Dista­les Kom­pres­si­ons­sys­tem zur Pro­phy­la­xe und The­ra­pie der Weich­teil­deszen­denz bei Nut­zung eines trans­ku­ta­nen osseo­in­te­grier­ten Pro­the­sen­sys­tems – Anwen­dung bei der Ver­sor­gung eines trans­fe­mo­ra­len Amputationsstumpfes

G. Kretschmer
Die Versorgung mit transkutanen osseointegrierten Prothesensystemen (TOPS) kann zu Problemen besonders im Bereich der distalen Weichteile führen. Die Ursache dafür liegt vermutlich im Absinken der Weichteile. Dadurch steigt nicht nur die Infektionsgefahr an den Wundflächen, sondern die Patientinnen und Patienten berichten häufig von postoperativen Beschwerden nach der Wiederherstellung des Weichteil-Stomas (Step 2). Der Autor vermutet, dass diese Schmerzen insbesondere durch das Reiben der instabilen Weichteile am Brückenmodul sowie durch eine fehlende Stumpfkompressionsversorgung hervorgerufen werden. Um diese Beschwerden zwischen den chirurgischen Eingriffen zu vermeiden bzw. zu therapieren, wurde ein distales Kompressionssystem (DKS) entwickelt, das durch einen bestimmten Anpressdruck die Stumpfumgebung des transkutanen Durchgangs stabilisiert. Die Wirksamkeit des DKS wurde zwar bislang noch nicht durch eine Studie belegt, aber die Erfahrungen des Autors mit dem System, das im Folgenden vorgestellt wird, sind vielversprechend.

Ein­lei­tung

Bei den heu­te ver­wen­de­ten trans­kutanen osseo­in­te­grier­ten Pro­the­sen­sys­te­men (TOPS) 1 sind die dista­len Weich­tei­le ohne fes­ten form­schlüs­si­gen End­kon­takt. Die­ser Umstand ver­ur­sacht zwi­schen allen post­ope­ra­ti­ven Ver­sor­gun­gen und bei volu­mi­nö­sen Stümp­fen ein Absin­ken der Weich­tei­le (Abb. 1, Detail 3a). Die aus die­ser soge­nann­ten Weich­teil­deszen­denz resul­tie­ren­den Pro­ble­me kön­nen dif­fe­rie­ren und stö­ren­de Aus­wir­kun­gen auf den gesam­ten Nut­zungs­kom­fort des Pro­the­sen­sys­tems haben 2. Des­halb wur­de von Sei­ten des ver­ant­wort­li­chen Ober­arz­tes, mit dem der Autor zusam­men­ar­bei­tet, die For­de­rung an die ver­sor­gen­de Ortho­pä­die­tech­nik her­an­ge­tra­gen, eine Lösung für die­ses Pro­blem zu fin­den. Der Autor ent­wi­ckel­te da­raufhin ein dista­les Kom­pres­si­ons­sys­tem (DKS), das im Fol­gen­den beschrie­ben wird. Es besteht aus einer Kom­pres­si­ons­scha­le und einem Befes­ti­gungs­ele­ment. Der Grund­ge­dan­ke besteht dar­in, die all­ge­mein indi­zier­te Stumpf­kom­pres­si­ons­ver­sor­gung an die beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen eines osseo­in­te­grier­ten Ampu­ta­ti­ons­stumpfs anzu­pas­sen. Beim DKS wirkt somit ein von distal nach pro­xi­mal jus­tier­ba­rer Anpress­druck auf den osseo­in­te­grier­ten Ampu­ta­ti­ons­stumpf mit sei­nem trans­ku­ta­nen Durch­gang, und zwar mit­tels einer scha­len­för­mi­gen Stumpfaufnahme.

