Easy­preg – ein alter­na­ti­ves Ver­fah­ren zur Her­stel­lung hoch­wer­ti­ger Faserverbünde

O. Knobl
Der Beitrag stellt eine alternative Herstellungsweise für eine Vielzahl von Versorgungen aus Faserverbundwerkstoffen vor, die konventionell mit den Verfahren Vakuum-Infusion oder Prepreg durchgeführt werden. Hier beschrieben wird die Herstellung individueller Orthesen mit dem Easypreg-Faserverbundsystem in einer Vacupress-900-XR-Tiefziehmaschine. Die Fasermaterialien sind mit einer thermoplastischen Matrix vorimprägniert und können unter normalen Bedingungen unbegrenzt lange gelagert werden. Fertige Bauteile lassen sich thermisch nachformen und mit sich selbst verschweißen. Auch eine Kombination der tragenden steifen Strukturen mit einem weichen, gummielastischen Material ist möglich, zum Beispiel, um Druckstellen zu vermeiden.

Ein­lei­tung

Die Faser­ver­bund­tech­no­lo­gie ist ein in der Ortho­pä­die-Tech­nik schon lan­ge eta­blier­tes Ver­fah­ren zur Her­stel­lung leich­ter und gleich­zei­tig hoch­fes­ter Bau­tei­le. Für die­se mecha­ni­schen Vor­tei­le müs­sen in der kon­ven­tio­nel­len Gieß­tech­nik aber auch Nach­tei­le wie Geruchs­be­las­tung und Faser­staub­be­las­tung für den Ver­ar­bei­ter in Kauf genom­men wer­den. Mit dem Easy­preg-Sys­tem steht ein Ver­fah­ren zur Ver­fü­gung, das für den Ver­ar­bei­ter deut­lich weni­ger belas­tend und zudem wenig zeit­auf­wen­dig ist.

Anzei­ge

Das Easy­preg-Ver­fah­ren

In der kon­ven­tio­nel­len Gieß­tech­nik wer­den die Ver­stär­kungs­fa­sern tro­cken auf das Modell auf­ge­bracht. Das hat zur Fol­ge, dass beim Zuschnei­den der Fasern zwangs­läu­fig lose Par­ti­kel in die Atem­luft gelan­gen. Zwar kann man die Par­ti­kel­be­las­tung durch Absaug­vor­rich­tun­gen und per­sön­li­che Schutz­aus­rüs­tung mini­mie­ren, bes­ser wäre es jedoch, wenn die Faser­par­ti­kel erst gar nicht in die Raum­luft gelan­gen wür­den. Beim anschlie­ßen­den Trän­ken der Fasern mit dem Harz wird eine che­mi­sche Reak­ti­on in Gang gesetzt, die eben­falls Par­ti­kel frei­setzt, die als Geruchs­be­las­tung wahr­ge­nom­men werden.

Beim Easy­preg-Ver­fah­ren sind die Faser­ma­te­ria­li­en bereits mit einer ther­mo­plas­ti­schen Co-Poly­amid-Matrix vor­im­prä­gniert. Wäh­rend der Ver­ar­bei­tung fin­det ledig­lich eine phy­si­ka­li­sche, aber kei­ne che­mi­sche Umwand­lung der Matrix statt. Der Faser­vo­lu­men­an­teil ist vom Her­stel­ler bereits opti­mal ein­ge­stellt. Da die­ser Mate­ri­al­kom­plex die Faser bin­det, kann das Halb­zeug ohne gesund­heit­li­che Belas­tung durch Faser­staub mit einer Hand- oder Elek­tro­sche­re zuge­schnit­ten wer­den. Auch die Nach­be­ar­bei­tung ist mit weni­ger Faser­staub ver­bun­den als zum Bei­spiel bei Lami­na­ten aus Epoxid­harz-Pre­preg. Bei Lami­na­ten mit har­ten Kan­ten fin­det das Besäu­men mit einer Stich­sä­ge und einem spe­zi­el­len Stich­sä­ge­blatt statt. Durch die beim Sägen ent­ste­hen­de Rei­bungs­wär­me schmilzt die Matrix und bin­det einen Groß­teil des Faser­staubs in grö­ße­ren Klümp­chen. Des Wei­te­ren kann die Kan­ten­be­ar­bei­tung sehr end­kon­tur­nah erfol­gen, sodass Schleif- und Polier­ar­bei­ten, die sehr viel Faser­staub erzeu­gen, auf ein Mini­mum redu­ziert wer­den. Sol­len die Kan­ten fle­xi­bel aus­lau­fen, so wird dies bereits in die Kon­struk­ti­on ein­be­zo­gen. Hier wird nur im fle­xi­blen Mate­ri­al besäumt, sodass über­haupt kein Faser­staub frei­ge­setzt wer­den kann. In der Regel geschieht dies mit einer gebo­ge­nen mikro­ver­zahn­ten Schere.

