Digi­ta­le Fer­ti­gung und E‑Textilien zur Ent­wick­lung von All­tags­hil­fen für Men­schen mit Ampu­ta­ti­on. Eine Fallstudie

A. Cabrera
E-Textilien sind Textilwerkstoffe, in die elektronische Schalt- und Bauelemente integriert werden [Quelle: Hamdan NA, Voelker S, Borchers J. Sketch & Stitch: Interactive Embroidery for E-textiles. Proceedings of the 2018 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 2018; 82: 1–13]. In der Regel handelt es sich dabei um weiche Materialien. E-Textilien können dazu beitragen, insbesondere Kleidung für Menschen mit Beeinträchtigungen zu individualisieren [Quelle: Jones L. A co-design toolkit for wearable e-textiles. Adjunct Proceedings of the 2019 ACM International Joint Conference on Pervasive and Ubiquitous Computing and Proceedings of the 2019 ACM International Symposium on Wearable Computers, 2019: 363–366].

Sie ermög­li­chen es etwa, mit Hil­fe von Com­pu­ter- und Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie den Trä­ger gesund­heit­lich zu unter­stüt­zen und des­sen Wohl­be­fin­den zu för­dern. Das Kon­zept der “trag­ba­ren Tech­no­lo­gien”, zu denen auch soge­nann­te kör­per­na­he Elek­tro­nik (“Weara­bles”) zählt, setzt einen inter­dis­zi­pli­nä­ren Dis­kurs ver­schie­de­ner Fach­rich­tun­gen vor­aus, um ziel­ge­rich­tet nutz­brin­gen­de Lösun­gen zu ent­wi­ckeln. Dies kann unter ande­rem in digi­ta­len Fer­ti­gungs­la­bo­ren (kurz “Fab­La­bs”) gesche­hen. Fab­La­bs sind Orte, an denen inter­dis­zi­pli­när gear­bei­tet wird und wo Men­schen gemein­sam for­schen und Objek­te fer­ti­gen – auch im Hin­blick auf die Ent­wick­lung von All­tags­hil­fen. Mit den dort ver­füg­ba­ren moder­nen Fer­ti­gungs­ver­fah­ren erstel­len sie bei­spiels­wei­se Pro­to­ty­pen, die an die Bedürf­nis­se von Men­schen mit Behin­de­run­gen ange­passt sind. Sol­che Lösun­gen wer­den häu­fig im Netz­werk der Fab­La­bs ver­teilt und (dezen­tral) wei­ter­ent­wi­ckelt. In die­sem Arti­kel wird der kol­la­bo­ra­ti­ve Pro­zess der Ent­wick­lung und Her­stel­lung einer indi­vi­du­el­len All­tags­hil­fe in einem sol­chen Rah­men vor­ge­stellt: die Ent­wick­lung eines Unter­arm­wär­mers für eine rech­te Arm­pro­the­se. Dies geschah in Zusam­men­ar­beit zwi­schen dem Fab­Lab Kamp-Lint­fort (Deutsch­land) und der Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­ti­on My Human Kit (Frank­reich).

Ein­lei­tung

Fab­La­bs: Räu­me für Inno­va­ti­ons­ent­wick­lung und dezen­tra­le Entwicklungsnetzwerke

Die moder­nen Metho­den der digi­ta­len Fer­ti­gung (etwa 3D-Druck, Laser­schnei­den, Mikro­elek­tro­nik etc.) bie­ten eine enor­me Fle­xi­bi­li­tät 1 2. Sie erlau­ben es, Pro­to­ty­pen ori­gi­nal­ge­treu — d. h. dem spä­te­ren Ver­wen­dungs­zweck ent­spre­chend – zu ent­wi­ckeln und dabei sowohl tech­ni­schen als auch gestal­te­ri­schen (opti­schen) Maß­stä­ben zu ent­spre­chen. Aber nicht nur der Zugang zu die­sen moder­nen Umset­zungs­ver­fah­ren ist bedeut­sam, son­dern ins­be­son­de­re der inten­si­ve Aus­tausch der Fab­La­bs unter­ein­an­der trägt maß­geb­lich zu einer gemein­sa­men (also kol­la­bo­ra­ti­ven) Lösungs­fin­dung bei. Dies geht damit ein­her, dass sich gleich­ge­sinn­te und inter­es­sier­te Per­so­nen unter­schied­li­cher Dis­zi­pli­nen am Ent­ste­hungs­pro­zess betei­li­gen. Die The­men­wahl ist dabei eben­so divers.

