Um den Prozess schneller, effizienter und weniger fehleranfällig zu gestalten, hat das Münchener Unternehmen Curevision ein System entwickelt, das die Wunde scannt, automatisch analysiert und den Bericht digital weiterleiten lässt. Die Bearbeitungszeit soll damit von 20 auf 2 Minuten pro Wunde reduziert werden können.
„Die Vermessung der Größe und des Volumens der Wunde stellt einen zeitaufwendigen und umständlichen Schritt im Dokumentationsprozess dar“, erläutert Co-Gründer und Geschäftsführer Richard Fobo die Hintergründe. Zudem sei die Vermessung trotz präziser Arbeit fehleranfällig. Studien zeigten, dass die Wundflächenbestimmung per Papierlineal zu Ungenauigkeiten von bis zu 75 Prozent führen kann. Die Variabilität zwischen verschiedenen Beurteilern sei besonders hoch. „Diese Ungenauigkeiten führen zu Fehleinschätzungen des Heilungsverlaufs und beeinflussen Therapieentscheidungen und das Patientenmanagement negativ.“
Das System von Curevision besteht aus einer desinfizierbaren Hardware – einem tragbaren 3D-Scanner – sowie einer Software. Zur Aufnahme der Bilder kommen drei Sensoren zum Einsatz. Eine 3D-Kamera misst die Wundtiefe, ‑länge und ‑breite, während eine Thermalkamera die Temperatur erfasst und eine weitere Kamera ein hochauflösendes Bild aufnimmt. Eine eigens entwickelte Künstliche Intelligenz (KI) ermittelt den Anteil der relevanten Gewebearten im Wundbett: Granulation, Fibrin und Nekrose. Die Analyse wird auf Knopfdruck durchgeführt und liegt nach wenigen Sekunden vor. Die Versorger können dann den Wunddokumentationsbogen ausfüllen. Anschließend wird automatisch ein Wundbericht als PDF erzeugt, der verschlüsselt versendet oder in die digitale Patientenakte aufgenommen werden kann.
Das Prinzip „Weg vom Papier“ stieß bei Wundtherapeut Ralf Geisel auf offene Ohren. Sowohl in seinem ambulanten Pflegedienst als auch im Wundzentrum setzt er das System ein. „Wenn ich das, was ich jetzt im Wundzentrum mache, alles mit Zetteln machen würde, dann habe ich im Anschluss bestimmt nochmal zwei Stunden Arbeit, nur mit der Schreiberei. Da diese jetzt wegfällt, kann ich in der gleichen Zeit mehr Patient:innen behandeln“, berichtet er. Noch während die Pflegekraft die Patient:innen ambulant versorgt, habe der Einkauf im Büro bereits die digitale Dokumentation vorliegen und könne die benötigten Verbandsmittel direkt bestellen.
„Unsere Lösung ist ein Beispiel dafür, wie Künstliche Intelligenz die Gesundheitsversorgung verbessern kann“, betont Fobo. „Die Technologie ermöglicht eine berührungslose und unabhängige Analyse von Wunden, was die Abhängigkeit von subjektiven Einschätzungen reduziert und die Effizienz des Pflegepersonals erhöht. Ebenso reduziert das System den Zeitaufwand um bis zu 90 Prozent, was dazu führt, dass auch zukünftig eine lückenlose und hochwertige Wundversorgung für alle gewährleistet werden kann, trotz Problemen wie Fachkräftemangel und Überlastung des Gesundheitssystems.“
Anwendung findet das nach der Medial Device Regulation (MDR) zertifizierte System in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten sowie in Sanitätshäusern im Bereich Homecare. Je nach Anforderungen der Kunden ist laut Fobo eine einfache oder komplexe Integration des Systems in bestehende Prozesse der Betriebe möglich. Derzeit arbeitet das Team gemeinsam mit Softwareherstellern an der Entwicklung von Standard-Integrationslösungen. Auch das System selbst soll – basierend auf den Rückmeldungen der Kund:innen – weiter optimiert werden. Die Thermalkamera beispielsweise ist ein noch recht neues Feature. Mit der angepassten Menüführung wurde auch ein Wunsch von Ralf Geisel erfüllt. Weiteres Feedback ist laut Fobo nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich gewollt.
Pia Engelbrecht
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