Das ein­la­gi­ge Faser­ver­bund-Halb­zeug kann – wie bei der kon­ven­tio­nel­len Gieß­tech­nik gewohnt – in den gewünsch­ten Lagen geschich­tet, aus­ge­rich­tet und lokal ver­stärkt wer­den. Die­se Ein­zel­la­gen, die spä­ter unter Druck und Wär­me mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den, kön­nen zur Erleich­te­rung des Hand­lings mit einem Löt­kol­ben punk­tu­ell anein­an­der fixiert wer­den, sodass für die spä­te­ren Arbeits­schrit­te nur ein ein­zel­nes Teil bewegt wer­den muss.

Ver­ar­bei­tung per Tiefziehmaschine

Um die ein­zel­nen Armie­rungs­la­gen mit­ein­an­der zu einem Lami­nat zu ver­bin­den und in eine drei­di­men­sio­na­le Form zu brin­gen, ist eine Tief­zieh­ma­schi­ne (Vacu­p­ress oder ähn­lich) mit inte­grier­ter Infra­rot­hei­zung erfor­der­lich, wie sie in der Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik stan­dard­mä­ßig ver­wen­det wird. Die­se wird mit einem eigens dafür ent­wi­ckel­ten Zusatz­rah­men ver­se­hen. Das Lami­nat wird zwi­schen zwei spe­zi­el­le Sili­kon­fo­li­en gelegt, über den vor­her beschrie­be­nen Rah­men per­ma­nent ent­lüf­tet und auf die erfor­der­li­che Tem­pe­ra­tur erhitzt.

Der Erwär­mungs­vor­gang wird auf der dem Modell zuge­wand­ten Sei­te an der dicks­ten Stel­le der Armie­rung mit einem Infra­rot-Ther­mo­me­ter kon­trol­liert. Hat das Mate­ri­al sei­ne Ver­ar­bei­tungs­tem­pe­ra­tur erreicht, wird der Tief­zieh­rah­men nach unten über das zuvor gela­ger­te und aus­ge­rich­te­te Modell gefah­ren und arretiert.

Sodann wird ein Vaku­um zwi­schen Modell und Sili­kon­mat­ten incl. Lami­nat ange­legt. Dies soll­te behut­sam erfol­gen, um den Fasern die Mög­lich­keit zu geben, sich drei­di­men­sio­nal aus­zu­rich­ten. Durch die Deh­nung der Sili­kon­mat­te wird dabei dem Gedan­ken, die Fasern unter Zug zu set­zen, Rech­nung getra­gen. Nach der Abkühl­pha­se kann das Bau­teil aus dem Fer­ti­gungs­auf­bau ent­nom­men wer­den. Eine Maxi­mal­be­las­tung des Bau­tei­les soll­te erst nach eini­gen Stun­den erfol­gen, nach­dem die Matrix ihre teil­kris­tal­li­ne Struk­tur wie­der­her­ge­stellt hat.