In die­sem Bei­trag wird die “co-krea­ti­ve” Ent­wick­lung im medi­zi­ni­schen und ins­be­son­de­re im ortho­pä­di­schen Bereich mit Fokus auf die Indi­vi­dua­li­sie­rung der Lösung für die jewei­li­gen Anwen­der behan­delt. Dazu trägt das “Rapid Pro­to­ty­p­ing” maß­geb­lich bei, denn es ermög­licht eine schnel­le und genaue Anpas­sung bzw. Kor­rek­tur am Pati­en­ten – unter enger Abstim­mung zwi­schen The­ra­peu­ten, Desi­gnern und Prak­ti­kern 3. Im Prin­zip sind Fab­La­bs, spe­zi­ell das Fab­Lab Kamp-Lint­fort, Labo­re, in denen Wis­sen­schaft, Tech­nik und Inno­va­ti­on glei­cher­ma­ßen berück­sich­tigt wer­den. Da sie an Hoch­schu­len ange­sie­delt sind, ermög­li­chen sie den Aus­tausch von wis­sen­schaft­li­chen Ansät­zen zwi­schen Stu­di­en­grup­pen, eine enge Bezie­hung zur Indus­trie und eine Inter­ak­ti­on mit ortho­pä­di­schen Häu­sern. Auf die­se Wei­se leis­ten sie eine effi­zi­en­te und inte­gra­ti­ve Zusam­men­ar­beit für und mit Men­schen mit Behin­de­run­gen in der Praxis.

E‑Textilien im FabLab-Kontext

Der Bereich der E‑Textilien hat sich in den letz­ten Jah­ren als ein For­schungs­schwer­punkt in Fab­La­bs 4 her­aus­ge­bil­det. Beson­ders inter­es­sant ist in die­sem Zusam­men­hang die Tat­sa­che, dass dabei rela­tiv kom­ple­xe Elek­tro­nik und Tech­nik für die Ent­wick­lung unmit­tel­bar ver­wend­ba­rer Pro­duk­te genutzt wird, die letzt­lich aber auch intui­tiv bedien­bar sein müs­sen. Um dies zu ermög­li­chen, wird ver­ein­tes metho­di­sches Wis­sen aus den Berei­chen Infor­ma­tik, Mecha­nik bzw. Mecha­tro­nik, Elek­tro­tech­nik, Design sowie Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten genutzt. Um neue E‑Textilien zu ent­wi­ckeln 5, ist es hilf­reich, mit Hil­fe von Pro­to­ty­pen zu prü­fen, wie sich ein ver­wen­de­tes Mate­ri­al in der Anwen­dung ver­hält, bei­spiels­wei­se in Bezug auf Fle­xi­bi­li­tät, Bewe­gungs­frei­heit und Volu­men des Indi­vi­du­ums. Dabei kön­nen digi­ta­le Fer­ti­gungs­pro­zes­se hel­fen, die Anwen­dung von Tex­ti­li­en zu opti­mie­ren. Im Fol­gen­den wer­den die vier übli­chen Schrit­te inner­halb der digi­ta­len Fer­ti­gung vor­ge­stellt, die im Pro­to­typ-Pro­zess von E‑Textilien typi­scher­wei­se durch­lau­fen werden:

  1. Vom 3D-Scan zum Schnitt­mus­ter: 3D-Scan­nen des Kör­per­teils, gefolgt vom Pro­zess der Umwand­lung des 3D-Modells in 2D-Schnitt­mus­ter und dem Laser­schnei­den der Textilteile
  2. “Sti­cke­rei” 6: Inte­gra­ti­on elek­tro­ni­scher Schal­tun­gen; Ver­bin­dung des Stof­fes mit fes­ten Kom­po­nen­ten auf den inte­grier­ten Lei­ter­plat­ten mit Hil­fe digi­ta­ler und manu­el­ler Sticktechniken
  3. Elek­tro­nik­de­sign und ‑pro­duk­ti­on: Anpas­sung elek­tro­ni­scher Kom­po­nen­ten und Inte­gra­ti­on von Textilteilen
  4. Zusam­men­bau: Nähen und Mon­ta­ge der Tei­le des Textilprojekts

Bevor auf die Ein­zel­hei­ten der Umset­zung inner­halb der vier Pha­sen ein­ge­gan­gen wird, wird ein Über­blick über die Bedeut­sam­keit, die Mög­lich­kei­ten und die Aus­wahl geeig­ne­ter Mate­ria­li­en zur Ver­wen­dung in E‑Textilien vermittelt.

