Fall­stu­die zum Ein­fluss ver­schie­de­ner Cho­part-Pro­the­sen auf das Gang­bild des Anwenders

T. Kaib, J. Block, D. W. W. Heitzmann, C. Putz, S. I. Wolf, M. Alimusaj
Die Fähigkeit eines prothetischen Vorfußes, funktionelle Hebel zu bieten, um damit Drehmomente aufzunehmen, ermöglicht ein physiologisches Gangbild. Ein biomechanischer Vergleich der aktuell gängigen Chopart-Prothesen und deren Möglichkeiten, den Vorfußhebel wiederherzustellen, ist bis dato noch nicht veröffentlicht worden. In dieser Fallstudie wurde ein Proband mit Chopart-Amputation und einer Bellmann-Vorfußprothese mit und ohne Toe-off-Orthese (Allard, USA) sowie einer Rahmenschaftprothese beim Gehen in der Ebene untersucht.

Ein­lei­tung

Für ein phy­sio­lo­gi­sches Gang­bild ist die Last­auf­nah­me über die gesam­te Län­ge des Fußes nötig. Hier­zu muss der Fuß oder der Fuß­er­satz funk­tio­nel­le Hebel zur Ver­fü­gung stel­len, um die Dreh­mo­men­te auf­zu­neh­men, die wäh­rend des Gehens auf­tre­ten 1 2. Wer­den nun durch eine Teil-Fuß­am­pu­ta­ti­on Tei­le die­ses Hebels ent­fernt, redu­ziert sich die Unter­stüt­zungs­flä­che unter­halb des Fußes und damit auch die Hebel­ver­hält­nis­se selbst 3.

Anzei­ge

Einen spe­zi­el­len Fall der Teil-Fuß­am­pu­ta­ti­on stellt die Exartikulation­in der Chopart’schen Gelenk­li­nie dar. Die­se soge­nann­te Cho­part-Ampu­ta­ti­on­ zählt zur ers­ten Ampu­ta­ti­ons­li­nie im Rück­fuß, was mit einem kom­plet­ten Ver­lust des Vor­fu­ßes ein­her­geht 4. Die dadurch glei­cher­ma­ßen ent­stan­de­ne Reduk­ti­on der Unter­stüt­zungs­flä­che führt in der Kon­se­quenz bio­me­cha­nisch betrach­tet zu einem voll­stän­di­gen Ver­lust des Vor­fuß­he­bels 5. Damit ver­bun­den ist ein Ver­lust an phy­sio­lo­gi­schen Struk­tu­ren, die in der Lage­ sind, die auf­ge­brach­ten Las­ten auf­zu­neh­men 6 und aktiv eine phy­sio­lo­gi­sche Abstoß­wir­kung zu erzie­len. Zwar kön­nen Betrof­fe­ne mit einer ­Cho­part-Ampu­ta­ti­on durch den Erhalt der Fer­se und der Bein­län­ge kur­ze Stre­cken ohne Hilfs­mit­tel zurück­le­gen 7. Um jedoch in ver­schie­de­nen All­tags­um­ge­bun­gen eine adäqua­te Mobi­li­tät und Belast­bar­keit zu errei­chen, sind pro­the­ti­sche Ver­sor­gun­gen nötig, um den Ver­lust des ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Hebels zu kompensieren.

Aktu­ell wer­den drei ver­schie­de­ne Arten von Cho­part-Pro­the­sen unter­sucht: Man unter­schei­det sprung­ge­lenk­freie Ver­sor­gun­gen (z. B. Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se) sowie unter­schen­kel­ho­he Ver­sor­gun­gen mit ven­tra­ler Anla­ge (z. B. Rah­men­schaft­pro­the­se); zudem hat sich in den letz­ten Jah­ren eine modu­la­re Ver­sor­gung aus Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se und indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ter Unter­schen­kel­or­the­se eta­bliert 8. Die aktu­el­le kli­ni­sche Ent­schei­dungs­fin­dung, wel­cher Ver­sor­gungs­typ ein­ge­setzt wer­den soll, hängt von ver­schie­de­nen Fak­to­ren ab:

  • von den phy­si­schen Gege­ben­hei­ten des Anwenders,
  • von der Rest­be­weg­lich­keit des OSG,
  • von den Stumpf­ver­hält­nis­sen in Bezug auf die Weich­teil­de­ckung, aber auch
  • von den kos­me­ti­schen Ansprü­chen sowie den Akti­vi­täts­an­sprü­chen des Anwenders.

