Ein Phan­tom-Sti­mu­la­tor für ampu­tier­te Gliedmaßen

A. Meier-Koll
Die Amputation einer Extremität unterbricht Nervenbahnen, die im somatosensorischen Rindenfeld der gegenseitigen Hirnhälfte enden. Infolgedessen zerfallen Synapsen an den Zielneuronen. Sie werden von neuen ersetzt, die Nervenfasern aus benachbarten Zonen des somatosensorischen Feldes anlegen. So können beispielsweise nach der Amputation des rechten Fußes Fasern, die vom Handfeld der linken Hirnrinde ausgehen, in deren Fußfeld eindringen und dort neue Synapsen bilden. Berührungen umschriebener Hautzonen der rechten Hand lösen dann Phantomempfindungen für bestimmte Teile des verlorenen Fußes aus. An zwei beinversehrten Männern ließen sich derartige Phantomempfindungen auch mittels bipolarer elektrischer Reizungen entsprechender rezeptiver Felder der Haut anregen. Mithilfe eines tragbaren Impulsgenerators, der von je einem Kontaktsensor im Ballen- und Fersenteil einer Schuhsohle gesteuert wurde, konnten bei beiden Amputierten entsprechende rezeptive Felder gereizt und Phantomempfindungen für Ballen und Ferse im Takt ihres Schrittes ausgelöst werden. Der beschriebene Phantomstimulator kann bei Amputierten eingesetzt werden, die entsprechende rezeptive Felder aufweisen.

Ein­lei­tung

Per­so­nen, die infol­ge einer Ampu­ta­ti­on eine Extre­mi­tät ver­lo­ren haben, emp­fin­den oft, als sei die­se noch vor­han­den und füh­len sogar, sie könn­ten deren Tei­le bewe­gen. Oft schmerzt das Phan­tom­glied, obgleich die Wun­de des Ampu­ta­ti­ons­stump­fes ver­heilt ist. Sol­che Phan­tom­wahr­neh­mun­gen kor­re­lie­ren mit einer syn­ap­ti­schen Reor­ga­ni­sa­ti­on des betrof­fe­nen soma­to­sen­so­ri­schen Funk­ti­ons­fel­des der Hirn­rin­de, die sich anhand magne­toen­ce­pha­logra­fi­scher Ver­fah­ren abbil­den lässt 1 2. Bei­de Hirn­hälf­ten besit­zen je ein Rin­den­feld, des­sen Neu­ro­ne Pro­zes­se betrei­ben, die das Bewusst­sein für den Kör­per und sei­ner Tei­le her­vor­brin­gen. An sol­chen Neu­ro­nen enden Ner­ven­bah­nen, die von bestimm­ten Tei­len des Kör­pers aus­ge­hen. Jedes die­ser soma­to­sen­so­ri­schen Neu­ro­ne ist folg­lich mit einer bestimm­ten Stel­le des Kör­pers ver­bun­den. So wird jede Kör­per­hälf­te vom Schei­tel bis zur Soh­le in ver­klei­ner­ter Form als Humun­ku­lus auf dem soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­strei­fen der kon­tra­la­te­ra­len Hirn­hälf­te abge­bil­det 3.