Leit­fä­hi­ge Textilien

Leit­fä­hi­ge Tex­ti­li­en sind der pas­si­ve Mate­ri­al­teil der E‑Textilien, der die trag­ba­re Elek­tro­nik erst ermög­licht, da die­se Mate­ria­li­en an den mensch­li­chen Kör­per ange­passt wer­den kön­nen. Vor etwa zehn Jah­ren 7 wur­den ers­te Stu­di­en zur Anpas­sung die­ser Tex­ti­li­en durch­ge­führt, ins­be­son­de­re in der medi­zi­ni­schen Indus­trie. Drei Ent­wick­lungs­schrit­te bei leit­fä­hi­gen Tex­ti­li­en sind in die­sem Zusam­men­hang wesentlich:

  • Zum einen sind die Sen­so­ren und Aktua­to­ren in den ver­gan­ge­nen Jah­ren klei­ner, zuver­läs­si­ger und ein­fa­cher in der Anwen­dung gewor­den 8.
  • Zum ande­ren wur­den im Bereich der Tex­til­tech­nik neue und ver­bes­ser­te elek­trisch leit­fä­hi­ge Fäden ent­wi­ckelt, die in tex­ti­len Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen wie Stri­cken, Weben und Sti­cken ein­ge­setzt wer­den können.
  • Drit­tens wur­den im Bereich der Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie wesent­lich effi­zi­en­te­re Algo­rith­men zur Daten­ver­ar­bei­tung und ‑aus­wer­tung erarbeitet.

Die­se Ent­wick­lun­gen haben den prä­zi­sen Ein­satz des E‑Tex­til-Pro­to­ty­pings im Fab­Lab-Kon­text ermög­licht, obwohl die­se Mate­ria­li­en sowohl in der soge­nann­ten Maker-Com­mu­ni­ty (als “Maker” wer­den die Nut­zer von Fab­La­bs bezeich­net) als auch in der Ortho­pä­die­tech­nik noch nicht sehr bekannt sind. Die Tabel­len 1 und 2 zei­gen auf, wel­che Tex­ti­li­en für das E‑Tex­til-Pro­to­ty­p­ing bei der kon­zep­tio­nel­len Ent­wick­lung von Assis­tenz­sys­te­men in den Fab­La­bs ver­wen­det werden.

Die­ser Arti­kel beschreibt am Bei­spiel der Her­stel­lung eines beheiz­ba­ren Unter­arm­wär­mers die zahl­rei­chen Mög­lich­kei­ten der Inte­gra­ti­on von E‑Textilien und digi­ta­len Fer­ti­gungs­tech­ni­ken für All­tags­hil­fen im Kon­text von Fab­La­bs. Dabei wer­den eini­ge Werk­zeu­ge und ver­schie­de­ne Bear­bei­tungs­tech­ni­ken vor­ge­stellt. Die Fall­stu­die ver­deut­licht die Her­aus­for­de­run­gen, die durch die Inte­gra­ti­on fle­xi­bler Elek­tro­nik in Tex­ti­li­en und die Ent­wick­lung eines indi­vi­du­el­len Pro­to­typs im Fab­Lab entstehen.

Fall­stu­die: Her­stel­lung eines beheiz­ba­ren Unter­arm­wär­mers für einen Men­schen mit Handamputation

Der fol­gen­de Abschnitt beschreibt Schritt für Schritt das Kon­zept und die Fer­ti­gung eines beheiz­ba­ren Unter­arm­wär­mers für einen Nut­zer mit Hand­am­pu­ta­ti­on, der selbst in der Maker-Sze­ne enga­giert ist und somit ein beson­ders kun­di­ger Nut­zer ist, der ein pro­fes­sio­nel­les Feed­back zum fer­ti­gen Pro­dukt lie­fern kann.

Ana­mne­se

Nico­las Huchet ist Grün­der von My Human Kit (myhumankit.org), einer Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­ti­on im west­fran­zö­si­schen Ren­nes, die sich seit meh­re­ren Jah­ren mit der Ent­wick­lung tech­ni­scher Hilfs­mit­tel bzw. All­tags­hil­fen für Men­schen mit Behin­de­run­gen in einem Fab­Lab befasst. Nico­las Huchet ist selbst ein Betrof­fe­ner: Sei­ne rech­te Hand muss­te nach einem Arbeits­un­fall mit einer hydrau­li­schen Pres­se im Jahr 2002 ampu­tiert wer­den. Da er die ver­schrie­be­ne Pro­the­se als unzu­rei­chend emp­fand, ent­wi­ckel­te er sei­ne eige­ne kom­ple­xe Hand­pro­the­se (“bio­ni­sche Hand”), zudem ver­schie­de­ne All­tags­hil­fen, die er an sei­ne Hand anpas­sen kann, um sei­nen täg­li­chen Akti­vi­tä­ten nach­zu­ge­hen. Sowohl in Frank­reich als auch in Deutsch­land ist die Arbeit von Nico­las Huchet auf gro­ßes media­les Inter­es­se gesto­ßen (u. a. meh­re­re Fernsehberichte).