Ein ther­mo­plas­ti­sches Nach­for­men ist sehr gut mög­lich, da sich die Matrix belie­big oft ver­flüs­si­gen lässt und die Fasern sich neu aus­rich­ten kön­nen, z. B. bei der Besei­ti­gung von Druck­stel­len. Dies soll­te, um ein Del­a­mi­nie­ren zu ver­mei­den, aus­schließ­lich unter Druck erfol­gen. In der Pra­xis geschieht dies ent­we­der in einem Vaku­um­sack aus Sili­kon oder in der Tief­zieh­ma­schi­ne. Im Ergeb­nis erhält man ein Bau­teil, das in Optik und Fes­tig­keit indus­tri­ell gefer­tig­ten Pro­duk­ten entspricht.

Mit dem geschil­der­ten Ver­fah­ren las­sen sich nahe­zu alle ortho­pä­die­tech­ni­schen Bau­tei­le ver­wirk­li­chen. Auch die Ein­ar­bei­tung von Ein­guss ankern für Gelen­ke ist mög­lich, erfor­dert aber ein wenig Erfah­rung. Limi­tie­ren­de Fak­to­ren sind die Grö­ße des Modells im Ver­hält­nis zum zur Ver­fü­gung ste­hen­den Rah­men sowie kom­ple­xe Bau­tei­le mit star­ken Hin­ter­schnei­dun­gen. Eben­so erfor­dern sehr dif­fe­ren­zier­te par­ti­el­le Ver­stär­kun­gen etwas mehr Erfahrung.

Alter­na­ti­ven zum Gipsmodell

Ein Pro­blem bei dem geschil­der­ten Pro­zess ist das Mate­ri­al des ver­wen­de­ten Modells. Im Gegen­satz zur Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik wird in der Ortho­pä­die-Tech­nik meist nicht mit Model­len aus Holz, PUR-Hart­schäu­men, Kork oder ande­ren fes­ten Mate­ria­li­en gear­bei­tet, son­dern mit Gips­mo­del­len und Schaum­pols­te­run­gen, die nicht sehr sta­bil und belast­bar bei Druck sind.

Wer­den Gips­mo­del­le nicht akri­bisch form­schlüs­sig in der Vacu­p­ress gela­gert, kön­nen sie durch den hohen Anpress­druck und die ein­wir­ken­de Hit­ze (180–200 °C) bre­chen. Defi­ni­tiv­pols­te­run­gen erlei­den eben­falls eine star­ke Belas­tung, gera­de wenn nach­träg­lich Form­tei­le, die nicht an einem Stück her­stell­bar sind, mit­ein­an­der ver­schweißt wer­den müssen.

Um Frus­tra­ti­on und Aus­schuss zu ver­mei­den, ist es not­wen­dig, die Modell­her­stel­lung zu über­den­ken. In vie­len Fäl­len kön­nen ein­fa­che Hilfs­mit­tel zur Lage­rung mit in das Modell hin­ein­kon­stru­iert wer­den. Eine wei­te­re Mög­lich­keit besteht dar­in, hohl lie­gen­de Stel­len mit einem Lager­bock aus Gips zu unter­stüt­zen. Im All­tag bewährt hat sich eine etwas auf­wen­di­ge­re, aber gut funk­tio­nie­ren­de Alter­na­ti­ve: Von dem übli­chen Gips­mo­dell, das bereits mit der Defi­ni­tiv­pols­te­rung ver­se­hen ist, wird aus 4 mm Poly­ethy­len ein Nega­tiv­ab­druck erstellt, der mit Hart­schaum 400 aus­ge­füllt wird. Die­ses Modell beinhal­tet somit bereits das Volu­men des Pols­ters und ist wider­stands­fä­hig genug, um die Pres­sung mit Easy­preg aus­zu­hal­ten. Das bedeu­tet zwar auf den ers­ten Blick einen höhe­ren Auf­wand, aber man ris­kiert nicht, das Modell oder das Pols­ter zu beschä­di­gen. Bei Repa­ra­tu­ren oder Fol­ge­ver­sor­gun­gen kann man den Mehr­auf­wand an Zeit wie­der ein­spa­ren. In der Sum­me des Auf­wands ist die­ser Pro­zess wirt­schaft­lich noch ver­tret­bar. Bei sorg­fäl­ti­ger Aus­wahl der Pols­ter­ma­te­ria­li­en ist es auch mög­lich, Easy­preg direkt über dem Defi­ni­tiv­pols­ter zu ver­ar­bei­ten. Bewährt hat sich hier­bei Tepe­fom 20.