Anzei­ge

Über­le­gun­gen und Zielsetzung

Der beschrie­be­ne Anpress­druck bzw. End­kon­takt ist ins­be­son­de­re nach dem zwei­ten chir­ur­gi­schen Ein­griff (Step 2), bei dem das Weich­teil-Sto­ma (Abb. 2, Detail 4) her­ge­stellt wird, erfor­der­lich. Denn im ers­ten ope­ra­ti­ven Ein­griff (Step 1) gilt es u. a. auch die Mus­kel­strän­ge der ver­än­der­ten Kno­chen­län­ge anzu­pas­sen und die dista­len Mus­kel­schich­ten neu zu prä­pa­rie­ren. Dabei ent­ste­hen in den dista­len Weich­teil­schich­ten ver­schie­den aus­ge­präg­te Häma­to­me (Abb. 2, Detail 4a). Sol­che Häma­to­me wer­den erst nach meh­re­ren Wochen vom Orga­nis­mus rest­los resor­biert. Inner­halb die­ser Pha­se wer­den die dista­len Weich­tei­le für das Sto­ma „durch­locht“; die Fol­ge des­sen ist eine Ver­viel­fa­chung der Wund­flä­che (Abb. 2, Detail 4a), die den Umfang der Kon­ta­mi­nie­rung und der Kolo­ni­sie­rung durch Kei­me erhöht und somit die Infek­ti­ons­ge­fahr in die­sem Are­al signi­fi­kant anstei­gen lässt.

Die Mehr­heit der TOPS-Pati­en­ten, die der Autor ver­sorgt hat, berich­ten von einem deut­li­chen post­ope­ra­ti­ven Sto­ma-Schmerz nach Step 2 bzw. nach einer Sto­ma-Revi­si­on, der wäh­rend der frü­hen Mobi­li­sie­rungs­pha­se auf­trat. Nach Ansicht des Autors wird die­ser Schmerz durch das unkon­trol­lier­te Rei­ben und Ansto­ßen der insta­bi­len Weich­teil­vo­lu­mi­na an der Konus­auf­nah­me („taper ­slee­ve“) bzw. am Brückenmodul/Doppelkonus („abut­ment“) her­vor­ge­ru­fen (Abb. 1 u. 2, Details 5 u. 7). Mit einem dista­len Kom­pres­si­ons­sys­tem, das mit defi­nier­tem Anpress­druck das kon­vex geform­te Stump­fen­de voll­flä­chig auf­nimmt, kön­nen, so die Erfah­rung des Autors, die oben genann­ten Haupt­pro­ble­ma­ti­ken (Weich­teil­deszen­denz und post­ope­ra­ti­ver Sto­ma-Schmerz) ent­we­der weit­ge­hend ver­mie­den oder sinn­voll the­ra­piert wer­den. Die Weich­tei­le in der Umge­bung des trans­ku­ta­nen Durch­gangs wer­den dadurch mul­ti­di­rek­tio­nal sta­bi­li­siert, und eine Aus­deh­nung der Wund­höh­le kann deut­lich ver­rin­gert wer­den. Die zur Epi­the­li­sie­rung des Weich­teil­gangs not­wen­di­ge Rela­tiv­be­we­gung der Weich­tei­le bleibt auch bei einem mode­ra­ten Anpress­druck bestehen. Der Anpress­druck kann zusätz­lich durch Ver­wen­dung von Klemm­schei­ben unter­schied­li­cher Mate­ri­al­stär­ken „ein­ge­stellt“ wer­den (Abb. 1, Detail 3a u. 4b). Zur defi­ni­ti­ven Anwen­dung, ins­be­son­de­re bei unter­schied­li­chen Mate­ri­al­kom­bi­na­tio­nen und/oder sehr indi­vi­du­el­len For­men, wäre einer addi­ti­ven Fer­ti­gung der Vor­zug zu geben.