Aller­dings besteht ein Pro­blem, für das bis dato noch kei­ne befrie­di­gen­de Lösung gefun­den wer­den konn­te: Im Win­ter bei nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren friert er stark am Unter­arm. Dies geht mit Schmer­zen ein­her und ist unab­hän­gig davon, ob die Hand­pro­the­se getra­gen wird oder nicht. In die­sem Zusam­men­hang ent­stand die Idee, einen beheiz­ba­ren Arm­wär­mer zu ent­wi­ckeln, der von Men­schen mit Arm­am­pu­ta­ti­on mit oder ohne Pro­the­se getra­gen wer­den kann.

Model­lie­rung: von 3D zu 2D

Da der Betrof­fe­ne in Frank­reich lebt, bestand eine wich­ti­ge Anfor­de­rung dar­in, den von dort über­mit­tel­ten 3D-Scan sei­nes Unter­arms zu ver­wen­den, um so sei­ne Ver­sor­gung maß­ge­nau anpas­sen zu kön­nen. Die­ser Vor­gang wur­de bereits vor­her durch­ge­führt (Abb. 1). Der 3D-Scan basiert auf einem zuvor genom­me­nen Gips­ab­druck. Dies ermög­licht ein sau­be­res Modell und eine grö­ße­re Genau­ig­keit, weil eine Ver­zer­rung durch Bewe­gun­gen ver­mie­den wird. Auch die Maße sei­ner Arme wur­den über­prüft, um den 3D-Scan anzu­pas­sen, falls es eine Abwei­chung zwi­schen der hän­di­schen Mes­sung und dem Maß des 3D-Scans geben sollte.

Auf der Grund­la­ge des gene­rier­ten 3D-Scans wur­de ein 3D-Netz­mo­dell mit einer Open-Source-Soft­ware bear­bei­tet (Abb. 2a und b), in der Unvoll­kom­men­hei­ten des Scans repa­riert wer­den konn­ten. Im Anschluss wur­den die Schnitt­tei­le berech­net, aus denen der Unter­arm­wär­mer spä­ter bestehen soll­te. Zum Schluss wur­den die auf die­se Wei­se erstell­ten 3D-Schnitt­mus­ter in 2D-Schnitt­mus­ter umge­wan­delt. Mit die­sem spe­zi­el­len Ver­fah­ren ist es mög­lich, Schnitt­mus­ter indi­vi­du­ell für den Trä­ger zu opti­mie­ren, statt wie üblich aus einem 2D-Schnitt das 3D-Ori­gi­nal zu erstel­len und an den Nut­zer anzupassen.

Sodann wur­den die Schnitt­mus­ter mit dem Laser geschnit­ten. Mit Hil­fe der ver­wen­de­ten Soft­ware ist eine adap­ti­ve Ana­ly­se der Krüm­mung und des Ent­wurfs des 3D-Net­zes mög­lich, wobei eine Plani­me­trie des Modells erstellt wird. Die­se Soft­ware hat den Vor­teil, dass dem Mate­ri­al bestimm­te Eigen­schaf­ten – in die­sem Fall Stoff oder ein fle­xi­ble­res Tex­til – zuge­wie­sen wer­den kön­nen, wie in Abbil­dung 2c zu sehen ist (Abb. 2d). Zudem kön­nen Naht­zu­ga­ben frei gewählt wer­den. Für die­ses Modell wur­de ein Baum­woll- und Poly­es­ter­ge­we­be genutzt, um ein ein­fa­ches Waschen sowie eine leich­te Inte­gra­ti­on leit­fä­hi­ger Tex­ti­li­en zu ermöglichen.

Schal­tungs­ent­wurf

Eine Grund­schal­tung zum Ein- und Aus­schal­ten der Hei­zung des Unter­arm­wär­mers wur­de her­ge­stellt. Das Design 9 der Schal­tung für die Ver­bin­dung zur Hei­zung muss­te zwei Anfor­de­run­gen erfüllen:

  1. Sie muss sehr klein sein, um wenig Flä­che zu benötigen.
  2. Sie muss eine Ver­bin­dung zu den in den Unter­arm­wär­mer ein­ge­ar­bei­te­ten Heiz­gar­nen ermöglichen.

Es gab drei Ver­su­che, die Schal­tung zu rea­li­sie­ren (Abb. 3a u. b). Der ers­te Ent­wurf wur­de aus einem leit­fä­hi­gen Tex­til aus Poly­amid mit ver­sil­ber­tem Kup­fer 10 her­ge­stellt. Dies ist ein sehr emp­find­li­ches Gewe­be, da die Strän­ge durch Rei­bung leicht beschä­digt wer­den kön­nen. Die Bestü­ckung der Lei­ter­plat­te wur­de zwar fer­tig­ge­stellt (Abb. 4a u. b), aber die mecha­ni­sche Belas­tung bei der Betä­ti­gung des Schal­ters war zu groß.

