Fach­li­cher Aus­tausch auf Ein­la­dung des BMAB-Beirats

Der Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e. V. (BMAB) hatte zur akademischen Unterstützung im Frühjahr 2019 einen Wissenschaftlichen Beirat ins Leben gerufen. Sein Vorsitzender Dr. med Ralf-Achim Grünther lud im Dezember gemeinsam mit dem BMAB-Präsidenten Dieter Jüptner zum fachlichen Austausch ein.

Jüpt­ner berich­te­te über die Belas­tung in der Coro­na-Pan­de­mie, in der alle Akti­vi­tä­ten des Bun­des­ver­ban­des vom Jugend­camp über Fort­bil­dungs- bis hin zur Peer-Review-Ver­an­stal­tung 2020 aus­fal­len muss­ten, aber in die­sem Jahr fort­ge­führt wer­den sollen.

Anzei­ge

Dr. Grün­ther berich­te­te über die Akti­vi­tä­ten der Arbeits­grup­pe „Exo­PRD oder AmpuRD“ des Exper­ten­bei­ra­tes, wel­cher in enger Koope­ra­ti­on mit dem Met­Ko-Zen­trum Hei­del­berg-Stutt­gart in der Erar­bei­tung von Regis­ter­struk­tu­ren für Men­schen mit Bein­am­pu­ta­ti­on ein­ge­bun­den ist. Der Ver­such Grün­thers einer ers­ten Erhe­bung von Daten mit 5 Sani­täts­häu­sern aus Nord­rhein-West­fa­len war im Janu­ar 2020 ange­sto­ßen wor­den. Anfäng­lich betei­lig­ten sich noch drei Sani­täts­häu­ser, wovon nach drei Mona­ten nur noch ein Sani­täts­haus übrig­blieb, wel­ches allein Daten von Men­schen mit Ampu­ta­ti­on sand­te. „Die Moti­va­ti­on der OT scheint äußerst schwie­rig“, so sei­ne Schluss­fol­ge­rung. Im Hin­blick auf die Medi­cal Device Regu­la­ti­on (MDR) sei­en die Not­wen­dig­kei­ten einer adäqua­ten Daten­er­he­bung und ‑doku­men­ta­ti­on noch nicht selbst­ver­ständ­lich, obwohl der Ver­sor­gungs­all­tag auch heu­te schon eine gute Doku­men­ta­ti­on for­dert – Hier sei also noch Auf­klä­rung not­wen­dig. Ziel der Exo­PRD-Arbeits­grup­pe ist es, in gemein­sa­mer Abstim­mung mit der AG MDR der Deut­schen Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e. V. (DGIHV) einen bun­des­ein­heit­li­chen Erhe­bungs­bo­gen mit einem mini­ma­len Daten­satz von etwa 50 Fra­gen zu erstel­len, ohne zusätz­li­che Arbeit für die Sani­täts­häu­ser zu erzeu­gen. Die Deut­sche Gesell­schaft für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie (DGOU) hat ange­bo­ten, die­ses Regis­ter in die Regis­ter­for­schung des Ver­ban­des auf­zu­neh­men. Damit wäre die Tech­ni­sche Ortho­pä­die noch­mals enger in der Fach­ge­sell­schaft für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie eingebunden.