Rah­men­schaft­pro­the­sen und ihre Deri­va­te wer­den sowohl bei hoch akti­ven Pati­en­ten unab­hän­gig von der Rest­be­weg­lich­keit als auch bei Pati­en­ten genutzt, die kei­ne Rest­be­weg­lich­keit, Fehl­stel­lun­gen oder kei­ne vol­le End­be­last­bar­keit des Stump­fes auf­wei­sen 9. Pati­en­ten mit voll beweg­li­chem OSG und gerin­ger Akti­vi­tät sowie hohem kos­me­ti­schem Anspruch wer­den hin­ge­gen in der Regel mit Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­sen und ihren Varia­tio­nen einer OSG-frei­en Pro­the­se ver­sorgt. Bei höhe­rer Bean­spru­chung der Pro­the­se, d. h. höhe­rer zu erwar­ten­der Belas­tung durch län­ge­re Geh- oder Stand­pha­sen, kann die­sen Ver­sor­gun­gen modu­lar eine Unter­schen­kel­or­the­se hin­zu­ge­fügt wer­den 10.

Bio­me­cha­ni­sche Ana­ly­sen über die Effek­te durch Ver­lust bzw. pro­the­ti­sche Wie­der­her­stel­lung des Vor­fuß­he­bels durch Cho­part-Pro­the­sen sind nur spär­lich vor­han­den. Die aktu­el­le Stu­di­en­la­ge impli­ziert, dass eine Rah­men­schaft­pro­the­se durch ihre ven­tra­le Anla­ge den Vor­fuß­he­bel im Ver­gleich zu nicht das OSG über­grei­fen­den Ver­sor­gun­gen funk­tio­nell betrach­tet bes­ser erset­zen kann, der phy­sio­lo­gi­schen Fuß­funk­ti­on jedoch deut­lich unter­liegt 11 12. Eine geziel­te Unter­su­chung aller mög­li­chen Ver­sor­gungs­for­men (Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se, Bell­mann inkl. Unter­schen­kel­or­the­se und Rah­men­schaft­pro­the­se) unter­ein­an­der ist den Autoren bis­lang nicht bekannt. Die­se Fall­stu­die befasst sich mit einem Pro­ban­den nach Cho­part-Ampu­ta­ti­on, der sowohl mit einer Rah­men­schaft­pro­the­se (der­zeit sei­ne All­tags­pro­the­se) als auch mit einer Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se (sei­ne was­ser­fes­te Geh­hil­fe) ver­sorgt ist. Zusätz­lich erhielt er eine Adapt­a­ti­on (Toe-off, All­ard, USA) zur modu­la­ren Modi­fi­zier­bar­keit sei­ner Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se. Der Pro­band kann bei­de Pro­the­sen auf­grund guter Stumpf­ver­hält­nis­se und aus­rei­chen­der Beweg­lich­keit im OSG unein­ge­schränkt nut­zen. Er soll­te beim Gehen in der Ebe­ne mit allen drei gän­gi­gen Ver­sor­gungs­kon­zep­ten unter­sucht wer­den. Das spe­zi­el­le Augen­merk die­ser Unter­su­chung rich­te­te sich auf den erzeug­ten Vor­fuß­he­bel und die damit ver­bun­de­nen Ein­flüs­se auf die pro­xi­ma­le Gelenk­ket­te der betrof­fe­nen Seite.