Der zwei­te Ver­such wur­de mit einem Kup­fer­band unter Ver­wen­dung eines Plot­ters (in die­sem Fall mit einem Mes­ser aus­ge­stat­tet) unter­nom­men. Es wur­den drei Schich­ten gelegt: ein fle­xi­bles PP-Sub­strat und zwei Schich­ten Kup­fer­band als Abdeck­band über der Mat­te, um eine Sand­wich-Kon­struk­ti­on her­zu­stel­len. Eine drit­te Ver­si­on der Plat­te (Abb. 6) wur­de mit einer FR2-kaschier­ten Lei­ter­plat­te als Sub­strat her­ge­stellt. Die­ses Mate­ri­al wird übli­cher­wei­se für die Her­stel­lung von Pla­ti­nen ver­wen­det, da es eine her­vor­ra­gen­de Leit­fä­hig­keit gewähr­leis­tet. Zusätz­lich wur­den jedoch auch ande­re Tests durch­ge­führt, z. B. das Gie­ßen der Plat­te aus Kunst­stoff, um die Kom­po­nen­ten zu iso­lie­ren und sie im Wasch­pro­zess zu schützen.

Sti­cke­rei

Die­ses Ver­fah­ren wird zur Her­stel­lung des Stick­mus­ters für den Heiz­draht des Wär­me­ak­tua­tors ver­wen­det. Zuvor wur­den ver­schie­de­ne Arten von Gar­nen getes­tet, um fest­zu­stel­len, wel­che davon Wär­me am bes­ten über­tra­gen kön­nen: Ver­gli­chen wur­den Gar­ne der Her­stel­ler Sil­ver­Tech und Karl Grimm 11 12. Letz­te­res ist das Garn, das die Wär­me am bes­ten über­trägt. Das Verfahren:

  • Ent­wurf und Sti­che: Um die Elas­ti­zi­tät des Stof­fes zu erhal­ten, wur­de ein Zick­zack­mus­ter imple­men­tiert (Abb. 7c), das auch das Schnitt­mus­ter auf­nimmt. Dabei ist zu beach­ten, dass nor­ma­ler­wei­se der Unter­fa­den die Span­nung aus­glei­chen muss, da er dün­ner ist als der Oberfaden.
  • Ein­rich­ten der Maschi­ne: Karl-Grim High-Flex 13 hat auf­grund der Kup­fer­fa­ser­zu­sam­men­set­zung eine hohe Rei­bung. Es wird, wie in Abbil­dung 7 gezeigt, als Unter­fa­den ver­wen­det (Abb. 7a u. b). Dadurch befin­det sich der Heiz­fa­den nur an der Unter­sei­te des Tex­tils, wodurch der Faden zur Ober­sei­te des Tex­tils iso­liert wur­de und somit kein direk­ter Haut­kon­takt entsteht.

Mon­ta­ge

Nach­dem die jewei­li­gen Funk­ti­ons­tests des Aktua­tors mit der Pla­ti­ne durch­ge­führt wor­den waren, erfolg­te die Befes­ti­gung der ent­spre­chen­den Faden­ver­bin­dun­gen an der fle­xi­blen Pla­ti­ne, die als zwei­ter Schal­tungs­ver­such her­ge­stellt wor­den war. Schließ­lich wur­den die bei­den Tex­til­tei­le sowie der gesam­te Unter­arm­schutz zusam­men­ge­baut (Abb. 8). Zum Schluss wur­den die Pla­ti­ne sowie der Akku mit dem Heiz­tra­cing-Pad ver­bun­den. Wäh­rend der Akku zum Waschen pro­blem­los ent­fernt wer­den kann, muss die Naht, mit der die Pla­ti­ne befes­tigt ist, geöff­net und spä­ter wie­der geschlos­sen wer­den. Hier müss­te bei wei­te­ren Pro­to­ty­pen eine prak­ti­ka­ble­re Lösung gefun­den werden.

Ergeb­nis

Der ers­te Ein­druck des Nut­zers nach 15 Tagen war posi­tiv: Der Pro­to­typ kommt sei­ner Ide­al­vor­stel­lung sehr nahe (Abb. 8a u. b). Es muss­ten aber noch klei­ne­re Kor­rek­tu­ren vor­ge­nom­men wer­den, vor allem am Ver­schluss des Unter­arm­wär­mers. Zudem soll­te nach Auf­fas­sung des Nut­zers die Heiz­flä­che künf­tig näher ans Stump­fen­de ver­legt wer­den, damit er den Wär­mer zusam­men mit der Pro­the­se nut­zen kann.