Anzei­ge

Berüh­rungs­rei­ze an Hand, Arm oder Bein lösen Ner­ven­im­pul­se aus, die an Hand‑, Arm- oder Bein­neu­ro­nen der Hirn­rin­de ein­tref­fen und dort die Emp­fin­dung für die genann­ten Kör­per­tei­le aus­lö­sen. Die Ampu­ta­ti­on einer Extre­mi­tät unter­bricht Ner­ven­bah­nen, die von ihr aus­ge­hen und an den ent­spre­chen­den Ziel­neu­ro­nen der Hirn­rin­de enden. Folg­lich kom­men dort kei­ne Ner­ven­im­pul­se mehr an. Die nicht mehr akti­vier­ten Syn­ap­sen, an denen die unter­bro­che­nen Ner­ven­bah­nen enden, zer­fal­len. Das Rin­den­feld, wel­ches der ampu­tier­ten Extre­mi­tät zuge­ord­net war, liegt brach. In die­ses Feld kön­nen End­aus­läu­fer von Ner­ven­bah­nen ein­drin­gen, die nor­ma­ler­wei­se in einem benach­bar­ten Rin­den­feld enden 4 5 6. Ihre weit ver­zwei­gen­den End­aus­läu­fer bil­den mit den unge­nutz­ten Neu­ro­nen des brach­lie­gen­den Bezir­kes neue Syn­ap­sen. Daher kön­nen Ner­ven­bah­nen, die bei­spiels­wei­se von der Hand einer bein­am­pu­tier­ten Per­son aus­ge­hen und im Hand­feld der soma­to­sen­so­ri­schen Hirn­rin­de enden, ihre Ner­ven­im­pul­se über seit­li­che Ver­zei­gun­gen in das benach­bar­te, brach­lie­gen­de Feld der „Bein­neu­ro­ne“ wei­ter­lei­ten. Dem­entspre­chend ver­mö­gen Berüh­run­gen und tak­ti­le Rei­ze mit­hil­fe von Pin­seln oder Bürs­ten an Stel­len der gleich­sei­ti­gen Hand Phan­tom­wahr­neh­mun­gen unter­schied­li­cher Tei­le des ampu­tier­ten Bei­nes aus­zu­lö­sen. Sol­che Stel­len las­sen sich als rezep­ti­ve Fel­der der Phan­tom­sti­mu­la­ti­on auf der Haut kar­tie­ren. Wel­che End­ver­zwei­gun­gen in ein brach­lie­gen­des soma­to­sen­so­ri­sches Funk­ti­ons­feld der Hirn­rin­de aus des­sen Nach­bar­schaft ein­drin­gen und neue Kon­tak­te mit den unge­nutz­ten Neu­ro­nen schlie­ßen, unter­liegt offen­sicht­lich dem Zufall. Daher las­sen sich Phan­tom­emp­fin­dun­gen für eine ampu­tier­te Extre­mi­tät bei ver­schie­de­nen Ampu­tier­ten auch von indi­vi­du­ell unter­schied­li­chen rezep­ti­ven Fel­dern der Kör­per­ober­flä­che anregen.

Ein Schü­ler des Autors (M. S.) hat­te im Alter von 25 Jah­ren sei­nen rech­ten Fuß und Tei­le des Unter­schen­kels bei einem Ver­kehrs­un­fall ein­ge­büßt. Seit­dem trägt er eine Bein­pro­the­se. Als ihn ein­mal sei­ne Kat­ze an der rech­ten Hand leck­te, fühl­te sich dies an, als habe er wie­der ein intak­tes Bein anstel­le sei­ner Pro­the­se. Die­se Beob­ach­tung ver­an­lass­te die vor­lie­gen­de Studie.

Metho­de

Vor­ver­su­che

Mit­hil­fe eines Aqua­rell­pin­sels wur­de die Innen- und Außen­sei­te der rech­ten Hand und des Unter­ar­mes des Pro­ban­den über­stri­chen. Auf die­se Wei­se lie­ßen sich meh­re­re rezep­ti­ve Fel­der abgren­zen, von denen Phan­tom­emp­fin­dun­gen bestimm­ter Tei­le sei­nes ver­lo­re­nen Fußes aus­zu­lö­sen waren. Ihre Gren­zen wur­den mit­hil­fe eines Fett­stifts auf die ent­spre­chen­den Haut­zo­nen gezeich­net. In digi­ta­len Auf­nah­men lie­ßen sich die­se Fel­der mit­hil­fe einer Pho­to­shop-Funk­ti­on anhand unter­schied­li­cher Schraf­fu­ren und Grau­tö­ne her­vor­he­ben (Abb. 1). In der Han­din­nen­flä­che fand sich ein rezep­ti­ves Feld für den rech­ten Bal­len und die rech­te Fer­se. Tak­ti­le Rei­ze zwi­schen die­sen bei­den Fel­dern lös­ten Emp­fin­dun­gen eines rech­ten Fuß­ge­wöl­bes aus. An Dau­men und klei­nem Fin­ger fand sich je ein rezep­ti­ves Feld für die gro­ße und klei­ne Zehe. Die Außen­sei­te der Hand wies drei rezep­ti­ve Fel­der für Sprung­ge­lenk, Fuß­rü­cken und gro­ßen Zeh auf.