Metho­den

Ein Pro­band (48 Jah­re, 179 cm, 92 kg) mit einer trau­ma­tisch beding­ten Rück­fuß­am­pu­ta­ti­on in der Chopart’schen Gelenk­li­nie mit hoher Akti­vi­tät (Mob. 3 ­13) und dem­entspre­chend hohen ­Anfor­de­run­gen an die Pro­the­se, ­einem voll end­be­last­ba­ren Stumpf und einem OSG-Bewe­gungs­aus­maß von dorsal/plantar 5°/0°/15° wur­de mit drei unter­schied­li­chen Cho­part-Pro­the­sen unter­sucht. Der Pro­band war ver­sorgt mit einer Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se (gefer­tigt ana­log nach Bell­mann 14 mit einer 45°-Carbonplatte, Abroll­kan­te 2 cm distal­des Stump­fen­des, Schicht­auf­bau des Vor­fu­ßes mit Pedi­len, jedoch mit einem Sili­kon-Innen­schaft anstatt Thermo­­ plast) als was­ser­fes­ter Geh­hil­fe sowie mit einer Rah­men­schaft­pro­the­se (Cho­part­plat­te Össur, Kate­go­rie 4) ­­als All­tags­ver­sor­gung. Bei­de Ver­sor­gun­gen waren indi­vi­du­ell an ihn ange­passt. Zusätz­lich zur Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se wur­de der Pro­band im Rah­men der bio­me­cha­ni­schen Unter­su­chun­gen test­wei­se mit einer Unter­schen­kel-Adapt­a­ti­on in Form einer Toe-off-Unter­schen­kel-Car­bon­or­the­se (All­ard, USA) aus­ge­stat­tet (Abb. 1). Der sta­ti­sche Auf­bau wur­de mit­tels L.A.S.A.R. Pos­tu­re (Otto­bock, Deutsch­land) über­prüft. Wie von Blu­men­tritt emp­foh­len 15, befand sich die Last­li­nie in allen Ver­sor­gun­gen zwi­schen 10 und 30 mm ante­rior des Knie­ge­lenk­zen­trums in der Sagit­tal­ebe­ne (Abb. 1).

Der Pro­band durch­lief mit allen drei pro­the­ti­schen Ver­sor­gun­gen eine stan­dar­di­sier­te instru­men­tier­te 3D-Gang­ana­ly­se in der Ebe­ne inklu­si­ve Pedo­ba­ro­gra­phie und bei unterschenkel­hohen Ver­sor­gun­gen zusätz­lich mit einer Schaft­druck-Mes­sung im Bereich der ven­tra­len Anla­ge. Die 3D-Gang­ana­ly­se erfolg­te mit­tels eines opto­elek­tro­ni­schen Bewe­gungs­ana­ly­se­sys­tems (Vicon, Groß­bri­tan­ni­en). Die Berech­nung der Kine­ma­tik (Gelenk­win­kel) und der Kine­tik (Gelenk­mo­men­te) erfolg­te mit­tels des bio­me­cha­ni­schen Plug-in-Gait-Modells 16 (Vicon). Die benö­tig­ten Boden­re­ak­ti­ons­kräf­te zur Berech­nung der Kine­tik wur­den mit­tels zwei­er Kraft­mess­plat­ten (AMTI, USA) erfasst. Fuß- und Schaft­druck wur­den mit dem por­ta­blen Druck­mess­sys­tem „Pli­ance“ (Novel, Deutsch­land) gemes­sen. Die Druck­mess­soh­len wur­den zwi­schen Ver­sor­gung und Schuh ein­ge­legt. Der Schaft­druck­sen­sor (15 × 6 cm) wur­de mit­tig ent­lang der Schien­bein­kan­te zwi­schen Tube­ro­si­tas und Malleolen­gabel am Unter­schen­kel ange­bracht. Der gemes­se­ne Druck (p = F * A; F = A / p) wur­de über die bekann­te Flä­che der Sen­so­ren in die ortho­go­nal zur Sen­sor­ober­flä­che wir­ken­de Kraft (N/kg) umge­rech­net, die ein Maß für die Belas­tung im Bereich der ven­tra­len Anla­ge darstellt.