Schließ­lich stell­te sich das Laden des Akkus als Hür­de her­aus. Wün­schens­wert wäre es für den Nut­zer, einen Akku zu ver­wen­den, der leich­ter zugäng­lich ist, sodass das Her­aus­neh­men und anschlie­ßen­de Laden kein Hemm­nis darstellt.

Fazit und Ausblick

Wie gezeigt wur­de, kön­nen Fab­La­bs im hier vor­ge­stell­ten Zusam­men­hang leis­tungs­fä­hi­ge Räu­me für die Ent­wick­lung inno­va­ti­ver E‑Textilien sein. Dies ermög­licht eine Wei­ter­ent­wick­lung von All­tags­hil­fen, die direkt vom Pati­en­ten getra­gen wer­den kön­nen. Fol­gen­de Ein­satz­mög­lich­kei­ten erge­ben sich aus den Erfah­run­gen des hier vor­ge­stell­ten explo­ra­ti­ven Projekts:

Mög­li­cher Ein­satz in der ortho­pä­di­schen Industrie

Tech­nisch ist die­ser Pro­to­typ sicher­lich inter­es­sant für eine Wei­ter­ent­wick­lung in Bezug auf die Funk­tio­na­li­tät elek­tro­ni­scher Pro­the­sen. So könn­te ein Heiz­ele­ment bei­spiels­wei­se zusam­men mit einer Pro­the­se ange­passt wer­den. Dies wür­de bei einer myo­elek­tri­schen Pro­the­se mög­li­cher­wei­se auch die Strom­ver­sor­gung des Heiz­ele­men­tes opti­mie­ren. Für Wär­me­sys­te­me wird eine rela­tiv hohe Leis­tung benö­tigt, sodass die Ver­bin­dung mit der im Pro­the­sen­sys­tem ver­wen­de­ten Bat­te­rie ide­al wäre. Auch die Rege­lung der Hei­zung zusam­men mit den Sen­so­ren zur Tem­pe­ra­tur­mes­sung für die intel­li­gen­te Akti­vie­rung des Geräts könn­te über die Pro­the­se gesteu­ert werden.

Inter­dis­zi­pli­nä­rer Kontext

Die Fra­ge­stel­lung die­ses Pro­jekts könn­te für Inter­es­sier­te aus ver­schie­de­nen Berei­chen wie Mode, Bio­me­cha­nik und elek­tro­ni­schen Fach­rich­tun­gen wei­ter­ge­führt wer­den. Aus Sicht der Autorin ist es erstre­bens­wert, dass mehr Fab­La­bs und Hoch­schu­len ihr Wis­sen in inter­dis­zi­pli­nä­ren Sze­na­ri­en aus­tau­schen, um ein neu­es Netz­werk von Assis­tenz­sys­te­men in einem deutsch-fran­zö­si­schen Aus­tausch­kon­text zu schaf­fen. Die Koope­ra­ti­on zwi­schen My Human Kit und dem Fab­Lab in Kamp-Lint­fort könn­te dabei ein geeig­ne­tes Vor­bild für eine sol­che Wei­ter­ent­wick­lung sein. Die­se Form der Co-Krea­ti­on kann künf­ti­ge Ent­wick­lun­gen in der Ortho­pä­die­tech­nik för­dern – ins­be­son­de­re in Bezug auf die Ästhe­tik und die Funk­tio­na­li­tät von Alltagshilfen.

Dank­sa­gung

Die Umset­zung die­ses Pro­jekts fin­det im Fab­Lab Kamp-Lint­fort der Hoch­schu­le Rhein-Waal statt und wur­de unter­stützt durch das Pro­jekt “3D-Kom­pe­tenz­zen­trum” (3dzentrumniederrhein.de/fabtalks). För­de­rung erfährt es zudem durch das Pro­jekt “Emscher-Lip­pe hoch 4” (el4.org), das die Ent­wick­lung und For­schung der Digi­ta­li­sie­rung für und mit Men­schen mit Beein­träch­ti­gung fördert.

Die Autorin dankt für die Unter­stüt­zung. Sie bedankt sich zudem bei Nico­las Huchet für die Initi­ie­rung des deutsch-fran­zö­si­schen Erfah­rungs­aus­tau­sches der Maker und bei Ahmed Bel­al für die stän­di­ge Unter­stüt­zung und die Über­ar­bei­tung der elek­tro­ni­schen Schal­tun­gen. Schließ­lich dankt die Autorin Prof. Dr. Kars­ten Nebe und Kers­tin Hel­mer­dig für die redak­tio­nel­le und inhalt­li­che Unterstützung.

