Einleitung
Die Inzidenz von Amputationen an unteren Extremitäten variiert weltweit zwischen 3,6 und 68,4 pro 100.000 und steigt in der älteren Population noch weiter an, wo sie 5,6 bis 600 pro 100.000 beträgt 1. Ursächlich dafür sind größtenteils vaskuläre Erkrankungen wie die raucherassoziierte pAVK sowie Makro- und Mikroangiopathien im Rahmen eines Diabetes mellitus. Letztere sind hauptverantwortlich für die meisten Amputationen an den unteren Extremitäten jenseits des 60. Lebensjahres. Patienten mit Diabetes haben ein 10- bis 20-fach erhöhtes Risiko für eine Majoramputation an den unteren Extremitäten als Gesunde 2. Fast ein Drittel der einseitig amputierten Diabetiker wird innerhalb von fünf Jahren auch an der kontralateralen Seite amputiert, was den chronisch progredienten Verlauf der Grunderkrankung widerspiegelt 3 4. Eine allgemeine altersassoziierte Muskelschwäche sowie Gleichgewichts- und Sehstörungen werden im Rahmen eines Diabetes mellitus zusätzlich verstärkt und schränken dabei die Mobilität des Patienten deutlich ein.
Je nach Ausmaß des Extremitätenbefalls wird die entsprechende Amputationshöhe gewählt, wobei es oft innerhalb kürzester Zeit zu Nachamputationen kommen kann. 3,5 bis 9,4 % der Unterschenkelamputierten werden nach durchschnittlich 77 (2 bis 1076) Tagen über dem Kniegelenk nach amputiert 3 5. Oft gehen ein oder mehrere fehlgeschlagene Revaskularisierungsversuche der Extremität einer Amputation voran. Die Erfolgsrate beträgt dabei 4,7 : 1 3.
Eine Amputation auf transfemoralem Niveau ist dabei besonders beeinträchtigend und stellt eine große Herausforderung für den Patienten sowie dessen medizinische und soziale Betreuung dar. Das Ausmaß der Selbstständigkeit sowie die aktuelle Familien- und Wohnsituation sind in diesen Fällen maßgeblich dafür, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt 5.
Im Vergleich zu Unterschenkelamputierten ist die Mobilität nach Verlust des eigenen Kniegelenkes deutlich eingeschränkt. Ältere Studien aus den 80er Jahren zeigen, dass weniger als ein Drittel der Oberschenkelamputierten (OSA) mit einer Prothese mobilisiert werden kann, zumal sich dies durch die moderne Exoprothetikversorgung und verbesserte Rehabilitationsmaßnahmen zum Positiven verändern konnte, sodass laut einer rezenten Studie eine Mobilisierungsrate von 37 % nach einem Jahr angegeben werden kann 5 6. Als negative Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Mobilität werden unter anderem ein hohes Alter, Übergewicht, Demenz, ein schlechter Allgemeinzustand präoperativ, Dialysepflichtigkeit und ein hoher Gebrechlichkeitsindex (mFI) angegeben 5 7 8.
Neben der niedrigeren Lebensqualität besteht auch eine deutlich erhöhte Sturzgefahr bei OSA. Stürze stellen sehr prägende Ereignisse dar und führen zu einer restriktiven Mobilität seitens des Amputierten 9. Darüber hinaus kann es nach einem Sturz oft zu schweren Verletzungen kommen, die eine Hospitalisierung sowie eine weitere Immobilisierung nach sich ziehen. Es entsteht ein Teufelskreis, wodurch eine selbstständige Teilnahme am Alltag erschwert oder sogar unmöglich wird. Die Entwicklung oder Verstärkung einer Depression, die bei dieser Gruppe von Patienten vermehrt aufritt und deren Mobilitätspotenzial stark einschränkt, wird ebenfalls begünstigt 10 11. Die Mortalität beträgt bei Oberschenkelamputierten im ersten Jahr ca. 32 % und ist somit im Vergleich zu Unterschenkelamputierten mit 18 % deutlich erhöht 12. Zur optimalen Remobilisierung eines betagten Patienten nach einer Oberschenkelamputation sollte die prothetische Versorgung speziell im Hinblick auf das Gewicht der Prothese, auf leichte Bedienbarkeit und vor allem auf eine erhöhte Sicherheit erfolgen, um Stürze möglichst zu vermeiden.