In die­ser Stu­die wur­den die sagit­ta­len Gelenk­win­kel­ver­läu­fe (Kine­ma­tik) und die erzeug­ten Dreh­mo­men­te (Kine­tik) für das Sprung‑, Knie- und Hüft­ge­lenk der betrof­fe­nen Sei­te mit den drei unter­schied­li­chen Ver­sor­gun­gen betrach­tet. Zusätz­lich wur­den die oben erwähn­te Belas­tung und der Belas­tungs­ver­lauf sowohl am Schien­bein (mit­tels Schaftsen­sor unter der ven­tra­len Anla­ge) als auch im Vor- und Rück­fuß (über die Druck­mess­soh­len) unter­sucht. Zur Ana­ly­se wur­de der Mit­tel­wert aus min­des­tens zehn Geh­durch­gän­gen pro Ver­sor­gung her­an­ge­zo­gen. Die Posi­tio­nen der Mar­ker und des Schaft­druck-Sen­sors ver­än­der­ten sich nicht, da alle drei Ver­sor­gun­gen wäh­rend eines Mess­ter­mins hin­ter­ein­an­der gemes­sen wur­den. Um Rück­schlüs­se auf den Vor­fuß­he­bel zie­hen zu kön­nen, wur­de ins­be­son­de­re die ter­mi­na­le ­Stand­pha­se (30–50 % Gang­zy­klus) betrach­tet. Hier wur­den die Maximalwerte­ von Kine­ma­tik, Kine­tik und Last­ver­tei­lung berech­net und ver­gli­chen. Zusätz­lich dazu wur­de das gemes­se­ne Bewe­gungs­aus­maß des OSG über die gesam­te Stand­pha­se betrachtet.

Ergeb­nis­se

Beim Gehen in der Ebe­ne zeig­ten sich Unter­schie­de zwi­schen den drei gemes­se­nen Ver­sor­gun­gen in der ter­mi­na­len Stand­pha­se (Abb. 2) (Tab. 1). Das Bewe­gungs­aus­maß ist dem­nach mit der Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se am höchs­ten, gefolgt von der Kom­bi­na­ti­on ­aus Bell­mann und Toe-off-Orthe­se (All­ard, USA) bis hin zum nied­rigs­ten Wert in der Rah­men­schaft­pro­the­se (Abb. 2a). Die bei­den Ver­sor­gun­gen mit ven­tra­ler Anla­ge zei­gen deut­lich höhe­re extern dor­sal­f­lek­tie­ren­de Dreh­mo­men­te (Abb. 2d).­ Die Schien­bein­last steigt ab ca. 20 % des Gang­zy­klus für bei­de Ver­sor­gun­gen mit ven­tra­ler Anla­ge an (Abb. 2g), was mit der Dreh­mo­ment­kur­ve ein­her­geht. Die Rah­men­schaft­pro­the­se zeigt das höchs­te extern dor­sal­f­lek­tie­ren­de Moment im OSG, die gerings­te Rück­fuß­last, aber die höchs­te Vor­fuß­last im Ver­gleich zu den ande­ren Ver­sor­gungs­va­ri­an­ten. Die Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se inkl. Toe-off (All­ard, USA) zeigt ein höhe­res exter­nes dor­sal­f­lek­tie­ren­des Dreh­mo­ment im OSG, eine gerin­ge­re Rück­fuß­last sowie eine höhe­re Vor­fuß­last im Ver­gleich zur rei­nen Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se. Sowohl das gerings­te exter­ne dor­sal­f­lek­tie­ren­de Dreh­mo­ment als auch die nied­rigs­te Vor­fuß­last zeig­te sich bei der Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se, hin­ge­gen aber die höchs­te Rück­fuß­last (Abb. 2 d, h, i).

Die unter­schied­li­chen Bewe­gungs­aus­ma­ße, Dreh­mo­men­te und Last­ver­tei­lun­gen der ver­schie­de­nen Ver­sor­gun­gen wei­sen wei­ter pro­xi­mal zusätz­li­che Unter­schie­de auf. Im Knie­ge­lenk zeig­te sich in bei­den Ver­sor­gun­gen mit ven­tra­ler Anla­ge die Ten­denz zur Hyper­ex­ten­si­on im Knie (Abb. 2b). Mit Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se hin­ge­gen zeig­te sich ein Streck­de­fi­zit im Hüft­ge­lenk (Abb. 2c).