Die Autorin:
Adria­na Cabrera
Seni­or­be­ra­te­rin Inno­va­ti­on & Produktentwicklung
Matrix GmbH & Co. KG
Schloss Elbroich/Am Fal­der 4
40589 Düs­sel­dorf
Gast­wis­sen­schaft­le­rin
Hoch­schu­le Rhein-Waal
Fab­Lab Kamp-Lintfort
Fried­rich-Hein­rich-Allee 25
47475 Kamp-Lint­fort
cabrera@matrix-gmbh.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

 

Zita­ti­on Cabre­ra A. Digi­ta­le Fer­ti­gung und E‑Textilien zur Ent­wick­lung von All­tags­hil­fen für Men­schen mit Ampu­ta­ti­on. Eine Fall­stu­die. Ortho­pä­die Tech­nik, 2020; 71 (7): 36–40
Leit­fä­hi­ge Gar­neAnwen­dung
Anwen­dung im FabLab
Durch­schnitt­li­cher Oberflächenwiderstand
Faden­art
High-Flex Nr. 4355 Kup­fer blank Quel­le: Grimm K. Karl Grimm. [Quelle:http://www.karl-grimm.com/ (Zugriff am 23.06.2020)]
elek­tro­ni­sche Tex­ti­li­en, Sen­sor­ka­bel, Abschir­mung, Spe­zi­al­ka­bel, Heiztechnik
löt­fä­hi­ges Garn, Anschlüs­se für Hei­zung und akus­ti­sche Muster
ca. 1,3 Ω/m
Garn (gezwirnt)
Kup­fer blank 14/ooo ver­sil­bert 3981 7×1‑fach ver­seilt [Quel­le: Wil­son P. How to get what you want. www.kobakant.at/DIY (Zugriff am 25.07.2018)]
elek­tro­ni­sche Tex­ti­li­en, Sen­sor­lei­tun­gen, Abschir­mung, Spe­zi­al­ka­bel, Heiztechnik
löt­fä­hi­ges Garn, Anschlüs­se Hei­zung und akus­ti­sche Muster
ca. 1,3 Ω/m
Garn (gezwirnt)
Sil­ver Tech °30 [Quel­le: Amann Group. Con­duc­ti­ve sewing & embro­idery thread: Sil­ver-tech. www.amann.com/products/product/silver-tech/ (Zugriff am 30.04.2020) und Imbut. Dienst­leis­tun­gen und Ent­wick­lungs­part­ner für smar­te Tex­ti­len: smart tex­ti­les solu­ti­ons. www.imbut.de/ (Zugriff am 07.05.2020)]
Stick­garn mit Sil­ber­be­schich­tung für leit­fä­hi­ge Näh­te und Oberflächen
kapa­zi­ti­ve Sen­sor­flä­chen, Ver­bin­dun­gen und Anschlüs­se, wenig Rei­bung und opti­mal für digi­ta­le Stickerei
85 Ω/m
Stick­garn (gezwirnt)
Tab. 2 Über­sicht über aus­ge­wähl­te Tex­ti­li­en und leit­fä­hi­ge Mate­ria­li­en, die in der digi­ta­len Fer­ti­gungs­pra­xis in Fab­Lab-Kon­tex­ten ver­wen­det werden.
Leit­fä­hi­ge Gewebe
Anwendung
Anwen­dung im FabLab
Durch­schnitt­li­cher Oberflächenwiderstand
Textilart
Shieldex® Kas­sel RS Quel­le: Sta­tex. Tech­ni­cal Data Sheet Shieldex® Kas­sel. https://statex.de/wp-content/uploads/2020/04/ShieldexKassel_V.01.pdf” (Zugriff am 29.04.2020)
hoher Schutz gegen gal­va­ni­sche Kor­ro­si­on, extrem hohe Fle­xi­bi­li­tät, Außen­haut für EMI/R­FI-Kabel­ab­schir­mung
Tra­cing von Schal­tun­gen und mecha­ni­schen Verbindungen
0,03 Ω/□
Gewe­be (“woven fabric”)
Shieldex® Prag Quel­le: Sta­tex. Tech­ni­cal Data Sheet Shieldex® Prag. https://statex.de/wp-con-tent/uploads/2020/04/ShieldexPrag_V.04.pdf” (Zugriff am
30.04.2020)
leit­fä­hi­ges Gewe­be zur all­ge­mei­nen Ver­wen­dung, Basis­ma­te­ri­al für EMI/RFI
Schal­tun­gen für Lei­ter­plat­ten, die mit Laser­schnei­dern und Schnei­de­plot­tern her­ge­stellt wer­den, mecha­ni­sche Verbindungen
0,05 Ω/□
Gewe­be (“woven fabric”)
Shieldex® Sil­ver Jerse
Basis­ma­te­ri­al für anti­bak­te­ri­el­le, fun­gi­zi­de und leicht abge­schirm­te Kleidung
Deh­nungs­sen­sor, anti­bak­te­ri­el­les Material
15 Ω/□