60 bis 70 % der Oberschenkelamputierten stürzen mindestens einmal im Jahr und davon etwa 75 % mehrmals, sodass die Sturzgefahr im Vergleich zu gesunden Nichtamputierten doppelt so hoch ist. Dabei ist der Anteil der Stürze auf ebenem Untergrund mit 51 % am größten 13. Prothesenversagen ist neben dem reduzierten mentalen und physischen Allgemeinstatus einer der Hauptgründe für Stürze 14. Die Wahl des geeigneten Kniegelenk- und Fußpassteils spielt in Sachen Sicherheit eine entscheidende Rolle.
Derzeit erfolgt die Entscheidung nach der Einstufung des Patienten in eine bestimmte Aktivitätsklasse. Dabei wird evaluiert, welches motorische Leistungspotenzial der Patient aufweist und welches langfristige Rehabilitationsziel mit dem aktuellen Zustand erreicht werden soll. In der Praxis werden ältere Oberschenkelamputierte aufgrund ihres niedrigen Mobilitätsniveaus (MFCL-K0‑2) vorwiegend mit konventionellen mechanischen Kniegelenken (NMPK) versorgt. Als wichtigste Sicherheitsfunktion eines Kniepassteils dient die Standphasensicherung, die bei niedriger bis mäßiger Aktivitätsklasse durch eine Sperrung, Bremsung oder mechanisch durch einen polyzentrischen Aufbau des Kniegelenkes erfolgt. Fortgeschrittene Exoprothetikpassteile wie mikroprozessorgesteuerte Kniegelenke (MPK) werden seit ihrer Einführung im Jahr 1997 überwiegend jüngeren und aktiveren prothetischen Anwendern der Mobilitätsklassen 3 oder 4 verordnet. Diesbezüglich zeigten etliche Studien signifikante Vorteile von MPKs für aktive Amputierte im Vergleich zu NMPKs 15 16 17 18. Dies ist einerseits durch die dynamische Schwungphasensteuerung von MPKs bedingt, die gerade aktiven Gehern eine rasche Adaptierung an unterschiedliche Situationen und Gehgeschwindigkeiten ermöglicht, andererseits aber spielt auch die inhärent gegebene Stolpersicherheit eine maßgebliche Rolle für das Sicherheitsempfinden und damit auch für das Vermögen zur geteilten Aufmerksamkeit von Patienten. Es liegt auf der Hand, dass insbesondere muskelschwächere, unsichere Geher von der verbesserten Standphasensicherung der MPKs profitieren müssten.
Tatsächlich bestätigt sich dies in der Meta-Analyse von Sawers et al.: Darin wurden 27 Arbeiten auf 9 Outcome-Parameter, darunter Energieverbrauch, Aktivität, Sicherheit, Gangbild, Patientenzufriedenheit, Gesundheit und Lebensqualität, untersucht und bewertet. Im Hinblick auf die Sicherheit zeigte sich eine Reduktion der Stürze und der sturzassoziierten Frustration des Patienten sowie eine verbesserte Stand- und Gangbalance mit einem MPK im Vergleich zum NMPK. So zeigte sich, dass Patienten mit einem mäßigen Aktivitätsniveau eher von einem elektronischen Kniegelenk profitieren konnten als Patienten mit höherem Aktivitätsgrad, da diese im Vergleich kein hohes Sturzrisiko aufweisen 19.