The­ra­peu­ti­sche Hintergründe

Durch den geziel­ten Andruck auf die dista­len Weich­tei­le, sicher­ge­stellt durch ein DKS, ist die all­ge­mein indi­zier­te Stumpf­kom­pres­si­ons­ver­sor­gung the­ra­peu­tisch kor­rekt mög­lich. Bis­her wirk­te die zir­ku­lä­re Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit einem Stumpf­kom­pres­si­ons­strumpf an einem Ampu­ta­ti­ons­stumpf stark elon­gie­rend, also die Weich­tei­le län­gend und von der Extre­mi­tät weg­zie­hend. Das ist ins­be­son­de­re am osseo­in­te­grier­ten Ampu­ta­ti­ons­stumpf mit einem Weich­teil­tun­nel, dem Sto­ma, kon­tra­pro­duk­tiv. Wird das DKS auch als fina­le, beglei­ten­de Kom­po­nen­te zum Endo-Exo-Pro­the­sen­sys­tem ver­wen­det, also bei Stümp­fen mit den typi­schen Weich­teil­über­hän­gen (Abb. 1, Detail 3a), dann soll­te auch wei­ter­hin ein Stumpf­kom­pres­si­ons­strumpf – nun idea­ler­wei­se in Flachstrick­tech­nik – genutzt wer­den. Dadurch wer­den Haut­ir­ri­ta­tio­nen ver­mie­den und die Schweiß­bil­dung zumin­dest etwas gehemmt. Nur in den sehr sel­te­nen Fäl­len, in denen eine stark atro­phier­te, gering weich­teil­ge­deck­te Stumpf­spit­ze (< 20 mm) besteht, soll­te auf eine post­ope­ra­ti­ve und fina­le Anwen­dung des DKS ver­zich­tet wer­den. Denn ein vita­ler Sto­ma­ka­nal ist gewünscht, und die Haut­ober­flä­che kann frei von Abschir­mung blei­ben. Kon­tra­in­di­ka­tio­nen sind in der post­ope­ra­ti­ven Pha­se nach Step 2 bis­her nicht erfass­bar; ­allein das Schmerz­emp­fin­den durch die zir­ku­lä­re und dista­le Kom­pres­si­on ist ein Indikator.

Bei beson­ders volu­mi­nö­sen, schwe­ren Weich­teil­über­hän­gen ent­ste­hen gele­gent­lich lympha­ti­sche Stau­un­gen, aus denen Sen­si­bi­li­täts­stö­run­gen resul­tie­ren. Mit einer Sti­mu­la­ti­on durch Frik­ti­on und Andruck auf die Haut­ober­flä­che, bei­spiels­wei­se durch das hier vor­ge­stell­te dista­le Kom­pres­si­ons­sys­tem, kann der Stoff­wech­sel ange­regt und eine Desen­si­bi­li­sie­rung der Haut­ober­flä­che erreicht wer­den. Frik­ti­on und Andruck auf die Haut­ober­flä­che haben noch einen wei­te­ren Nut­zen: Sie erzeu­gen eine sen­so­ri­sche Rück­mel­dung der Haut­ner­ven zum Gehirn und tra­gen so zur Ein­däm­mung der Phan­tom­schmer­zen bei. Auf die­ser Erkennt­nis beruht der the­ra­peu­ti­sche Ansatz, inner­halb weni­ger Tage mit einer moder­nen pro­the­ti­schen Inte­rims­ver­sor­gung (d. h. einem Sili­kon­li­ner zur post­ope­ra­ti­ven Kom­pres­si­ons­the­ra­pie und einem Voll­kon­takt­schaft) zu begin­nen. Aller­dings ist die­se schnel­le zeit­li­che Abfol­ge heut­zu­ta­ge auf­grund der zivi­li­sa­to­risch beding­ten Ampu­ta­ti­ons­ur­sa­chen und der damit ein­her­ge­hen­den Kom­or­bi­di­tä­ten (z. B. Wund­hei­lungs­stö­rung, Herz- und Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz) nicht das Stan­dard­pro­ze­de­re. Schnel­le, zufrie­den­stel­len­de pro­the­ti­sche Inte­rims­ver­sor­gun­gen, ins­be­son­de­re bei trans­fe­mo­ra­len und trans­hu­me­ra­len Ampu­ta­tio­nen, sind nur mit einem engen Netz an OT-Werk­stät­ten und mit spe­zia­li­sier­ten Pro­the­sen­tech­ni­ke­rin­nen und ‑tech­ni­kern mög­lich. Daher soll­ten plan­ba­re, kos­ten­re­du­zier­te und effi­zi­en­te Ver­sor­gungs­kon­zep­te ange­wen­det wer­den. Die unter­schied­li­chen trans­ku­ta­nen Pro­the­sen­sys­te­me kön­nen eine sol­che Ver­sor­gungs­form darstellen.