In Vor­ver­su­chen stell­te sich her­aus, dass auch elek­tri­sche Span­nungs­im­pul­se eines Funk­ti­ons­ge­ne­ra­tors, die durch klein­flä­chi­ge Elek­tro­den an die bezeich­ne­ten Stel­len der rech­ten Hand gelei­tet wur­den, Phan­tom­emp­fin­dun­gen der ent­spre­chen­den Stel­len des rech­ten Fußes aus­lös­ten. Wirk­sam waren bipo­la­re elek­tri­sche Rei­zun­gen, für die je ein Paar fla­che Elek­tro­den in jedes der bei­den rezep­ti­ven Fel­der für Bal­len und Fer­se geklebt wur­de. Auf sie wur­den Seri­en von Recht­eck- oder Säge­zahn­im­pul­sen zwi­schen fünf bis zehn Volt und einer Fre­quenz von 70 Impul­sen pro Sekun­de gelei­tet. Wur­de die Han­din­nen­flä­che im rezep­ti­ven Feld nahe der Hand­wur­zel gereizt, stell­te sich sogleich die Emp­fin­dung einer rech­ten Fer­se ein. Dage­gen ver­ur­sach­ten elek­tri­sche Impul­se im rezep­ti­ven Feld ent­lang der Fin­ger­grund­ge­len­ke die Emp­fin­dung eines rech­ten Ballens.

Pro­to­typ eines Phantomstimulators

Nach die­sen Vor­ver­su­chen wur­de ein trag­ba­rer, bat­te­rie­ge­speis­ter Impuls­ge­ne­ra­tor gebaut. Ver­bun­den mit den bei­den auf die rezep­ti­ven Fel­der der Han­din­nen­flä­che gekleb­ten Elek­tro­den- Paa­ren, konn­te er am rech­ten Unter­arm oder wahl­wei­se am Gür­tel getra­gen wer­den. Das Gefühl, mit Bal­len und Fer­se zu schrei­ten, soll­te sich ein­stel­len, wenn deren Phan­tom­emp­fin­dun­gen gemäß der Schritt­fol­ge aus­ge­löst wer­den. Daher wur­den zwei Kon­takt­sen­so­ren in die Soh­le des rech­ten Schuhs der Ver­suchs­per­son ein­ge­las­sen, den er dem Fuß sei­ner Bein­pro­the­se anzog (Abb. 2). Mit dem Schlie­ßen und Öff­nen die­ser Kon­takt­sen­so­ren wur­den die zu den bei­den rezep­ti­ven Fel­dern der Han­din­nen­flä­che füh­ren­den Strom­krei­se des Impuls­ge­ne­ra­tors geschal­tet oder unterbrochen.

Die Ver­bin­dungs­ka­bel zwi­schen den Druck­sen­so­ren der Schuh­soh­le und dem Impuls­ge­ne­ra­tor konn­ten durch das Hosen­bein geführt wer­den, doch wur­de die­se Ver­ka­be­lung als stö­rend emp­fun­den. Daher wur­den die von den Druck­sen­so­ren aus­ge­hen­den Kabel zu einem klei­nen Sen­de­ge­rät gelei­tet, das unter­halb des Pro­the­sen­schafts befes­tigt war. Dem­entspre­chend wur­de der trag­ba­re Impuls­ge­ne­ra­tor um einen Emp­fän­ger ergänzt. So konn­ten die bei­den Strom­krei­se der rezep­ti­ven Fel­der für Bal­len und Fer­se mit­hil­fe einer Funk­brü­cke von den betä­tig­ten Druck­sen­so­ren geschlos­sen und geöff­net werden.

Ergeb­nis­se

Wäh­rend der Pro­band mit dem Phan­tom­sti­mu­la­tor umher­lief, schlos­sen und öff­ne­ten sich die Kon­takt­sen­so­ren unter dem Pro­the­sen­fuß im Takt des Schrit­tes. Dem­entspre­chend wur­den die pal­ma­ren rezep­ti­ven Fel­der sei­ner rech­ten Hand elek­trisch sti­mu­liert und lös­ten gemäß sei­ner Schritt­fol­ge Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Bal­len und Fer­se aus. Dabei gin­gen die­se Phan­tom­emp­fin­dun­gen der­art inein­an­der über, dass er den Ein­druck hat­te, wie­der mit einem intak­ten rech­ten Bein zu schrei­ten. Infol­ge­des­sen war es ihm auch mög­lich, sei­ne Pro­the­se so zu belas­ten, dass Gang­bild und Hal­tung ver­bes­sert wur­den. Als der Phan­tom­sti­mu­la­tor nach unge­fähr einer hal­ben Stun­de abge­nom­men wur­de, hielt die Phan­tom­emp­fin­dung eines intak­ten Bei­nes mit Bal­len und Fer­se noch für eine Stun­de an.