„AMP Kom­pass“: Sche­ma zur Doku­men­ta­ti­on des Versorgungsprozesses

Wie erfolg­rei­che Koope­ra­tio­nen und geleb­te Struk­tu­ren zwi­schen Ärz­ten, The­ra­peu­ten und der Ortho­pä­die-Tech­nik aus­se­hen könn­ten, stell­te Dipl.-Ing. Mer­kur Ali­mus­aj mit dem durch das Baden-Würt­tem­ber­gi­sche Minis­te­ri­um für Sozia­les und Inte­gra­ti­on geför­der­ten Pro­jekt „AMP Kom­pass“ vor. Hier han­delt es sich um ein seit 2020 lau­fen­des Pro­jekt, basie­rend auf jah­re­lan­gen Vor­ar­bei­ten zur Erar­bei­tung digi­ta­ler Werk­zeu­ge für die Ver­sor­gungs­er­fas­sung der Tech­ni­schen Ortho­pä­die der Uni­kli­nik Hei­del­berg in Zusam­men­ar­beit mit dem Fraun­ho­fer IPA aus Stutt­gart in ihrem Ver­bund­netz­werk Met­Ko-Zen­trum. Es soll für das Fach ein im kli­ni­schen All­tag anwend­ba­res, vali­des und umfas­sen­des Sche­ma zur Doku­men­ta­ti­on des Ver­sor­gungs­pro­zes­ses von bein­am­pu­tier­ten Men­schen ent­ste­hen. Dafür ist ein digi­ta­les Doku­men­ta­ti­ons­werk­zeug zur Ver­net­zung von Pati­en­ten zu schaf­fen. Die betei­lig­ten Berufs­grup­pen der ein­zel­nen Sek­to­ren sind sowohl im Hin­blick auf ein Regis­ter als auch unter Berück­sich­ti­gung der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te zu inte­grie­ren. Der AMP-Kom­pass, als Basis,  soll es mit­tel­fris­tig ermög­li­chen, die ambu­lant erbrach­ten Leis­tun­gen struk­tu­riert im Netz­werk zu erfas­sen und zu bewer­ten, die Ver­net­zung zwi­schen ambu­lan­ten Leis­tungs­er­brin­gern (Haus­arzt, Phy­sio­the­ra­pie, Ortho­pä­die­tech­nik) zu ermög­li­chen und die Ver­sor­gungs­qua­li­tät in Abhän­gig­keit von pati­en­ten­spe­zi­fi­schen Fak­to­ren und in Bezug auf Inklu­si­on und Teil­ha­be zu erhe­ben. Die Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on soll im Sin­ne einer Nach­be­ob­ach­tung, wie sie auch in der MDR gefor­dert wird, durch Stich­pro­ben bei Pati­en­ten und den vor­ge­nann­ten Leis­tungs­er­brin­gern bewer­tet wer­den. Ziel muss es sein, eine Doku­men­ta­ti­on zu haben, die kos­ten­trä­ger­un­ab­hän­gig anzu­wen­den ist – denn trotz aller Not­wen­dig­kei­ten fehlt es der­zeit eben an die­sen Struk­tu­ren, um sowohl regu­la­to­ri­schen Anfor­de­run­gen als auch not­wen­di­gen Qua­li­täts­stan­dards in der Ver­sor­gung struk­tu­riert ent­spre­chen zu können.

Dr. Urs Schnei­der, Julia Block und Urban Daub, eben­falls im MeT­Ko-Zen­trum enga­giert, berich­te­ten über die wei­ter­füh­ren­den Akti­vi­tä­ten rund um AMP-Kom­pass. Das ange­streb­te Fol­ge­pro­jekt mit dem Arbeits­ti­tel: „MeT­Ko und Pla­nung eines Ver­sor­gungs­re­gis­ters für Ampu­tier­te“ unter Betei­li­gung des Fraun­ho­fer IPA Stutt­gart gemein­sam mit der ortho­pä­di­schen Uni­ver­si­täts­kli­nik Hei­del­berg und mit För­de­rung durch das Land Baden-Würt­tem­berg soll ein Regis­ter für die siche­re, sys­te­ma­ti­sche, pro­spek­ti­ve Erfas­sung pseud­ony­mi­sier­ter Daten über die Behand­lung und Ver­sor­gung von Men­schen mit Ampu­ta­ti­on wer­den – eine For­de­rung, die der BMAB schon seit Jah­ren an das Fach stellt.

Ralf Rensing­hoff von der Deut­schen Gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung (DGUV) sieht ins­be­son­de­re beim The­men­feld der Osteo­in­te­gra­ti­on die drin­gen­de Not­wen­dig­keit der Inte­gra­ti­on in das DRG-Sys­tem, da es sich bei die­ser Ampu­ta­ti­ons­tech­nik um die Implan­ta­ti­on eines Kraft­trä­gers in einen Kno­chen han­delt, ent­spre­chend der Implan­ta­ti­on eines künst­li­chen Gelen­kes. Ohne Inte­gra­ti­on ist die­ser ope­ra­ti­ve Ein­griff DRG-mäßig nicht abre­chen­bar. Dies zeigt, dass auch im Bereich der sta­tio­nä­ren wie auch reha­bi­li­ta­ti­ven Ver­sor­gung drin­gend nach­ge­ar­bei­tet wer­den muss.