Die gemes­se­nen Dreh­mo­men­te in Knie- und Hüft­ge­lenk zei­gen in bei­den Ver­sor­gun­gen mit ven­tra­ler Anla­ge deut­lich phy­sio­lo­gi­sche­re Ver­läu­fe,­ wobei die Rah­men­schaft­pro­the­se deut­lich höhe­re extern exten­die­ren­de Momen­te in Knie- und Hüft­ge­lenk auf­weist als die Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se ­inklu­si­ve Toe-off-Orthe­se. Die Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se allei­ne hin­ge­gen zeig­te sowohl für das Knie- als auch für das Hüft­ge­lenk deut­lich nied­ri­ge­re Gelenk­dreh­mo­men­te im Ver­gleich zur Norm. Spe­zi­ell im Knie­ge­lenk zeig­te die Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se ein extern flek­tie­ren­des Moment anstatt eines zu ­die­sem Zeit­punkt der Stand­pha­se ­übli­chen extern exten­die­ren­den Momen­tes (Abb. 2e u. f) (Tab. 1).

Dis­kus­si­on

Ziel die­ser Fall­stu­die war es zu ermit­teln, wel­che der aktu­ell gän­gi­gen Cho­part-Pro­the­sen es ermög­licht, den ver­lo­re­nen Vor­fuß­he­bel in sei­ner Funk­ti­onmög­lichst adäquat wie­der­her­zu­stel­len. Es zeig­te sich ein Vor­teil der unter­schen­kel­lan­gen Ver­sor­gun­gen im Ver­gleich zur OSG-frei­en Pro­the­se. Der effek­tivs­te Vor­fuß­he­bel wur­de durch die Rah­men­schaft­pro­the­se und dabei am ehes­ten durch ihre rigi­de Kon­struk­ti­on erzeugt 17. Die OSG-Bewe­gung wird in der Rah­men­schaft­pro­the­se durch die Defor­ma­ti­on einer Car­bon-Fuß­plat­te (hier eine soge­nann­te Cho­part-Plat­te, Fa. ­Össur) über­nom­men, da das OSG des Anwen­ders fest in die Rah­men­schaft­kon­struk­ti­on ein­ge­bet­tet und dadurch qua­si ver­steift ist, was auch unmit­tel­bar einen poten­zi­el­len Nach­teil die­ser Tech­nik mar­kiert. Durch die Limi­tie­rung des Bewe­gungs­aus­ma­ßes und die rela­tiv hohe Stei­fig­keit der Car­bon­plat­te konn­te mit­tels der ven­tra­len Anla­ge und des sich nur gering ver­for­men­den Vor­fu­ßes ein höhe­res exter­nes Dreh­mo­ment im OSG als in den ande­ren bei­den getes­te­ten Ver­sor­gun­gen auf­ge­nom­men wer­den, was für sich betrach­tet einen posi­ti­ven Effekt auf die Gelen­ke der pro­xi­ma­len Ket­te hat­te. Jedoch zeig­te sich in der Rah­men­schaft­pro­the­se die Ten­denz zur Hyper­ex­ten­si­on im Knie­ge­lenk, ver­mut­lich wie­der­um bedingt durch die limi­tier­te Defor­ma­ti­on der Car­bon­plat­te in Rich­tung Dor­sal­fle­xi­on. Dies zeigt auf, dass gera­de hier der Auf­bau, aber auch die Aus­wahl der Fuß­stei­fig­kei­ten eines beson­de­ren Augen­merks bedarf, um exten­die­ren­de Momen­te auf das Knie­ge­lenk bes­ser zu kontrollieren.