Der Phan­tom­sti­mu­la­tor konn­te an einem zwei­ten, 48-jäh­ri­gen Bein­am­pu­tier­ten (D. L.) erprobt wer­den. In des­sen lin­kem Bein hat­te sich eine all­ge­mei­ne Nekro­se unbe­kann­ter Ursa­che aus­ge­brei­tet, die vor unge­fähr zwei Jah­ren eine Ampu­ta­ti­on weni­ge Zen­ti­me­ter ober­halb des Knies erfor­der­lich mach­te. Seit die­ser Ampu­ta­ti­on litt D. L. an star­ken Phan­tom­schmer­zen, die er mit einer Rei­he ora­ler Prä­pa­ra­te zu lin­dern such­te, ohne sie je ganz aus­lö­schen zu kön­nen. Er fühl­te, als hal­te ein Mus­kel­krampf sein lin­kes Bein fort­wäh­rend extrem gebeugt. Die­se schmerz­haf­te Beu­ge­hal­tung sei­nes Phan­tom­bei­nes wur­de anhal­tend von einem bren­nen­den Pri­ckeln ver­stärkt. Die Phan­tom­emp­fin­dung eines extrem gebeug­ten Bei­nes bestand auch, wenn er mit sei­ner Bein­pro­the­se lief und ver­wehr­te ihm das Gefühl, die­se nor­mal belas­ten zu können.

An der dor­sa­len Sei­te des lin­ken Unter­ar­mes die­ses Ampu­tier­ten wur­den rezep­ti­ve Fel­der gefun­den, von denen sich Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Tei­le sei­nes Bei­nes sowohl tak­til als auch mit­hil­fe elek­tri­scher Impuls­strö­me aus­lö­sen lie­ßen, für die Span­nun­gen zwi­schen 20 und 30 Volt gewählt wer­den muss­ten (Abb. 3).

Eine Haut­zo­ne war als gemein­sa­mes rezep­ti­ves Feld der Achil­les­seh­ne und der Fer­se zuge­ord­net, das ande­re allen fünf Zehen und dem Bal­len des Phan­tom­fu­ßes. Bei­de Fel­der trenn­te ein schma­ler Strei­fen, des­sen tak­ti­le oder elek­tri­sche Rei­zung die schmerz­haf­te Fle­xi­on zuguns­ten einer nor­ma­len Stre­ckung des Phan­tom­bei­nes auf­hob. Daher wur­de ein Elek­tro­den­paar auf die­sen Haut­strei­fen geklebt, das ande­re auf das rezep­ti­ve Feld von Achil­les­seh­ne und Fer­se. Der Strom­kreis des ers­ten Elek­tro­den­paa­res wur­de von einem Kon­takt­sen­sor im Bal­len­be­reich, das zwei­te von einem Kon­takt­sen­sor im Fer­sen­teil der lin­ken Schuh­soh­le gesteu­ert. Mit­hil­fe des der­art ein­ge­stell­ten Phan­tom­ge­ne­ra­tors wur­de die schmerz­haf­te Fle­xi­on des Phan­tom­bei­nes in eine Stre­ckung über­führt, sodass der Pro­band ohne Schmer­zen umher­lau­fen und den Boden unter sei­ner Pro­the­se spü­ren konn­te. Als nach einem Spa­zier­gang von ein­ein­halb Stun­den der Phan­tom­sti­mu­la­tor abge­nom­men wur­de, emp­fand er für meh­re­re Stun­den, als besä­ße er ein intak­tes lin­kes Bein. Über­dies blie­ben sei­ne Phan­tom­schmer­zen auf ein erträg­li­ches Maß redu­ziert, sodass er sei­ne Schmerz- und Ein­schlaf­mit­tel für zwei Tage abset­zen konnte.