For­schungs­da­ten­bank auf den Weg gebracht

Prof. Dr. Bern­hard Grei­temann konn­te per­sön­lich nicht am Video-Mee­ting teil­neh­men, stell­te dem Bei­rat aller­dings eine Prä­sen­ta­ti­on der DGIHV zur Ver­fü­gung, die in Koope­ra­ti­on mit der Ver­ei­ni­gung Tech­ni­sche Ortho­pä­die (VTO) eine For­schungs­da­ten­bank zur Abbil­dung von For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten in den Berei­chen Ampu­ta­ti­ons­chir­ur­gie, Ortho­pä­die-Tech­nik, Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik, Reha­bi­li­ta­ti­on, Aus­bil­dung, Kom­po­nen­ten- und Werk­stoff­tech­nik, IT-Lösun­gen und wei­te­re auf den Weg gebracht hat. Ziel ist eine Netz­werk­ak­ti­vi­tät der For­schungs­grup­pen. Die DGIHV will wei­ter­hin mit der VTO eine Lite­ra­tur­da­ten­bank mit wesent­li­cher, aktu­el­ler Lite­ra­tur aus dem Fach­ge­biet erstellen.

In der wei­te­ren Dis­kus­si­on stell­te Rechts­an­walt Ralf Mül­ler-Päu­ker neue Ent­wick­lun­gen in der Recht­spre­chung dar. Unter ande­rem ging er auf die Recht­spre­chung zur Ver­ord­nung von Sport­pro­the­sen ein. Nach einer rechts­kräf­ti­gen Ent­schei­dung des LSG Bay­ern besteht in einem gewis­sen Umfang auch für Kran­ken­ver­si­cher­te Anspruch auf Aus­stat­tung mit einer Sport­pro­the­se (nicht jedoch für den Ver­eins­sport). Inso­weit ergeht ein Appell an die Ver­ord­ner und Leis­tungs­er­brin­ger, Sport­pro­the­sen wie­der mehr bei den Ver­sor­gungs­pro­zes­sen zu berücksichtigen.

Abge­run­det wur­de die Ver­an­stal­tung mit einem Bei­trag von Ste­phan Pan­ning, der die Erstel­lung einer Lis­te von Psy­cho­the­ra­peu­ten für Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen vor­stell­te. Die­se Über­sicht soll den Zugang von Betrof­fe­nen zu spe­zi­el­len Psy­cho­the­ra­pie­an­ge­bo­ten erleich­tern. Nach Ansicht der Teil­neh­mer gera­de im Hin­blick auf die hohen psy­cho­so­zia­len Kom­po­nen­ten nach einer Ampu­ta­ti­on mehr als sinn­voll und gera­de­zu über­fäl­lig. Eine Ver­öf­fent­li­chung auf der Home­page des BMAB e. V. ist in Kür­ze geplant.

Fazit: Nach jedem Vor­trag wur­de eine aus­gie­bi­ge und sehr enga­gier­te Dis­kus­si­on von allen Teil­neh­mern geführt, im Beson­de­ren wur­de immer wie­der Bezug auf die MDR genom­men, wel­che ab dem 26. Mai 2021 ihre zwin­gen­de Anwend­bar­keit erlangt. Im Rah­men der MDR sind die Leis­tungs­er­brin­ger ver­pflich­tet, kli­ni­sche Bewer­tun­gen und Nach­prü­fun­gen wäh­rend des Nut­zungs­zeit­rau­mes sicher­zu­stel­len und zu doku­men­tie­ren. Bei die­ser Umset­zung wäre das oben erwähn­te Regis­ter auch im Sin­ne einer nach­hal­ti­gen und zukunfts­si­chern­den Maß­nah­me von unschätz­ba­rem Wert – so das gemein­sa­me Fazit der Gruppe.

Dipl.-Ing. Mer­kur Ali­mus­aj (Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Heidelberg)

Dr. med. Ralf-Achim Grün­ther (Bei­rat BMAB)

 

 

Tei­len Sie die­sen Inhalt