Funk­ti­ons­um­fang und tech­ni­sche Aus­füh­rung des DKS

  1. Zur Her­stel­lung der Scha­len wer­den unter­schied­li­che Kunst­stof­fe ver­wen­det. Das DKS wird bis­her in zwei Grö­ßen, zwei For­men (rund­kon­vex oder oval­kon­vex) und mit unter­schied­li­chen Wöl­bungs­tie­fen gefer­tigt und angewendet.
  2. Das DKS lässt sich ohne ­gro­ßen tech­ni­schen Auf­wand vom Anwen­der bzw. vom Pati­en­ten täg­lich an- und able­gen, auch mehr­mals täg­lich – inklu­si­ve des Stumpf­kom­pres­si­ons­strump­fes mit Hil­fe eines Anzieh­rin­ges (Abb. 4b).
  3. Für die post­ope­ra­ti­ve Bereit­stel­lung sind nach Ansicht des Autors zwei unter­schied­li­che stan­dar­di­sier­te Grö­ßen aus­rei­chend. Die Wöl­bungs­tie­fe der Scha­len kann im wei­te­ren Ver­lauf – je nach Ödem­re­du­zie­rung und Art der Wund­ab­de­ckung – durch Kür­zen ver­rin­gert werden.
  4. Zur defi­ni­ti­ven, dau­er­haf­ten Anwen­dung wur­den in der Werk­statt des Autors Indi­vi­du­al­an­fer­ti­gun­gen mit Hil­fe eines Gips­ab­dru­ckes auf dem zir­ku­lär und distal vor­kom­pri­mier­ten Stumpf vor­ge­nom­men. Die­ser Arbeits­auf­wand ist aller­dings unver­hält­nis­mä­ßig hoch und soll­te zukünf­tig durch zeit­ge­mä­ße Tech­no­lo­gien der Form­er­fas­sung ver­rin­gert werden.
  5. Im Gebrauch ist unbe­dingt ein voll­flä­chi­ger Kon­takt mit der Stumpf­ober­flä­che anzu­stre­ben; der Kon­takt soll nicht rand­stän­dig sein oder punk­tu­ell auf das Sto­ma ein­wir­ken. Die Scha­le des DKS ver­fügt am Boden über eine Boh­rung, die zen­triert oder exzen­trisch gesetzt sein kann. Die Boh­rung weist den Durch­mes­ser des Brü­cken­zy­lin­ders auf. Bei Ver­wen­dung eines alter­na­ti­ven trans­ku­ta­nen osseo­in­te­grier­ten Sys­tems ist der erfor­der­li­che Durch­mes­ser des Brückenmoduls/Doppelkonus/„abutment“ zu bohren.
  6. Die dista­le Kom­pres­si­ons­scha­le ist form­sta­bil (rigi­de bis semi-rigi­de), denn sie muss einem merk­ba­ren, indi­vi­du­ell regu­lier­ba­ren Druck von distal nach pro­xi­mal stand­hal­ten, ohne dass eine grö­ße­re Ver­for­mung auf­tre­ten kann.
  7. Der essen­zi­el­le End­kon­takt bzw. der jus­tier­ba­re Anpress­druck auf die dista­len Weich­tei­le erfolgt durch das Auf­ste­cken unter­schied­lich star­ker Klemm­schei­ben auf das Brückenmodul/den Doppelkonus/das „abut­ment“ (Abb. 3).
  8. Bei eini­gen gefer­tig­ten Ver­sio­nen der dista­len Kom­pres­si­ons­scha­le kann die­se zusätz­lich in pro­xi­ma­ler Rich­tung eine weni­ger rigi­de Rand­fas­sung auf­wei­sen – ent­we­der durch Redu­zie­rung der Mate­ri­al­wan­dung des eigent­li­chen Mate­ri­als oder durch eine Sand­wich-Bau­wei­se (d. h. 1. rigi­de Basis, 2. nach pro­xi­mal fle­xi­ble Scha­le) (Abb. 3, Detail B).
  9. Denk­bar ist außer­dem eine zusätz­lich adap­tier­te Fas­sung an der Kom­pres­si­ons­scha­le des DKS. Die­se Fas­sung ist fle­xi­bel, elas­tisch (bei Ver­wen­dung von Kom­pres­si­ons­tex­ti­li­en, Sili­kon o. Ä.) und reicht bis zur Mit­te der Stumpf­län­ge oder dar­über hin­aus (Abb. 3, Detail B).
  10. Eine indus­tri­el­le Her­stel­lung ist wün­schens­wert. Nicht nur zur post­ope­ra­ti­ven Nut­zung, son­dern ins­be­son­de­re bei Anwen­dung unter­schied­li­cher Mate­ri­al­kom­bi­na­tio­nen und/oder bei sehr indi­vi­du­el­len For­men stellt aus Sicht des Autors eine semi-indus­tri­el­le addi­ti­ve Fer­ti­gung den wirt­schaft­li­che­ren Weg dar.
  11. Bei zer­klüf­te­ten dista­len Stumpf­area­len durch Nar­ben­ein­zü­ge, ver­ur­sacht durch Brand- oder Spreng­ver­let­zun­gen, wäre durch die Anwen­dung indi­vi­du­ell gefer­tig­ter DKS auch eine sti­mu­lie­ren­de Nar­ben­the­ra­pie mit Hil­fe von Son­der-Inlays mög­lich, z. B. mit Gel oder mit Luft­kam­mern, die auch mit inter­mit­tie­ren­der Funk­ti­on ver­se­hen sein kön­nen; die­se Funk­ti­on wird durch die Auf­tritts­ak­ti­vi­tät ermög­licht, die die phy­sio­lo­gi­sche Mus­kel­ar­beit wäh­rend einer Belas­tungs­pha­se nachbildet.
  12. Für das DKS gibt es eine deut­sche Patent­an­mel­dung. Die Offen­le­gungs­schrift wur­de vom Deut­schen Patent- und Mar­ken­amt veröffentlicht.