Dis­kus­si­on

Die ein­lei­tend ange­führ­ten Bele­ge für eine neu­ro­na­le Reor­ga­ni­sa­ti­on des soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­des nach Deaf­fe­ren­zie­rung einer Extre­mi­tät erklä­ren die Anla­ge rezep­ti­ver Haut­fel­der, deren Rei­zung Phan­tom­emp­fin­dun­gen von Tei­len der ver­lo­re­nen Extre­mi­tät aus­löst. Da es sich hier um eine all­ge­mei­ne neu­ro­bio­lo­gi­sche Reak­ti­on auf eine Ampu­ta­ti­on han­delt, ist die Hoff­nung begrün­det, rezep­ti­ve Fel­der, wie sie bei den hier beschrie­be­nen Per­so­nen ange­trof­fen wur­den, auch bei ande­ren Ampu­tier­ten auf­zu­fin­den. Mit­hil­fe elek­tri­scher Reiz­im­pul­se kön­nen dann Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Tei­le der ver­lo­re­nen Extre­mi­tät aus­ge­löst wer­den. Es kann jedoch nicht vor­aus­ge­sagt wer­den, ob und wo jeweils sol­che rezep­ti­ven Fel­der infol­ge einer Reor­ga­ni­sa­ti­on des ent­spre­chen­den soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­des ange­legt wer­den. Ähn­lich den bei­den genann­ten Per­so­nen M. S. und D. L. dürf­te sich die Mehr­heit von Men­schen mit Ampu­ta­tio­nen nicht bewusst sein, sol­che rezep­ti­ven Fel­der zu besit­zen. M. S. wur­de erst­mals dar­auf auf­merk­sam, als ihm sei­ne Kat­ze die rech­te Hand leckte.

Um das hier beschrie­be­ne Ver­fah­ren all­ge­mein für Ampu­tier­te nutz­bar zu machen, müs­sen deren indi­vi­du­el­le rezep­ti­ve Fel­der anhand tak­ti­ler Rei­ze auf­ge­fun­den und an den ent­spre­chen­den Kör­per­stel­len kar­tiert wer­den. Dann lässt sich der räum­li­chen Anord­nung sol­cher Fel­der ein indi­vi­du­el­les Elek­tro­den-Set anpas­sen, das mit einem trag­ba­ren Funk­ti­ons­ge­ne­ra­tor ver­bun­den wird, des­sen Strom­krei­se von geeig­ne­ten Berüh­rungs- oder Druck­sen­so­ren gesteu­ert wer­den. Es bleibt an einer grö­ße­ren Zahl bein­am­pu­tier­ter Per­so­nen zu prü­fen, inwie­weit der Gebrauch eines Phan­tom­sti­mu­la­tors das Gang­bild und die Kör­per­hal­tung ver­bes­sern und über­dies Phan­tom­schmer­zen lin­dern kann. Bei­de Teil­neh­mer an die­ser Stu­die hat­ten Tei­le einer unte­ren Extre­mi­tät ver­lo­ren und dafür rezep­ti­ve Fel­der erhal­ten, von denen sich ent­spre­chen­de Phan­tom­emp­fin­dun­gen sowohl tak­til als auch elek­trisch aus­lö­sen lie­ßen. Ana­lo­ge rezep­ti­ve Fel­der für Phan­tom­emp­fin­dun­gen von Tei­len einer ampu­tier­ten obe­ren Extre­mi­tät las­sen sich gleich­falls fin­den. Rama­ch­andran und Hir­stein 7 beschrie­ben in ihrem aus­führ­li­chen Bei­trag zur Wahr­neh­mung von Phan­tom­glie­dern u. a. den Fall eines jun­gen Man­nes, der infol­ge eines Motor­rad­un­falls sei­ne rech­te Hand und Tei­le sei­nes Unter­ar­mes ver­lo­ren hat­te. Infol­ge der Deaf­fe­ren­zie­rung von Ner­ven­bah­nen die­ser Hand ließ die syn­ap­ti­sche Reor­ga­ni­sa­ti­on des soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­des sei­ner lin­ken Hirn­hälf­te rezep­ti­ve Fel­der an Haut­zo­nen des rech­ten Ober­ar­mes ent­ste­hen, deren tak­ti­le Rei­zung selek­tiv Phan­tom­emp­fin­dun­gen für ein­zel­ne Fin­ger und die pal­ma­re Hand­flä­che aus­lös­ten. Die­ser Beleg eröff­net die Mög­lich­keit, auch rezep­ti­ve Fel­der für Tei­le einer ampu­tier­ten obe­ren Extre­mi­tät an wei­te­ren Ampu­tier­ten auf­fin­den zu kön­nen. Ähn­lich dem hier beschrie­be­nen elek­tri­schen Phan­tom­sti­mu­la­tor für Tei­le eines Fußes lie­ße sich auch eine Vari­an­te kon­stru­ie­ren, die, gesteu­ert von Kon­takt­sen­so­ren einer Hand­pro­the­se, ent­spre­chen­de Phan­tom­emp­fin­dun­gen für ein­zel­ne Fin­ger oder ande­re Tei­le einer ampu­tier­ten Hand erzeugt.