Die Fähig­keit, die Rest­be­weg­lich­keit im OSG mit einer ven­tra­len Anla­ge in Ver­bin­dung mit der Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se inkl. Toe-off-Orthe­se zu nut­zen, zeig­te ver­gleichs­wei­se gerin­ge­re Dreh­mo­men­te im OSG als in der Rah­men­schaft­pro­the­se, den­noch zeig­ten sich wäh­rend der ter­mi­na­len Stand­pha­se ­norm­ge­rech­te exter­ne knie- und hüf­tex­ten­die­ren­de Dreh­mo­ment­ver­läu­fe. Der gerin­ge Wider­stand der ven­tra­len Anla­ge der Toe-off-Orthe­se ermög­lich­te es, die Last teil­wei­se in den Vor­fuß zu ver­la­gern, jedoch blieb die Haupt­last wei­test­ge­hend im Rück­fuß. Die hier genutz­te han­dels­üb­li­che Toe-off-Orthe­se war in ihrer Form und Stei­fig­keit nicht indi­vi­du­ell auf den Pro­ban­den abge­stimmt und – ver­mut­lich auf­grund ihrer Kon­struk­ti­ons­merk­ma­le – nicht steif genug, um höhe­re exter­ne Momen­te abzu­fan­gen. Eine indi­vi­du­ell gefer­tig­te ent­spre­chen­de Unter­schen­kel-Car­bon­or­the­se, bei der die Stei­fig­keit der ven­tra­len Anla­ge im Sin­ne einer federn­den Wir­kung ange­passt wer­den kann, könn­te zu einer bes­se­ren Last­ver­tei­lung füh­ren und so den Kom­pro­miss zwi­schen Beweg­lich­keit und Stei­fig­keit bes­ser abbilden.

Den­noch zeig­te selbst die Kom­bi­na­ti­on aus Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se inkl. Toe-off deut­li­che Vor­tei­le gegen­über der rei­nen Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se: In der Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se befand sich die Last durch­weg im Rück­fuß, was direk­te Aus­wir­kun­gen auf das OSG-Moment hat­te und sich wei­ter­füh­rend in die pro­xi­ma­le Ket­te fort­pflanz­te. Ohne ven­tra­le Anla­ge konn­te kaum ein effek­ti­ver Vor­fuß­he­bel her­ge­stellt wer­den, was sich direkt nega­tiv in redu­zier­ten Dreh­mo­men­ten in Knie- und Hüft­ge­lenk aus­wirk­te und damit den Anspruch an eine akti­ve Sta­bi­li­sie­rung des Pati­en­ten erhöht. Gleich­zei­tig bie­tet die Bell­mann-Vor­fuß­pro­the­se jedoch für sich betrach­tet einen hohen All­tags­wert im Hin­blick auf eher mode­ra­te Belas­tungs­si­tua­tio­nen, wenn der bio­me­cha­ni­sche Anspruch an die Umset­zung von hohen Dreh­mo­men­ten situa­tiv etwas in den Hin­ter­grund rückt und die OSG-Beweg­lich­keit füh­rend wird.

Schluss­fol­ge­run­gen

Der modu­la­re Ansatz mit einer indi­vi­du­ell gefer­tig­ten Unter­schen­kel-Car­bon­or­the­se scheint für den getes­te­ten Pro­ban­den eine sinn­vol­le Alter­na­ti­ve für den All­tag dar­zu­stel­len. Die Mög­lich­keit, in Kom­bi­na­ti­on mit einer ven­tra­len Anla­ge die Rest­be­weg­lich­keit im OSG zu nut­zen, hat posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Vor­fuß­he­bel und die pro­xi­ma­le Gelenk­ket­te. Der Vorfußhebel­ ist mit der kom­bi­nier­ten knö­chel­frei­en Pro­the­se zwar nicht so gut wie­der­her­ge­stellt wie bei einer ­Rah­men­schaft­pro­the­se, aber das kann auf die gerin­ge Stei­fig­keit der Toe-off-Orthe­se zurück­ge­führt wer­den. Die Rah­men­schaft­pro­the­se ermög­licht unum­strit­ten zwar den bes­ten Vor­fuß­he­bel, aber im All­tag ver­än­dern sich die Anfor­de­run­gen situa­tiv ste­tig. Eine ent­spre­chend situa­ti­ons­be­ding­te Anpas­sung an die All­tags­ak­ti­vi­tät ist erst mit einer modu­la­ren Ver­sor­gung möglich.