Kannenberg untermauerte diese Hypothese durch seine systematische Übersichtsarbeit, die speziell die Quelldaten von MFCL-K2-Gehern aus 6 relevanten Studien auswertete. In der Analyse von insgesamt 57 Fällen wurde ein Vorteil von MPKs hinsichtlich der Sicherheit, der subjektiven und leistungsabhängigen Mobilität sowie der Zufriedenheit der Nutzer festgestellt. Es konnten bis zu 80 % weniger Stürze mit einem MPK als mit einem mechanischen Kniegelenk verzeichnet werden. Interessanterweise war die objektive leistungsbezogene Mobilität dieser Patienten dabei höher als die selbst wahrgenommene. Dabei erreichten 40 bis 50 % der Probanden ein höheres Aktivitätsniveau. Eine signifikant verbesserte Lebensqualität sowie eine subjektiv höhere Zufriedenheit waren zusätzliche Faktoren, die den Einsatz elektronischer Kniegelenke bei mäßig mobilen Amputierten rechtfertigen könnten 20. Das untersuchte Patientenkollektiv entsprach allerdings hinsichtlich der Amputationsätiologie und des Durchschnittsalters nicht dem der üblicherweise Betroffenen. Da es sich hierbei vor allem um posttraumatische Amputierte handelte, könnte ein höheres Mobilitätspotenzial des Kollektivs für diese Ergebnisse ausschlaggebend sein. Zudem wurde die Qualität der inkludierten Studien in den Meta-Analysen vor allem auch aufgrund der niedrigen Fallzahlen nur mit „schwach“ bis „moderat“ angegeben.
Gewissermaßen als Konsequenz aus den vorliegenden Daten wurde im Jahr 2014 mit dem Kenevo-Kniegelenk (Ottobock) das erste MPK auf den Markt gebracht, das gezielt auf die Bedürfnisse von MFCL-K2-Gehern abgestimmt wurde. Der Anspruch des Kniemoduls ist es, die Sicherheit der Nutzer dahingehend zu verbessern, dass einerseits die Abhängigkeit von Gehhilfen möglichst gering und die Mobilität möglichst hoch bleibt und dass andererseits auch die Teilhabe auf möglichst hohem Niveau erhalten bleibt. Der Orthopädie-Techniker kann dabei die Standphasensicherung und die Schwungphasenauslösung durch Wählen eines Modus individuell an die Mobilität des Patienten anpassen. Eine Schwungphasensteuerung ist obsolet, da Patienten mit niedriger Aktivität sich nicht mit stark unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten fortbewegen. Ein integrierter Stolperschutz, der unwillkürliche Bewegungen registriert, soll Stürze verhindern, indem unmittelbar nach Registrierung der Widerstand im Kniegelenk erhöht wird. Zusätzlich wird der Nutzer durch eine Aufsteh- und Hinsetzfunktion des Passteils in seiner Basismobilität unterstützt.
Eine randomisierte kontrollierte Studie, in der speziell der Nutzen eines mikroprozessorgesteuerten Kniegelenks für ältere Patienten mit einem Mobilitätslevel unter 3 untersucht wurde, gab es bis dato nicht. Somit bestand ein großer Bedarf, das Kenevo-Gelenk in der vorliegenden Studie möglichst hochwertig in der klinischen Anwendung zu testen und den Nutzen für MFCL-K2-Geher mit möglichst hoher Evidenz zu determinieren. Die Ergebnisse der Studie wurden in den Annals of Physical and Rehabilitation Medicine publiziert 21.
Methoden
35 Personen (27 Männer, 8 Frauen) mit einer Amputation über dem Kniegelenk oder einer Knieexartikulation wurden im Rahmen dieser multizentrischen und multinationalen randomisierten Crossover-Studie in 16 Zentren in Frankreich, Österreich und Deutschland eingeschlossen. 4 der 35 Patienten wurden in der Sonderkrankenanstalt Zicksee in Österreich betreut und nachuntersucht. 24 (68,5 %) hatten eine vaskuläre oder diabetische Amputationsätiologie, 8 (22,9 %) eine traumatisch bedingte Amputation, 4 (11,4 %) wurden aufgrund eines Tumors und 3 (8,6 %) aufgrund einer Infektion amputiert. Das durchschnittliche Alter betrug 65,6 (± 10,1 [48–85]) Jahre. 32 Probanden hatten bei der Randomisierung ein Mobilitätslevel entsprechend MFCL-K2 und konnten sich außerhalb ihrer Wohnung und in fremden Gebäuden bewegen. 3 Patienten wurden auf M FCL-K1 eingestuft (Tab. 1). Einschlusskriterien waren unter anderem eine tägliche Gehdistanz von mindestens 300 m sowie eine erhöhte Sturzgefahr, die laut der Literatur bei einem Timed-up-and-go-Score (TUG) über 19 Sekunden impliziert wird 9. Exkludiert wurden Patienten mit einem Körpergewicht über 125 kg sowie solche mit Achselstützen oder einem Rollator als Hilfsmittel. Es handelte sich bei allen Probanden um langjährige Nutzer von NMPKs (34,3 % gesperrt, 17,1 % Bremskniegelenk, 11,4 % pneumatisch, 31,4 % hydraulisch, 5,7 % offen), die durchschnittlich 61 Monate (± 85,5 [4–324]) vor dem Einschluss in die Studie amputiert wurden.