Exkurs: DKS bei pri­mä­ren Osseo­in­te­gra­tio­nen in der Militärmedizin

Im Kapi­tel „The­ra­peu­ti­sche Hin­ter­grün­de“ wur­de auf­ge­führt, wel­che Bedeu­tung Frik­ti­on und Andruck auf die Haut­ober­flä­che haben und das dadurch die Ent­ste­hung von Phan­tom­schmer­zen beein­träch­tigt wird. In die­sem Zusam­men­hang, also die Ver­mei­dung von Phan­tom­schmer­zen in Ver­bin­dung mit einer Osseo­in­te­gra­ti­on, muss auch auf die Opti­on einer pri­mä­ren Osseo­in­te­gra­ti­on hin­ge­wie­sen wer­den. Pri­mä­re Osseo­in­te­gra­ti­on bedeu­tet die zeit­glei­che oder nur gering­fü­gig zeit­lich ver­setz­te Ein­brin­gung des Femur­im­plan­ta­tes nach einer Ampu­ta­ti­on (hier: trau­ma­tisch) ohne den Umweg über eine schaft­ge­führ­te Exo-Pro­the­se. Der­zeit (Stand: Mai 2022) ist dem Autor jedoch kein ent­spre­chen­der Ver­sor­gungs­fall aus Deutsch­land bekannt, und auch glo­bal wird die­se Ver­sor­gungs­form sicher­lich eine Sel­ten­heit sein. Soll­te aller­dings die aktu­ell nur sehr sel­ten prak­ti­zier­te pri­mä­re Osseo­in­te­gra­ti­on im Zusam­men­hang mit dem Kriegs­ge­sche­hen in der Ukrai­ne ver­stärkt in den Fokus der mili­tär­me­di­zi­ni­schen Betrach­tung gelan­gen, so soll­te die dista­le Kom­pres­si­on aus Sicht des Autors in den ent­spre­chen­den Fäl­len eine Stan­dard­the­ra­pie sein. Auf­grund der Zunah­me von Extre­mi­tä­ten­am­pu­ta­tio­nen in vor­aus­ge­gan­ge­nen mili­tä­ri­schen Kon­flik­ten im Irak und Afgha­ni­stan bei den Sol­da­ten der US-ame­ri­ka­ni­schen und bri­ti­schen Streik­kräf­te 3 4 5 6, der zu erwar­ten­den tau­sen­den neu­en Kriegs­ver­sehr­ten mit Ampu­ta­ti­on und der inzwi­schen vie­ler­orts eta­blier­ten Exper­ti­se in der Endo-Exo-Pro­the­tik wäre eine Neu­ori­en­tie­rung bezüg­lich der pri­mä­ren Osseo­in­te­gra­ti­on ange­zeigt 7. Denn – so die Pro­gno­se des Autors – am Ende des Ukrai­ne-Krie­ges wer­den ver­gleich­bar vie­le, je nach Dau­er und Inten­si­tät des Kon­flikts höchst­wahr­schein­lich sogar sehr viel mehr Ampu­ta­tio­nen zu ver­sor­gen sein. Die­se Ver­sor­gun­gen wer­den nun in Euro­pa und in der Fol­ge dann auch in Ost­eu­ro­pa erfolgen.