Gestrick (“knit­ted fabric”)
Shieldex® Med­tex P70 14Sta­tex. Tech­ni­cal Data Sheet Shieldex® Silitex_P130. https://statex.de/wp-content/uploads/2020/04/ShieldexSilitex_P130_V.06.pdf”(Zugriff am 30.04.2020) anti­bak­te­ri­el­les Gewe­be, fun­gi­zi­de Pro­duk­te, Basis­ma­te­ri­al für Matratzen/Kissenbezüge zum Schutz vor All­er­ge­nen, medi­zi­ni­sche Klei­dung, Kompressionswickel
Ver­bin­dung von Deh­nung­s­pu­ren, anti­bak­te­ri­el­les Material
0,6 Ω/□
Gestrick (“knit­ted fabric”)
Tab. 2 Über­sicht über aus­ge­wähl­te Tex­ti­li­en und leit­fä­hi­ge Mate­ria­li­en, die in der digi­ta­len Fer­ti­gungs­pra­xis in Fab­Lab-Kon­tex­ten ver­wen­det werden.
  1. Hur­ley UK. In the making: Digi­tal fabri­ca­ti­on and disa­bi­li­ty. Wilm­ing­ton (USA): Ver­non Press, 2020
  2. Bueh­ler E et al. Sha­ring is Caring: Assis­ti­ve Tech­no­lo­gy Designs on Thin­gi­ver­se. Pro­cee­dings of the 33rd Annu­al ACM Con­fe­rence on Human Fac­tors in Com­pu­ting Sys­tems, 2015: 525–534
  3. Bos­se IK, Pel­ka B. Peer pro­duc­tion by per­sons with disa­bi­li­ties – ope­ning 3D-prin­ting aids to ever­y­bo­dy in an inclu­si­ve Maker­Space. Jour­nal of Enab­ling Tech­no­lo­gies, 2020; 14 (1): 41–53
  4. De Acu­tis A, De Ros­si D. e‑Garments: Future as “Second Skin”? In: Schnee­gass S, Amft O (Hrsg). Smart Tex­ti­les: Fun­da­men­tals, Design, and Inter­ac­tion. Cham (Schweiz): Sprin­ger, 2017: 383–396
  5. Cheng J et al. Tex­ti­le Buil­ding Blocks: Toward Simp­le, Modu­la­ri­zed, and Stan­dar­di­zed Smart Tex­ti­le. In: Schnee­gass S, Amft O (Hrsg.). Smart Tex­ti­les: Fun­da­men­tals, Design, and Inter­ac­tion. Cham (Schweiz): Sprin­ger, 2017: 303–331
  6. Post ER, Orth M, Rus­so PR, Gers­hen­feld N. E‑broidery: Design and fabri­ca­ti­on of tex­ti­le-based com­pu­ting. IBM Sys­tem Jour­nal, 2000; 39 (3.4): 840–860
  7. Jan­sen KMB. How to shape the future of smart clot­hing. Adjunct Pro­cee­dings of the 2019 ACM Inter­na­tio­nal Joint Con­fe­rence on Per­va­si­ve and Ubi­qui­tous Com­pu­ting and Pro­cee­dings of the 2019 ACM Inter­na­tio­nal Sym­po­si­um on Weara­ble Com­pu­ters, Lon­don, United King­dom, 2019; 1037–1039. doi: 10.1145/3341162.3349571
  8. Ber­zows­ka J, Kel­li­her A, Ros­ner DK, Rat­to M, Kite S. Cri­ti­cal Mate­ria­li­ty: Crea­ting Tool­kits and Methods for Enga­ging Mate­ria­li­ty in HCI. Pro­cee­dings of the Thir­te­enth Inter­na­tio­nal Con­fe­rence on Tan­gi­ble, Embedded, and Embo­di­ed Inter­ac­tion, Tem­pe, Ari­zo­na, USA, 2019; 691–694. doi: 10.1145/3294109.3295656
  9. Cabre­ra A. https://github.com/AdrianaCabrera (Zugriff am 19.05.2020)
  10. V Tech­ni­cal Tex­ti­les Inc. Sil­ver­ell® Sil­ver Jer­sey Modal – Sil­ver Grey.https://www.shieldextrading.net/wp-content/uploads/2018/08/8001602002-Silver-Jersey-Modal-Silver-Grey.pdf (Zugriff am 30.04.2020)
  11. Grimm K. Karl Grimm. http://www.karl-grimm.com/ (Zugriff am 23.06.2020)
  12. Wil­son P. How to get what you want. http://www.kobakant.at/DIY/ (Zugriff am 25.07.2018)
  13. Wil­son P. How to get what you want. http://www.kobakant.at/DIY/ (Zugriff am 25.07.2018)
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