vom Tisch!“
Cathrin Günzel