Fazit

Zu Beginn des hier vor­ge­stell­ten Pro­jek­tes stand eine ärzt­li­che For­de­rung nach bes­se­rer Sta­bi­li­sie­rung der Weich­tei­le bei einer Osseo­in­te­gra­ti­on. Mit der Ent­wick­lung des DKS ist die Erfül­lung die­ser For­de­rung nach den bis­he­ri­gen Erfah­run­gen des Autors sehr gut mög­lich. Dar­über hin­aus ist zu ver­mu­ten, dass sich damit sogar eine gewis­se Weich­teil­kon­ti­nui­tät wie­der­her­stel­len lässt und dass das vor­schnel­le Absin­ken der Weich­tei­le auf­ge­hal­ten wer­den kann. Dadurch wäre auch eine Sta­gna­ti­on der Sto­ma­ver­en­gung mög­lich (Abb. 1, Detail 3a u. 4b). Einen Nach­weis für die Stich­hal­tig­keit der auf­ge­führ­ten Beob­ach­tun­gen und Ver­mu­tun­gen kann aller­dings nur eine adäqua­te Stu­die erbrin­gen. Eine Anwen­de­r­er­pro­bung mit ver­ein­fach­ter Pro­to­kol­lie­rung wäre ein ers­ter sinn­vol­ler Schritt, um zumin­dest belast­ba­re Pati­en­ten­aus­sa­gen bezüg­lich der Schmerz­re­du­zie­rung zu erhalten.

Der Autor:
Ger­not Kret­schmer, OTM
Pro-Samed Sani­täts­haus e. K.
Greifs­wal­der Stra­ße 154–156
10409 Ber­lin
Gernot.Kretschmer@pro-samed.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Kret­schmer G. Dista­les Kom­pres­si­ons­sys­tem zur Pro­phy­la­xe und The­ra­pie der Weich­teil­deszen­denz bei Nut­zung eines trans­ku­ta­nen osseo­in­te­grier­ten Pro­the­sen­sys­tems – Anwen­dung bei der Ver­sor­gung eines trans­fe­mo­ra­len Ampu­ta­ti­ons­stump­fes. Ortho­pä­die Tech­nik, 2022; 73 (8): 46–50
  1. Schrö­ter P, Mül­ler CH, Oelß­ner B. Trans­ku­ta­ne osseo­in­te­grier­te Pro­the­sen­sys­te­me (TOPS). Ortho­pä­die Tech­nik, 2020; 71 (8): 30
  2. Ran­ker A, Örgel M, Beck JP, Kret­tek C, Asch­off HH. Trans­ku­ta­ne osseo­integrierte Pro­the­sen­sys­te­me (TOPS) zur Ver­sor­gung Ober­schen­kel­am­pu­tier­ter – A Six-Year Retro­s­pec­ti­ve Ana­ly­sis of the Latest Pro­sthe­tic Design in Ger­ma­ny. Reha­bi­li­ta­ti­on (Stuttg), 2020; 59 (6): 357–365. doi: 10.1055/a‑1223–3205
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