Die Teilnehmer wurden nach der Randomisierung einer von zwei Behandlungsgruppen zugewiesen:
- Die erste Gruppe behielt ihr NMPK und wurde 30 Tage danach bewertet und anschließend mit dem Kenevo-Gelenk ausgestattet. Darauf folgte die erste Rehabilitationssitzung mit dem elektronischen Kniegelenk, in welcher der Patient lernte, auf ebenen und unebenen Flächen, Rampen und Treppen zu gehen. Nach mindestens 4 weiteren Rehabilitationseinheiten und einer dreimonatigen Akklimatisierungszeit wurde die Evaluierung mit dem Kenevo-Gelenk durchgeführt. Die Probanden wurden anschließend mit ihren ursprünglichen NMPKs rückversorgt.
- Die Teilnehmer der zweiten Gruppe wurden unmittelbar nach der Randomisierung mit dem Kenevo-Gelenk ausgestattet, gefolgt von mindestens 5 Rehabilitationseinheiten und der Evaluierung 3 Monate nach der letzten Sitzung. Sie wurden dann mit ihren anfänglichen NMPKs versorgt und erhielten eine weitere Rehabilitationseinheit. Nach einer 10-tägigen Auswaschphase und 30 weiteren Tagen wurden sie mit dem NMPK bewertet (Abb. 1).
Im Durchschnitt erhielt jeder Patient 6 Physiotherapie-Sitzungen mit dem Kenevo-Kniegelenk. Die durchschnittliche Untersuchungszeit mit dem NMPK betrug 39 Tage, mit dem Kenevo-Kniegelenk 102 Tage. Da 5 Patienten aufgrund eines frühen Rückzugs aus der Studie oder unerwünschter Ereignisse ausgeschlossen werden mussten, erfolgte die ITT-Analyse mit 30 Probanden. 27 Personen wurden in die Per-Protokoll-Analyse einbezogen.
Zur Evaluierung der dynamischen Balance und der objektiven Mobilität diente als primärer Endpunkt der Timed-up-and-go-Test, der in Studien als Sturzrisiko-Prädiktor beschrieben worden ist 9 22. Die anderen drei sekundären Endpunkte waren der Locomotor Capabilities Index (LCI‑5, ein Fragebogen zur Messung der Gehfähigkeit und Mobilität von Beinamputierten), der SF-36 für die Lebensqualität und der QUEST 2.0 für die Patientenzufriedenheit mit Hilfsmitteln.
Ergebnisse
Es konnte eine signifikante Reduktion des TUG-Test-Scores für das Kenevo-Kniegelenk mit einem medianen Mittelwert von 17,9 ([15;4–22,7], P = 0.001) Sekunden im Vergleich zum NMPK gezeigt werden, wo 21,4 ([Q1–Q3 19,3– 26,6]) Sekunden in der PP-Analyse gemessen wurden. Als direkte Folge der verbesserten dynamischen Balance wurden weniger Stürze in den letzten 30 Tagen verzeichnet (Tab. 2). Obwohl die Reduktion der Stürze aufgrund der kleinen Stichprobe keine statistische Signifikanz erreicht hat, ist das Resultat vergleichbar mit anderen Studien, in denen eine deutliche Reduktion um 64 bis 80 % beschrieben wurde 16 17.