Ablauf der Fer­ti­gung einer Unterschenkelorthese

Die nach­fol­gen­de Foto­stre­cke (Abb. 1  bis 8) zeigt exem­pla­risch den prin­zi­pi­el­len Arbeits­ab­lauf für eine Unter­schen­kel­or­the­se auf; die Abbil­dun­gen 9 bis 11 zei­gen wei­te­re Anwen­dungs­bei­spie­le. Wie zu erken­nen ist, sind auch kom­ple­xe­re For­men wie Scha­len- oder Ganz­bein­or­the­sen mit Gelenk­pass­tei­len im Easy­preg-Ver­fah­ren rea­li­sier­bar. Erstaun­lich an die­ser Ver­sor­gung ist, dass sie ohne jeg­li­che Son­der­be­hand­lung der Ein­guss­an­ker wie Umwi­ckeln und Ver­nä­hen mit Ver­stär­kungs­fa­sern aus­kommt. Es scheint, dass die im Arbeits­ab­lauf statt­fin­den­de Zug­span­nung auf die Car­bon­fa­ser enor­mes Poten­zi­al hat – dies ist umso erstaun­li­cher, als es sich um einen rei­nen Form­schluss han­delt, da die Poly­amid­ma­trix kei­ne nen­nens­wer­te Adhä­si­on mit Metal­len aufnimmt.

Fazit

Im Fol­gen­den wer­den abschlie­ßend die Vor- und Nach­tei­le des Ver­fah­rens aufgeführt:

Vor­tei­le

  • ther­mo­plas­tisch
  • schweiß­bar
  • hohe spe­zi­fi­sche Festigkeit
  • wenig zeit­auf­wen­dig
  • wenig Faser­staub­be­las­tung
  • kei­ne Geruchsbelastung
  • unbe­grenz­te Lagerdauer

Nach­tei­le

  • begrenz­te Modellgröße
  • kom­ple­xe For­men mit star­ken Hin­ter­schnei­dun­gen schwie­rig herzustellen
  • Umfang­rei­che, dif­fe­ren­zier­te par­ti­el­le Ver­stär­kun­gen erfor­dern viel Erfahrung.

Ein Umden­ken bzw. ein Mehr­auf­wand bei der Modell­her­stel­lung wird belohnt mit einem Pro­dukt von hoher spe­zi­fi­scher Fes­tig­keit und hoher Ober­flä­chen­qua­li­tät. Beson­ders vor­teil­haft stel­len sich im All­tag die nach­träg­li­chen ther­mo­plas­ti­schen Kor­rek­tur- und Repa­ra­tur­mög­lich­kei­ten dar, die bei den in der Ortho­pä­die-Tech­nik übli­chen Lami­nier­ver­fah­ren nicht mög­lich sind.

Schluss­be­mer­kung

Der Bei­trag kann nur einen ers­ten gro­ben Ein­blick in die ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en und Fer­ti­gungs­tech­ni­ken ver­mit­teln. Auf vie­le Details wur­de zuguns­ten der Über­sicht­lich­keit ver­zich­tet. Um einen sach­ge­rech­ten Umgang mit dem Mate­ri­al und damit auch eine für den Pati­en­ten siche­re Ver­sor­gungs­qua­li­tät zu gewähr­leis­ten, wird eine aus­führ­li­che Pro­dukt­schu­lung drin­gend empfohlen.

Der Autor:
Oli­ver Knobl
Ortho­pä­die­tech­nik Knobl
Lang­gas­se 13
65329 Hohen­stein
ot-oliver-knobl@t‑online.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Knobl O. Easy­preg – ein alter­na­ti­ves Ver­fah­ren zur Her­stel­lung hoch­wer­ti­ger Faser­ver­bün­de. Ortho­pä­die Tech­nik, 2015; 66 (11): 22–25

 

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