Die Ergeb­nis­se die­ser Stu­die bezie­hen sich auf einen exem­pla­ri­schen Ein­zel­fall inner­halb einer aktu­ell durch­ge­führ­ten Kohor­ten­stu­die. Zumin­dest für die­sen spe­zi­el­len Ein­zel­fall sollte­ auf­grund der vor­han­de­nen OSG-­Be­weg­lich­keit eine modu­la­re Ver­sor­gung in Betracht gezo­gen werden.

Für die Autoren:
Tho­mas Kaib M. Sc.
Kli­nik für Ortho­pä­die und Unfallchirurgie
Zen­trum für Ortho­pä­die, Unfall­chir­ur­gie und Para­ple­gio­lo­gie, Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Heidelberg
Schlier­ba­cher Land­str. 200a
69118 Hei­del­berg
Thomas.Kaib@med.uni-heidelberg.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Kaib T, Block J, Heit­zmann D W W, Putz C, Wolf S I, Ali­mus­aj M. Fall­stu­die zum Ein­fluss ver­schie­de­ner Cho­part-Pro­the­sen auf das Gang­bild des Anwen­ders. Ortho­pä­die Tech­nik, 2018; 69 (11): 18–22

 

Maxi­mal­wer­te Kine­ma­tik & Kinetik
GelenkZeit­rei­he sagittalBell­mann-Vor­fuß­pro­the­seBell­mann-Vor­fuß­pro­the­se + Toe-off-OrtheseRah­men­schaft­pro­the­seNorm
Hüf­te[°] 1
[Nm/kg]2
2.1±0.1
0.74± 0.07
6.0±0.1
1.03±0.03
8.5±0.2
1.22±0.03
10.8±0.8
1.37±0.25
Knie[°] 1
[Nm/kg]2
1.1±0.1
0.26 ± 0.01
2.5 ± 0.1
0.02 ± 0.01
4.6±0.1
‑0.36±0.01
2.6±1.3
‑0.16±0.05
OSG[°]1
ROM [°]3
[Nm/kg]2
 21.1±0.1
 30.5±0.1
0.49±0.01
 15.9±0.1
 21.4±0.1
0.81±0.01
10.0±0.1
5.4±0.1
1.28±0.01
15.6±1.1
33.0±1.3
 1.57±0.05
Maxi­mal­wer­te Schaft- und Fußdrucksensoren
Schien­bein­last [N/kg]n/a2.41±0.01
4.63±0.02
n/a
Rück­fuß­last [N/kg]5.52±0.02
3.27±0.01
0.79±0.02
n/a
Vor­fuß­last [N/kg]4.03±0.01
6.17±0.01
 10.37±0.05
n/a
Tab. 1 Raum-Zeit-Para­me­ter sowie Maxi­ma für die Zeit­rei­hen der sagit­ta­len Kine­ma­tik (Gelenk­win­kel [°]), Kine­tik (Gelenk­mo­men­te [Nm/kg]) und Last­ver­tei­lung ([N/kg]) der pro­xi­ma­len Ket­te für die betrof­fe­ne Sei­te in den ver­schie­de­nen Ver­sor­gun­gen; 1 — Gelenk­win­kel; 2 — Gelenk­mo­ment; 3 — Bewegungsausmaß.

 

  1. Kirt­ley C. Cli­ni­cal gait ana­ly­sis: theo­ry and prac­ti­ce. Edin­burgh: Else­vier, Chur­chill Living­stone, 2006: 316
  2. Per­ry J, Burn­field JM. Gait ana­ly­sis: nor­mal and patho­lo­gi­cal func­tion. 1st edi­ti­on. Tho­ro­fa­re, NJ: Slack Incor­po­ra­ted, 1992
  3. Grei­temann B, Brück­ner L, Schä­fer M, Baum­gart­ner R. Ampu­ta­ti­on und Pro­the­sen­ver­sor­gung. 4., voll­stän­dig über­ar­bei­te­te Auf­la­ge. Stutt­gart, New York: Thie­me Ver­lag, 2016
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