Die motorischen Fähigkeiten, die durch das LCI‑5 dargestellt werden, zeigten sowohl eine Verbesserung im Gesamtscore als auch eine signifikante Verbesserung im Hinblick auf die Basisaktivitäten, was nicht überrascht, da viele Funktionen des Passteils grundlegende Aktivitäten wie das Aufstehen und das Treppensteigen unterstützen (Tab. 3). Der LCI‑5 ist zudem als valides Assessment-Tool für den Grad der Unabhängigkeit von Amputierten bekannt 23 24.
Der QUEST‑2.0‑Fragebogen ist ein wichtiges Tool, das die subjektiven Vorteile und die Zufriedenheit mit dem Hilfsmittel dokumentiert. Es konnte eine signifikante Verbesserung der Anwenderzufriedenheit bezüglich der Technologie, des Service sowie der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Kenevo-Kniegelenk festgestellt werden (Tab. 4). Um den Übertragungseffekt zu verringern, wurde die Evaluierung lediglich für die Periode vor dem Wechsel durchgeführt und die zwei Gruppen verglichen. Die wichtigsten Faktoren für die Zufriedenheit in der NMPK-Gruppe waren Sicherheit, Komfort und Gewicht. Teilnehmer, die zuerst mit dem Kenevo-Kniegelenk ausgestattet wurden, wählten als wichtigste Kriterien Sicherheit, Komfort und Effizienz. Im Hinblick auf die Lebensqualität erbrachten alle Kategorien des SF-36 einen deutlichen Trend zur Verbesserung. Signifikante Steigerungen wurden im mentalen Gesamtscore und in allen Domänen mit Ausnahme von körperlichen Schmerzen, allgemeiner Gesundheitswahrnehmung und sozialer Funktionsfähigkeit ermittelt (Tab. 5). Ähnliche Ergebnisse wurden auch im systematischen Review von Sawers beschrieben, in dem die allgemeine Gesundheitswahrnehmung keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Versorgungsarten aufwies, während das Wohlbefinden und die subjektive Lebensqualität nach der Amputation durch eine Versorgung mit einem MPK deutlich gesteigert werden konnten 19.
Diskussion
Zusammengefasst sind klare Vorteile für MFCL-K2-Nutzer mit einem MPK im Vergleich zu einem konventionellen NMPK ersichtlich. Mit einem hohen Evidenzgrad konnte in dieser Studie eine signifikante Verbesserung in Bezug auf dynamische Balance, Mobilität, Anwenderzufriedenheit und Lebensqualität durch die Versorgung älterer Amputierter mit dem Kenevo-Kniegelenk festgestellt werden. Das Wiedererlangen der Mobilität und die gleichzeitige Prävention von Stürzen sind wichtige Faktoren zur Förderung der Unabhängigkeit und der Lebensqualität amputierter Patienten höheren Alters. Initial teure Anschaffungskosten des Prothesenpassteiles sind den volkswirtschaftlichen Kosten gegenüberzustellen, welche die Kosten eines erhöhten Pflegebedarfs und die Folgekosten eines Sturzes beinhalten, um die Kosteneffektivität entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsprinzip zu evaluieren. Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass durch die Versorgung mäßig aktiver Amputierter mit einem MPK das Maß der Notwendigkeit keineswegs überschritten wird, sondern im Gegenteil in manchen Fällen dadurch erst erreicht werden kann. Der Versorgungsalgorithmus für MFCL-K2-Geher sollte somit fundamental neu diskutiert werden. Der Zeitfaktor für eine solche Versorgung dürfte dabei keine unwesentliche Rolle spielen, da sich ein Teil der Probanden nach der Studie weiter verbessern und ein höheres Aktivitätsniveau erreichen konnte. In der Praxis ist die Lernkurve daher in einem Zeitraum von über 6 Monaten anzusetzen. Die Aussagekraft der Tagestestung zur Evaluierung der Qualifikation für eine Versorgung mit einem MPK muss somit in diesem Patientenkollektiv relativiert werden, um Chancengleichheit gegenüber aktiveren Patienten herzustellen.