Mög­li­cher­wei­se bil­den sich infol­ge einer Reor­ga­ni­sa­ti­on der soma­to­sen­so­ri­schen Hirn­rin­de bei einer Viel­zahl kör­per­ver­sehr­ter Per­so­nen rezep­ti­ve Fel­der, deren elek­tri­sche Rei­zung Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Tei­le der ver­lo­re­nen Extre­mi­tät aus­lö­sen kann. Dann könn­te ein dem hier beschrie­be­nen Phan­tom­sti­mu­la­tor ähn­li­ches Sys­tem ein­ge­setzt wer­den. Im Gebrauch mit einer her­kömm­li­chen Bein­pro­the­se könn­te es das Gang­bild und die gesam­te Kör­per­hal­tung ver­bes­sern und damit zur phy­si­schen Reha­bi­li­ta­ti­on ampu­tier­ter Men­schen beitragen.

Hin­weis

Das Deut­sche Patent- und Mar­ken­amt (Mün­chen) hat den beschrie­be­nen Phan­tom­sti­mu­la­tor als Gebrauchs­mus­ter Nr. 20 2011 002 819,4 ein­ge­tra­gen. Seit Abfas­sung des Manu­skripts zum vor­lie­gen­den Bei­trag wur­de von der Fir­ma W+S Meß­sys­te­me GmbH (Spai­chin­gen) eine Null­se­rie von 20 ver­klei­ner­ten, akku­ge­speis­ten Ver­sio­nen des Phan­tom­sti­mu­la­tors her­ge­stellt. Ein Teil die­ser Gerä­te ist bereits seit meh­re­ren Mona­ten erfolg­reich in einem Feld­test an wei­te­ren ober- bzw. unter­schen­kel­am­pu­tier­ten Per­so­nen im Alter zwi­schen 30 und 65 Jah­ren ein­ge­setzt. Teils wei­sen die­se Pro­ban­den ähn­lich den bei­den oben genann­ten Ver­suchs­teil­neh­mern rezep­ti­ve Fel­der an Hand oder Unter­arm auf, teils an Ober­schen­kel oder Ampu­ta­ti­ons­stumpf. Bei einer 28-jäh­ri­gen Pati­en­tin mit link­sei­ti­ger Unter­schen­kel­am­pu­ta­ti­on fan­den sich rezep­ti­ve Fel­der für Zehen, Fer­se und Fuß­rü­cken in glei­cher Anord­nung sowohl am lin­ken Ober­schen­kel als auch am lin­ken Unter­arm. An dem Feld­test neh­men auch bein­am­pu­tier­te Pati­en­ten der Geh­schu­le Iris Heyen (Roß­haup­ten) teil.

Der Autor:
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med.
habil. Alfred Meier-Koll
For­schungs­stel­le für experimentelle
Ergo- und Phy­sio­the­ra­pie an der
pri­va­ten Fach­hoch­schu­le Nordhessen,
Stu­di­en­zen­trum Fried­richs­ha­fen und
Plet­ten­berg­schu­le Ausbildungszentrum
für Phy­sio­the­ra­pie Zollernalbkreis
alfred.meier-koll@plettenbergschule.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
Mei­er-Koll A. Ein Phan­tom-Sti­mu­la­tor für ampu­tier­te Glied­ma­ßen. Ortho­pä­die Tech­nik, 2013; 64 (5): 36–39
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