Fazit
Die Entscheidung, ob ein älterer Patient nach einer Oberschenkelamputation mit einem elektronischen Kniegelenk versorgt wird, sollte erst nach einer ausreichenden Testphase erfolgen, in der der Patient die Chance bekommt, sich an seine neue Lebenssituation zu gewöhnen und Vertrauen in die Technologie zu gewinnen. Dies kann mitunter mehrere Monate dauern und wird durch eine ausgiebige Passteilaustestung während des Rehabilitationsaufenthaltes und die anschließende Verordnung einer Interimsversorgung für 6 Monate erfolgreich in der Praxis angewandt.
Für die Autoren:
Dr. Leonard Ndue
Assistenzarzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
Orthopädisches Klinikum – SKA Zicksee
Otto-Pohanka-Platz
A‑7161 St. Andrä am Zicksee
leonard.ndue@skazicksee.at
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Ndue L, Domayer S. Die Versorgung mäßig aktiver Amputierter mit einem mikroprozessorgesteuerten Kniegelenk. Orthopädie Technik. 2018; 69 (11): 23–29
Intention to treat (ITT) | Per protocol (PP) |
|
---|---|---|
N | 35 | 27 |
Geschlecht | 77,1 % männlich; 22,9 % weiblich | 81,5 % männlich; 18,5 % weiblich |
Amputationsursache | 57,1 % Gefäßerkrankung 11,4 % Diabetes 22,9 % Trauma 11,4 % Tumor 8,6 % Infektion | 57,8 % Gefäßerkrankung 11,1 % Diabetes 22,2 % Trauma 7,4 % Tumor 7,4% Infektion |
Amputationshöhe | 94,3 % transfemoral 5,7 % Knieexartikulation | 96,3 % transfemoral 3,7 % Knieexartikulation |
Alter (Durchschnitt ± SD) [min-max] | 65,6 ± 10,1 Jahre [48 – 85] | 64,5 ± 9,7 Jahre [48 – 80] |
Gewicht (Durchschnitt ± SD) [min-max] | 76,6 ± 16,0 kg [50 – 118] | 77·6 ± 16 kg [50 – 118] |
Größe (Durchschnitt ± SD) [min-max] | 171,3 ± 8,6 cm [154 – 192] | 172,6 ± 9,0 cm [155 – 192] |
Zeit seit Amputation (Durchschnitt ± SD) [min-max] | 61,4 ± 85,5 Monate [4 – 324] | 61,4 ± 85,5 Monate [4 – 324] |
vorherige Versorgung/NMPK | 34,3 % gesperrtes Knie 17,1 % Bremsknie 11,4 % pneumatisches Knie 31,4 % hydraulisches Knie 5,7 % offenes Knie | 33,3 % gesperrtes Knie 18,5 % Bremsknie 14,8 % pneumatisches Knie 29,6 % hydraulisches Knie 3,7 % offenes Knie |
Schafttyp | 2,9 % queroval 88,6 % sitzbeinumgreifend 5,7 % für Knieexartikulation | 3,7 % queroval 88,9 % sitzbeinumgreifend 3,7 % für Knieexartikulation |
Fußpassteil | 45,7 % dynamisch mit Carbon 25,7 % dynamisch ohne Carbon 17,1 % mit Gelenk; 11,4 % SACH | 51,9 % dynamisch mit Carbon 14,8 % dynamisch ohne Carbon 18,5 % mit Gelenk; 14,8 % SACH |
51,8 % vaskulär; 11,1 % Diabetes (vaskulär); 22,2 % Trauma; 7,4 % Tumor; 7,4 % Infektion |
Intention to treat (ITT) | Per protocol (PP) |
|||||
---|---|---|---|---|---|---|
NMPK (Sek.) | Kenevo (Sek.) | p‑Wert | NMPK (Sek.) | Kenevo (Sek.) | p‑Wert |
|
Durchschnitt (SD) | 24,8 (8,3) | 21,6 (9,0) | 0,001** | 23,1 (5,4) | 19,4 (5,1) | 0,001** |
Median | 21,8 | 18,2 | 21,4 | 17,9 | ||
Quartile | 19,5 – 28,4 | 16,2 – 25,2 | 19,3 – 26,6 | 15,4 – 22,67 | ||
Min – Max | 15,6 – 49,3 | 12,6 – 51,9 | 15,6 – 36,6 | 12,6 – 30,71 |
||
* < 0,05; ** < 0 ‚01 |
Intention to treat (ITT) | Per protocol (PP) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
NMPK | Kenevo | p‑Wert | NMPK | Kenevo | p‑Wert | |
Global (mean (SD)) | 38,6 (9,5) | 41,7 (7,3) | 0,006 ** | 40,3 (7,6) | 42,7 (6,2) | 0,02 * |
Basic (mean (SD)) | 20,1 (4,8) | 21,9 (3,8) | 0,008 ** | 20,8 (4,1) | 22,2 (3,8) | 0,02 * |
Advanced (mean (SD)) | 18,5 (5,5) | 19,8 (5,0) | 0,09 | 19,6 (4,5) | 20,5 (3,8) | 0,16 |
Die Angaben sind Durchschnittswerte; * < 0,05; ** < 0,01. |
Intention to treat (ITT) | Per protocol (PP) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
NMPK | Kenevo | p‑Wert | NMPK | Kenevo | p‑Wert |
|
Global (mean (SD)) | 3·7 (0·8) | 4·4 (1·0) | 0·002 ** | 3·9 (0·4) | 4·6 (0·4) | 0·001 ** |
Services (mean (SD)) | 4·1 (0·7) | 4·5 (1·1) | 0·009 ** | 4·4 (0·5) | 4·8 (0·6) | 0·006 ** |
Technology (mean (SD)) | 3·7 (0·8) | 4·3 (0·8) | < 0·002 ** | 3·8 (0·6) | 4·4 (0·5) | 0·001 ** |
Die Angaben sind Durchschnittswerte; * < 0·05; ** < 0·01. |
Intention to treat (ITT) | Per protocol (PP) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
NMPK | Kenevo | p‑Wert | NMPK | Kenevo | p‑Wert |
|
PCS | 43,1 (6,7) | 45,0 (8,4) | 0,14 | 44,1 (6,3) | 46,3 (7,0) | 0,08 |
MCS | 51,6 (9,7) | 56,0 (7,3) | 0,01 * | 52,9 (9,5) | 56,9 (7,0) | 0,03 * |
PF | 48,3 (19,4) | 56,3 (23,0) | 0,04 * | 51,7 (17,1) | 59,1 (21,2) | 0,07 |
RP | 59,0 (26,0) | 73,3 (28,9) | 0,005 ** | 61,1 (26,5) | 78,0 (25,5) | 0,002 ** |
BP | 64,2 (24,2) | 64,7 (24,4) | 0,9 | 67,4 (22,9) | 67,2 (23,8) | 0,72 |
GH | 72,1 (16,8) | 74,4 (18,3) | 0,31 | 74,0 (16,7) | 77,1 (15,6) | 0,26 |
SF | 83,3 (17,8) | 87,5 (17,7) | 0,16 | 85,2 (17,3) | 88,0 (16,8) | 0,20 |
MH | 74,5 (17,5) | 82,2 (15,4) | 0,009 ** | 76,5 (17,2) | 85,0 (13,2) | 0,007 ** |
RE | 70,6 (25,0) | 81,7 (23,6) | 0,04 * | 74,7 (22,7) | 83,6 (23,5) | 0,12 |
VT | 62,3 (17,6) | 68,3 (19,3) | 0,02 * | 64,9 (16,3) | 70,8 (17,5) | 0,03 * |
Die Angaben sind Durchschnittswerte; * < 0,05; ** < 0,01. | ||||||
PCS = physischer Summen-Score; MCS = mentaler Summen-Score; PF = körperliche Funktionsfähigkeit; RP = körperliche Rollenfunktion; BP = körperliche Schmerzen; GH = allgemeine Gesundheitswahrnehmung; SF = soziale Funktionsfähigkeit; MH = psychisches Wohlbefinden; RE = emotionale Rollenfunktion; VT = Vitalität |
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